Aufsätze

Bankenaufsicht und Corporate Governance

Unter Corporate Governance versteht man eine Reihe von Mechanismen, die eine Ausrichtung des Managementhandelns an den Interessen der Eigentümer eines Unternehmens bewirken sollen.1) Dazu zählen etwa die Struktur der Unternehmensorgane und ihre Aufgabenverteilung, aber auch die Märkte für Kapital und für Unternehmenskontrolle sowie die ihre Funktionsweise bestimmenden Faktoren. Zu Letzteren sind Restriktionen aus fehlenden Märkten, der Grad der Unternehmenspublizität bei börsennotierten und anderen Unternehmen, sowie rechtliche Rahmenbedingungen wie das Übernahmerecht oder, im Fall der Kreditinstitute besonders hervorzuheben, die Bankenaufsicht zu zählen.

Gleichgewicht zwischen Expertensicht und Eigentümerperspektive

Die Ausrichtung des Managementhandelns durch Corporate Governance ist nicht gleichzusetzen mit einer Gängelung des Managements unter der Prämisse eines unreflektierten Shareholder-Value-Ansatzes. Corporate Governance beinhaltet zwar auch Arbeitsfelder, in denen es auf die schlichte Vermeidung von für das Unternehmen schädlichen Aktivitäten ankommt. Andererseits gibt es Bereiche, in denen ein Interessenausgleich erforderlich ist. Abbildung 1 veranschaulicht die Zusammenhänge anhand einiger ausgewählter Problemfelder.

Von besonderem Interesse für die folgende Diskussion ist die Frage der fachlichen Eigenlogik in einzelnen Abteilungen des Unternehmens bis hinauf in einzelne Vorstandsressorts. Die Delegation von Entscheidungsrechten an Spezialisten innerhalb des Unternehmens verliert an Wert, wenn der fachlichen Eigenlogik ihres Handelns kein Raum gegeben wird. Setzt sich aber die Eigenlogik als dominierendes Entscheidungskriterium gegen die Oberziele des Unternehmens durch, kann dies den Erfolg und im Extremfall die Existenz des Unternehmens gefährden. Eine gute Corporate Governance findet ein Gleichgewicht zwischen der sachbezogenen Expertensicht und der ergebnisorientierten Eigentümerperspektive.

Ein funktionierendes System der Corporate Governance hat große wirtschaftliche Bedeutung. Es erlaubt, die Anlagebeträge vieler Investoren zur Finanzierung eines Unternehmens heranzuziehen und ermöglicht so den Übergang vom eigentümergeleiteten zum kapitalgeleiteten Unternehmen mit beauftragten Managern.2) Im globalisierten Wettbewerb spielen Effizienzunterschiede im System der Corporate Governance eine große Rolle. Dabei bemisst sich die Effizienz der Corporate Governance darin, wie gut es gelingt, die Ressourcen und insbesondere das investierte Kapital des Unternehmens für die Ziele seiner Kapitalgeber einzusetzen. Die Wirksamkeit der entsprechenden Mechanismen ist ein entscheidender Wettbewerbsfaktor im globalen Wettbewerb um Finanzierungsmittel.3) Länder, die hier kein schlüssiges System anbieten können, müssen mit Entwicklungsrückständen rechnen.

Korrektiv gegen eine Überregulierung

Bankaufsichtliche Normen stehen nicht per se im Gegensatz zu einem effizienten System der Corporate Governance. Die Bankenmärkte sind durch ein Marktversagen bedroht, das seinen stärksten Ausdruck in einem allgemeinen Run auf die Banken finden kann.4) Angesichts der besonderen Vertrauensempfindlichkeit der Bankgeschäfte sind Mechanismen der Verhaltensbindung auch im Interesse der Kreditinstitute. Als staatliche Aufsichtsnormen können sie branchenweit und für alle Marktteilnehmer nachvollziehbar bestimmte Sicherheitsstandards garantieren und so die Wahrscheinlichkeit eines allgemeinen Marktversagens reduzieren. Auch die Eigentümer von Banken werden daher zwar die einzelne gegen ihr Institut gerichtete Maßnahme der Bankenaufsicht ablehnen, die Vorgabe eines bankaufsichtlichen Normensystems für alle Kreditinstitute aber begrüßen.

Eine staatliche Bankenaufsicht ist also eine durchaus sinnvolle Alternative zu einem andernfalls erforderlichen System der Selbstbindung der Kreditinstitute. Ihr fehlt allerdings das einem privatwirtschaftlich organisierten System der Selbstbindung inhärente Korrektiv gegen eine Überregulierung.5) Kreditinstitute können aus einer staatlichen Bankenaufsicht nicht einfach "aussteigen". Darüber hinaus muss die Bankenaufsicht die gesellschaftlichen Kosten eines Versagens der Bankenmärkte in ihrem Aufsichtshandeln berücksichtigen und wird schon von daher zu einem höheren Sicherheitsniveau streben, als dies den Kreditinstituten angemessen erscheint.6) Ein permanenter Konflikt ist damit vorprogrammiert, und es ist für die Bankenaufsicht nur schwer auszumachen, bis zu welchem Punkt sie nur den üblichen Widerständen der Regulierungssubjekte entgegenwirken muss und ab wann die Widerstände auf eine gesamtwirtschaftlich nicht mehr sinnvolle Überregulierung hindeuten.

Ausdruck einer möglichen Überregulierung können hohe direkte Kosten der Regulierung bei den beaufsichtigten Instituten sein.7) Ähnlich gravierende Folgen kann es haben, wenn die Regulierung in das System der Corporate Governance und in die daraus abzuleitenden Ziele der Unternehmensführung in einer Weise eingreift, welche die Funktionsfähigkeit des Systems insgesamt gefährdet. Im Folgenden wird auf zwei mögliche Gefahrenpunkte näher eingegangen, die dem letztgenannten Problemfeld zuzuordnen sind.

Risikomanagement und bankaufsichtliche Einflussnahme

Eine wichtige Funktion der Kreditinstitute wird in ihrer Befähigung zum Umgang mit Risiken gesehen. Das Risikomanagement ist damit eine der zentralen Produktionsfunktionen des modernen Kreditgewerbes. Damit unterscheidet es sich grundlegend von den bankaufsichtlichen Vorgaben, die aus Unternehmenssicht nur eine Nebenbedingung des unternehmerischen Handelns darstellen. Die Entwicklung der bankaufsichtlichen Normsetzung stellt dieses klare Verhältnis jedoch in Frage. Die Bankenaufsicht fungiert als Schrittmacher des internen Risikomanagements, und die Erfüllung der bankaufsichtlichen Normen wird für die Kreditinstitute zunehmend zum Selbstzweck, hinter dem die eigenen Zielsetzungen eines unternehmerischen Risikomanagements zurücktreten.

Abbildung 2 zeigt, wie die Bankenaufsicht auf allen Prozessebenen Einfluss auf das betriebliche Risikomanagement der Banken nimmt und dieses in entscheidenden Fragen determiniert. Die Bankenaufsicht gibt vor, mit welchen Risiken sich Kreditinstitute zu befassen haben, ob und mit welchen Verfahren diese zu messen sind, und natürlich legt sie Obergrenzen der Risikoübernahme fest und sanktioniert deren Überschreitung.

Regulierungsarbitrage

Diese Situation ist nicht schlagartig eingetreten, sondern Resultat eines langen Prozesses. Bei den wichtigen Eigenkapitalnormen ist der Ausgangspunkt dieser Entwicklung der Grundsatz I des damaligen Bundesaufsichtsamts für das Kreditwesen vom 20. Januar 1969, der mit der Beschränkung der Kredite und Beteiligungen auf das 18-fache des haftenden Eigenkapitals eine grobe Faustregel zur Norm erhoben hat. Offenkundig war damit das Kreditrisiko nicht sachgerecht abgebildet, und Kreditinstitute sind auch weiteren ihre Existenz bedrohenden Risiken ausgesetzt, die damals noch nicht erfasst wurden.

Ein Entwicklungsstrang der nächsten Jahre ist daher in der sukzessiven Einbeziehung immer neuer Risikokategorien zu sehen, ein anderer in der Erhöhung der Komplexität der Risikoabbildung zunächst bei diesen neuen Risiken und, mit der Implementierung der Vorgaben von Basel II, auch beim Kreditrisiko. Beide Entwicklungsstränge können hier nicht im Detail nachgezeichnet werden. Ihren einstweiligen Endpunkt bildet die umfängliche Solvabilitätsverordnung des Bundesministeriums der Finanzen vom 14. Dezember 2006. Angetrieben wird die Bankenaufsicht dabei von der berechtigten Befürchtung, dass eine unvollkommene Norm zu Ausweichreaktionen führt, die sie in ihrer Wirksamkeit beeinträchtigen. Kreditinstitute könnten auf andere, noch nicht regulierte Risiken ausweichen, oder aber eine unvollkommene Risikoabbildung über eine entsprechende Gestaltung von Finanztiteln unterlaufen.8) Die Bankenaufsicht muss daher immer danach streben, mit der eigenen Methodologie der Risikoabbildung den Stand der Technik des Marktes mindestens zu erreichen. Sie befindet sich damit in einem Wettlauf mit dem Markt um die beste Risikomanagementtechnologie. Aber kann sie diesen Wettlauf tatsächlich gewinnen, oder führt er letztlich nur zu immer ausgefeilteren Formen der Regulierungsarbitrage?

Kapitalstrafe für Institute mit weniger ausgebautem Risikomanagement

Für Kreditinstitute, deren Risikomanagementtechnologie ein solch hohes Niveau nicht erreicht, sind in einem Menüansatz einfachere Verfahren vorgesehen.9) Ein solcher Menüansatz trägt zur Komplexität des Systems bei. Und er ist nur dann anreizkompatibel, wenn die Verwendung anspruchsloserer Verfahren der Risikoabbildung zu mindestens ebenso hohen Kapitalanforderungen führt wie die komplexeren Verfahren. Kreditinstitute mit hoch entwickeltem Risikomanagement würden andernfalls durch Wahl eines vereinfachten Verfahrens die bankaufsichtlichen Ziele unterlaufen. Damit belegt die Bankenaufsicht Kreditinstitute mit insgesamt oder hinsichtlich bestimmter Risiken weniger ausgebautem Risikomanagement mit einer Kapitalstrafe. Auch dies ist aus Sicht der Bankenaufsicht erwünscht, muss sie doch in Kreditinstituten, deren Risikomanagement nicht dem Stand der Technik entspricht, per se ein Systemrisiko sehen.10)

Eine interessante Rolle spielt in diesem Zusammenhang die bankaufsichtliche Anerkennung interner Modelle zur Ermittlung der Eigenkapitalanforderungen. Die zugrunde liegende Idee erscheint überzeugend: Man vermeidet Doppelungen im System und implementiert den aktuellen Stand der Technik in den Kreditinstituten als aufsichtliche Abbildungsnorm für das jeweilige Risiko.

Wie ein Trojanisches Pferd

Tatsächlich wirken interne Modelle eher wie ein Trojanisches Pferd. Bankaufsichtlich akzeptierte interne Modelle sind für die Kreditinstitute attraktiv, weil sie als anspruchsvollste Methode der Risikoabbildung in aller Regel zu geringeren Eigenkapitalanforderungen führen. Die anzuwendende Methodik wird jedoch durch detaillierte Vorgaben scharf eingegrenzt und eine mögliche Weiterentwicklung über diesen Stand hinaus eher blockiert. Banken rechnen damit auch intern für und wie die Bankenaufsicht. Es erfordert einigen, gleichwohl notwendigen Aufwand, um sich von diesen Vorgaben zu emanzipieren und daneben ein an den eigenen Zielen ausgerichtetes Risikomanagement zu betreiben.

Überinvestition in Risikomanagementkapazitäten?

Ergebnis des Entwicklungsprozesses bankaufsichtlicher Normen ist eine am höchsten Anspruchsniveau orientierte Nivellierung und Homogenisierung des Risikomanagements. Die Latte für das Bankmanagement wird dabei immer höher gelegt. Statt an den Zielen des Unternehmens arbeitet sich das Management an der Erfüllung der bankaufsichtlichen Normvorgaben ab. Große Marktteilnehmer mit entsprechender Managementkapazität und bereits sehr weit ausgebautem Risikomanagement werden dieser Form des Wettbewerbs möglicherweise sogar positiv gegenüberstehen, können sie doch hoffen, dass ihre kleineren Konkurrenten nicht mithalten können. Gesamtwirtschaftlich sinnvoll ist dies nicht, führt es doch zu einer Überinvestition in Risikomanagementkapazitäten und hat möglicherweise auch unerwünschte wettbewerbliche Nebenwirkungen.

Innerhalb des Unternehmens ergibt sich eine Verschiebung zugunsten einer stärkeren Betonung der fachlichen Eigenlogik der Abteilungen, in denen die Umsetzung der bankaufsichtlichen Vorgaben angesiedelt ist. Die Geschäftsleiter der Institute sind zwar für die Einhaltung der bankaufsichtlichen Vorgaben verantwortlich, werden aber angesichts ihrer Vielfalt und Komplexität in aller Regel dem Votum der Fachabteilung folgen müssen. Diese Abteilungen neigen aus eben dieser Eigenlogik und auch aus innerbetrieblichem Machtstreben heraus dazu, andere Abteilungen verstärkt zu reglementieren und sanktionieren. Am Ende dieser Entwicklung ist eine sinnvolle Gestaltung des Verhältnisses des Unternehmens zu seinen Mitarbeitern und auch Kunden nur noch unter erschwerten Umständen möglich. Eigentümer- und Unternehmensinteressen bleiben auf der Strecke.

Besorgniserregend ist die scheinbare Zwangsläufigkeit dieses Prozesses, der in jedem einzelnen Schritt sehr einsichtig und vernünftig erscheint. Weder ist von der Bankenaufsicht zu erwarten, dass sie in ihren Anforderungen hinter dem Stand der Technik des Risikomanagements zurückbleibt, noch können Kreditinstitute die intensive Einwirkung der Bankenaufsicht auf ihre Risikomanagementtechnologie ignorieren. Dennoch erscheint eine Denkpause und vielleicht auch mehr Gelassenheit gegenüber den unvermeidlichen Schwächen der Regulierung dringend geboten.

Ausweitung der Gruppe der Regulierungssubjekte

Neben der Verbesserung der Risikoabbildung und der Ausweitung der berücksichtigten Risiken im Einzelunternehmen steht die verstärkte Berücksichtigung von Risikozusammenhängen in Unternehmensgruppen als weiterer wichtiger Entwicklungstrend des bankaufsichtlichen Normensystems. Der ursprüngliche Anknüpfungspunkt waren sogenannte Kreditpyramiden, durch die Kreditinstitute das haftende Eigenkapital einer Kreditinstitutsgruppe mehrfach mit Kreditrisiken belegen konnten.

Mit der dritten KWG-Novelle von 1985 wurde daher eine konsolidierte Aufsicht über Kreditinstitutsgruppen eingeführt. Problematische Risikozusammenhänge können aber auch zu anderen Unternehmen bestehen. Das heutige KWG unterscheidet daher Institutsgruppen, Finanz-holding-Gruppen und Finanzkonglomerate und unterwirft diese einer jeweils unterschiedlich gestalteten konsolidierten Beaufsichtigung. Auf die entsprechenden Definitionen und Bestimmungen ist an dieser Stelle nicht näher einzugehen. Im Folgenden soll vielmehr am Beispiel der Aufsicht über Finanzkonglomerate erläutert werden, welche Probleme sich dabei aus Sicht der Corporate Governance ergeben können.1)

§ 1 (20) Satz 1 KWG definiert ein Finanzkonglomerat als eine Gruppe von Unternehmen, die in der Finanzbranche, das heißt der Banken-, Wertpapierdienstleistungs- oder Versicherungsbranche in erheblichem Umfang tätig ist. Sind die Unternehmen der Gruppe überwiegend in der Finanzbranche tätig, erfolgt die Bildung des Finanzkonglomerats auch dann, wenn das Unternehmen an der Spitze der Gruppe für sich genommen nicht zu beaufsichtigen wäre.

Schwierige Abgrenzung

Es kann also jedes beliebige Unternehmen in einer entsprechenden Gruppenstruktur der Konglomeratsaufsicht unterliegen. Nach § 31 (3) KWG kann die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht auf Antrag Unternehmen von den entsprechenden Verpflichtungen freistellen, wenn "die Einbeziehung dieser Unternehmen für die Aufsicht auf Konglomeratsebene ohne Bedeutung ist" oder "ungeeignet oder irreführend wäre".

Sieht man von dieser noch auslegungsbedürftigen Option ab, ist die Abgrenzung des Finanzkonglomerats letztlich willkürlich. Konzernobergesellschaften, deren Konzerne Unternehmen der Finanzbranche enthalten, aber nicht überwiegend in dieser Branche tätig sind, stellen möglicherweise ein größeres systemisches Risiko dar als die Obergesellschaften von Finanzkonglomeraten, die sich auf das Halten einer Beteiligung beschränken. Im ersten Fall ist ein Durchsickern von Risiken aus anderen Konzerngesellschaften leicht vorstellbar, im zweiten mangels entsprechender Geschäftstätigkeit weitgehend ausgeschlossen.

Daneben ist die Beschränkung der Konsolidierung im Konglomerat auf Unternehmen kritisch zu hinterfragen. Mit Blick auf die Gefahrenorientierung der Bankenaufsicht wären auch Vereine, Stiftungen, öffentliche Gebietskörperschaften oder natürliche Personen einzubeziehen. Es stellt sich die Frage, an welchem Punkt der Regress auf das umfassendste Risikoaggregat richtigerweise zum Stillstand kommen sollte, und ob dieser Punkt in der Aufsichtspraxis nicht auch schon überschritten wurde. Diskretionäre Entscheidungsrechte der Bundesanstalt über die Einbeziehung bestimmter Unternehmen etwa nach § 31 (5) KWG eröffnen zumindest die Möglichkeit, einer solchen Form der Überregulierung vorzubeugen. Es wäre interessant zu wissen, ob und inwieweit die Bundesanstalt davon Gebrauch macht.

Corporate-Governance-Struktur von Finanzkonglomeraten

Die Frage der Konsolidierung ist eng mit der Corporate-Governance-Struktur einer ein Finanzkonglomerat bildenden Unternehmensgruppe verknüpft. In § 10b (3) Satz 6 KWG wird für den Regelfall bestimmt, welches Unternehmen eines Finanzkonglomerats für die Einhaltung der bankaufsichtlichen Vorgaben verantwortlich ist. Allerdings erlaubt § 10b (3) Satz 8 KWG der Bundesanstalt, "unter Berücksichtigung der Struktur des Finanzkonglomerats" abweichend davon ein anderes beaufsichtigtes Finanzkonglomeratsunternehmen oder eine gemischte Finanzhol-ding-Gesellschaft mit dieser Funktion zu betrauen.

Nach § 10b (7) KWG müssen die in die Berechnung der Eigenmittel des Finanzkonglomerats einbezogenen Unternehmen diesem übergeordneten Unternehmen die dafür erforderlichen Informationen übermitteln.12) Einwirkungsmöglichkeiten des übergeordneten Instituts auf die einzubeziehenden Unternehmen bestehen aber nur in den Grenzen des allgemeinen Gesellschaftsrechts (§ 10b (6) Satz 2 KWG).

Im Interesse einer wirksamen Beaufsichtigung muss diese Feststellung mit dem Ziel erfolgen, die zusätzliche Beaufsichtigung über ein Finanzkonglomerat in dem Unternehmen der Unternehmensgruppe zu verankern, welches die Gruppe tatsächlich führt. Dieses Unternehmen entscheidet letztlich über die eingegangenen Risiken und deren Verteilung im Konglomerat und trägt demnach auch gegenüber der Aufsicht die Verantwortung für die eingetretene Risikokonstellation. Die Regelung des § 10b (3) Satz 8 KWG könnte in diesem Sinne als Aufforderung an die Bankenaufsicht verstanden werden, dieses Unternehmen auch in komplexeren Konzernstrukturen zu identifizieren und mit den Pflichten eines übergeordneten Unternehmens zu betrauen, sofern die Standardregelung des § 10b (3) Satz 6 KWG dies nicht leistet.

Damit ergibt sich auch eine natürliche Grenze der Konsolidierung. Nehmen die Entscheider einer kapitalmäßig übergeordneten Wirtschaftseinheit des nichtfinanziellen Sektors, sei es ein Unternehmen, ein Verein, eine Stiftung oder eine Privatperson, ihre gesellschaftsrechtlichen Einwirkungsrechte auf die Unternehmensführung nicht wahr, ist ein Einbezug dieser Wirtschaftseinheiten in das Konglomerat nicht sinnvoll. Nicht sie entscheiden über die Risikogestaltung in der Gruppe, sondern die

Geschäftsleitung desjenigen Unternehmens, welches die Gruppe aktiv führt und auch über die dafür erforderlichen Managementkapazitäten verfügt. Eine reine Finanzbeteiligung sollte daher keinen Einbezug des jeweiligen Eigentümers in die konsolidierte Beaufsichtigung auslösen.

Zurückhaltung bei Umsetzung der Vorgaben zur Konglomeratsaufsicht

Werden derartige Wirtschaftseinheiten dennoch einbezogen und bezeichnet die Bankenaufsicht sie als übergeordnetes Unternehmen, belastet sie diese mit Aufgaben der Unternehmensführung, die sie nicht ausüben wollen oder können. Sie müssten den bisherigen Charakter des Verhältnisses zwischen Eigentümer und untergeordneter Unternehmensgruppe entsprechend umgestalten oder sich von der Beteilung trennen. Man mag darüber streiten, ob dies einen unverhältnismäßigen Eingriff in das Eigentumsrecht darstellt. Sicher ist, dass damit die Bankenaufsicht eine bestimmte Form der Corporate Governance vorgibt und alternative Konzepte, insbesondere das Halten einer reinen Finanzbeteiligung als Mehrheitsbeteilung, ausschließt.

Alternativ könnte die Bankenaufsicht die übergeordnete Wirtschaftseinheit zwar einbeziehen, aber ein anderes, vorzüglich das die Konzernleitung tatsächlich ausübende Unternehmen als bankaufsichtlich übergeordnetes Unternehmen an die Spitze des Finanzkonglomerats stellen. Ein solches Vorgehen erscheint praktikabel, da dieses Unternehmen über die entsprechenden Ressourcen verfügt, um neben der Leitung des Konzerns auch die bankaufsichtlichen Anforderungen zu erfüllen. Damit die bankaufsichtlichen Normen wirksam werden können, müsste die Bankenaufsicht allerdings gegen den Vorbehalt des § 10b (6) Satz 2 KWG eine den kapitalmäßigen Verhältnissen entgegen gerichtete Leitungsstruktur in der Gruppe durchsetzen.

Der Eigentümer der Gruppe wird berichtspflichtig und muss sich Weisungen des bankaufsichtlich übergeordneten Unternehmens oder, wenn er diesen nicht Folge leistet, der Bankenaufsicht gefallen lassen. Im Zweifel wäre sogar der Verkauf oder die Aufstockung der Beteiligung als gruppeninterne Transaktion zu charakterisieren und damit gegenüber dem bankaufsichtlich übergeordneten Institut anzumelden. Damit wird aber ein Finanzanleger um eine entscheidende Gestaltungsdimension seiner Anlage gebracht.13) Eine solche inverse Cor-porate-Governance-Struktur widerspricht offenkundig allen Grundsätzen einer guten Corporate Governance.

Bisher ist nicht öffentlich bekannt, wie die deutsche Bankenaufsicht die neuen Vorgaben zur Konglomeratsaufsicht umsetzen wird. Die angeführten Überlegungen verdeutlichen aber, dass hier eine gewisse Zurückhaltung und eine ökonomisch fundierte Ausübung der diskretionären Entscheidungsrechte der Bundesanstalt nach § 10b (3) Satz 8 KWG oder § 31 (5) KWG geboten ist, um nicht einen negativen Einfluss auf die Corporate-Governance-Struktur der jeweiligen Unternehmensgruppen zu entfalten.

Eingriff in bestehende Corporate-Governance-Strukturen

Die neue Basler Eigenkapitalvereinbarung berücksichtigt Fragen der Corporate Governance in der dritten Säule, die eine verstärkte Marktkontrolle durch verbesserte Publizität vorsieht. Dass auch die der ersten Säule zuzuordnenden Normen erhebliche Auswirkungen auf die Corporate Governance der Kreditinstitute haben, wird bisher weniger deutlich wahrgenommen. Diese ist umso bedenklicher, als sich hier ein sehr problematischer Trend abzeichnet. Sowohl der wachsende Einfluss der Aufsicht auf die Gestaltung des internen Risikomanagements der Banken als auch die konsolidierte Aufsicht über Finanzkonglomeraten greift in bestehende Corporate-Governance-Strukturen und verändert sie zum Nachteil. Mögliche Fortschritte bei der Sicherheit des Finanzsystems sind damit teuer erkauft. Ein Überdenken der aktuellen Aufsichtsdoktrin scheint daher geboten.

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Prof. Dr. Hans-Peter Burghof , Inhaber des Lehrstuhls für Bankwirtschaft und Finanzdienstleistungen , Universität Hohenheim, Stuttgart
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