Aufsätze

Der Beitrag der Banken zur Sicherung der Stabilität des weltweiten Finanzsystems

Der geltende Ordnungsrahmen für das globale Finanzsystem ist das Ergebnis einer engen Zusammenarbeit zwischen staatlichem und privatem Sektor.

Ausschlaggebend für eine größere Rolle des Privatsektors bei der Gestaltung des globalen Finanzsystems in den vergangenen zwei Jahrzehnten waren vor allem folgende Erkenntnisse:

Erstens haben Staat und Finanzindustrie im Hinblick auf die Stabilität des internationalen Finanzsystems grundsätzlich identische Interessen: Die Regierungen wollen das öffentliche Gut Finanzmarktstabilität sichern, weil es Voraussetzung ist für eine stetige wirtschaftliche Entwicklung und den Wohlstand der Bevölkerung. Umgekehrt ist der Finanzsektor an einer Sicherung der Finanzmarktstabilität interessiert, da nur so eine nachhaltige Profitabilität sichergestellt werden kann.

Kooperation von öffentlichem und privatem Sektor

Zweitens ist eine Zusammenarbeit im beiderseitigen Interesse, da so die Expertise des Privatsektors in die Regelsetzung einfließen kann. Eine Regulierung mit dem Markt ist zudem wirksamer.

Drittens ist es sinnvoll, bei der Regulierung zunehmend auf allgemeine Prinzipien statt auf detaillierte Regelungen zu setzen. Angesichts der hohen Innovationsrate im Finanzsektor und der immer größeren Komplexität von Finanzprodukten hinken letztere der Entwicklung immer hinterher und sind in der Anwendung nicht flexibel genug, um eine adäquate Antwort auf die Herausforderungen moderner Kapitalmärkte zu geben. Die logische Konsequenz prinzipienbasierter Regulierung ist allerdings mehr Eigenverantwortung der Banken dafür, dass hausintern die richtigen Regeln, Modelle und Mechanismen etabliert und auch konsequent durchgesetzt werden.

Eine Form der stärkeren Beteiligung des privaten Sektors bei der Festlegung des Ordnungsrahmens für die weltweiten Finanzmärkte sowie für die Sicherung der Stabilität des globalen Finanzsystems ist die enge Zusammenarbeit mit Regulatoren und Gesetzgebern bei der Entwicklung neuer Regeln: Die Entstehung von "Basel II" etwa ist ein anschauliches Beispiel für diese Form der Kooperation. Neben der systematischen Beteiligung an Regelsetzung und Gesetzgebung gab es auch immer wieder Ad-hoc-Initiativen der Banken mit dem Ziel, kollektiv zur Stärkung des globalen Finanzsystems beizutragen.

Krisen als Auslöser von Initiativen

Häufig, aber nicht immer, waren Krisen Auslöser dieser Initiativen. Exemplarisch hierfür seien die folgenden Beispiele genannt:

- Nach den Schuldenkrisen in Asien, Russland und Lateinamerika zum Millenniumswechsel entwickelte sich eine intensive Diskussion darüber, wie sich weitere Krisen dieser Art vermeiden und die Finanzströme in die Schwellenländer stabilisieren lassen. Ein breites Spektrum möglicher Instrumente wurde diskutiert. Die führenden, global aktiven Finanzinstitute entwickelten im Rahmen des Institute of International Finance (IIF) zusammen mit führenden Vertretern der Schwellenländer die sogenannten Principles for Stable Capital Flows and Fair Debt Restructuring in Emerging Markets. Diese Prinzipien formulieren Maßnahmen für eine bessere Krisenprävention und ein besseres Krisenmanagement im Fall von Zahlungskrisen staatlicher Schuldner. Die Regierungen der G20-Staaten haben diese Principles ausdrücklich indossiert; zahlreiche Schwellenländer und viele Finanzinstitute haben ihre Bereitschaft erklärt, sie anzuwenden.

- Nach der LTCM-Krise entwickelten führende Finanzinstitutionen unter dem Vorsitz von Gerald Corrigan im Jahre 1999 einen Katalog von Best Practices für das Geschäft von Banken mit Hedgefonds. Im Jahre 2005 legte die Corrigan-Gruppe einen zweiten, thematisch breiter angelegten Bericht mit weiteren Empfehlungen, unter anderem zu Dokumentations- und Veröffentlichungsstandards, vor.

- Die 2002 von mehr als 70 führenden Finanzinstituten gegründete CLS Bank bietet ein Echtzeit-Settlement von Devisentransaktionen und beseitigt damit das sogenannte Herstatt-Risiko.

- Im Herbst 2005 kamen auf Anregung der New Yorker Federal Reserve die größten Teilnehmer am Markt für Kreditderivate zusammen, um die bestehenden Rückstände bei der Abwicklung von Kontrakten in diesem Marktsegment zu beseitigen. Die beteiligten Institutionen vereinbarten einen Zeitplan zum Abbau sowie standardisierte Formate, mit deren Hilfe das Entstehen neuer Rückstände verhindert werden soll.

- Im Oktober 2007 veröffentlichte die Hedge Fund Working Group unter der Leitung von Sir Andrew Large ein Konsultationspapier zu Standards für die Geschäftstätigkeit von Hedgefonds. Diese Standards sollen die Grundlage für eine Selbstregulierung der Branche bilden.

Reaktion auf die Subprime-Krise

Auch in Reaktion auf die Subprime-Krise und die daraus resultierenden Turbulenzen engagieren sich die Banken wiederum bei den Bemühungen, die richtigen Lehren zu ziehen und das globale Finanzsystem stabiler zu machen. Die Banken agieren hierbei sowohl individuell als auch gemeinschaftlich. So hat das IIF eine neue Arbeitsgruppe eingerichtet, die - parallel zu den entsprechenden Arbeiten auf staatlicher Seite im Rahmen des Financial Stability Forum - bis zum Frühjahr 2008 Empfehlungen vorlegen wird. Dieses Engagement der Banken ist nicht zuletzt deshalb geboten, als die meisten der Lehren, die aus der Subprime-Krise zu ziehen sind, direkt in die Zuständigkeit der Banken fallen.

Transparenz und Risikoverteilung - Verortung der Risiken: Dies betrifft zunächst das Thema der Transparenz. Intransparenz hat in den vergangenen Wochen die Liquiditätskrise verschärft. Transparenz ist damit umgekehrt conditio sine qua non für eine Rückkehr des Vertrauens in die Banken und zwischen den Banken. Ein Mehr an Transparenz ist dabei nicht nur mit Blick auf aktuelle Positionen vonnöten, sondern auch in struktureller Hinsicht. Aktuell geht es darum, die bestehenden Engagements im Subprime-Segment und die daraus resultierenden Verluste offen zu legen. Es geht dabei im Detail um die Offenlegung von außerbilanziellen Exposures, in Form von Structured Investment Vehicles oder in Form von Eventualverbindlichkeiten, die aus der Zusage von Liquiditätslinien resultieren. Und es geht um die Transparenz über Engagements, die ursprünglich an den Kapitalmarkt weitergereicht werden sollten, aber im gegenwärtigen Marktumfeld zunächst auf der Bilanz gehalten werden müssen.

Risikoverteilung

Darüber hinaus ist größere Klarheit über die Risiken, die Banken halten, jedoch auch ein strukturelles Thema. Banken werden zukünftig gegenüber Gläubigern und Investoren grundsätzlich mehr Offenheit an den Tag legen müssen - oder den Preis der Intransparenz zahlen. Dies gilt sowohl für die genannten Risikoquellen, als auch ganz grundsätzlich für jegliche Art komplexer Produkte: Die Unkenntnis potenzieller Investoren über den Risikogehalt solcher Produkte erschwert deren Vertrieb oder macht ihn gar ganz unmöglich.

Die Subprime-Krise hat auch das schon länger bekannte Thema der Risikoverteilung im globalen Finanzsystem insgesamt wieder in den Mittelpunkt des Interesses gerückt. Ein Teil der aktuellen Nervosität und Verunsicherung an den Finanzmärkten resultiert ja nicht zuletzt daraus, dass die aus den Subprime-Krediten resultierenden Verluste an unerwarteter Stelle wieder auftauchten. Die Verteilung von Kreditrisiken im Finanzsystem ist grundsätzlich positiv, da sie das Entstehen von Risikokonzentrationen vermeiden hilft. Sie birgt aber, wie wir nun erfahren mussten, ebenso die Gefahr, in Zeiten angespannter Märkte zu einer zusätzlichen Quelle der Unsicherheit zu werden. Das Thema wird bereits seit längerem von Aufsichtsbehörden und in der Finanzindustrie diskutiert. Beide Gruppen müssen ihre Arbeit daran nun intensivieren, um gemeinsam mehr Klarheit über die Risikoverteilung im System herzustellen.

Fragen der Bewertungsmethodik: Zweitens - und inhaltlich eng verbunden mit dem Thema der Transparenz - muss die Frage der Bewertungsmethodik adressiert werden. Größere Transparenz bedingt ein Mindestmaß an Einigung darüber, wie die Aktiva zu bewerten sind, über die Transparenz hergestellt werden soll. Die Subprime-Krise hat jedoch gezeigt, dass es zwar Grundsätze für die Bewertung komplexer Produkte gibt, diese aber einer genaueren und im Markt einheitlichen Auslegung bedürfen. Dies gilt a fortiori für die Bewertung solcher Produkte, für die es temporär keinen Marktpreis gibt. Klarheit über die Grundlagen der Bewertung komplexer Produkte und Sicherheiten erleichtert die Preisbildung, was es den Banken wiederum leichter macht, eigene Risikomodelle zu entwickeln, die die Abhängigkeit von externen Bewertungen wie Ratings reduzieren.

Zu einer robusten Infrastruktur für die Preisermittlung bei komplexen Produkten gehört im Übrigen auch die Existenz von Benchmark-Indizes - auch dies eine typische Aufgabe, die die Marktteilnehmer prinzipiell untereinander und ohne staatliches Zutun erledigen können.

Konsequenzen für das Risikomanagement: Notwendiges Handeln der Banken als Lehre aus der Subprime-Krise betrifft zum Dritten das Thema des Risikomanagements. Mehr noch als bei der Transparenz handelt es sich hierbei um eine originäre Aufgabe der Banken selbst:

Es liegt in der Verantwortung der Banken, keine Risiken - bilanziell ebenso wie außerbilanziell - einzugehen, die nicht in einem angemessenen Verhältnis zu ihrer Kapitalstärke stehen.

Leistungsfähigkeit der Risikomodelle

Es obliegt dem Management, kontinuierlich zu prüfen, was die verwendeten Risikomodelle zu leisten im Stande und ob sie angemessen sind. Dabei gilt es, die Modelle nicht nur auf ihre methodische Korrektheit hin zu prüfen, sondern stets auch eine Analyse der wirtschaftlichen Plausibilität vorzunehmen. Ein Beispiel ist die kritische Überprüfung der Annahmen, die die Modelle über die jederzeitige Existenz einer hinreichenden Marktliquidität treffen.

Die Banken verantworten eine risikoadäquate Bewertung ihrer Engagements. In diesem Kontext muss auch sichergestellt sein, dass die Zuweisung von Kapital innerhalb der Gruppe zu risikogerechten Kosten erfolgt: Wenn die Eigenhandelsaktivitäten einer Bank von dem positiven Rating der Gesamtbank profitieren (beispielsweise, weil die Bank eine günstige Refinanzierung über Einlagen hat), dann wird dieser Refinanzierungsvorteil Rückwirkungen auf die Risikospreads jener Assets haben, die der Eigenhandel erwirbt.

Es ist Aufgabe des Managements, ein tragfähiges Geschäftsmodell zu entwickeln, das einen nachhaltigen Ertragsstrom generiert. Dies schließt selbstverständlich nicht aus, sich kurzfristig bietende Geschäftschancen opportunistisch zu nutzen; es schließt ebenso wenig aus, neue Geschäftsfelder zu erschließen, die in einem sich ständig wandelnden Finanzmarkt zukünftige Ertragschancen sichern. Problematisch wird es jedoch, wenn - wie dies bei einigen der in Schwierigkeiten geratenen Banken der Fall war - der Großteil der Erträge aus Quellen stammt, die nur unter günstigen Marktbedingungen Bestand haben und mit disproportional hohen Risiken verbunden sind.

Eigenständige Risikobewertung

Schließlich ist es die originäre Aufgabe der Banken, die Risiken, die sie eingehen, eigenständig zu bewerten und sich nicht blind auf das Urteil Dritter - beispielsweise der Rating-Agenturen - zu verlassen. Ratings können immer nur Teil einer guten Risikoanalyse sein, sind aber kein Ersatz dafür.

Bedeutung des Liquiditätsmanagements:

Viertens hat die rasche Ausbreitung der Krise wieder einmal die Bedeutung der Liquidität unterstrichen. Angebots- und Nachfrageliquidität ist Grundlage dafür, dass sich unverzerrte Marktpreise bilden können, die ihrerseits wiederum das Fundament vieler Risikomodelle sind. Mehr noch: Ohne Liquidität ist eine dynamische Steuerung der Risikopositionen einer Bank nicht möglich. Die Steuerung des Liquiditätsrisikos ist daher eine zentrale Aufgabe. Dazu zählen leistungsfähige Stress-Tests im Liquiditätsmanagement und eine strikte interne Bewertungsdisziplin für Eventualverbindlichkeiten.

Die Tatsache, dass Basel II für unterjährige Liquiditätslinien strengere Eigenkapitalanforderungen stellt als Basel I dies tat, sollte sich hier positiv auswirken. Um die Anreize zu erhöhen, ein besseres Liquiditätsmanagement zu entwickeln, sollte es Banken zukünftig - analog zum Kreditrisikomanagement - verstärkt möglich sein, auf eigene Liquiditätsmodelle zurückzugreifen. Entsprechende Ansätze, auf denen auch international aufgebaut werden könnte, gibt es bereits in Deutschland.

Regulatorisches beziehungsweise gesetzgeberisches Handeln

Die selbstregulierenden Kräfte des Bankensektors bei der Bewältigung der jüngsten Finanzmarktturbulenzen herauszustreichen heißt nicht, die wesentliche Rolle zu mindern, die Aufsichtsbehörden und Zentralbanken bisher und sicher auch in Zukunft im Krisenmanagement spielen. Ohne das rasche, entschiedene und professionelle Eingreifen dieser Behörden wäre es nicht möglich gewesen, die Märkte immer wieder zu beruhigen.

Die Rolle der Banken zu betonen, kann auch nicht darüber hinwegtäuschen, dass einige der Lehren nur durch regulatorisches beziehungsweise gesetzgeberisches Handeln gezogen werden können. Dies dürfte zum Beispiel für die Bilanzierungsvorschriften für außerbilanzielle Vehikel ebenso gelten wie für die dringend notwendige Verbesserung der internationalen Zusammenarbeit der Bankenaufseher. Gleichwohl bleibt auch in diesem Fall richtig, dass eine effektive Antwort auf die durch die Turbulenzen ausgelösten Fragen nur durch gemeinschaftliches Handeln von Staat und Finanzwirtschaft möglich ist.

Erfreulicherweise zeichnet sich ab, dass die Antworten auf die Subprime-Krise sowohl in enger internationaler Abstimmung also ohne schädliche nationale Alleingänge - als auch in Abstimmung zwischen staatlichen Stellen und Finanzsektor formuliert werden. Dies stimmt zuversichtlich, dass an den Finanzmärkten bald wieder Normalität einkehren und das globale Finanzsystem gestärkt aus den gegenwärtigen Turbulenzen hervorgehen wird.

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