Aufsätze

Eurex-OTC Clear: Services für die neue EMIR-Ära

Eine maßgebliche Erkenntnis aus der Finanzkrise ist, dass ein signifikanter Anteil von bilateral abgeschlossenen Geschäften in der Vergangenheit nicht ausreichend besichert wurde. Gleichzeitig sind die verantwortlichen Regulatoren zu dem Schluss gekommen, dass das Risikomanagement und die Risikobewertung im Markt ohne Einschaltung einer zentralen Gegenpartei (Central Counterparty, CCP) unzureichend sind. Infolgedessen sind in den vergangenen drei Jahren eine Reihe von regulatorischen Vorschriften entwickelt worden, um den Markt für außerbörsliche (OTC) Derivate sicherer und transparenter zu machen. In Europa zählen dazu die European Market Infrastructure Regulation (EMIR), Basel III oder CRD IV; in den USA gilt der Dodd-Frank Act. Alle diese Regulierungsmaßnahmen werden zu einer fundamentalen Neustrukturierung der außerbörslichen Märkte führen.

Mehr Stabilität, Sicherheit und Transparenz

Eine Kernvorschrift sowohl in EMIR als auch Dodd-Frank ist die Maßgabe, dass ab 2013 standardisierte OTC-Derivate wie zum Beispiel Zins-Swaps verpflichtend über CCPs verrechnet werden. Damit soll mehr Stabilität, Sicherheit und Transparenz erzielt werden. Denn für den Fall, dass ein Marktteilnehmer ausfällt, übernimmt dann der CCP alle Erfüllungspflichten des ausfallenden Teilnehmers und schützt so jeden anderen Teilnehmer gegen die Kontrahentenrisiken bei bilateralen Geschäften.

Der von den G20-Staaten verabschiedete Zeitplan sieht die Clearingpflicht ab Ende 2012 vor. Formal gilt EMIR bereits seit dem 16. August 2012. Wichtige Umsetzungsdetails wie der Umfang der betroffenen OTC-Derivate und Zeitplan stehen jedoch noch nicht fest. Diese werden separat von der neu geschaffenen europäischen Aufsichtsbehörde European Securities and Markets Authority (ESMA) ausgearbeitet. Die Anfang August beendete Marktkonsultation soll bis Ende September in eine Vorlage zur Beschlussfassung durch die Europäische Kommission einfließen. Mehr als 100 Parteien haben an der Konsultation teilgenommen. Unabhängig davon, wann diese Details final feststehen und letztendlich gelten, handelt es sich bei diesen neuen regulatorischen Rahmenbedingungen um Maßnahmen, die dazu beitragen sollen, die außerbörslichen Märkte transparenter zu machen sowie eine angemessene Besicherung von Transaktionen beziehungsweise offenen Positionen zu gewährleisten und so systemische Risiken zu minimieren.

Als eines der großen europäischen Clearinghäuser hat Eurex Clearing sehr früh damit begonnen, sich auf die "neue Welt" vorzubereiten. Die von der Buy-Side im Dialog als essenziell definierten Kriterien haben dabei eine maßgebliche Rolle gespielt. Das künftige Angebot der Eurex Clearing ist stark auf die Bedürfnisse der institutionellen Investoren ausgerichtet. Das Unternehmen strebt eine breite Produktabdeckung an, um den rechtlich maximal möglichen Schutz seiner Sicherheiten zu bieten und eine hohe Kapitaleffizienz zu ermöglichen. Hierfür wurde eine Roadmap entwickelt, die schrittweise zum Start von neuen Clearinglösungen und Services führen wird. Dabei kann das Unternehmen bereits auf eine etablierte und bewährte - Infrastruktur, Risikomanagement und Prozesse zurückgreifen. Diese Systeme haben etwa beim Zusammenbruch von Lehman Brothers oder der Insolvenz von MF Global ihre Feuerprobe bestanden.

Die Eurex Clearing Roadmap

Die Roadmap besteht hauptsächlich aus den vier Bausteinen:

- Erweiterung des Produktspektrums,

- Entwicklung eines neuen Portfolio-basierten Risikomanagements (Eurex Clearing Prisma),

- Segregierung und rechtliche Sicherheit (Client Asset Protection) und

- umfassende Collateral Management Services.

Den ersten Ausbauschritt wird das Clearinghaus im vierten Quartal gehen, wenn Eurex-OTC Clear für Interest Rate Swaps (Zinsswaps) gestartet wird. In den weiteren Ausbaustufen, die für 2013 geplant sind, kommen Assetklassen wie Aktienswaps, Total-return-Swaps, Inflation-Swaps hinzu (siehe Abbildung 1). Mit der geplanten stetigen Erweiterung des Produktspektrums wird insbesondere für deutsche Clearing-Kunden die Basis für einen "One-Stop-Shop" geschaffen. Die Kunden können dann alle wesentlichen Produkte, die unter die Clearingpflicht fallen, über Eurex Clearing abwickeln.

In Ergänzung dazu wird auch daran gearbeitet, einen CCP-Service für den Securities-Lending-Markt zur Verfügung zu stellen, der Systemrisiken weiter minimieren und die Integrität und Transparenz dieses Marktes erhöhen soll. Dieses erste europäische Clearingangebot für den bilateralen Wertpapierleihemarkt soll ebenfalls noch in diesem Jahr starten.

Portfolio-basiertes Risikomanagement

Adäquates Risikomanagement ist eines der Kernanliegen der regulatorischen Initiativen. Clearinghäusern kommt dabei aufgrund ihrer Funktion künftig die Hauptrolle zu, denn zentrale Kontrahenten treten in die bestehenden bilateralen Vertragsbeziehungen jedes Handelsgeschäfts ein und bilden rechtlich die Gegenpartei für jeden Handelsteilnehmer. Das ermöglicht ein "multilaterales Netting", das sowohl die Zahl der verbleibenden Transaktionen für die Abwicklung als auch die Höhe der Nettorisikoposition jedes Teilnehmers im Vergleich zu einem rein bilateralen Netting drastisch reduziert. Der entscheidende Vorteil dieser Vorgehensweise aber ist: Für den Fall, dass ein Marktteilnehmer ausfällt, übernimmt der CCP alle Erfüllungspflichten des ausfallenden Akteurs und schützt damit jeden anderen Teilnehmer gegen die Kontrahentenrisiken, die bei bilateralen Geschäften existieren.

Um dieser Kernaufgabe gerecht zu werden, verlangt der CCP von jedem Clearingnutzer eine Besicherung der offenen Nettopositionen durch Marginzahlungen. Gerade diese wurden in der Vergangenheit oft nur unzureichend und verzögert bei bilateralen außerbörslichen Geschäften verlangt - mit den bekannten negativen Konsequenzen. Die angemessene Besicherung aller Transaktionen in der Zukunft verursacht naturgemäß einen erheblich höheren Bedarf an Sicherheiten. Eine möglichst effiziente Nutzung der Sicherheiten ist daher unerlässlich. Mit Eurex Clearing Prisma wird hierfür gesorgt: Mittels der neuen Risikoberechnungsmethodik lassen sich börsliche und außerbörsliche Transaktionen innerhalb gleichwertiger Assetklassen miteinander verrechnen. Dieses Portfolio-basierte Risikomanagement wird mit dem Start des Clearingangebots für Zinsswaps erstmals zur Anwendung kommen.

Grundlage der neuen Methodologie ist der "Default Management Process" (DMP) zur Handhabung des Ausfalls eines Clearingmitglieds. Er basiert auf dem Konzept von Liquidationsgruppen. Jedes von Eurex Clear ing abgewickelte Produkt wird solch einer Liquidationsgruppe zugeordnet. Produkte in einer Liquidationsgruppe können zusammen und gleichzeitig glattgestellt werden. So kann ein Clearingmitglied eine ganze Liquidationsgruppe innerhalb einer angemessenen Frist bewerten, und das Clearinghaus kann ein Auktionsverfahren für die Produkte einer Gruppe durchführen. Für jede Liquidationsgruppe wird ein spezifischer, konfigurierbarer Liquidationszeitraum definiert (vergleiche Abbildung 2).

Client Asset Protection - maximaler Schutz

Die Ereignisse der jüngeren Vergangenheit haben gezeigt, dass im Falle der Insolvenz eines Clearingteilnehmers die Positionen und Sicherheiten der Kunden nur unzureichend geschützt sind. Von Kunden gibt es daher eine verstärkte Nachfrage nach Mechanismen, die den Anforderungen einer modernen "Client Asset Protection" gerecht werden. Auch EMIR verlangt von CCPs, dass sie eine adäquate Segregierungslösung anbieten.

Eurex Clearing bietet seit August 2011 mit ihrem Individual Clearing Model (ICM) einen Service an, der die aufsichtsrechtlichen Anforderungen erfüllt und Positionen und Sicherheiten eines Kunden individuell auf der Ebene des CCPs segregiert. ICM ermöglicht maximalen Kundenschutz und die Fortsetzung der Kunden-Aktivitäten im Falle der Insolvenz des Clearingmitglieds. Bei dessen Insolvenz ist ein sofortiger Transfer des Kundenvermögens zu einem anderen Clearingteilnehmer möglich.

Der neue Service wird zusätzlich zur derzeit bestehenden Eurex Clearinganbindung bereitgestellt. Als weitere Alternative wird das Clearinghaus ein sogenanntes Omnibus-Modell einführen, das die Segregierung der Vermögenswerte auf einem Sammelkonto vorsieht und so dem Clearingmitglied größere operative Effizienz und Flexibilität bietet. Durch die verfügbaren Segregierungsvarianten können Mitglieder künftig einen auf die jeweiligen Kundenbedürfnisse zugeschnittenen Zugang zum Clearinghaus offerieren.

Collateral Management Services

Eine der offensichtlichsten Konsequenzen aus der Clearingverpflichtung ist die künftig tägliche und ausreichende Hinterlegung von Sicherheiten im Clearinghaus. Welche Sicherheiten beim zentralen Kontrahenten hinterlegt werden können, darüber entscheidet dieser ausschließlich selbst. Um den spezifischen Anforderungen der Buy-Side-Firmen gerecht zu werden, akzeptiert Eurex Clearing bereits heute neben Cash in mehreren Währungen auch eine umfangreiche Zahl an Wertpapieren - aktuell etwa rund 25 000 - und Xetra Gold. An diesem Spektrum wird sich auch mit der Einführung des OTC-Clearings nichts ändern. Die etablierte, STP-Verarbeitung von Sicherheitsleistungen, die Transparenz für Back-Office und untertägige Berichte werden künftig ebenso für das OTC-Clearing gelten und zur Verfügung stehen.

Noch in diesem Jahr wird Eurex Clearing nicht nur als zentraler Kontrahent für gelistete Derivate, Aktien, Anleihen et cetera fungieren, sondern ihr Angebot um außerbörsliche OTC-Derivate erweitern, um seinen Kunden einen "One-Stop Shop" in den wichtigsten Assetklassen anzubieten - und das für börsliche und außerbörsliche Transaktionen. Mit dem seit August 2011 offerierten "Individual Clearing Model" bietet das Unternehmen die erste von einem Clearinghaus angebotene Lösung, die eine vollständige rechtliche und operative Segregierung aller Vermögenswerte (Positionen und Sicherheiten) der Non-Clearing-Teilnehmer auf der Ebene des Clearinghauses ermöglicht. Durch dieses Modell sind Sicherheiten und Positionen dieser Kunden bei Ausfall eines Clearingmitglieds sofort übertragbar. Dadurch sind die Kunden geschützt und können ihre Handelsaktivitäten fortsetzen. Schließlich akzeptiert das Clearinghaus ein großes Spektrum an Sicherheiten in Form von Barmitteln und Wertpapieren - und arbeitet daran, sein Dienstleistungsangebot weiter entsprechend den Marktbedürfnissen auszuweiten.

Dr. Thomas Book , Vorstand Trading & Clearing , Deutsche Börse AG, Eschborn
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