Aufsätze

Die Finanzkrise - Folgen für den Kredit- und Verbriefungsmarkt in Deutschland

Mitte 2007 glaubte man, dass es vor allem schlechte amerikanische Hypothekenkredite, sogenannte Subprime-Kredite waren, die die Krise auslösten. Entsprechend beruhigt war die Welt, denn der fragliche Markt hatte eine Größe von lediglich etwa einer Billion Dollar. Die Verluste wurden entsprechend auf obere zwei- bis untere dreistellige Milliardenbeträge geschätzt. Kein Grund zur Sorge also. Doch im Zuge der weiteren Entwicklung wurde deutlich, dass Sub-prime-Kredite nur die Spitze eines Eisbergs waren und der größere, noch verborgene Teil, das eigentliche Problem ausmacht. Heute wird von der größten Krise seit Anfang der dreißiger Jahre gesprochen, und die Notenbanken und Staaten dieser Welt haben Maßnahmen ergriffen, die alles übersteigen, was die Welt bisher fiskal- und geldpolitisch für möglich gehalten hätte. Geldpolitik und Deregulierung als Ursachen Unstrittig ist heute, dass die Entstehung der Krise eng verknüpft ist mit der Geld- und Fiskalpolitik der letzten zwanzig Jahre und einer Deregulierung des Finanzwesens, die in den USA in den letzten zehn Jahren vor Ausbruch der Krise an Fahrt gewonnen hatte. Nach Verabschiedung von Paul Volcker und Übernahme der amerikanischen Notenbank durch Alan Greenspan begann eine Politik der stetigen Zinssenkungen, die über weite Strecken bei den Regierungen Reagan und Bush begleitet war von Steuersenkungen, gepaart mit einer expansiven staatlichen Fiskalpolitik, vor allem im Bereich der Rüstungsausgaben. Ergebnis des künstlich induzierten Wirtschaftsbooms und billigen Geldes war eine stetige Ausweitung des Kreditvolumens, wie folgender Langfristchart unterstreicht (Abbildung): Ungebremste Kreditschöpfung Die Expansion des Kreditvolumens floss in hohem Maße in die Anlagemärkte, vor allem die Aktien- und Immobilienmärkte profitierten davon. Die amerikanischen Hauspreise stiegen seit Mitte der neunziger Jahre stetig an, und seit Anfang 2000 nahm die Steigerung extreme Formen an. Steigende Hauspreise gingen wiederum Hand in Hand mit einer Ausschöpfung des dadurch entstehenden freien Beleihungsspielraums durch die amerikanischen Konsumenten. Das Haus wurde für sie zum unerschöpflichen Geldautomaten. Die ungebremste Kreditschöpfung kam in erster Linie wiederum dem Immobilienmarkt zugute, die Hausse nährte die Hausse. Aber auch der Konsumgütermarkt profitierte davon. Amerika konsumierte auf Kredit. Nutznießer dieser Entwicklung war vor allem China, das die notwendigen Waren lieferte und durch den Kauf amerikanischer Staatsanleihen dazu beitrug, die Zahlungsbilanz Amerikas im Gleichgewicht zu halten. Steigende Assetpreise fallende Risikokosten Doch nicht nur die Niedrigzinspolitik in den USA war Treiber einer beispiellosen Kreditkonjunktur. Parallele Entwicklungen in Europa, wie zum Beispiel die Umsetzung der europäischen Währungsunion unter Hereinnahme von damaligen Hochinflationsländern, die rasche Ausweitung der europäischen Union - dies alles waren auch Zinssenkungsprogramme für die betroffenen Länder und beflügelten den europäischen Kreditmarkt. Geld wurde im Zuge dessen weltweit immer billiger und die Assetpreise stiegen. Mit den steigenden Assetpreisen fielen die Risikokosten entsprechend. Die Preise auf den Gütermärkten blieben hingegen - bedingt durch die schnelle wirtschaftliche Integration der Niedriglohn-Emerging-Markets zum einen und der Tatsache, dass die Assetmärkte einen hohen Teil der Überschussliquidität absorbierten - stabil. Somit entwickelte sich scheinbar die beste aller Welten. Stabile Faktorkosten, steigende Nachfrage und steigende Vermögenspreise bei sinkenden Risikokosten. Bekannte Logik Friedrich von Hayek, der große österreichische Ökonom, der 1974 für seine geld- und konjunkturpolitische Arbeiten mit dem Nobelpreis geehrt wurde, sowie sein Landsmann Ludwig von Mises hatten die großen Finanzkrisen der Vergangenheit im Wesentlichen aus eben einer solchen expansiven Geld- und Fiskalpolitik erklärt, die Kapital derart verbilligt, dass die Wirtschaftssubjekte kollektiv falsche Entscheidungen treffen und dabei eine unausgewogene Preis- und Produktionsstruktur entsteht, die in einer Krise mündet und dort ihre Bereinigung erfährt. Wer wollte heute behaupten, dass die Immobilienblasen in USA, Spanien und anderswo nicht eben jener Logik entsprungen sind. Das Haus kam zum Einsturz, als die amerikanischen Immobilienpreise zunächst stagnierten und erst langsam, dann immer schneller zu fallen begannen, die Risikokosten bei Banken stiegen und die Kreditmärkte illiquide wurden. Nun setzte sich der umgekehrte Kreislauf in Gang. Fallende Assetmärkte führten zu fallenden Sicherheitenwerten für Bankkredite, fallende Sicherheitenwerte jedoch zur Überschuldung der Kreditnehmer und entsprechend steigenden Kreditausfällen bei Banken und Kreditinvestoren. Erhöhung der Umlaufgeschwindigkeit des Geldes Welche Bedeutung hatten die Kredit- und ABS-Märkte in diesem Zyklus? Die Kredit- und ABS-Märkte halfen, die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes zu erhöhen, indem sie neue Investorenkreise für Kreditprodukte erschlossen, das Leveraging des Bankensystems begünstigten und des Weiteren, im vollendeten Originate-to-Distribute-Modell, wie es sich in den amerikanischen Märkten durchgesetzt hatte, dazu beitrugen die Kreditverantwortung im Subprime-Markt zu diffusionierten und damit die bankübliche Sorgfalt bei der Kreditvergabe beeinträchtigten. Letzteres konnte sich allerdings nur unter Bedingungen entwickeln, in denen die bankenaufsichtsrechtliche Verantwortung im Strudel der Deregulierung bereits untergegangen war - wie es für die amerikanischen Subprime-Märkte vor Ausbruch der Krise der Fall war. Investoren setzten in dieser Zeit ihr Vertrauen auf die Ratingagenturen und ihre Ratingurteile. Dass diese in ihren Modellen den Risiken aus Immobilienpreisinflation und verantwortungsloser Kreditvergabe nicht Rechnung trugen, ist inzwischen hinreichend diskutiert worden. Heute werden die Folgen der Krise aufgearbeitet. Intensiv wird diskutiert, ob eine stabilitätsorientierte Geld- und Fiskalpolitik nicht nur die Güter-, sondern auch die Assetmärkte im Auge behalten muss, denn Blasen auf den Anlage- und Immobilienmärkten haben eine weitaus katastrophalere Auswirkung auf die Stabilität der Finanzmärkte als Güterpreisinflationen. Und Überschussliquidität fließt - insbesondere unter den Bedingungen des modernen Investmentbankings - eher auf die Asset- als auf die Gütermärkte. Zumindest für die Immobilienmärkte bestehen zudem zuverlässige Preis- und Bewertungsmaßstäbe, die zur Messung einer Assetpreisinflation und Bubble herangezogen werden könnten. Fraglicher Erfolg der Risikosteuerung In die Diskussion gekommen ist auch, ob Risikosteuerungsmodelle, die auf vergangenheitsbezogenen Daten aufbauen, sich dazu eignen die Zukunft zu prognostizieren, zumal wenn in das Modell direkt oder indirekt Parameter einfließen, die von ihren langfristigen historischen Durchschnittswerten fundamental nach oben abweichen, wie dies zum Beispiel bei den amerikanischen Immobilienpreisen der Fall war. Unstrittig ist mittlerweile auch, dass eine geordnete und funktionierende Finanzaufsicht für funktionierende Kreditmärkte unverzichtbar ist. Insbesondere unter den Rahmenbedingungen "to big to fail" verliert für Unternehmen das marktwirtschaftliche Korrektiv der Insolvenz an Schrecken und es bedarf daher ergänzender Regelungsinstrumente um eine überschäumende Risikobereitschaft zu steuern. Verbriefungsmärkte im Fokus Aber auch viele Regulierungen der letzten zehn Jahre werden heute kritisch betrachtet, insbesondere jene, die prozyklische Effekte mit sich bringen und in guten Zeiten Gewinne und Erfolge und in schlechten Zeiten Verluste und Misserfolge überzeichnen. Auch über die Verbriefungsmärkte wird seit Ausbruch der Krise heftig gestritten. Wie in den guten Zeiten die Verbriefungsmärkte dazu beitrugen, die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes und das Leveraging zu erhöhen, so trägt der Wegfall der Verbriefungsmärkte in der Krise nunmehr dazu bei, die Umlaufgeschwindigkeit zu vermindern und das Deleveraging zu beschleunigen. Folglich ist das Wiederanspringen der Verbriefungsmärkte für die Wirtschaftspolitik bedeutsam. Dies wird jedoch nicht von allein passieren, sondern es gilt Fehler der Vergangenheit aufzuarbeiten und die entsprechenden Folgerungen daraus zu ziehen. Die amerikanischen Verbriefungsmärkte waren hoch arbeitsteilig organisiert. Vertrieben wurden die Kredite in der Regel über Makler; sie wurden nur für kurze Zeit auf einer (Investment-)Bankbilanz gesammelt, wobei die Institute meist nicht der Aufsicht unterlagen, um dann gebündelt, in gerateten Tranchen am Markt platziert zu werden. Das System wurde in hohem Maße über Provisionszahlungen gesteuert, unterlag keiner Aufsicht, sodass niemand die konkrete Verantwortung wahrnahm. Eine fehlende ganzheitliche Verantwortung Die fehlende ganzheitliche Verantwortung, die nur eine positive Incentivierung durch Provisionen, bei gleichzeitig fehlender Sanktionierung im Falle des Eingehens von schlechten Kreditrisiken und Vernachlässigung von Sorgfaltspflichten in dem Kreditvertrieb, der Kreditentscheidung und -bearbeitung, der fehlende aufsichtsrechtliche Rahmen, die fehlende Risikobeteiligung der Originatoren, das blinde Vertrauen auf die Ratingagenturen bei den Investoren dies wird heute zu Recht als der Kern des Problems auf den amerikanischen Sub-prime-Märkten gesehen. Diese Analyse wird zum Teil undifferenziert auf die weltweiten Verbriefungsmärkte übertragen. Heute werden in der bundesdeutschen öffentlichen Diskussion Verbriefungen gebrandmarkt. Es wird kaum unterschieden zwischen amerikanischen Subprime-Verbriefungen und zum Beispiel deutschen Mittelstandsverbriefungen. Entsprechend schwer haben es jene, deren Bestrebungen es ist, deutsche Verbriefungsprodukte als Qualitätsprodukte zu positionieren. Deutliche Unterschiede zum amerikanischen Markt Was sind die Unterschiede zum amerikanischen Markt? Im Wesentlichen sind es folgende Fakten: Deutsche Banken verbriefen nur einen geringen Teil ihres Kreditvolumens. Verbriefte Kredite durchlaufen dabei den gleichen, aufsichtsrechtlich geregelten Kreditvergabeprozess wie die nicht-verbrieften Kredite. Deutsche Banken bleiben auch Vertragspartner ihrer Kunden nach einer Kreditverbriefung, in der Kreditbearbeitung und Kundenbeziehung ändert sich nichts. Dies entspricht nicht nur dem Geschäftsmodell, auch die aufsichts- und zivilrechtlichen Rahmenbedingungen geben es in Deutschland vor. Bei der Mehrheit der deutschen Verbriefungen bleibt die verbriefende Bank zudem auch zu einem bestimmten Teil im Risiko, das heißt die Kreditrisiken werden nicht vollständig ausplatziert. Moral Hazard ist bei deutschen Verbriefungen von Bankkrediten daher kein Thema. Entsprechend unauffällig sind die Fundamentaldaten deutscher Verbriefungen: sie weisen eine hohe Ratingstabilität auf und die Ausfälle bewegen sich im Rahmen der Erwartungen. Unterschiedliche Ausfallraten zwischen verbrieften und auf der Bankbilanz gehaltenen Bankkrediten sind nicht zu beobachten. Die Ausnahme sind lediglich jene wenigen Mittelstandsverbriefungen, deren Underlying nicht Bankkredite im Sinne des KWG waren, sondern Mezzaninekapital, das nicht über die Bankbilanz vergeben wurde. Heute, im Jahre zwei der Wirtschaftskrise, leiden deutsche Banken sehr unter der Finanzkrise. Zum einen weil sie in hohem Maße in amerikanische Verbriefungsprodukte investiert hatten, zum anderen weil sie mit einem hohen Eigenkapital-Leverage im Kreditgeschäft engagiert sind. Schwindendes Eigenkapital und steigendes regulatorisches Eigenkapital treiben das Deleveraging - zulasten des deutschen Mittelstands, der sich vorwiegend über Kredite finanziert. Deutschland hat somit ein fundamentales Interesse an dem Wiederingangkommen der Verbriefungsmärkte, denn unter den gegebenen Bedingungen würden funktionierende Verbriefungsmärkte gerade den deutschen Banken in ihrem Mittelstandsgeschäft nachhaltig helfen. Jede Krise bietet auch Chancen. Vieles spricht dafür, dass es weltweit einen Paradigma-Wechsel auf den Finanzmärkten geben wird; Investoren haben das blinde Vertrauen auf Ratings verloren, Moral Hazard und Infomationsassymetrien schrecken heute mehr ab als in früheren Zeiten. Selbst die hohe Versorgung der Märkte mit Liquidität macht die Fehler der Vergangenheit nicht vergessen, zumal die Notenbanken diesmal versichern, dass sie auch bereit sind die Liquidität rechtzeitig wieder aus den Märkten abzuschöpfen und die Aufsichtsbehörden aus der Krise gelernt haben. Können somit einzelne Finanzplätze im internationalen Wettbewerb Vorteile gewinnen, indem sie eine intelligente Regulierung durchsetzen, die die Ängste der Investoren bezüglich Moral Hazard und Informationsassymetrien aufnimmt? Und welcher Finanzplatz hätte hier Vorteile? Handlungsoptionen Wo liegen die Handlungsoptionen von Banken, Wirtschaft und Politik in Deutschland? Qualität muss auf dem Markt als Marke erkenntlich sein. Würde Frankreich seinen Champagner als Schaumwein verkaufen, hätte das Land es wesentlich schwerer Nachfrager zu finden, die bereit sind derartige Preise dafür zu zahlen. Eine Marke muss durch Qualitätszertifizierungen glaubhaft sein. Könnte jeder viertklassige französische Winzer, seinen Schaumwein Champagner nennen, wäre die Marke bald verdorben. Ein staatliches Gesetz kann helfen, dass die Qualität einer Marke auch nachhaltig garantiert wird. So sichert das Champagne-Gesetz seit 1927 die Qualität der Marke Champagner, indem es konkrete Produktionsverfahren vorschreibt. Im Prinzip geht es um klare und sichere Standards, die dem Investor nachhaltige Sicherheit geben, dass deutsche Verbriefungen, vor allem Mittelstandsverbriefungen, Qualitätsprodukte sind. Markenbildung: Entsprechende Qualitätsnormen der Banken und Verbriefungsindustrie, ein dahinter stehendes Zertifizierungsverfahren und ein sicherer staatlich gesetzter Rahmen würden dabei helfen. Die TSI- Zertifizierung für ABS-Transaktionen ist sicherlich der erste Schritt in diese Richtung.

Dr. Hartmut Bechtold , Global Writers Group GmbH
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