Aufsätze

Fondsboutiquen als feste Größe im Markt

Es ist Bewegung in die Asset-Manage-ment-Branche gekommen, die sich
allmählich auch in Zahlen manifestiert. Wie Studien belegen, haben die
großen deutschen Vermögensverwalter vor allem im Geschäft mit
institutionellen Mandaten Marktanteile an kleine Spezialisten wie auch
an ausländische Anbieter verloren.
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Strukturelle Veränderungen: Dynamisierung einer Branche
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Etablierte Fondsgrößen wie DBI (Allianz Dresdner), Deutsche Asset
Management (DWS), Activest (Hypovereinsbank) und Cominvest
(Commerzbank) verwalten aber trotz allem weiterhin gewaltige Vermögen,
die das Engagement der kleinen Fondspezialisten eher an die biblische
Auseinandersetzung "David gegen Goliath" erinnern. Aber ist dem
tatsächlich so? Sind die kleinen spezialisierten Asset Manager die
Davids der Branche? Das 50. Gründungsjubiläum der ersten deutschen
Fondsanbieter ist ein willkommener Anlass für eine kurze
Bestandsaufnahme, welche Trends heute die deutsche Investmentindustrie
bestimmen und welche Rolle dabei die vermeintlich "davidhaften"
Spezialisten spielen.
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Die Feststellung ist keineswegs neu, dass sich derzeit die
Asset-Management-Branche hierzulande im Umbruch befindet. Getrieben
von der Notwendigkeit zu stetigen Effizienzsteigerungen aufgrund
steigender Kosten und zunehmender regulatorischer Auflagen ist das
Aufbrechen der Wertschöpfungskette nach wie vor ein bestimmendes Thema
im deutschen Investmentgeschäft.
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Einen entscheidenden Impuls erhielt diese Entwicklung mit dem
In-Kraft-Treten des Investmentmodernisierungsgesetzes (InvG) zum 1.
Januar 2004, denn das Gesetz gab der Branche ein investmentrechtliches
Rahmenwerk mit einem grundlegend erweiterten Spektrum an
Investmentmöglichkeiten an die Hand. Unter anderem lieferte das InvG
den Kapitalanlagegesellschaften die notwendige rechtliche Sicherheit
bei der Gründung von Master-KAGen.
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Gezielte Auswahl von Spezialisten
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Erst die Master-KAG-Konstruktion auf dieser neuen rechtlichen Basis
ermöglichte Profianlegern die Bündelung von Spezialfonds verschiedener
Anbieter in einer Kapitalanlagegesellschaft und vereinfachte dadurch
den potenziellen Austausch von Fondsmanagern. Sie war deshalb eine
wesentliche Voraussetzung, um dem Wunsch institutioneller Investoren
gerecht zu werden, ihre Vermögen stärker zu diversifizieren - auf
verschiedene Anlageklassen, aber auch auf verschiedene Asset Manager.
Das neue Investmentrecht eröffnete den Fondsgesellschaften zudem
völlig neuartige Möglichkeiten im Einsatz von Finanzinstrumenten.
Insbesondere Derivatestrukturen erfreuen sich seither stetig
steigender Nachfrage.
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Vor dem Hintergrund dieser strukturellen Veränderungen hat die
Entwicklung in Deutschland bei institutionellen Investoren wie
Versicherungen und Einrichtung zur Altersvorsorge an weiterer Dynamik
gewonnen, klassische Balanced-Mandate aus Aktien und Anleihen in
Teilen durch spezialisierte Mandate verschiedener Anlageklassen
undstile zu ersetzen. Diese lassen Investoren dabei nicht mehr vom
klassischen Vollsortimenter betreuen, sondern suchen nun gezielt
Spezialisten aus. Die Triebfeder hinter dieser Entwicklung ist
letztlich der Dreiklang aus Performancedruck, sinkenden Renditen im
Anleihebereich und dem Willen, die eigenen Portfoliostrukturen mit
Blick auf die aufsichtsrechtlichen Möglichkeiten zu optimieren und
verstärkt nach neuen Ertragschancen zu suchen. Als Konsequenz ergibt
sich daraus eine neue Dynamik verbunden mit einer Verschärfung des
Wettbewerbs im Asset Management.
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Bekanntheitsgrad der Marke
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Die wichtigste treibende Kraft sind dabei gewandelte
Kundenbedürfnisse. Institutionelle Anleger setzen bei der
Mandatsvergabe immer öfter auf Performance und Qualität als
entscheidende Auswahlkriterien. Entsprechend konzentriert sich die
Nachfrage auf Asset Manager, die erstens über ein klares Profil
verfügen und zweitens über längere Zeiträume eine möglichst stabile
Outperformance in ihrer Assetklasse liefern konnten. Aber darüber
hinaus geht es wie in der Formel 1 immer mehr um das gesamte Setup und
dessen Konsistenz. Mit der Motorkraft allein gewinnt man nicht mehr
unbedingt ein Rennen. Es geht letzten Endes um individuelle
Investmentlösungen. Und die wichtigste treibende Kraft dabei ist der
Kunde. Während im Retailbereich der Bekanntheitsgrad der Marke oft den
Erfolg bestimmt, ist es bei institutionellen Anlegern mehr und mehr
die Expertise und die Flexibilität, kundenspezifische Anlagekonzepte
umzusetzen.
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Dabei verfügen die institutionellen Anleger mittlerweile über ein
ausgeprägtes Knowhow etwa im Bereich strukturierter Produkte und beim
Einsatz von Derivaten. Und diese Profis wollen nun auch sämtliche
Möglichkeiten zur Optimierung ihrer Portfolios beziehungsweise der
Kundenportfolios voll ausschöpfen. Das betrifft inhaltliche
Produktkomponenten wie das Investment- und Risiko-Management, die Wahl
der geeigneten Verpackung des Investments als Fonds, Zertifikat oder
als anderweitiges strukturiertes Produkt, aber auch den
After-Sales-Service.
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Je komplexer aber das Produkt, umso wichtiger wird der Faktor
Transparenz für den Investment-Prozess. Die Anforderungen von
Institutionellen an Reporting und Risi-ko-Management bewegen sich
daher auf hohem Niveau und sind nicht mit denen von Privaten zu
vergleichen. Höchstmögliche Flexibilität bei diesen
Zusatzdienstleistungen ist ein entscheidender Wettbewerbsvorteil. Doch
nach wie vor ist und bleibt die bessere risikoadjustierte
Invest-ment-Performance das überzeugendste Argument in der Präferenz
der Investoren.
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Hohe technische Standards als Differenzierungsmerkmal?
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Diese Dynamik der Branche führt eindrucksvoll vor Augen, dass es dem
Invest-ment-Profinicht um Ware von der Stange geht. Gesucht ist der
Schneider, der nach speziellen individuellen Vorgaben arbeitet. Und
hier tritt das Geschäftskonzept der Fondsboutique auf den Plan. Vor
allem institutionelle Investoren erkennen zunehmend die besonderen
Qualitäten kleiner Anbieter mit relativ junger Firmenhistorie.
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Kleine spezialisierte Gesellschaften haben strukturell bedingt den
Vorteil, dass sie fokussiert, flexibel und schnell auf die Bedürfnisse
der Kunden eingehen können. Dies umfasst beispielsweise die
eingesetzten Finanzinstrumente, die speziellen Erfordernisse an die
Verpackung bis hin zur Transparenz bezogen auf die
Risiko-Ma-nagement-Reports oder die individualisierte
Berichterstattung. Wer im institutionellen Asset Management aber
nachhaltig erfolgreich sein will, muss zunächst die Verlässlichkeit
der Organisationsstrukturen und Systeme sicherstellen.
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Der unterschätzte Faktor Mensch
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Die überschaubare Größe und flachen Hierarchien ermöglichen zwar
schnelle Entscheidungsprozesse zugunsten von Performance und Service.
Kleine Gesellschaften müssen sich allerdings im Klaren darüber sein,
dass die hohen technischen Anforderungen an Reporting und
Risiko-Management hohe finanzielle Investitionen erfordern. Dabei
haben die Gesellschaften keine Wahl, diese Investitionen auch zu
tätigen. Denn ein funktionierendes technisches Umfeld auf hohem Niveau
ist insbesondere im institutionellen Geschäft für die Nachhaltigkeit
des Unternehmenserfolgs essenziell. Und gerade weil State-of-the-art-
Systeme zu einer notwendigen Voraussetzung geworden sind, können sie
kaum noch als wirkliches Differenzierungsmerkmal gesehen werden.
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In der Spitzenliga der Fondsbranche setzt sich immer mehr die
Erkenntnis durch, dass am Ende des Tages die Player, also der Faktor
Mensch, den Erfolg ausmacht. Nicht umsonst sind die besten Köpfe das
knappste Gut der Branche. Und das trifft nicht nur auf Fondsmanager
zu, sondern schließt
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Führungskräfte ebenso ein wie Vertriebsmitarbeiter.
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Es sind ohne Zweifel die talentierten Portfolio-Manager, die hinter
guten und konstanten risikobereinigten Erträgen stehen. Sie bringen
zudem Innovationen auf den Weg, die für neue Wertschöpfung und damit
für Wachstum sorgen. Ihrer überragenden Bedeutung entsprechend wird
der Kampf um die Besten des Fachs härter. Diese seltene "Spezies" zu
binden oder gar für die eigene Gesellschaft zu begeistern und
anzuziehen, bedarf aber überzeugender Argumente, die über das monetäre
hinausgehen. Die Boutique-Struktur scheint hierbei ein Arbeitsumfeld
zu bieten, das motivierender ist, als die Organisationskultur großer
Häuser. Erfahrene Portfolio-Manager legen Wert auf die Befreiung von
bürokratischem Ballast und auf ein ambitioniertes,
performance-orientiertes Unternehmensklima. Sie wollen und brauchen
ein hohes Maß an Handlungsfreiheit, um ihren Anlagestil konsequent zu
verwirklichen und dabei auch ausgefallene Investmentansätze zu
verfolgen.
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Das organisatorische Umfeld von Fondsboutiquen fördert zudem aufgrund
der größeren Nähe zu den Mitarbeitern und Geschäftsführern das Gespür
für mögliche Innovationen und Veränderungen und trägt so zur größeren
kreativen Entfaltung dieser Individualisten bei. Schließlich ist auch
die Motivation in kleinen Fondsgesellschaften oftmals wirksamer. Ein
erfahrener Fondsmanager ist als Revenue-Motor oftmals direkt am
Unternehmen beteiligt. Schlechte Leistung gefährdet daher nicht nur
seinen Bonus, sondern in letzter Konsequenz auch seine Existenz. Er
denkt daher unternehmerisch und kann Innovationen realistischer
einschätzen und auf den Weg bringen.
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Wachsende Branchenvielfalt dank zunehmender Spezialisierung
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Um sich das Know-how der Branchen-Talente nachhaltig zu sichern, sind
auch die Führungskräfte gefordert. Mitarbeiter zu koordinieren, zu
inspirieren und zu motivieren verlangt Begabungen und damit
Persönlichkeiten. Es ist bereits schwer, gute Spieler zu finden. Noch
schwerer wird es, Führungspersönlichkeiten zu rekrutieren, die in der
Lage sind, eine Truppe von Individualisten auf die spezifischen
Bedürfnisse der Kunden auszurichten. Auf Spieler mit Persönlichkeit
ist besonders im institutionellen Asset Management auch der Vertrieb
angewiesen.
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Kundenindividuelle Investmentlösungen bedeuten, jeden Kunden zu
verstehen, seine aktuellen Probleme aufzugreifen und im Gespräch in
eine maßgeschneiderte Lösung zu überführen. Das setzt ein fundiertes
technisches Know-how, Allgemeinbildung und viel soziales
Fingerspitzengefühl voraus. Auch solche Charaktere sind ein knappes
Gut in der Branche und genau das Gegenteil von den häufig im
Investmentbanking anzutreffenden "Deal Junkies".
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Insgesamt scheint es den Fondsboutiquen gut zu gelingen, das gesamte
Setup ihres Geschäftskonzepts so zu justieren, dass sämtliche Prozesse
und Mitarbeiter auf die Investmentperformance und die Bedürfnisse des
Kunden ausgerichtet sind. Und das trifft den Nerv der Zeit und schlägt
sich schließlich in Zahlen nieder. Invest-ment-Boutiquen verzeichnen
in den letzten Jahren eine erhebliche Steigerung des verwalteten
Volumens. Dabei treiben in erster Linie institutionelle Investoren das
Wachstum der Boutiquen voran, indem sie verstärkt kleinere Anbieter
mandatieren. Vieles deutet darauf hin, dass dieses Wachstum von
fokussierten Spezialisten anhalten wird.
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Zusammenwachsen von Asset Management und Investmentbanking
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Mit der Entdeckung der spezialisierten kleinen Asset Manager vollzieht
sich in Deutschland ein Trend, der im angelsächsischen Raum längst
erfolgreich in Gang ist. Die neuen Strukturen sorgen für größere
Vielfalt und decken die Kundenbedürfnisse besser ab. Die Nachfrage
nach intelligenten und aufsichtskonformen Investmentlösungen wird das
Zusammenwachsen von Asset Management und Investmentbanking
vorantreiben, die Komplexität entlang der Wertschöpfungskette weiter
erhöhen und die Konkurrenz im Asset Management noch einmal deutlich
beleben. Angesichts der dadurch angestoßenen Neuverteilung des
Geschäfts stehen die kleinen spezialisierten Fondshäuser mit ihrem
gepoolten Know-how und ihrer Wendigkeit gut positioniert neben den
Goliaths der Branche. Boutiquen sind deshalb nicht per se die besseren
Manager. Sie bereichern allerdings mit einer neuen Qualität den
Wettbewerb.
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Vor dem Hintergrund dieser Entwicklung wird deutlich, dass die
eingangs erwähnte Metapher von David gegen Goliath die eigentliche
Gemengelage zu pauschal abbildet. David gegen Goliath impliziert, dass
einer im Sand der Arena liegen bleibt. Aus Sicht des Kunden stehen
aber nicht David oder Goliath, Newcomer oder Platzhirsch, kleiner oder
großer Asset Manager im Vordergrund, sondern der Mehrwert und die
Qualität, den er für sich erzielen kann. Etablierte große Fondshäuser
wie etwa die DWS bieten gut und sehr gut bewertete Aktienfonds. Aber
auch Neulinge wie Thames River, Lupus alpha, Kepler oder First Private
haben sich mit ihren Fondsprodukten im Peer-Group-Vergleich oft auf
das Siegertreppchen hochgearbeitet. Deshalb trifft das Bild David und
Goliath vielmehr den Kern der Sache. Die Goliaths der Branche werden
sich daran gewöhnen müssen, dass sie mit den Davids um das
institutionelle Geschäft kämpfen.
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Der wahre Gewinner der neuen Dynamik in der deutschen Fondsindustrie
ist deshalb der Kunde. Ihm werden neue, individuell angepasste und
teilweise hoch spezialisierte Produkte zur Verfügung gestellt, damit
er den Weg in Richtung Diversifizierung und Optimierung seines
Gesamtportfolios erfolgreich gehen kann. Für die Anbieter bedeutet
das, dass die eigene Wertschöpfung mehr denn je auf der Erzielung
eines nachhaltigen Mehrwerts für die Kunden basieren muss. Der
Treibstoff für diesen Prozess sind das Wissen der erfahrenen
Fondsmanager und Innovation. Und diesbezüglich sind die Fondsboutiquen
gut aufgestellt.
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Innovationsführerschaft
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Nicht von ungefähr haben Innovationen in der Vergangenheit zumeist
kleine und mittelständische Unternehmen angestoßen. Ein innovatives
Produkt braucht in der Investmentbranche allerdings ausreichend Zeit,
um einen aussagefähigen Track Record vorzuweisen und den Lackmustest
hinsichtlich seines versprochenen Mehrwerts zu bestehen. Die Illusion
von Sicherheit und Kontrolle darf dabei nicht dazu führen, dass die
Fähigkeit gehemmt wird, Innovationen voranzutreiben. Und das bedeutet:
die Kundenwünsche zu kennen, kreativ zu sein, Know-how aufzubauen und
vor allem - etwas zu riskieren.

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