Gespräch des Tages

IWF II - Multinational und doch bipolar -Was ist eine angemessene Quote?

Rodrigo de Rato, der Managing Director des Internationalen Währungsfonds (IWF), nutzte ein Gespräch mit Vertretern der asiatischen und pazifischen Presse zur bevorstehenden Jahrestagung von IWF und Weltbank, um zu verkünden, dass sich der Executive Board des IWF eine Stunde zuvor auf eine Ad-hoc-Quotenerhöhung geeinigt habe. Damit wurde im Vorfeld des Zusammentreffens am 19. und 20. September in Singapur ein wichtiger Stolperstein aus dem Weg geräumt. Die verabredete Reform zeige, so de Rato, dass im IWF "der Geist der internationalen Kooperation lebendig und wohlauf" sei.

Rato dürfte wenige Tage später jedoch wieder auf den Boden der "machtpolitischen Realitäten" zurückgekommen sein, als Bundesbankpräsident Weber - auch in einem Pressegespräch - davor warnte, im Zuge der zukünftigen Neuanpassung der Quoten vorzeitig zugunsten von Schwellenländern eine Schmälerung von Kapitalanteilen und Stimmrechten der EU-Länder am IWF in Aussicht zu stellen. Weber ist im Zusammenhang mit der Quotenerhöhung nicht ein beliebiger Zentralbankchef der insgesamt 184 Mitgliedsstaaten des IWF - vielmehr vertritt die Deutsche Bundesbank zusammen mit dem Bundesministerium der Finanzen mit Deutschlands Kapitalanteil von 6,1 Prozent den drittgrößten Anteilseigner, nach den USA und Japan.

Unter dem Stichwort "Governance" steht schon seit Jahren die Frage nach den angemessenen Führungsstrukturen und Entscheidungsverhältnissen im IWF auf der Tagesordnung. Seit 2003 läuft die 13. General Review der Quotenregelung. Die Quoten orientieren sich an gesamtwirtschaftlichen Kriterien wie zum Beispiel der Wirtschaftskraft in Form des BIP einer Volkswirtschaft, dem Grad ihrer Offenheit und den vorhandenen Devisenreserven. Sie werden festgelegt, wenn ein Land dem IWF beitritt und werden gemessen in Sonderziehungsrechten (SZR beziehungsweise Special Drawing Rights, SDRs), der offiziellen Zahlungseinheit des Internationalen Währungsfonds.

Die Quoten bestimmen nicht nur die finanztechnische Beziehung zum IWF wie zum Beispiel den Kapitalanteil, den möglichen Kreditrahmen und die Finanzierungsverpflichtung; dadurch, dass sich nach den Quoten auch die Stimmengewichtung eines Landes bei Abstimmungen bemisst, entscheiden sie auch über die Einflussmöglichkeiten des jeweiligen Landes auf die Politik der Finanzorganisation. Begünstigte des neuen Quotenansatzes (also der Ad-hoc-Quotenerhöhung) sind vier Länder: China, Korea, Mexiko und die Türkei. Ihnen ist gemeinsam, dass sie aufgrund ihrer Wirtschaftskraft bisher im IWF unterrepräsentiert sind und dass die sofortige Stimmrechtsanhebung dies abmildern soll. Dazu wird der Gesamtanteil der Quoten um 1,8 Prozent erhöht, dies entspricht 3,81 Milliarden SZR beziehungsweise 5,66 Milliarden US-Dollar - Geld, das die Länder erst in den Fonds einlegen müssen, bevor die neue Regelung in Kraft tritt.

Das Exekutivdirektorium beschloss nun ein abgestuftes Vorgehen, in dem die Ad-hoc-Quotenerhöhung nur der Anfang eines insgesamt zweijährigen Reformprozesses ist. Direkt anschließend soll darüberhinaus eine neue Formel für die Berechnung der Quoten erarbeitet werden, die auf der Jahrestagung von IWF und Weltbank im kommenden Jahr zur Entscheidung vorgelegt werden soll. Deutschland sieht sich auf der Basis der aktuellen Formeln zur Bestimmung der Quoten unterrepräsentiert. Bei der anstehenden Festlegung einer neuen Formel neigen die hiesigen Verantwortlichen anders als die weiterhin stark am Bruttoinlandsprodukt orientierten USA zu einer stärkeren Berücksichtigung der Offenheit einer Volkswirtschaft.

Dass sich bei deren Festlegung in den zuständigen Gremien wie mit anderen Ländern auch Diskussionsstoff ergeben könnte, zeigen Passagen aus einem Papier der Bundesbank, das im Vorfeld der jetzigen IWF Tagung veröffentlicht wurde: "Die Diskussion über die Quotenformel dürfte künftig von zentraler Rolle sein. Die Quotenformeln gelten nur auf den ersten Blick als ,technisches' Thema; denn schon geringfügige Änderungen der Formel können die politischen Gewichte im Fonds stark verschieben. Es besteht eine breite Übereinstimmung darüber, dass das derzeitige komplexe System - bestehend aus fünf Quotenformeln - einfacher und transparenter gestaltet werden soll. Offen ist aber, welche Variablen - Bruttoinlandsprodukt (BIP), Offenheitsgrad einer Volkswirtschaft, Währungsreserven und Variabilität der Leistungsbilanzeinnahmen - und mit welchem Gewicht diese Variablen in die Formel eingehen. Nach Auffassung der Bundesbank ist das BIP ein wichtiger Indikator; gleichwohl sollte sein Gewicht keine dominierende Rolle in einer neuen Formel erhalten. Vielmehr sollte wegen der internationalen Orientierung des IWF und der Konzentration auf Zahlungsbilanzfragen der Offenheitsgrad einer Volkswirtschaft eine größere Bedeutung erhalten."

Im Anschluss daran ist eine zweite Ad-hoc-Stimmrechtsanhebung basierend auf der neuen Quotenregelung vorgesehen, bevor dann über eine Anhebung der Basisstimmen entschieden werden soll, um den kleineren Mitgliedsländern des Fonds eine angemessenere Stimmengewichtung zu geben. Hierbei wird insbesondere auf eine stärkere Einbindung der afrikanischen Länder in die Entscheidungsfindung des Fonds abgezielt, die durch ihre geringe Wirtschaftskraft bisher kaum existiert.

Bundesbankpräsident Weber scheint nun zu befürchten, dass man im Reformprozess den europäischen Staaten insgesamt zu viel Stimmrechtsanteile abverlangen wird und dass damit eine europäische Handschrift der Politik des Fonds, die in einigen Bereichen wesentlich von den Ansichten der USA abweicht, schwerer durchzusetzen wäre. Diese Befürchtung ist nachvollziehbar, allerdings muss auch gesehen werden, dass die vormals bipolaren Kräfteverhältnisse im Fonds - USA auf der einen, die europäischen Staaten auf der anderen Seite - zwangsläufig durch die Einbindung wirtschaftlich aufstrebender Staaten infrage gestellt werden und multilateralen Strukturen weichen müssen. Dies wird eine intensivere Abstimmung mit den übrigen Anteilseignern des IWF zur Durchsetzung von Positionen bedeuten. Es wird sich also erst noch zeigen, wie es um den "Geist der internationalen Kooperation" wirklich bestellt ist - wenn es zum Beispiel eines Tages darum gehen sollte, die amerikanische Sperrminiorität abzuschaffen. "Angesichts früherer Erfahrungen dürfte eine Einigung auf eine neue Quotenformel erst nach langwierigen Verhandlungen möglich sein", meint auch vielsagend die Deutsche Bundesbank. B.W.

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