Aufsätze

Kredithandel über die Börse als Ausweg aus der Kreditklemme

Ein oftmals thematisiertes Problem deutscher Unternehmen ist die mangelnde Eigenkapitalausstattung. Gründe dafür sind die Zurückhaltung deutscher Unternehmer bei der Abgabe von Kontrollrechten und die geringere Tiefe der Kapitalmärkte, wodurch gerade kleineren Unternehmen der Zugang zum Kapitalmarkt verwehrt bleibt (vergleiche Hommel/Schneider 2003/2004, Ernst & Young 2005).

Schwierige Anschlussfinanzierung

Das Finanzierungsproblem der Unternehmen lässt sich jedoch, gerade vor dem Hintergrund der neuen Eigenkapitalvorschriften nach Basel II, noch weiter fassen. Durch die limitierte Eigenkapitalausstattung gerade kleinerer Regionalbanken stehen die Unternehmen vor dem Problem der sogenannten "Kreditklemme". Erste Implikationen zeigen sich in der Finanzierungsstruktur von Familienunternehmen. Diese Unternehmen unterhalten eine besonders enge Beziehung zu ihren jeweiligen Hausbanken und haben dadurch weniger Diversifikationsmöglichkeiten, wenn sie vor dem Problem der eher zurückhaltenden Kreditvergabe stehen. Im Ergebnis finanzieren sich diese Unternehmen signifikant häufiger mit kurzfristigen Verbindlichkeiten, was mittelfristig zu dem Problem der Anschlussfinanzierung (Fristenkongruenzproblem) führen wird (vergleiche Brockmann/Hommel 2007).

Der Zugang zu öffentlichen Kapitalmärkten ist sicherlich langfristig als eine visionäre Lösung anzusehen. Kurzfristig sind die Unternehmen jedoch mit anderen Mitteln aus ihrem Finanzierungsproblem zu befreien. In der Vergangenheit wurden vielfach eigenkapitalähnliche Mezzanine-Produkte als möglicher Lösungsansatz diskutiert (vergleiche beispielsweise Brockmann/Hommel 2006). Dieser Beitrag zeigt auf, dass eine erhöhte Handelbarkeit von Krediten, unter Beibehaltung der Hausbankbeziehung, sowohl für deutsche Unternehmen als auch die deutsche Bankenlandschaft, einen positiven Impuls liefern kann.

Problem von Konzentrationsrisiken aus Bankensicht

Kreditportfolios einer Bank sind nahezu zwangsläufig schlecht diversifiziert, da sie nicht wie im Fall eines Aktienportfolios durch Kauf verschiedener Wertpapiere am Kapitalmarkt zusammengestellt werden, sondern durch die Kreditbeziehung zu den eigenen Kunden. Die mangelnde Diversifikation zeigt sich insbesondere bei stark regional tätigen Banken in einem zu starken Fokus auf einzelne Regionen beziehungsweise sogar einzelne Kunden, der sogenannten Adresskonzentration (vergleiche Deutsche Bundesbank 2006). Die ökonomische Relevanz dieser Risiken zeigt sich insbesondere dann, wenn man berücksichtigt, dass eine regionale Konzentration im Regelfall auch eine Konzentration auf wenige Industrien impliziert und dass regionale Netzwerke durch Zulieferer und Abnehmer die Korrelation der Risiken von Einzelkunden weiter erhöhen. Dass eine Bank innerhalb ihrer durch ihre Eigenkapitalausstattung begrenzten Möglichkeiten zur Kreditvergabe versuchen wird, Klumpenrisiken zu verringern ist verständlich und ökonomisch wünschenswert.

Kleinere, regional orientierte Banken haben jedoch aufgrund der sehr starken Marktmacht von Wettbewerbern in anderen Regionen oftmals gar nicht die Möglichkeit, ihr Portfolio über die Region hinaus zu diversifizieren. Da regional orientierte Banken auch ein sehr spezifisches "Know-how" aufgebaut haben, ist dies vor dem Hintergrund der Beziehung zwischen Bank und Kunde auch gar nicht sinnvoll.

Credit Default Swaps als Alternative

Ein Lösungsansatz ist die Möglichkeit der Banken, Teile ihrer Kreditportfolios in Verbriefungstransaktionen, beispielsweise über die Plattformen Promise und Provide der KfW (vergleiche Kreditanstalt für Wiederaufbau 2007), einzubringen und dadurch die eigene Bilanz zu entlasten. Das Problem dieser Transaktionen ist jedoch, dass die Banken zwar selektiv Risiken abgeben können, sie können jedoch keineswegs selektiv Risiken zur Diversifikation des eigenen Portfolios zukaufen. Einzige Möglichkeit ist hier der Erwerb von Anteilscheinen der Verbriefungstransaktionen, die jedoch selbst breit diversifizierte Portfolios darstellen und damit nur bedingt zur Diversifikation eines gegebenen Kreditportfolios geeignet sind.

Eine andere Alternative sind "Credit Default Swaps" (CDS). CDS sind individuell strukturierte Verträge, die "over the counter" (OTC) zwischen zwei Parteien abgeschlossen werden und Kreditrisiken transferieren. Im Grunde genommen handelt es sich also aus Bankensicht um eine Versicherung. Die Relevanz zeigt sich in dem rasanten Marktwachstum: Im Laufe des vergangenen Jahres hat sich der Markt für CDS beispielsweise auf insgesamt 34,4 Billionen Dollar nahezu verdoppelt (vergleiche ISDA 2006).

Im Ergebnis kann eine Bank dadurch selektiv die Ausfallrisiken einzelner Kredite abtreten beziehungsweise auch von anderen Banken erwerben. Da es für die Bewertung der Kreditrisiken keine standardisiert genutzten Verfahren und bei OTC Märkten definitionsgemäß keine transparenten Preisbildungsmechanismen gibt, ist dieser Markt bisher vornehmlich Großbanken und spekulativ orientierten Finanzinvestoren vorbehalten.

Anforderungen der Unternehmen an Kredithandel

Da der Abverkauf eines Kredits von der Bankbilanz direkt zu einer Befreiung des Eigenkapitals führt, ist dies auf den ersten Blick für den Firmenkunden der Bank äußerst positiv zu werten. Ängste entstehen jedoch beim Blick auf das in der Vergangenheit oftmals thematisierte aggressive Verhalten von Finanzinvestoren. Wird ein Kredit gänzlich an einen Finanzinvestor abgetreten, wird dieser seinem einzigen Ziel, der kurzfristigen Renditemaximierung, nachgehen.

Oftmals ist dieses Ziel mit einer schnellstmöglichen Verwertung, notfalls auch der gegebenen Sicherheiten, beziehungsweise einer überproportionalen Erhöhung der Kapitalkosten verbunden. An Verhandlungen sind die Finanzinvestoren nicht interessiert, da sie zu den Kreditnehmern keine langfristige Beziehung aufbauen wollen und können, da sie im Regelfall über keine Banklizenz verfügen und sie im Rahmen des Kreditwesengesetzes (KWG) keine Anschlussfinanzierung bereitstellen dürfen.

Die Handelbarkeit der Kredite steht aus Unternehmenssicht daher unter der Nebenbedingung, dass mögliche Investoren einen "Maulkorb" tragen müssen. Die langfristige Strategie der Investoren, im Idealfall repräsentiert durch die Hausbank, muss auch weiterhin bestehen bleiben. Ein sehr gutes Beispiel, dass dies möglich ist, ist die geplante Kreditbörse der RMX in Hannover (Risk Management Exchange). Handelsstart für das innovative Produkt "Cre-Parts" (Credit Participation) ist im Laufe des Jahre 2007 geplant (vergleiche RMX 2007). Ein Cre-Part stellt dabei einen speziellen Teil des gesamten Kredits dar, der über die Plattform der Börse als "True-Sale" verkauft wird.

Transparente und standardisierte Informationen

Teilnehmende Banken können dadurch bis zu jeweils 75 Prozent ihrer Kredite in verschiedenen Stufen zum Handel anbieten. Die verschiedenen Stufen unterscheiden sich durch die möglichen Gruppen der Handelsteilnehmer. In der finalen Stufe stehen die Cre-Parts allen Teilnehmern zum Börsenhandel zur Verfügung. Sie werden dadurch handelbar, dass Informationen über die einzelnen Kredite den jeweiligen Marktteilnehmern standardisiert und transparent zur Verfügung gestellt werden. Beispielsweise wird mindestens einmal jährlich für jeden gehandelten Kredit eine Einschätzung von Ausfallwahrscheinlichkeit (PD - Probability of Default) und Höhe des Risikokapitals (LGD - Loss Given Default) von S&P als unabhängiger, externer Ratingagentur bestimmt. Abgesehen von dem eigentlichen Handel der Kredite kann eine Bank dadurch auch kostengünstig eine externe Validierung beziehungsweise Falsifizierung des bankinternen Ratings erhalten.

Gleichzeitig wird die Beziehung der Verkäuferbank zu den Kreditnehmern bestmöglich geschützt. Einerseits wird durch eine Verzichtserklärung vermieden, dass Banken nicht anonymisierte Informationen aus dem Handelssystem gezielt zur Kundenakquise nutzen. Die Anschlussfinanzierung verbleibt dadurch im Regelfall auch weiterhin bei der Hausbank.

Zusätzlich steht es der Hausbank frei, die Kreditkonditionen beispielsweise nach Ende einer Zinsbindung nach eigenem Nutzen zu verhandeln. In dieses Entscheidungskalkül können auch andere Faktoren, wie "Cross-Selling" einfließen. Um Kreditkäufer zu schützen, muss sich die Hausbank lediglich für einen bestimmten Zeitraum verpflichten, die Kredite zum Nennwert zurückzukaufen.

Volkswirtschaftliche Implikationen handelbarer Schuldtitel

Aus volkswirtschaftlicher Sicht ist die Vereinfachung des Handels von Schuldtiteln in dem institutionellen Rahmengerüst einer öffentlich kontrollierten Börse sehr zu begrüßen. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund der klaren Informationspflichten einer Börse und der standardisierten Risikobewertung relevant. Der liquide Handel von Schuldtiteln führt dazu, dass der Kapitalmarkt Informationen über Marktpreise von Kreditrisiken erhält, wie es beim derzeitigen OTC Markt für CDS nur sehr eingeschränkt möglich ist. Dies führt einerseits zu mehr Transparenz am Kapitalmarkt und andererseits zu höherer Stabilität, da volkswirtschaftliche Risiken wie beispielsweise die zwar gezielte, jedoch auch spekulative Akkumulation von Kreditrisiken durch einige Hedge-Fonds nicht mehr gänzlich im Verborgenen geschehen könnte.

Weiterhin können Banken einen Markt für Kredite dazu nutzen, die eingangs erwähnten Klumpenrisiken zu vermindern und das eigene Kreditportfolio im Rahmen eines aktiven Portfoliomanagements selektiv durch Zukäufe zu diversifizieren. Dadurch verringert sich das idiosynkratische Risiko der Bank und gleichzeitig kann sie das entlastete Eigenkapital für Neuengagements nutzen. Beide Fälle sind auch im Interesse der Bankkunden. Beispielsweise kann eine Bank, die systematisch den maximalen Teil von 75 Prozent der Kredite eines Kunden an der Börse verkauft, das ursprüngliche Maximalengagement vervierfachen, ohne die eigene Risikoposition zu verändern.

Neue Möglichkeiten für mittelständische Kreditportfolios

Darüber hinaus vereinfacht ein liquider Markt für Kredite Verbriefungstransaktionen. Durch Verbriefungsstrukturen können auch mittelständische Kreditportfolios in verschiedene Risikoklassen eingeteilt werden und ebnen damit institutionellen Investoren den Zugang zu Instrumenten, zu denen sie aufgrund der geringen Losgrößen im Normalfall keinen Zugang hätten. Aktuelle Hindernisse sind, dass die zu verbriefenden Portfolios nach Verfügbarkeit in Blöcken von einzelnen Banken zugekauft werden. Eine Kreditbörse bietet Investmentbanken die Möglichkeit, ein Portfolio bestehend aus Krediten von einer Vielzahl von Banken optimal auf den Risikoappetit der Investoren abzustimmen, zu verbriefen und am Kapitalmarkt zu refinanzieren - ein weiterer Punkt, der die Allokationseffizienz des Kapitalmarktes erhöht.

Ausreichende Transparenz über den Verkauf eines Kreditengagements

Die aktuelle politische Diskussion zur Regulierung des Kredithandels leistet zwar einerseits einen wichtigen Beitrag zur ökonomisch sinnvollen Ausgestaltung dieses neuen Finanzmarktsegments, ist aber andererseits aufgrund der Verknüpfung mit der Heuschrecken-Diskussion ideologisch überfrachtet. Notwendig ist sicher ex ante eine ausreichende Transparenz über den Verkauf eines Kreditengagements sowie die Einräumung von Sonderkündigungsrechten, um den Kunden gegen einen subjektiv empfundenen Vertrauensbruch zu schützen. Diese Argumente rechtfertigen jedoch nicht den Aufbau einer normenbasierten Regulierungsstruktur. Die bevorstehende Gründung der RMX zeigt, dass transparente Handelsstrukturen immer dann geschaffen werden, wenn Marktteilnehmer damit auch einen ökonomischen Wert verbinden.

Kreditverträge sind bereits heute so strukturiert, dass die Option der Veräußerung durch den Kreditgeber zulässig ist. Einer vielfach vielleicht eher impliziten Vertragsöffnungsklausel einen expliziten Charakter zu geben, kann bestenfalls nur einen marginalen Mehrwert schaffen. Die Einräumung von Sonderkündigungsrechten ist grundsätzlich einzelvertraglich verhandelbar und wird von den Kreditgebern zugelassen, wenn sie die Kundenbeziehung aufwerten. Das eigentliche Problem ist doch vielmehr, dass gerade mittelständische Kreditnehmer häufig nicht in der Lage sind, Sonderkündigungsrechte auszuüben und es folglich eher darum gehen sollte, inwieweit für nicht börsengehandelte Unternehmen ein positiveres Finanzierungsumfeld geschaffen werden kann. Die Gründung der RMX leistet hierzu einen wichtigen Beitrag.

Literaturverzeichnis:

Brockmann, Malte/Hommel, Ulrich (2007): Aktive Globalisierung - Chancen für deutsche Familienunternehmer?, Studie der Deloitte & Touche GmbH und DZ Bank AG (Hrsg.).

Brockmann, Malte/Hommel, Ulrich (2006): Golden Gate oder Tacoma Narrows? Mezzanine Kapital als Finanzierungsbrücke zwischen Mittelstand und Kapitalmarkt, Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen, Heft 19/2006, Seite 1029.

Deutsche Bundesbank (2006): Monatsbericht Juni 2006.

Ernst & Young/EY Law Luther Menold (2005): Wege zum Wachstum - Volkswirtschaftliche Impulse durch innovative Unternehmensfinanzierung, Frankfurt am Main.

Hommel, Ulrich/Schneider, Hilmar (2003): Financing the German Mittelstand, EIB Papers, 8. Jg., Nr. 2. Hommel, Ulrich/Schneider, Hilmar (2004): Die Bedeutung der Hausbankbeziehung für die Finanzierung des Mittelstandes: Empirische Ergebnisse und Implikationen, Finanz Betrieb, 6. Jg., Nr. 9.

ISDA (2006): International Swaps and Derivatives Association (ISDA) 2006 Survey.

Kreditanstalt für Wiederaufbau (2007): http://www. kfw.de/DE_Home/Kreditverbriefung.

RMX 2007: http://www.rmx.eu/content/creparts/index.shtml.

Prof. Dr. Ulrich Hommel , Inhaber des Lehrstuhls für Unternehmens- und Hochschulfinanzierung , EBS Business School, EBS Universität für Wirtschaft & Recht, Wiesbaden
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