Aufsätze

Kundenschutz durch organisierten True-Sale-Kredithandel

Die Auswirkungen der aktuellen Liquiditätskrise auf die unmittelbare Refinanzierung von Banken liegen auf der Hand. Es handelt sich um ein Problem welches, direkt oder mittelbar, von der Großbank bis zur Regionalbank auftritt. Das Vertrauen zwischen Banken und Kapitalmarkt wird zwar, nach der mittelfristig zwangsläufig erfolgenden Korrektur des Marktes, wenn alle Risiken erfasst und für die Marktteilnehmer transparent sind, wiederhergestellt werden. Der für die Banken überraschende Schock einer schweren Refinanzierungskrise wird jedoch dazu führen, dass alle Banken ihre eigene Risikopolitik auf den Prüfstand stellen und kritisch hinterfragen werden.

Gefahr von Klumpenrisiken

Als Implikation ergibt sich dadurch auch der bisher von verschiedenen Seiten abgestrittene Einfluss auf die Wirtschaft. Insbesondere kleinere Banken hatten aufgrund ihrer stark lokal konzentrierten Tätigkeit schon vor der Krise schlecht diversifizierte Kreditportfolios. Wenn die Banken nun ihre eigenen Risikostrukturen überdenken, werden sie das evidente Problem von Klumpenrisiken im Kreditportfolio noch offensiver angehen müssen.

Die Gefahr von Klumpenrisiken führt dazu, dass Banken Opportunitäten im Zuge einer strafferen Risikopolitik nicht mehr in gleicher Weise wahrnehmen können. Beim Management des Kreditportfolios stehen sie vor der grundsätzlichen Herausforderung, dass die relativen Gewichte einiger großer Engagements im Portfolio reduziert werden müssen. Als Möglichkeiten sind einerseits der Abverkauf oder die direkte Reduktion des Engagements denkbar, andererseits würde das relative Gewicht auch durch eine Ausweitung des Portfolios auf weitere Engagements sinken. Bei vordergründiger Betrachtung sollten sich Banken auf die gezielte Reduktion von Klumpenrisiken konzentrieren, da die Ausweitung auf weitere Engagements zu einem überproportionalen Anstieg des ohnehin schon starken Wettbewerbs, gerade zwischen den kleineren Banken, führen würde. Ob die Vorteile einer Risikoreduktion die Nachteile der dadurch schwindenden Margen rechtfertigen würden ist mehr als fraglich.

Für den Verkauf von Krediten stehen den Banken mittlerweile verschiedene Kanäle zur Verfügung. Über bestehende Plattformen können auch kleinere Institute ihre Kredite in Portfolios einstellen und am Kapitalmarkt verbriefen lassen. Darüber hinaus sind im Markt verschiedene Finanzinvestoren aktiv, die Kreditrisiken zu entsprechenden Konditionen gerne aufkaufen. Nachdem gerade für den zweiten Fall in der Presse verstärkt Fälle diskutiert wurden, bei denen neue Investoren durch starken Druck ihre Strategie der kurzfristigen Wertmaximierung verfolgt haben, haben langfristig handelnde Unternehmer schon beim grundsätzlichen Gedanken an Finanzinvestoren eher negative Assoziationen. Auch wenn der Unternehmer eines gesunden Unternehmens im Regelfall nicht von der gesamten Bandbreite der Handlungsalternativen eines neuen Investors betroffen sein wird, entsteht dadurch für die Bank ein interessantes, wenngleich auch schwerwiegendes Problem: Ein vernünftiges Risikomanagement auf Portfolioebene sichert den langfristigen Erfolg der Bank und ist damit auch für die Kunden hilfreich. Andererseits belastet eben dieses Risikomanagement kurzfristig die Beziehung zwischen Bank und Kreditnehmer.

Neue Handlungsspielräume durch Kredithandel

Der aktuell von der Risk Management Exchange (RMX) in Hannover lancierte Handelsplatz für Kredite und kreditähnliche Produkte könnte einen wertvollen Schritt zur Lösung genau dieses Problems darstellen. Banken können über die Plattform standardisierte Anteile ihrer eigenen Kredite (Credit Parts oder kurz Cre-Parts) zum Verkauf anbieten und analog auch Kredite von anderen Banken in das eigene Portfolio aufnehmen. Sie schlagen also gleich zwei Fliegen mit einer Klappe: Die eigene Bilanz wird von Klumpenrisiken befreit und gleichzeitig können zur besseren Diversifikation selektiv neue Kreditrisiken aufgenommen werden. Ohne den eigenen Kundenfokus zu erweitern, können also Risiken aus anderen Branchen oder Regionen getragen. Darüber hinaus steht insbesondere kleineren Banken der Weg offen, sich anteilig an Krediten von Unternehmen zu beteiligen, welche die maximale Höhe eines Einzelengagements bei Weitem überschreiten würden.

Über eine einmalige Bereinigung des Kreditportfolios hinaus stellt der Handelsplatz aus Bankensicht auch im Tagesgeschäft ein sehr hilfreiches Instrument dar. Die Handelbarkeit standardisierter Anteile an Krediten, eine entsprechende Tiefe des Marktes vorausgesetzt, führt zur Bildung von Marktpreisen für Kreditrisiken unterschiedlicher Risikoklassen. Gerade bei Engagements mit kleineren Kunden entsteht dadurch eine quantitative Unterstützung der Kreditvergabeentscheidung, die eine wertvolle Ergänzung der bankinternen Risikoanalyse darstellen kann und eine tagesaktuelle Marktvalidierung liefert. Zusätzlich kommen die teilnehmenden Banken in den Genuss rein operativer Vorteile wie einer Kommunikations- und Syndizierungsplattform sowie einer elektronischen Kreditakte.

Auch aus Unternehmenssicht wünschenswert

Aus Unternehmenssicht ist die Handelbarkeit von Krediten unter einer Nebenbedingung vorteilhaft: Die langfristige Beziehung zur Hausbank muss unangetastet bleiben, eine kurzfristige Verwertung der Engagements entgegen der Interessen des Unternehmers darf damit nicht einhergehen. Gerade diese Nebenbedingung ist in der Börsenordnung der RMX festgeschrieben. Banken dürfen maximal 75 Prozent eines einzelnen Engagements über die Handelsplattform abtreten und sie sind auch weiterhin für das komplette Servicing des Kredits zuständig.

Die Hausbank kann sogar, auch wenn sie nur noch einen Minderheitsanteil an dem Engagement auf der eigenen Bilanz hält, die Konditionen in Nachverhandlungen frei adjustieren, um etwa im Rahmen einer Langfriststrategie einen einzelnen Kredit an kurzfristige Ertragsschwankungen des Kunden anzupassen. Kreditkäufer, die weniger an langfristigen Engagements als an spezifischen Risiko-Rendite-Profilen interessiert sind, werden bei einer für sie nachteiligen ex-post Anpassung der Konditionen durch die Hausbank kompensiert.

Wichtig ist, dass das direkte Verhältnis von Kunde und Bank damit unangetastet bleibt. Der Vorteil des Systems für einen Unternehmer liegt dann in einer möglichen Ausweitung des Engagements und in besseren Konditionen. Würde die Hausbank eines Unternehmers systematisch jeweils den maximalen Anteil ihrer Engagements zum Handel anbieten, könnte sie die Höhe jedes Einzelengagements theoretisch vervierfachen ohne die eigene Risikoposition zu verändern. Insbesondere gut geführte Unternehmen werden mittelfristig auch von einer Verbesserung der Kreditkonditionen profitieren. Durch die Bepreisung von Kreditrisiken anhand von Marktmechanismen entsteht eine neue Dimension von Transparenz, welche sich für diese Unternehmen in einer Reduktion der Risikoaufschläge bemerkbar machen wird.

Die indirekten Subventionen, die durch die ungenaue Bestimmung des Risikos stets zwischen verschiedenen Unternehmen auftreten, werden dadurch gemindert. Zusätzlich hilft dieser Handelsplatz gerade kleineren Banken bei der Standardisierung und Kostenoptimierung ihrer Prozesse, was sich, in Anbetracht des Wettbewerbs im fragmentierten Bankenmarkt, zumindest teilweise bei den Kreditkonditionen bemerkbar machen wird. Ob und in welchem Maße die Banken diese Prozesse jedoch auch aus der Hand geben wollen wird sich erst noch zeigen müssen.

Kundenschutz formal festgeschrieben

Alle Vorteile der Plattform hängen von einer ausreichenden Liquidität im Markt ab, für welche eine ausreichend hohe Zahl an Marktteilnehmern und gehandelten Krediten zwingend erforderlich ist. Diese kann sich jedoch nur ergeben, wenn die teilnehmenden Banken überzeugt sind, dass sie das langfristige Verhältnis zu ihren Kunden, eines der wertvollsten strategischen Assets gerade kleinerer Banken, nicht beeinträchtigen. Letztlich ist damit die Akzeptanz des geschützten Kredithandels bei Unternehmern der kritischste Aspekt.

Genau diesem Punkt kann die RMX jedoch vergleichsweise entspannt gegenüber stehen: Die erforderlichen Schutzmaßnahmen hat sie von vornherein in der Börsenordnung festgeschrieben und sie hat sich selbst der öffentlichen Kontrolle unterworfen. Bei der Vielzahl an Möglichkeiten für opportunistisches Verhalten beim Betrieb einer Handelsplattform, die langfristig ein wichtiges Segment im Kapitalmarkt ausmachen kann, ist die öffentliche Kontrolle faktisch der einzige Mechanismus durch den der Betreiber Opportunismus schon im Vorfeld glaubwürdig ausschließen kann.

Trotz des starken Fokus auf den Schutz der Kreditnehmer darf auch der Schutz der teilnehmenden Banken nicht vernachlässigt werden. Die Banken können zwar den Handelskreis ihrer Cre-Parts selbst bestimmen und gegebenenfalls einschränken. Die wahren Vorteile kann die RMX jedoch erst dann ausspielen, wenn die Liquidität frei handelbarer Cre-Parts ausreichend hoch ist.

Prof. Dr. Ulrich Hommel , Inhaber des Lehrstuhls für Unternehmens- und Hochschulfinanzierung , EBS Business School, EBS Universität für Wirtschaft & Recht, Wiesbaden
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