Aufsätze

Das Management von Restwertrisiken im Fahrzeug-Leasing

Nach § 25a Abs. 1 Kreditwesengesetz (KWG) haben Finanzdienstleistungsinstitute für ein angemessenes und wirksames Risikomanagement zu sorgen. Die "Mindestanforderungen an das Risikomanagement" (MaRisk) konkretisieren die Anforderungen an das Risikomanagementsystem. Neben den unter AT 2.2 der MaRisk als wesentlich eingestuften Risiken kann es bei Leasing-Gesellschaften erforderlich sein, im Rahmen der Marktpreisrisiken für das Restwertrisiko eine eigene Risikokategorie festzulegen. Der Beitrag stellt einige Grundzüge des Restwertrisikomanagement-Prozesses im Bereich des Fahrzeug-Leasings dar.

Marktpreisrisiken

Marktpreisrisiken in Form von Restwertrisiken resultieren aus der Vermarktung von Fahrzeugen am Vertragsende, falls zu diesem Zeitpunkt der bei der Verwertung erzielbare Verkaufserlös unterhalb des bei Vertragsbeginn festgelegten Restwertes liegt. Gerade in der Finanz- und Wirtschaftskrise in den Jahren 2008/2009 bestand ein erhöhtes Verwertungsrisiko aufgrund rückläufiger Gebrauchtwagenpreise.1)

Gemäß AT 4.3.2 der MaRisk hat ein Institut angemessene Risikosteuerungs- und Controllingprozesse einzurichten, die eine Identifizierung, Beurteilung, Steuerung sowie Überwachung und Kommunikation der wesentlichen Risiken und damit verbundener Risikokonzentrationen gewährleisten.

Der Restwertrisikomanagement-Prozess beinhaltet fünf wesentliche Schritte:- Restwertsetzung: Quantifizierung des Restwertes zu Vertragsbeginn,

- Portfoliomonitoring und -bewertung: Regelmäßige Überarbeitung und Anpassung der Restwertprognose,

- Remarketing: Vermarktung der Leasing-Rückläufer,- Backtesting: Verbesserung der Prognosegenauigkeit,

- Ertrags- und Risikosteuerung.

Bei Vertragsbeginn wird der Fahrzeugwert zu Vertragsende festgelegt. Die Prognose dieses "Fair Market Values" zum Vermarktungszeitpunkt basiert auf der Entwicklung der aktuellen Marktwerte und unter Berücksichtigung der Faktoren, die den Restwert beeinflussen. Dabei schreibt man zum einen statistisch nachweisbare Zusammenhänge zwischen ökonomischen Faktoren und Marktwertentwicklungen in die Zukunft fort; und ergänzend werden Szenariotechniken zur Simulation möglicher Auswirkungen wechselnder Umweltzustände verwendet.

Darüber hinaus werden durch Experteneinschätzungen aus den Bereichen Risikocontrolling, Produktmanagement und Remarketing weitere Adjustierungen vorgenommen, die zum Beispiel erwartete Produktneuentwicklungen in den relevanten Fahrzeug-Segmenten berücksichtigen. Zu den Bestimmungsfaktoren des Restwertrisikos zählen fahrzeugbezogene (beispielsweise Position im Lebenszyklus) und herstellerspezifische Parameter, wie unter anderem Markenimage und Vertriebspolitik. Aber auch konjunkturelle Entwicklungen und politische Rahmenbedingungen sind maßgebliche Treiber des Restwertrisikos, wie etwa Besteuerung und Grenzwerte für CO2- und Feinstaubemissionen.2)

Monitoring und Bewertung des Portfolios

Bei der Identifikation und Messung von Risiken ist grundsätzlich zwischen erwarteten und unerwarteten Verlusten zu unterscheiden. AT 4.3.1 Abs. 1 der MaRisk fordern die Begrenzung und Überwachung von Risiken und der damit verbundenen Risikokonzentrationen. Geeignete Maßnahmen beziehungsweise vorgeschlagene Instrumente der Aufsicht können sowohl von quantitativer (etwa Limitsysteme, Ampelsysteme) als auch von qualitativer (regelmäßige Risikoanalysen) Natur sein. Zur Messung und Steuerung dieser Restwertrisiken kommen dieselben mathematischen Konzepte zum Einsatz wie beim Management der Adressenausfallrisiken.

Die initiale Prognose bei Vertragsbeginn wird während der Vertragslaufzeit ergänzt durch ein monatliches Monitoring der relevanten Marktentwicklung. Neben allgemein zugänglichen Marktdaten finden hier insbesondere die Ergebnisse aus der laufenden Fahrzeugvermarktung im Hinblick auf mögliche Auswirkungen auf das Vermarktungsergebnis bei Vertragsende Berücksichtigung. Das bei den herstellerverbundenen Banken vorliegende, umfassende Datenmaterial gibt eine zuverlässige Basis für statistische Auswertungen und Prognosen. Das Management dieser Risikoart gehört zur Kernkompetenz der Autobanken.3) Ergeben sich aus der Neubewertung des Fahrzeugportfolios negative Abweichungen zum vorangegangenen Bewertungsstichtag respektive aus der Gegenüberstellung tatsächlicher und erwarteter Verluste, sind diese in der Risikovorsorge für erwartete Risiken über die Vertragslaufzeit des Leasing-Vertrages oder bei Impairment-Fällen sofort ergebniswirksam zu berücksichtigen.

Unerwartete Risiken steuert und quantifiziert man mittels der "Residual Value at Risk" Methodik (RVaR). Der RVaR ist mit einem Horizont von einem Jahr definiert als der maximale unerwartete Verlustbeitrag aus dem Verkauf eines Fahrzeuges mit Vertragsende innerhalb eines Jahres beziehungsweise der maximale Buchwertverlust für Verträge mit einer Restlaufzeit von über einem Jahr, welcher bei einem definierten Konfidenzniveau nicht überschritten wird. Der RVaR berechnet sich als Differenz zwischen der aktuellen Marktwertprognose und einem abzuleitenden Worst-Case-Marktwert. Die Berechnung des Worst-Case-Marktwertes basiert auf historischen Marktwertvolatilitäten. Bei der Definition des RVaR-Modells sind Konzentrations- und Diversifikationseffekte zu berücksichtigen, zum Beispiel zwischen Herstellern, Märkten und einzelnen Fahrzeugkategorien.

Remarketing und Backtesting

Der Remarketing-Prozess umfasst die Entgegennahme der Leasing-Rückläufer, die Fahrzeug-Begutachtung, die Ermittlung der Kosten, um das Fahrzeug in einen wiedervermarktungsfähigen Zustand zu versetzen sowie den eigentlichen Verkaufsprozess. Die Vermarktung der Fahrzeuge erfolgt über verschiedene Absatzkanäle. Gerade die Fahrzeugverwertung stellt einen bedeutenden Anteil am Gesamterfolg einer Leasing-Gesellschaft dar, insofern erfolgt die Allokation der Fahrzeuge auf die Absatzkanäle unter der Prämisse eines höchstmöglichen Verwertungserlöses. Im Rahmen des Risikocontrollings werden regelmäßig Auswertungen in Bezug auf die Ergebnisse nach Fahrzeugvolumen, Fahrzeugart, Laufleistung, Vertragslaufzeit und Absatzkanal erstellt. Extreme Veränderungen der Marktlage und starke Einflüsse auf die Ertragslage erfordern gegebenenfalls die Erweiterung des Standardreportings durch anlassbezogene Ad-hoc-Analysen und daraus folgend gegebenenfalls Sondermaßnahmen, wie etwa Vertragsverlängerungen.

Die Ergebnisse der Remarketing-Analyse werden im Rahmen eines regelmäßigen Backtestings unmittelbar zur Verbesserung der Prognosegenauigkeit bei der Restwertsetzung eingearbeitet und zur Überprüfung des Leistungsvermögens von Prozess und Methodik im Restwertrisikomanagement in den vorgenannten Schritten genutzt. Entsprechend der unternehmerischen Ausrichtung können die Ergebnisse auch im Rahmen der Risikosteuerung unmittelbar zu Handlungsvorschlägen zur Reduzierung, Minimierung, Diversifizierung oder Eliminierung der Restwertrisiken führen beziehungsweise auch auf Volumen-, Preis- oder Produktmaßnahmen Einfluss ausüben.

Ertrags- und Risikosteuerung

Der Restwertrisikomanagement-Prozess sowie die angewandten Methoden und Modellannahmen sind fortlaufend zu validieren und an sich ändernde Bedingungen anzupassen. So ist beispielsweise bei der regelmäßigen Modellvalidierung zu überprüfen, ob zusätzliche Vermarktungshistorien die Datengrundlage dergestalt erweitert, um sie in die Ableitung der Modellparameter aufnehmen zu können.

Eine integrierte Risiko- und Ergebnissteuerung verfolgt das Ziel, sicherzustellen, dass die eingegangenen Risiken durch das zur Verfügung stehende Risikodeckungspotenzial abgedeckt sind und diesen Risiken angemessene Ergebnisbeiträge gegenüberstehen. Dieser ganzheitliche Managementansatz umfasst alle wesentlichen Risiken eines Finanzdienstleisters, wie Adressenausfallrisiken, operationelle Risiken, Restwert- und sonstige Marktpreisrisiken.4) Die regelmäßige Neuberechnung des RVaR macht gegebenenfalls eine Anpassung des für diese Risikoart allokierten Risikodeckungspotenzials erforderlich. Als risikoadjustierte Rentabilitätskennziffer bietet sich zum Beispiel der RoRaC (Return on Risk adjusted Capital) an. Hierbei wird das betriebswirtschaftliche Ergebnis einer Periode dem RVaR gegenübergestellt. Die systemische Umsetzung einer integrierten Risiko- und Ergebnissteuerung stellt hohe Anforderungen an die Datenverfügbarkeit und die intelligente Verknüpfung der Risikoquantifizierung und Ergebnismessung.

Fußnoten

1) Stenner, F.: Konsequenzen des Subprime-Debakels für die Kfz-Finanzierung, in FLF 1/2009, S. 37.

2) Vgl. Stenner, F.: Chancen und Risiken im Aktivgeschäft der Automobilbanken, in: Wimmer, Konrad (Hrsg.), Wertorientierte Vertriebssteuerung, Heidelberg 2010, 3. Auflage, Rd.-Nr. 1598-1648.

3) Stenner, F.: Konsequenzen, Seite 38.4) Vgl. Pytlik, M. et al.: MaRisk als zentrale Herausforderung für Leasing-Gesellschaften, in: FLF 6/2009, S. 249.

Prof. Dr. Frank Stenner , Honorarprofessor und Lehrbeauftragter , Hochschule für Wirtschaft und Umwelt (HfWU) Nürtingen-Geislingen
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