Aufsätze

MaRisk: Verrechnung der Liquiditätskosten

Mit Inkrafttreten der neuen Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk - Entwurf zur Konsultation versandt am 26. April 2012) wird das Einrichten eines Liquiditätstransferpreissystems verbindlich gefordert. Insbesondere wird dort darauf hingewiesen, dass auch die "Kosten für die zusätzliche Liquiditätsbeschaffung im Falle eines Liquiditätsengpasses" zu berücksichtigen sind.

Status quo im Funds Transfer Pricing

Im Bereich Funds Transfer Pricing (FTP) hat sich in den letzten Jahrzehnten die Marktzinsmethode als wesentliche Komponente zur Trennung von Ergebnisbeiträgen etabliert. Diese beruht darauf, den für ein Produkt verlangten Transferpreis aus der Marktzinskurve abzuleiten. Dabei wird in den letzten Jahren verstärkt nicht nur die risikolose Zinskurve, sondern - neben weiteren Spread-Komponenten - auch ein Aufpreis für die tatsächlichen Refinanzierungskosten des Instituts, den sogenannten Funding- oder auch Liquidity-Spread veranschlagt. Der Funding-Spread steht für den Anteil, den das Institut aufgrund des eigenen Kreditrisikos am Markt zusätzlich zur risikolosen Zinskurve für seine Refinanzierung zahlen muss. Er steigt mit wachsender Laufzeit und reflektiert damit auch das höhere Kredit- und Liquiditätsrisiko von längerfristigen Krediten.

Der Funding-Spread reflektiert die Kosten, die ein fristenkongruent am Markt abgeschlossenes Refinanzierungsgeschäft verursacht. Somit deckt er die Refinanzierungskosten von Geschäften mit deterministischem Kapitalabruf und Laufzeit ab. Für Geschäfte, deren Kapitalfluss nicht im Voraus bekannt ist (beispielsweise eine Kreditlinie), unterstellt man bei der Funding-Planung einen bestimmten Cash-Flow-

Verlauf. Somit deckt der Funding-Spread in diesem Fall die Refinanzierung der erwarteten Cash-Flows ab, nicht aber die Kosten für die kurzfristige Bereitstellung zusätzlicher Mittel für unerwartete Cash-Flows.

Zusätzlich zur Berücksichtigung der Kosten für das erwartete Liquiditätsrisiko wird nun im Konsultationsentwurf der MaRisk die Berücksichtigung des unerwarteten Liquiditätsrisikos - eben der "Kosten für die zusätzliche Liquiditätsbeschaffung im Falle eines Liquiditätsengpasses" - gefordert. Damit beschäftigt sich auch ein Positionspapier des Committee of European Banking Supervisors (CEBS, jetzt European Banking Authority - EBA) aus dem Jahr 2010 "Guidelines on Liquidity Cost Benefit Allocation", auf das auch im Anschreiben zum Konsultationsentwurf der MaRisk verwiesen wird. Neben Standards zur Integration des Liquiditätstransferpreissystems und zur Nutzung der Preise innerhalb eines Instituts wird dort auch explizit gefordert, dass die Kosten zur Haltung der Liquiditätsreserve berücksichtigt werden. Dies soll nun im Folgenden näher analysiert werden.

Ansatz zur Einbeziehung der Kosten der Liquiditätsreserve

Um die Kosten der Liquiditätsreserve korrekt einzubeziehen, sollte zunächst ermittelt werden, was diese jährlich kostet. Die Basis der Kosten besteht in den durchschnittlichen Funding-Kosten, die abhängig sind von der vom Institut gewählten Refinanzierungsstrategie für die Liquiditätsreserve (man könnte dabei einen Ersatz von auslaufenden Geschäften durch gleichartige unterstellen). Die Kosten reduzieren sich um die Erträge aus der Reserve, deren durchschnittliche Verzinsung aus dem Bestand der zur Liquiditätsreserve zugeordneten Bar- und Wertpapierbestände zu ermitteln ist. Dabei könnte man unterstellen, dass auslaufende Wertpapiere mit gleichartigen ersetzt werden, sodass sich die grundsätzliche Zusammensetzung der Reserve über die Laufzeit nicht ändert.

Beispiel: Kosten der Liquiditätsreserve

Durchschnittliche Refinanzierungskosten der Reserve: 3% p.a.

Durchschnittliche Verzinsung der Wertpapiere: 2% p.a.

Kosten der Liquiditätsreserve: 3% bis 2% = 1% p.a.

In den Guidelines ist weiterhin eine marginale Berechnung der Transferpreise vorgesehen. Das bedeutet, jedes Produkt wird dahingehend bewertet, wie es die Liquiditätsreserve beeinflussen würde, wenn es neu zum Gesamtbestand des Instituts hinzukäme. Aus deterministischen Produkten mit vorab vollständig bekannten Zahlungsflüssen (etwa Termingelder) können aus ökonomischer Sicht keine unerwarteten Cash-Flows entstehen, und somit erzeugen sie kein Risiko eines unerwarteten Liquiditätsbedarfs.

Nichtdeterministische Produkte wie zum Beispiel Kreditzusagen weisen hingegen bezüglich der zukünftigen Auszahlungshöhen undzeitpunkte Risiken auf, die über die Liquiditätsreserve abgedeckt werden müssen. Bei der Funding-Planung des Instituts wird dabei schon ein bestimmter Cash-Flow-Verlauf unterstellt. Die nichtdeterministischen Produkte belasten also die Liquiditätsreserve nur noch durch eine mögliche Abweichung von diesem Verlauf, das heißt durch mögliche unerwartete Cash-Flows.

Im Folgenden konzentriert sich der vorliegende Artikel auf die ökonomische Abbildung der Produkte sowie die darauf basierenden, risikokonform zu verrechnenden Kosten. Ein weiterer Beitrag zur Liquiditätsreserve kann auch für deterministische Geschäfte durch die Einhaltung regulatorischer Vorgaben in Form der Kennzahl Liquidity Coverage Ratio (LCR) notwendig werden. Somit ist eine konsistente Einbeziehung der regulatorischen Sicht, insbesondere der Anforderungen aus der LCR nach Basel III, unumgänglich. Aus Gründen der Vereinfachung fokussiert sich dieser Artikel jedoch zunächst auf die ökonomische Betrachtungsweise.

Unerwartete Zahlungsabflüsse

Für eine Charakterisierung der unerwarteten Cash-Flows sind Modellannahmen notwendig. Es stellt sich die Frage, welche Modellannahmen für eine Zuordnung von unerwarteten Liquiditätskosten zugrunde gelegt werden sollen. Hier kann auf bestehende Berechnungen im Liquiditätsrisikomanagement selbst zurückgegriffen werden, denn die genaue Höhe der Liquiditätsreserve ergibt sich in der ökonomischen Betrachtung aus der Risikotoleranz des Instituts.

Auf Basis der Risikotoleranz ist ein Stressszenario definiert, welches das Institut gerade noch übersteht. Aus dem Stressszenario ergeben sich wiederum bestimmte Zahlungsabflüsse, die bestimmen, wie hoch die Liquiditätsreserve mindestens sein muss, um das Überleben des Instituts selbst in diesem Szenario zu gewährleisten. Das genannte Szenario könnte beispielsweise der Kombi-Stress sein, dessen Berechnung und auch dessen Überleben von den MaRisk gefordert werden.

Die unerwarteten Cash-Flows ergeben sich somit aus der Differenz der Cash-Flows im gewählten Stressszenario im Vergleich zu einem Going-Concern-Szenario, in dem erwartete Cash-Flows zugrunde gelegt werden. Das Gute ist hierbei: Sämtliche Modellierungsannahmen sind für die einzelnen Produkte bereits definiert und werden regelmäßig validiert (ebenfalls von den MaRisk vorgeschrieben). Weiterhin ergibt sich dadurch direkt eine Konsistenz des Liquiditätstransferpreissystems zur internen Steuerung des Liquiditätsrisikos.

Nach Kenntnis der Kosten der Reserve sowie der unerwarteten Cash-Flows kann der Liquiditätsaufschlag für das unerwartete Liquiditätsrisiko somit durch einfache Multiplikation bestimmt werden, wie das Rechenbeispiel in Abbildung 1 verdeutlicht. Bei dieser Zuordnung wird angenommen, dass alle unerwarteten Zahlungsabflüsse auch tatsächlich zu einer Erhöhung der Liquiditätsrisikoreserve führen. Eine rein marginale Betrachtung würde eigentlich bedeuten, dass man jedes Geschäft danach bewertet, welche Auswirkung es für das Gesamtportfolio hat, wenn es neu hinzukommt. Dabei wäre die Situation denkbar, dass die unerwarteten Abflüsse des neuen Geschäfts mit Zuflüssen aus anderen Produkten zusammenfallen und somit netto keine zusätzliche Reserve erfordern. Diese Minderung der notwendigen Reserve sollte allerdings nicht dem neu hinzukommenden Produkt zugerechnet werden und wird daher nicht berücksichtigt.

Einfluss des Zeitpunktes der Cash-Flows

Wie im Beispiel dargestellt, fallen die unerwarteten Zahlungsabflüsse zu unterschiedlichen Zeitpunkten an. Je länger dabei die Vorlaufzeit ist, desto besser kann sich das Institut darauf einstellen und umso geringer sollte folglich der Liquiditätsaufschlag ausfallen. Liegt die Frist zum Beispiel über dem in den MaRisk für kapitalmarktorientierte Institute vorgegebenen Zeitraum von sieben Tagen, so können der Liquiditätsreserve zusätzliche, nicht ganz so hochliquide Wertpapiere hinzugerechnet werden. Dadurch erhöht sich in der Regel die Rendite der Liquiditätsreserve, die Kosten verringern sich (siehe Abbildung 2). Die "teure" Liquiditätsreserve muss im Beispiel nur für die ersten sieben Tage angesetzt werden, da man diese (nach einer gewissen Frist) durch kostengünstigere Reserveanteile austauschen kann.

Bei der Berechnung der notwendigen Liquiditätsreserve aus der internen Steuerung wird in der Regel ein begrenzter Zeitraum verwendet, auf den sich die Limitierung bezieht. Es kann beispielsweise gefordert werden, dass der minimale Liquiditätsüberschuss während eines Limitierungszeitraums von einem Jahr nicht unter einen festen Betrag fallen soll. Unerwartete Zahlungen, die weiter in der Zukunft liegen als der gewählte Limitierungszeitraum, liefern zum Stichtag keinen Beitrag zur Liquiditätsreserve.

Rechnerisch ergäbe sich aus einer solchen Situation ein Cap aller unerwarteten Cash-Flows über einem Jahr beziehungsweise - anders ausgedrückt - wären die ange setzten Kosten für unerwartete Cash-Flows, die über ein Jahr in der Zukunft liegen, gleich Null. Ein solcher Cap ist allerdings nur angemessen, falls der Zeitpunkt der unerwarteten Zahlung wie im nächsten Beispiel feststeht.

Für unerwartete Zahlungen, die weit in der Zukunft liegen, ist eine Einbeziehung in die Liquiditätsreserve erst notwendig, falls und sobald diese im Zeitverlauf in den Limitierungszeitraum hereinlaufen. Es sind daher zwei Fälle zu unterscheiden:

1) Cash-Flows mit Unsicherheit sowohl hinsichtlich Höhe als auch Termin (zum Beispiel Kreditlinie).

2) Cash-Flows mit Unsicherheit hinsichtlich der Höhe, aber mit festem Termin (etwa Prolongationen).

Unerwartete Zahlungen mit festem Termin beanspruchen gegebenenfalls anfangs gar keine Reserve, da zum Beispiel Prolongationsoptionen bei Kreditabschluss in der Regel weit in der Zukunft und damit außerhalb des gewählten Limitierungszeitraums liegen. Bei bestehender Unsicherheit, etwa wenn der Kunde bei einer Prolongationsoption bis zuletzt offen lässt, ob er sie in Anspruch nehmen will oder nicht, würden sie dann im Zeitverlauf zunächst die längerfristigen und schließlich die kurzfristig verfügbaren Liquiditätsreserven belasten (siehe Abbildung 3).

Falls wie im Beispiel die Reserve anfangs nicht belastet wird, sollte man für die Kosten der Liquiditätsreserve (insbesondere für die Refinanzierung) Forward-Zinssätze verwenden (da die Belastung der Liquiditätsreserve in der Zukunft erfolgen wird). Bei Einbeziehung einer vertraglich vereinbarten Mindestvorlaufzeit, mit der der unerwartete Zahlungsstrom bekannt wird (etwa eine Ankündigungsfrist für die Prolongation), können anteilig reduzierte Kosten angesetzt werden.

Auswirkungen auf die Kosten der Liquiditätsreserve

Auch die Details der Kostenermittlung der Liquiditätsreserve sind nicht zu vernachlässigen. So ist beispielsweise zunächst eine Methodik für die Berechnung der erwarteten Zinserträge festzulegen. Wird eine gleichartige Rollierung der Wertpapiere unterstellt, werden geplante Umstrukturierungen einbezogen et cetera. Ähnliches gilt für die angenommene Refinanzierung. Für diese können potenzielle zukünftige Kostenveränderungen zum Beispiel über die Kurvenstruktur der Zinssätze beziehungsweise der institutseigenen Spread-Kosten berücksichtigt werden.

Weiterhin existieren zusätzliche Kostenkomponenten, wie etwa die durch die Reserve verursachten Eigenkapitalkosten, Verwaltungskosten der Reserve oder Kosten der Realisierung der Liquiditätsreserve (Repo-Gebühren, potenzielle Verluste bei Veräußerung in Stresssituationen). Auch diese sollten je nach Relevanz in die Verrechnung einbezogen werden.

Methoden zur Berechnung der Transferpreise als Herausforderung

Spätestens mit Einführung des aktuellen Konsultationsentwurfs der MaRisk sind die Institute verpflichtet, ein Liquiditätstransferpreissystem einzurichten, das neben den erwarteten Liquiditätsrisikokomponenten auch konsistent die Kosten der für unerwarteten Liquiditätsbedarf vorgehaltenen Liquiditätsreserve berücksichtigt und verursachungsgerecht auf die Produkte verteilt. Unter diesen grundsätzlichen Rahmenbedingungen gibt es einigen Spielraum, die Verteilung der Kosten der Liquiditätsreserve zu gestalten.

Ergänzend zu den in diesem Artikel vorgestellten Berechnungsansätzen existieren zahlreiche mögliche Erweiterungen und Verfeinerungen, wie beispielsweise eine verstärkte Einbeziehung der regulatorischen Kennzahl LCR, eine detaillierte Berücksichtigung von Produktspezifika wie etwa Notifikationsvereinbarungen, die Betrachtung langfristiger Limitierungszeiträume und viele mehr.

Die Institute stehen nun vor der Herausforderung, auf Basis von Richtlinien und noch ohne vorhandenen Marktkonsens Modelle und Methoden zur Berechnung der Transferpreise entwickeln zu müssen. Dabei ist insbesondere eine Konsistenz zur bestehenden internen Liquiditätsrisikosteuerung unerlässlich, damit das Liquiditätstransferpreissystem die gesamte Produktpalette des Instituts risikokonform bewertet. Als Folge veränderter Kostenstrukturen wird auch eine Überprüfung und Optimierung der Produkte hinsichtlich ihrer Liquiditätseigenschaften notwendig.

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