Gespräch des Tages

Mittelstandsgeschäft - Warten auf den Einbruch

Während in vielen Lebensbereichen Mitte Dezember 2008 die Zeit des Rückblicks anbricht, richtet sich im Mittelstandsgeschäft der Blick schon nach vorn. So hat etwa die EZB in puncto Kreditversorgung für den Mittelstand in ihrem Bank Lending Survey für das dritte Quartal 2008 nicht nur eine Erhöhung der Margen für durchschnittliche und risikoreichere Ausleihungen konstatiert, sondern auch eine Einengung der nicht-preislichen Konditionen wie die Höhe der Kredite, ihre Fristigkeit und Sicherheitenerfordernisse. Waren von der Verschärfung der Kreditrichtlinien zunächst eher die großen als die kleinen und mittleren Unternehmen betroffen, stellt die Zentralbank nach einer vorübergehenden Stabilisierung im zweiten Quartal 2008 schnell eine erhebliche Verschlechterung bei allen Unternehmensgrößen fest. Für das letzte Quartal des Jahres sehe es sogar noch kritischer aus. Dementsprechend sei die Nachfrage nach Unternehmenskrediten im untersuchten Zeitraum erheblich zurückgegangen.

Dass man in Zeiten wie diesen kein oder deutlich weniger Geschäft mit dem Mittelstand machen könne, mag derweil die Deutsche Bank nicht ganz akzeptieren. Sie erhöhte zwischen Oktober 2007 und Ende September 2008 ihre Ausleihungen an mittelständische Kunden nach eigenen Angaben um rund elf Prozent von 36 auf 40 Milliarden Euro. Wenn die Wachstumsraten zurückgingen, so die Analyse der Entwicklung der ersten drei Quartale, dann hauptsächlich deshalb, weil Unternehmen ihre Investitionsentscheidungen verschieben würden. An ihren Zielen für das Jahr 2010 - darunter insbesondere die Ausweitung der Kundenzahl von derzeit etwa 930 000 auf eine Million - hält die Bank freilich (erst einmal) selbstsicher fest. Für die angekündigte Verkürzung der Bilanzsumme im Konzern gebe es genügend andere Möglichkeiten als das Zurückfahren des Kreditvolumens im Mittelstandsgeschäft.

Gibt es in Sachen Finanzkrise also eine Diskrepanz zwischen Theorie und Praxis? Der Creditreform-Wirtschaftsindikator bringt weiteres Licht ins Dunkel: Die mittelständischen Unternehmen in Deutschland behaupten sich noch gut in der Gemengelage von Finanzmarktkrise und den gesamtwirtschaftlichen Abschwungtendenzen, heißt es dort. Zwar sind die Bücher noch voll, doch in den Bestelleingängen und Umsatz- und Ertragszahlen spüren die Unternehmen schon scharfen Gegenwind. Angesichts der gemeinhin herrschenden Unsicherheit fällt der Ausblick für 2009 dementsprechend gedämpft aus. Der Tendenz nach liefert der Indikator seit Monaten klare Zeichen. So zeigte er im dritten Quartal 2008 den vierten Rückgang in Folge. Darunter leiden natürlich Investitionsvorhaben und damit auch die Nachfrage nach Krediten.

Diese These wird auch von der Mittelstandsumfrage der genossenschaftlichen DZ Bank gestützt. Für den Herbst 2008 registriert das Institut sogar, dass die Geschäftsaussichten seit Betreiben der Studie noch nie so pessimistisch eingeschätzt und die Lagebeurteilung sowie die geschäftlichen Erwartungen noch nie eine derart dramatische Diskrepanz aufgewiesen haben. Auch hier verdeutlicht sich also wieder die derzeit herrschende Unsicherheit. Zum Zeitpunkt der Befragung im September 2008 war freilich die Stimmung im Mittelstand von der Verschärfung der Finanzmarktkrise noch wenig berührt - drei Viertel der Teilnehmer beurteilen die Lage ihres Unternehmens weiterhin mit gut oder sehr gut. Anders bei den Geschäftserwartungen: Hier ist der Anteil der Befragten, die für die kommenden sechs Monate eine Verschlechterung ihrer Geschäfte erwarten, von neun auf 24 Prozent gestiegen. Nur noch 24 Prozent (Frühjahr: 39 Prozent) erwarten eine Verbesserung. In den drei vorausgegangenen Umfragen hatte zudem der Überschuss geplanter Personalaufstockungen über Personalabbaupläne bei rund 20 Prozentpunkten gelegen; in der aktuellen Umfrage ist er auf vier(! ) Prozentpunkte gesunken.

Trotz all dieser negativen Tendenzen und Aussichten existieren aber auch hoffnungsvollere Indikatoren. So hat sich der Mittelstand laut aktuellem Zustandsbericht der KfW Bankengruppe in den vergangenen Jahren auf veränderte Finanzierungsbedingungen eingestellt und insbesondere seine (vormals berüchtigt niedrige) Eigenkapitalausstattung deutlich erhöht. Weniger ausgeprägt erscheinen zudem die Schwächesymptome in den Investitionsplanungen der Mittelständler. 72 Prozent der Befragten (Frühjahr 75 Prozent) wollen laut DZ-Bank-Studie auch in den kommenden sechs Monaten investieren, 20 Prozent (Frühjahr 24 Prozent) planten zum Befragungszeitpunkt sogar (noch) höhere Investitionen als im abgelaufenen Jahr. Nicht zum Bild einer Rezession passen auch die Absatzpreiserwartungen, 37 Prozent der Unternehmen rechnen nämlich mit steigenden und nur 14 Prozent mit fallenden Preisen. Die aktuelle Lagebeurteilung des Mittelstands fällt also keinesfalls einheitlich aus. Das Warten auf den "richtigen" Einbruch geht weiter - wenn er denn kommt.

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