Aufsätze

Modifikation der 1. Säule von Basel II: Zusätzliche Anforderungen im Bereich der Marktrisiken

Im Zuge der Finanzmarktkrise erlitten zahlreiche Kreditinstitute erhebliche Verluste im Handelsbereich. Der Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht reagierte darauf durch die Veröffentlichung der Konsultationspapiere "Revisions to the Basel II market risk framework" und "Guidelines for computing capital for incremental risk in the trading book".1) Zusammen mit den Dokumenten "Proposed enhancements to the Basel II framework" und den "Principles for sound stress testing practices and supervision" sollen sie dazu dienen, die durch die Krise aufgedeckten Schwächen der aktuellen Regulierung abzubauen und ein stabileres Finanzsystem zu schaffen.2) Hier werden die Änderungsvorschläge des BCBS zur Marktrisikovereinbarung vorgestellt. In der anschließenden kritischen Würdigung dieser Änderungen werden auch die Ergebnisse aus den Konsultationsphasen mit der Kreditwirtschaft berücksichtigt.

Überarbeitung des Basel-II-Rahmenwerks für Marktrisiken

Insgesamt zeigten sich während der Finanzmarktkrise höhere Liquiditäts- und Kreditrisiken im Handelsbuch und machten regulatorische Eingriffe erforderlich. Hauptstoßrichtung ist dabei, die Risikosensitivität der Methoden zur Abbildung der Risiken, die in dem gegenwärtigen Regime nicht gefasst werden, zu erhöhen und damit die Kapitalanforderungen für das Marktrisiko risikoadäquater zu gestalten. Die ab dem 31. Dezember 2010 einzuhaltenden Modifikationen betreffen sowohl die Standardmethoden als auch die Vorgaben bei der Verwendung interner Modelle.

Standardmethoden für Marktrisiken und Verbriefungen im Handelsbuch: Bei der Verwendung der Standardverfahren wird eine zusätzliche Eigenkapitalunterlegung für das sogenannte Korrelationsrisiko eingeführt. Für diese Risikoart sind nur Verbriefungen und n-th-to-default Kreditderivate, also Produkte, bei denen erst nach n-Ausfällen im Referenzportfolio eine Ausgleichszahlung fällig wird, zu berücksichtigen, wenn sie die in Tz. 689 des neuen Rahmenwerks aufgeführten Kriterien erfüllen. Ebenfalls miteinbezogen werden Absicherungspositionen auf Verbriefungen und auf n-th-to-default Kreditderivate, wohingegen Positionen ausgenommen sind, die sich auf Immobilienkredite als Underlying beziehen.

Die Eigenkapitalunterlegung für dieses "correlation trading portfolio" (CTP) errechnet sich aus dem größeren Betrag von der Gesamtsumme der Eigenkapitalunterlegung für die Netto-Long-Positionen für das besondere und das Korrelationsrisiko, verglichen mit der Gesamtsumme der Eigenkapitalanforderung der Netto-Short-Positionen aus beiden Risikoarten.3) Da noch keine abschließende Erkenntnis darüber existiert, wie spezifische Kursrisiken bei Verbriefungen modelliert werden können, müssen die besonderen Kursrisiken für Verbriefungspositionen nach den Anlagebuchregeln gemäß Tz. 538-643 des Baseler Rahmenwerks ermittelt werden. In beiden Ansätzen sind Wiederverbriefungen aufgrund des erhöhten Risikos mit größeren Eigenkapitalanforderungen verbunden. Sofern ein Institut das besondere Kursrisiko für Verbriefungen nicht berechnen kann, muss es die gesamte Position vom Eigenkapital abziehen.4)

In internen Modellen zu erfassende Marktrisikofaktoren: Aktuell bestehen in Bezug auf die Abdeckung von Risiken aus bilanzwirksamen und außerbilanziellen Handelspositionen bereits Mindestanforderungen an die Risikofaktoren für Zinssätze, Wechsel- und Aktienkurse sowie Rohstoffpreise.5) Zusätzlich sieht das BCBS künftig vor, dass sämtliche Risikofaktoren, die zur Preisbewertung der Position herangezogen werden, grundsätzlich auch als Parameter in das VaR-Modell eingehen. Unterbleibt dies, hat das Institut die Unterlassung gegenüber der Bankenaufsicht gesondert zu begründen. Zusätzlich muss das VaR-Modell auch nichtlineare Risiken, die bei tranchierten Produkten wie ABS oder Optionen auftreten, und Korrelationsrisiken erfassen.6)

Quantitative Anforderungen an interne Risikomodelle und Stress-Value-at-Risk: Die Annahme einer zehntägigen Haltedauer im VaR-Modell gilt aufgrund der veränderten Marktsituation sowie der fortgeschrittenen technologischen Ausstattung in den Handelsabteilungen der Institute als sehr konservativ. Da Banken für die interne Gesamtbanksteuerung VaR ermitteln, die auf Basis einer kürzeren Haltedauer berechnet werden (zum Beispiel ein Tag), gestatten es die aktuellen Regelungen, diese VaR-Werte mit der Quadratwurzel der Dauer auf zehn Tage heraufzuskalieren. Das BCBS stellt für diesen Fall klar, dass die jeweilige Bank die Aufsicht in periodischen Abständen von der Angemessenheit dieser Vorgehensweise überzeugen muss.7)

Flexible Aktualisierung ermöglichen

Grundsätzlich gilt für den historischen Beobachtungszeitraum des VaR ein Mindestumfang von einem Jahr. Für Banken, die ein Gewichtungsschema oder andere Methoden für die historische Beobachtungsperiode heranziehen, muss die "effektive" Beobachtungsperiode mindestens ein Jahr betragen, was bedeutet, dass die gewichtete durchschnittliche Zeitverzögerung der einzelnen Beobachtungen niemals weniger als sechs Monate betragen kann.8) Hierzu ergänzt das BCBS, dass ein Institut, dessen VaR-Berechnung aufgrund eines Gewichtungssystems nicht voll konsistent mit den genannten Anforderungen zum historischen Beobachtungszeitraum von einem Jahr ist, dieses System nur solange nutzen darf, wie diese Methode genauso konservativ in Bezug auf die Berechnung der Eigenkapitalunterlegung im Vergleich zum vorgeschriebenen Verfahren wirkt.9) Weiterhin müssen Institute einen Prozess implementieren, um ihre Datenreihen in regelmäßigen Abständen, mindestens jeden Monat, zu aktualisieren beziehungsweise so flexibel zu gestalten, dass zum Beispiel bei großen Preisvolatilitäten eine Aktualisierung in noch kürzeren Zeitabständen möglich ist.10)

Eine Neuerung stellt die zusätzliche, wöchentliche Berechnung eines gestressten VaR auf Basis einer 10-tägigen Haltedauer und eines einseitigen 99-prozentigen Konfidenzniveaus dar (Tz. 718 LXXVI i des Rahmenwerks). Dieser soll sich aus dem VaR-Modell und den Input-Parametern über einen Ein-Jahres-Zeitraum zum Zeitpunkt einer finanziellen Krise, etwa die Sub-prime-Krise 2007/2008, in Bezug auf das eigene Portfolio errechnen. Jede Bank muss auf täglicher Basis zukünftig die Summe der folgenden Eigenkapitalanforderungen für Handelsbuchpositionen erfüllen:

- Den höheren Betrag ihres Vortages VaR (VaRt-1) und dem Durchschnitt der täglichen VaR-Werte der letzten 60 Geschäftstage multipliziert mit einem Multiplikationsfaktor plus - den höheren Betrag des letzten gestressten VaR (Stess-VaRt-1) und dem Durchschnitt des Stress-VaR der letzten 60 Geschäftstage multipliziert mit einem Multiplikationsfaktor plus

- der jeweils höhere Wert von entweder dem jüngsten oder dem über einen Zwölfwochenzeitraum ermittelten durchschnittlichen Wert des zusätzlichen Ausfall- und Migrationsrisikos des Instituts plus

- der Eigenkapitalanforderung für Verbriefungspositionen im Handelsbuch plus

- der Eigenkapitalanforderung für das Correlation Trading Portfolio (CTP).11)

Für die Berechnung des Zusatzfaktors wird lediglich auf die Backtesting-Ergebnisse des VaR-Modells unter Normalbedingungen und nicht auf diejenigen unter Stressszenarien abgestellt.12)

Behandlung des spezifischen Kursrisikos

Für Zinsänderungsrisikopositionen (Verbriefungspositionen und n-th-to-default Kreditderivate ausgenommen) entfällt die Notwendigkeit zur Nutzung der Standardmethoden zur Eigenkapitalunterlegung des besonderen Kursrisikos, wenn das Institut das besondere Kursrisiko im VaR-Modell abbilden kann, alle qualitativen und quantitativen Anforderungen an die Verwendung interner Modelle erfüllt werden sowie ein Modell zur Berechnung von Ausfall- und Migrationsrisiken (Incremental Risk Charge, IRC) implementiert hat. Eventrisiken müssen somit nicht mehr durch das bankinterne Modell abgedeckt werden, da diese künftig über die IRC erfasst werden.13)

Im Zusammenhang mit der Modellierung des spezifischen Kursrisikos ergänzt das BCBS die Anforderung, dass Institute überprüfen müssen, ob das spezifische Kursrisiko vollumfänglich und korrekt erfasst wird. Hierbei sollten Institute täglich ein Backtesting zur Prüfung der Prognosequalität der Schätzungen für das spezifische Kursrisiko für Teilportfolios des Handelsbuchs wie Aktienpositionen und gehandelte Zinsinstrumente durchführen. Für den Fall, dass die Ergebnisse des Backtesting nicht mehr akzeptabel sind, wird erwartet, dass die Institute unverzüglich ihr internes Modell korrigieren und sicherstellen, dass ein ausreichender Kapitalpuffer besteht, um das Risiko, welches aufgrund des Fehlers im internen Modell nicht abgedeckt werden konnte, zu unterlegen. Eine Korrektur des internen Modells ist dann erforderlich, wenn die Anzahl der "Ausreißer", die sich für das Teilportfolio ergeben, im roten Bereich gemäß dem Aufsichtlichen Rahmenkonzept für Backtesting14) liegt.15)

Das Institut darf bei Zulassung durch die Aufsichtsbehörde das Correlation Trading Portfolio (CTP) in einem umfassenden internen Risikomodellansatz berücksichtigen und daraus die Eigenkapitalanforderung ableiten. Dieses "comprehensive risk measure" muss allerdings nicht nur Ausfall- und Migrationsrisiken, sondern alle Preisrisiken erfassen, also auch das Spreadrisiko, das Risiko aus Volatilitäten in den angenommenen Verwertungserlösen oder Basisrisiken wie die Differenz zwischen dem Spread eines Index und dem Spread eines einzelnen Wertpapiers im Index.

Wenn ein Institut diesen Modellierungsansatz wählt, muss es über eine ausreichende Marktdatenbasis verfügen, um alle wesentlichen Risiken abzudecken, regelmäßige Überprüfungen der Prognosequalität des Modellansatzes durchführen und sicherstellen, dass nur die zulässigen Positionen in das Modell eingehen. Ergänzend zu diesen Daten- und Modellierungsanforderungen besteht die Verpflichtung, wöchentlich definierte Stresstests für das Portfolio des internen Risikomodells durchzuführen. Hierbei werden die Parameter Ausfallwahrscheinlichkeit, Verwertungserlös, Credit Spread und Korrelation simuliert. Die Ergebnisse des Stresstests sind quartalsweise, bei sehr volatilen Marktverhältnissen auch in kürzeren Abständen, an die Aufsichtsbehörde zu melden, die dann auf Basis der Ergebnisse über einen Aufschlag für die Eigenkapitalunterlegung entscheidet.16)

Nach den neuen Richtlinien des BCBS17) müssen die Institute zukünftig über einen Ansatz verfügen, um in ihrer Eigenkapitalunterlegung Risiken im Handelsbuch zu berücksichtigen, die nicht im internen Modell auf VaR-Basis erfasst werden (inkrementelle Risiken). Hierunter sind Ausfall- und Migrationsrisiken sowie Risiken aufgrund von Ausweitungen der Credit Spreads zu subsumieren, die einer Eigenkapitalanforderung für das besondere Zinsänderungsrisiko unterliegen. Zusätzlich können bei einer entsprechenden aufsichtsbehördlichen Genehmigung auch Positionen in börsennotierten Aktien und sämtliche auf börsennotierten Aktien basierenden Derivatepositionen in den Anwendungsbereich miteinbezogen werden.

Einführung der Incremental Risk Charge (IRC)

Der Ansatz muss der Auswirkung von Korrelationen zwischen Ausfällen und Migrationen Rechnung tragen, wobei Diversifikationseffekte zwischen Ausfällen und Migrationen auf der einen und Marktrisikofaktoren auf der anderen Seite explizit unberücksichtigt bleiben sollen. Hierbei liegt dem Modell der IRC als Parameter ein Konfidenzniveau von 99,9 Prozent sowie die Annahme eines Investitionshorizonts von einem Jahr zugrunde, womit das BCBS die Vergleichbarkeit zu dem auf internen Ratings basierenden Ansatz für Kreditrisiken (IRB-Ansatz) im Anlagebuch herstellt.18) Der Investitionshorizont basiert auf der Annahme, dass das Risikoniveau sich innerhalb genehmigter Limite bewegt und über ein Jahr konstant bleibt.

Dies bedeutet, dass Einzelpositionen oder Positionsgruppen im Handelsbuch, bei denen über den Liquiditätshorizont hinaus Ausfälle und Ratingmigrationen aufgetreten sind, bis zum Ende ihres Liquiditätshorizontes wieder ausgeglichen werden, sodass das Risiko wieder sein ursprüngliches Niveau erreicht. Die Liquiditätshorizonte werden danach festgelegt, wie viel Zeit erforderlich ist, um die Positionen unter Stressbedingungen am Markt zu liquidieren. Hierbei spiegeln die Liquiditätshorizonte die tatsächliche Praxis und Erfahrung aus Zeiten sowohl systematischer als auch unsystematischer (schuldnerspezifischer) Stressszenarien wider. Grundsätzlich sind diese konservativ anzusetzen, wobei eine Untergrenze von drei Monaten besteht.

Eigene Modelle erwünscht

Im Modell der IRC muss sichergestellt sein, dass die nicht-linearen Auswirkungen von Optionen, strukturierten Kreditderivaten und anderen Produkten mit wesentlichen nicht-linearen Risiken Rechnung getragen wird.19) Die Institute sind aufgefordert, eigene Modelle zu entwickeln und die IRC in einem wöchentlichen Turnus zu berechnen. Erfasst die Bank dagegen die IRC nicht im Rahmen eines internen Ansatzes, muss die Regelung für das spezifische Kursrisiko in der Standardmethode (Tz. 710 bis 718 und 718 XXi) des Rahmenwerks) angewendet werden.20)

Im Rahmen der Validierung des Modells zur Berechnung der IRC werden durch das BCBS die Anforderungen an die Risikofaktoren und an Stresstests ausgeweitet. Zudem muss das Institut sicherstellen, dass der institutseigene IRC-Ansatz im Einklang mit den internen Risikomanagement- Methoden für Handelsrisiken steht und für die Aufsichtsbehörde transparent dokumentiert wird.21) Die Berechnung der IRC, die zu der bislang bestehenden Eigenkapitalunterlegung für Handelsbuchrisikopositionen hinzuaddiert wird, ergibt sich aus dem jeweils höheren Wert vom jüngsten und dem über einen Zwölfwochenzeitraum ermittelten durchschnittlichen Wert der Eigenkapitalunterlegung für das Ausfall- und Migrationsrisiko des Instituts.22)

Ausweitung des Anwendungsbereichs der vorsichtigen Bewertung

Das BCBS weitet die Richtlinien zur vorsichtigen Bewertung, die bislang nur für Handelsbuchpositionen Gültigkeit hatten, auf alle Positionen aus, die nach IFRS zum Fair Value bewertet werden. Das Regelwerk für die vorsichtige Bewertung muss verschiedene Kontrollen beinhalten, damit Geschäftsleitung und Bankenaufsicht davon ausgehen können, dass diese Systeme vorsichtige und zuverlässige Schätzwerte liefern. Zukünftig gehören hierzu schriftlich niedergelegte Grundsätze für den Bewertungsprozess. Die Institute sollen ihre Handelsbuchpositionen soweit wie möglich zu Marktpreisen bewerten (mark-to-market). Nur in Ausnahmefällen wie etwa einer Liquidation oder eines Verkaufs kann - sofern diese nachweislich vorsichtig sind - eine Bewertung auf Basis von Modellpreisen erfolgen.23) Hierunter wird jede Bewertung gefasst, die aus Marktdaten abgeleitet, extrapoliert oder auf andere Weise errechnet wurde.24)

Zusätzlich hat das BCBS eine Anforderung für die Bewertung wenig liquider Positionen ergänzt. Die Institute müssen Prozesse aufbauen, um Positionen so korrigieren zu können, dass deren Illiquidität zum Ausdruck kommt. Dabei besteht ein Wahlrecht, ob für die Position Marktpreise angesetzt, beobachtete Parameter genutzt, die Bewertung einer Drittpartei verwendet oder alternative Bewertungsrechenverfahren angewendet werden. Im Rahmen des Überwachungsprozesses zur Bewertung wenig liquider Positionen müssen Banken alle relevanten Faktoren wie zum Beispiel die durchschnittliche Größe und die Volatilität des Handelsvolumens einschließlich der Volatilität in gestressten Märkten berücksichtigen. Die erläuterten Anforderungen zur Bewertungskorrektur wenig liquider Positionen müssen sich dabei direkt auf die Höhe des Kernkapitals der Bank auswirken.25)

Würdigung unter Einbeziehung der Ergebnisse aus den Konsultationsphasen

Grundsätzlich begrüßten die an der Konsultation beteiligten Parteien die Vorschläge des BCBS, insbesondere die Implementierung der IRC. Hervorgehoben wird vor allem, dass der Regulierungsvorstoß parallel zu institutsinternen Ansätzen erfolgt, durch die die internen Risikomanagementmodelle aufgrund der Erfahrungen der letzten zwölf bis 18 Monate weiterentwickelt und verbessert werden sollen. Allerdings werden Details der einzelnen Vorschläge durchaus kritisch kommentiert.

Modellannahmen für die Incremental

Risk Charge: Bei der Berechnung der IRC werden Modellannahmen gesetzt, die mit den Annahmen des IRB-Ansatzes übereinstimmen. Diese Parallelität erscheint unangemessen in Bezug auf die verschiedenartigen Risiken, da im Anlagebuch ausschließlich Adressenausfallrisiken unterlegt werden und dementsprechend die im IRB-Ansatz getätigten Annahmen bei Anwendung auf Marktpreisrisiken zu "statisch" wirken. Zudem erfolgt im Handelsbuch eine Verrechnung von Long- und Short-Positionen, während im Anlagebuch eine Brutto-Betrachtung vorgenommen wird. Eine Parallele zum IRB-Ansatz ist daher nur bedingt risikoadäquat. Ein Nebeneinander von Handelsbuch- und Anlagebuchregeln für gleichartige Positionen wird zu einer höheren Komplexität führen und dürfte deutlich gestiegene IT-Kosten nach sich ziehen.26)

Die Annahme eines konstanten Risikoniveaus über ein Jahr für die Modellierung des IRC ist in Bezug auf Handelsbuchpositionen unangemessen, da der Zeitraum deutlich länger ist als die Annahme, die für die interne Steuerung des Handelsportfolios verwendet wird. Weiterhin ist die Untergrenze von drei Monaten für den Liquiditätshorizont zum Beispiel bei einem Index-Credit Default Swap sehr konservativ. Stattdessen sollte die Bestimmung der Liquiditätshorizonte in die Verantwortung der Institute gelegt oder ein Horizont von einem Monat festgeschrieben werden. Offen bleiben die Fragen, warum das BCBS den Instituten nicht erlaubt, Diversifikationseffekte in das IRC-Modell mit einzubeziehen, und wie Konzentrationseffekte modelliert werden können. Eine wöchentliche Berechnung der IRC ist aufgrund der hohen Qualitäts- und Datenanforderungen nur schwer realisierbar und ebenfalls mit hohen Kosten verbunden.27)

Stressszenario im internen Risikomodell:

Historische Zeitreihen zeigen, dass das Stressszenario zum Zeitpunkt der Finanzmarktkrise in den Jahren 2007/2008 wenig aussagekräftig ist. Der letzte Höhepunkt bei den Zinsvolatilitäten befindet sich zum Beispiel im Jahr 2003. Daher sollte nicht ein Stressszenario allein, sondern ein ganzes "Bündel" von Szenarien betrachtet werden. Methodisch dienen Stresstestergebnisse bislang der institutsinternen Risikokontrolle und sollen Risikofaktorkombinationen identifizieren, die große Wertverluste in den betrachteten Portfolios verursachen könnten. Die Mindestkapitalanforderungen der Säule I des Baseler Rahmenwerks sind dagegen nicht für Krisensituationen kalibriert.

Anreiz zur Vorsicht

Insgesamt kann es jedoch nicht die Aufgabe von Stresstests sein, ex ante die Kapitalausstattung eines Instituts für Rezessions- oder andere Krisenszenarien anzupassen. Ansonsten würden die Institute dazu verleitet, zu moderate Stresstests durchzuführen. Statt also Stress-VaR an eine bestimmte historische Beobachtungsperiode zu koppeln, sollte den Instituten ein Anreiz gegeben werden, ihr VaR-Modell so konservativ zu kalibrieren, dass es auch in Stressperioden die Backtesting-Anforderungen einhält beziehungsweise übererfüllt.

Die Addition der Eigenkapitalunterlegung aus dem VaR und dem gestressten VaR führt de facto zu einer Doppelanrechnung und -unterlegung der Risiken, da nicht gleichzeitig normale und gestresste Marktbedingungen existieren können.28) Somit wird der Anreiz für die Banken gesetzt, mehr Positionen vom Handelsbuch ins Anlagebuch zu transferieren, wo sie aus Risikogesichtspunkten keiner täglichen Marktbewertung unterliegen und auch für regulatorische Zwecke nicht in ein VaR-Modell einbezogen werden.29) Der Transfer würde zudem dazu führen, dass sich die Anzahl der Marktteilnehmer für diese Handelsprodukte reduziert und damit eine abnehmende Marktliquidität und gegebenenfalls steigende Marktpreise zu verzeichnen wären. Eine Alternativlösung könnte hier die Unterlegung des größeren Betrages aus VaR und Stress-VaR darstellen.30)

Bewertungsmethoden für Verbriefungspositionen im Handelsbuch: Die Messung des besonderen Kursrisikos von Verbriefungspositionen im Handelsbuch nach den Anlagebuchregeln stellt einen Rückschritt im Hinblick auf die aufsichtliche Intention dar, Anreize für die Institute zur Entwicklung eigener risikosensitiver Modelle zu schaffen. Schließlich basieren die Anlagebuchregeln für Verbriefungen auf externen Ratings, welche gerade im Rahmen der Finanzmarktkrise kritisch diskutiert werden. Daher wäre es förderlich, dass Banken, die die Risiken aus Verbriefungen adäquat modellieren können, diese auch in ihr internes Risikomodell miteinbeziehen dürfen. Aus regulatorischer Sicht sind abweichende Richtlinien zur Bewertung von Positionen für die Zwecke der Rechnungslegung nach IFRS und für die Zwecke des Solvabilitätsmeldewesens nicht anstrebenswert. Daher sollte hier ein Gleichlauf mit den Anforderungen des IASB hergestellt werden.

Komplexe Strukturen erfassen

Da die internen Modelle der Banken im Rahmen der Finanzmarktkrise die vorhandenen Risiken unterschätzt haben, erscheint die vorgeschlagene Anhebung der Unterlegungspflicht für bestimmte Risikoarten sinnvoll und bietet eine stärker zielorientierte Eigenmittelunterlegung als eine pauschale Erhöhung über alle Risikoarten. Vor der Finalisierung der Änderungen sollten jedoch die Ergebnisse der quantitativen Auswirkungsstudie in die Feinkalibrierung der zukünftigen Eigenkapitalunterlegung einfließen, um eine Überzeichnung von Risiken auszuschließen. Für die künftige Weiterentwicklung sollten Anreize zum Aufbau interner Risikomodelle im Einklang mit dem Fortschritt auf dem Gebiet der Risikomodellierung erhalten bleiben, zum Beispiel um auch komplexe ABS-Produkte erfassen zu können, ohne jedoch Ri-siko-/Kostenaspekte aus dem Blick zu verlieren. Ob das BCBS mit den Regelungen das Ziel, ein stabileres Finanzsystem zu schaffen, tatsächlich erreicht, wird sich indes erst in der Zukunft, insbesondere nach einer nächsten Krisenphase zeigen.

Fußnoten

1) Vgl. BCBS: Computing Capital for Incremental Risk in the Trading Book" and "Revisions to the Basel II market risk framework" - consultative documents. In: Press releases, 22. Juli 2008, http://www.bis.org/press/p080722.htm, S. 1.

2) Vgl. BCBS: Basel Committee on Banking Supervision announces steps to strengthen the resilience of the banking system. In: Press releases, 16. April 2008, http://www.bis.org/press/p080416.htm, S. 1.

3) Vgl. BCBS: Proposed revisions to the Basel II market risk framework- final version, Juli 2009, http://www.bis.org/publ/bcbs158.pdf?noframes=1, S. 5.

4) Vgl. BCBS (Fn. 3), S. 6-8.

5) Vgl. Änderung der Eigenkapitalvereinbarung zur Einbeziehung von Marktrisiken, Januar 1996, http://www.bis.org/publ/bcbs24a.pdf, S. 43.

6) Vgl. BCBS (Fn. 3), S. 6.

7) Vgl. BCBS (Fn. 3), S. 13.

8) Vgl. BCBS: Internationale Konvergenz der Eigenkapitalmessung und Eigenkapitalanforderungen überarbeitete Rahmenvereinbarung, umfassende Version Juni 2006, http://www.bis.org/publ/bcbs-128ger.pdf, S. 222.

9) Vgl. BCBS (Fn. 3), S. 13.

10) Vgl. BCBS: Proposed revisions to the Basel II market risk framework, 2008, http://www.bis.org/publ/bcbs140.pdf?noframes=1, S. 8.

11)Vgl. BCBS (Fn. 3), S. 14.

12) Vgl. BCBS (Fn. 3), S. 15.

13) Vgl. BCBS (Fn. 3), S. 18-20.

14) Vgl. BCBS (Fn. 8), S. 345-357.

15) Vgl. BCBS (Fn. 3), S. 20.

16) Vgl. BCBS (Fn. 3), S. 21-22.

17) Vgl. BCBS (Fn. 3), S. 20.

18) BCBS: Guidelines for Computing Capital for Incremental Default Risk in the Trading Book - final version, Juli 2009, http://www.bis.org/publ/bcbs159. pdf?noframes=1, S. 2-4.

19) Vgl. BCBS (Fn. 18), S. 5.

20) Vgl. BCBS (Fn. 3), S. 14.

21) Vgl. BCBS (Fn. 18), S. 6.

22) Vgl. BCBS (Fn. 3), S. 23.

23) Vgl. BCBS (Fn. 3), S. 27.

24) Vgl. BCBS (Fn. 8), S. 181.

25) Vgl. BCBS (Fn. 3), S. 27-29.

26) Vgl. RiskMetrics Group: Comment on the BCBS´s Consultative Document entitled Guidelines for Computing Capital for Incremental Risk in the Trading Book, 12. 3. 2009, http://www.bis.org/publ/bcbs14849/ca/zk.pdf, S. 5.

27) Vgl. European Association of Public Banks: EAPB comments on the BCBS´s consultation on "Guidelines for computing capital for incremental risk in the trading book" and "Revisions to the Basel II market risk framework", 16. 3. 2009, http://www.bis. org/publ/bcbs14849/ca/eapb.pdf, S. 9-10.

28) Vgl. European Association of Public Banks (Fn. 27), S. 4-5.

29) Vgl. Ferry, J.: Wary of the IRC, 1. 9. 2008, www. risk.net/public/showPage.html, o. S.

30) Vgl. Zentraler Kreditaussschuss (ZKA): Comments of the ZKA on the BIS consultation papers 148 and 149, 1. 4. 2009, http://www.bis.org/publ/bcbs14849/ca/zk.pdf, S. 5.

Prof. Dr. Stephan Schöning , Professor für ABWL/Finance, SRH Hochschule Heidelberg
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