Aufsätze

Die neue Compensation Governance in Banken

Die Finanz- und Wirtschaftskrise hat Gesetzgeber und Regulatoren national wie international veranlasst, die inhaltlichen Anforderungen an die Festlegung und Überwachung von Vergütung in Banken umfassender und detaillierter zu gestalten. So veröffentlichte die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) 2009 eine überarbeitete Fassung der Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk), die erstmals auch Regeln für die Compensation Governance in Banken vorsahen. Zugleich machten diese die eigentliche Stoßrichtung der Vergütungsregulierung deutlich: Die neue Compensation Governance ist Teil des bankspezifischen Risikomanagements; Grundfragen der Vergütung sind in dieses einzubetten.

Verschärfte Anforderungen an Aufsichtsgremien und Geschäftsleiter

Auch wurden die Anforderungen an die Aufsichtsgremien, Geschäftsleiter und sonstigen Beteiligten im Vergütungsprozess deutlich verschärft. So stellen die MaRisk nochmals die Verantwortung des Vorstands für die Angemessenheit der Vergütung von Führungskräften und Mitarbeitern des Instituts heraus. Gleichzeitig richten sie an den Vorstand größerer Institute die Forderung, einen internen Ausschuss einzurichten, der bei der Ausgestaltung und Weiterentwicklung der Vergütungssysteme beratend unterstützt (Vergütungsausschuss).

Die neuen Informations- und Berichtspflichten des Vorstands gegenüber dem Aufsichtsorgan verstärken den Druck auf den Vorstand, Vergütungssysteme mit den definierten Geschäfts- und Risikostrategien in Übereinstimmung zu bringen und zu rechtfertigen. Schließlich kann das Aufsichtsorgan sogar unmittelbar auf den Vergütungsausschuss zugreifen und sich informieren. Durch die Einbeziehung der internen Revision in den Vergütungsausschuss sowie die Aufnahme der Vergütungsgrundsätze in die schriftlich fixierte Ordnung der Bank erlangen Vergütungsthemen verstärkte Prüfungsrelevanz. Die als vorläufiger Abschluss des regulatorischen Prozesses erlassene Instituts-Vergütungsverordnung (InstitutsVergV) hat die Ursprungsregelungen der MaRisk konkretisiert und dabei inhaltlich die europäische CRD-III-Richtlinie aus 2010 in nationales Recht umgesetzt.

Parallel hat die deutsche Bankenaufsicht die bankinternen Kontrollfunktionen gestärkt. Neben der bereits in der Instituts-VergV vorgesehenen Einbindung der internen Revision, unter anderem durch erweiterte Prüfungspflichten und Einbeziehung in den Vergütungsausschuss, stärken die "Mindestanforderungen an Compliance und die weiteren Verhaltens- und Transparenzpflichten nach §§ 32 ff. WpHG" (Ma-Comp) die Rolle der Compliance-Funktion und weisen ihr eine Rolle in der Compensation Governance zu. Seitdem ist die Compliance-Funktion neben ihren typischen Aufgaben auch in das Design und die Umsetzung von Vergütungsgrundsätzen einzubinden, soweit diese das Wertpapiergeschäft betreffen. Damit erhält sie Mitsprache bei der Ausgestaltung von Vertriebszielen und der Incentivierung der Mitarbeiter. Letztlich umfasst die Compliance-Verantwortung auch die Prüfung der Einhaltung der regulatorischen Anforderungen an Vergütung gemäß Instituts-VergV, um negative Anreize zu vermeiden.

Im Rahmen der Umsetzung von CRD IV hat der deutsche Gesetzgeber das Kredit wesengesetz (KWG) novelliert und mit dem neuen § 25 d Abs. 12 KWG die Einrichtung eines Vergütungskontrollausschusses als Untergremium des Aufsichtsorgans eines Finanzdienstleistungsinstituts eingeführt. Dieses soll eine effiziente Überwachung der Vergütungssysteme sicherstellen. Der Vergütungskontrollausschuss ist nicht zu verwechseln mit dem Vergütungsausschuss nach § 6 InstitutsVergV. Letzterer ist für bedeutende Institute obligatorisch, der Vergütungskontrollausschuss hingegen für alle.

Der Vergütungsausschuss

Der Vergütungsausschuss ist ein zentraler Punkt der neuen branchenspezifischen Compensation Governance. Ziel der Regulatoren ist dabei die Etablierung eines "unabhängigen" Vergütungsmanagements bei den größeren und risikolastigen Instituten. Vergütungsausschüsse unterstützen hier die Geschäftsleitung und die Überwachungsorgane und beraten in allen Fragen zu Grundsätzen der Vergütung. Was mit Remuneration oder Compensation Committees bereits für große globale Institute gängige Praxis war, ist nunmehr auch für alle bedeutenden Institute in Deutschland Pflicht. Zu diesem Kreis zählen fast alle Top-30-Banken - aber für die meisten waren diese Anforderungen bisher Neuland. Aufgrund der deutschen Governance-Struktur - das Aufsichtsgremium ist für die Vergütung der Geschäftsleitung und die Geschäftsleitung für die Vergütung aller anderen Mitarbeiter verantwortlich - kann der Vergütungsausschuss nur eine beratende Funktion ausüben. Unbeschadet der eigenen Verantwortung hat die Geschäftsleitung den Vergütungsausschuss mit der Überwachung der Angemessenheit der Vergütungssysteme zu betrauen und kann ihm weitere Aufgaben zuweisen, insbesondere in der Ausgestaltung und Weiterentwicklung der Vergütungssysteme.

Der Vergütungsausschuss hat mindestens einmal jährlich einen Bericht über die Angemessenheit der Ausgestaltung der Vergütungssysteme des Instituts zu verfassen und diesen Vergütungsbericht der Geschäftsleitung und dem Verwaltungs- oder Aufsichtsorgan vorzulegen. Wenn erforderlich, hat der Vergütungsausschuss auch anlassbezogen Bericht zu erstatten. Aufgaben und organisatorische Einbindung des Vergütungsausschusses sind in den Organisationsrichtlinien des Instituts darzustellen.

Informationspflichten und Auskunftsrecht

In der Umsetzung der neuen Compensation Governance haben die Institute zunächst im Rahmen einer Satzung die Besetzung, den Aufgaben- und Verantwortungsumfang des Vergütungsausschusses sowie die konkretisierten Berichts-/Informationsrechte und -pflichten gegenüber Geschäftsleitung und Aufsichtsorgan zu regeln. Die Satzung wird durch die Geschäftsleitung verabschiedet. Weiterhin hat die Geschäftsleitung das Aufsichts organ mindestens einmal jährlich über die Ausgestaltung der Vergütungssysteme des Instituts zu informieren. Dem Vorsitzenden des Aufsichtsorgans ist ein entsprechendes Auskunftsrecht gegenüber der Geschäftsleitung einzuräumen. Neben den Vertretern der Personalabteilung müssen auch Mitarbeiter der geschäftsini tiierenden Organisationseinheiten sowie von Kontrolleinheiten im Vergütungsausschuss vertreten sein. Die interne Revision erhält einen Sonderstatus. Sie ist "im Rahmen ihrer Aufgaben einzubeziehen", aber nicht stimmberichtigt, um bei Prüfungen Interessenkonflikte zu vermeiden. In der Praxis folgt die Größe und Zusammensetzung des Vergütungsausschusses der Geschäfts- und Organisationsstruktur sowie der Managementkultur des einzelnen Instituts. Studien*) zeigen diesbezüglich folgende Muster:

- Vergütungsausschüsse umfassen zwischen sieben und zehn Mitgliedern und tagen zwei bis drei Mal pro Jahr.

- Die Bereiche Personal, Finanzen und Risk Management sind fast immer im Vergütungsausschuss vertreten. Die weiteren Mitglieder variieren. So ist bei jeder Dritten der aktuell 23 bedeutenden Banken ein Mitglied des Vorstands im Vergütungsausschuss tätig. Teilweise sind die Vorsitzenden des Betriebsrats oder des Sprecherausschusses vertreten.

- Bei der Zusammensetzung des Vergütungsausschusses wird die Revision mehrheitlich in beratender Funktion eingebunden. Der Bereich Compliance ist dagegen häufiger direktes Mitglied.

- Die Mitglieder des Vergütungsausschusses sind mehrheitlich auf der ersten Berichtsebene unterhalb des Vorstands angesiedelt.

- Die Rolle des Ausschussvorsitzenden wird in der Regel von einem Verantwortlichen aus dem Personalbereich wahrgenommen, zum Beispiel vom Leiter Personal.

Der Vergütungskontrollausschuss

In der Umsetzung der CRD-IV-Richtlinie hat der deutsche Gesetzgeber das KWG novelliert und die Einrichtung eines Vergütungskontrollausschusses als Untergremium des Verwaltungs- oder Aufsichtsorgans eines Finanzdienstleistungsinstituts vorgesehen. Dieser soll eine effiziente Überwachung der Vergütungssysteme durch das Verwaltungs-/Aufsichtsgremium sicherstellen. Der Fokus der gesetzlich definierten Aufgaben des Vergütungskontrollausschusses richtet sich klar auf die übergeordnete strategische Würdigung der Vergütungssysteme und ihrer Wirkungsweise - umfasst aber auch die konkrete Überwachung der Vergütungen für Geschäftsleiter und Risk Taker wie auch neuralgische Kontrollfunktionen:

- Überwachung der angemessenen Ausgestaltung der Vergütungssysteme der Geschäftsleiter und Mitarbeiter, insbesondere der Risk Taker, der Risikocontrolling- und Compliance-Funktion,

- Bewertung der Auswirkungen der Vergütungssysteme auf das Risiko-, Kapital- und Liquiditätsmanagement,

- Vorbereitung der Beschlüsse zur Vergütung der Geschäftsleiter unter Berücksichtigung von Risikoaspekten und Stakeholder-Interessen,

- Zusammenarbeit mit dem Risikoausschuss, - Unterstützung und Überwachung der Einbeziehung von Kontroll- und sonstigen maßgeblichen Bereichen bei der Ausgestaltung der Vergütungssysteme.

Aus der Mitte des Aufsichtsorgans

Bei der Erfüllung dieser Aufgaben steht dem Vergütungskontrollausschuss ein Informationsrecht gegenüber den Leitern der internen Revision sowie der für die Ausgestaltung der Vergütungssysteme zuständigen Organisationseinheiten zu.

Die Besetzung des Vergütungskontrollausschusses ist zwingend aus der Mitte des Aufsichtsorgans vorzunehmen. Die Mitglieder müssen über "erforderliche Sachkunde" im Hinblick auf Größe und Komplexität der Geschäfte eines Instituts verfügen. Zusätzlich muss mindestens ein Mitglied über "ausreichend Sachverstand und Berufserfahrung" im Risikomanagement und -controlling verfügen. Eine Beratung durch unabhängige externe Experten ist ausdrücklich vorgesehen.

Die aktuelle Praxis zeigt, dass die Einbettung des Vergütungskontrollausschusses in die Corporate Governance einer Bank noch einige Schwierigkeiten bereitet. Beispielhaft sei auf die Kollision mit den aktienrechtlichen Bestimmungen zu den Aufgaben des Aufsichtsrats verwiesen, die die Vergütungssysteme von Mitarbeitern bisher nicht eingeschlossen hatten. Insbesondere wird eine Abgrenzung zum Personalausschuss im Aufsichtsrat vorzunehmen sein.

Die erweiterte Compensation Governance ist mit deutlich höheren Anforderungen an Mitglieder der Aufsichtsorgane verknüpft. Hintergrund: Die Bankenkrise hatte gezeigt, dass Eigentümer und Aufsichtsgremien stärker in die Compensation Governance einbezogen sein müssen. Sie hat aber auch Mängel in der persönlichen Qualifikation der Aufsicht offenbart.

Bislang waren persönliche Anforderungen an die Aufsichtsmitglieder auf nationaler Ebene im Kreditwesengesetz und Aktiengesetz geregelt. Nach der Bankenkrise wurden sie einerseits durch die BaFin und andererseits durch die Europäische Bankenaufsicht verschärft, zuletzt Ende 2012 mit den Guidelines on the assessment of thesuitability of members of the managementbody and keyfunctionholders. Dabei umfassen die Regelungen auf nationaler wie internationaler Ebene detailliertere und umfassendere Anforderungen an die individuelle Sachkunde, Unabhängigkeit und Integrität sowie die Anzahl der Mandate. Die Anforderungen an die Sachkunde sind generisch und bieten erheblichen Ermessensspielraum: Die zur Ausübung des Mandats erforderlichen theoretischen Kenntnisse und praktischen Erfahrungen können zum Beispiel durch akademische oder Management-Positionen erworben werden. Relevante (Vor-)Tätigkeiten sind zwar grundsätzlich nachzuweisen, jedoch sind auch entsprechende Fortbildungen möglich.

Kenntnisse im Risikomanagement und -controlling sowie im Rechnungswesen werden bedeutsamer: Im Vergütungskontrollausschuss muss mindestens ein Mitglied über Berufserfahrung in diesen Bereichen verfügen. Bei börsennotierten Instituten muss mindestens ein unabhängiges Mitglied über Sachverstand auf den Gebieten Rechnungslegung oder Abschlussprüfung verfügen.

Begrenzte Anzahl der Mandate

Die Anzahl der Mandate ist über das KWG explizit begrenzt, während auf europäischer Ebene bislang auf die Vorgabe einer konkreten numerischen Grenze verzichtet wird. Das AktG und die Empfehlungen des DCGK sind vergleichsweise restriktiv: Die maximale zulässige Anzahl von Kontrollmandaten ist mit fünf festgelegt, gilt aber nur für Institute unter Aufsicht der BaFin.

Die Unabhängigkeit eines Mitglieds des Aufsichtsgremiums ist gegeben, soweit und solange keine Interessenskonflikte bei der Ausübung des Mandats entstehen können. Sie ist bisher - sachgerecht - nur negativ definiert. Interessenkonflikte können vorliegen, sofern Angehörige Geschäftsbeziehungen zum Beaufsichtigten unterhalten, persönliche oder geschäftliche Beziehungen zum Management oder anderen Stakeholdern bestehen oder eine Organfunktion oder Beratungsaufgabe bei wesentlichen Wettbewerbern besteht.

Die Anforderungen an Integrität und Zuverlässigkeit von Aufsichtsorganmitgliedern sind branchenspezifisch geregelt. Im Fokus stehen dabei die bisherigen (finanz-) wirtschaftlichen Tätigkeiten eines Aufsichtsorganmitglieds im geschäftlichen wie auch privaten Bereich. Negativmerkmale für eine nicht ausreichende Integrität sind zum Beispiel Verstöße gegen Bestimmungen des KWG, eigene Insolvenz, Überschuldung oder strafrechtlich relevante Belange wie Steuervergehen.

Die geschilderten Neuregelungen steigern fraglos nachhaltig die Komplexität von Vergütungsfragen. Sie erhöhen zugleich den Anspruch an deren Ausgestaltung und zwingen zu einer stimmigen Ausrichtung der Vergütung an der Geschäfts- und Risikostrategie eines Instituts. Die über den Vergütungsausschuss realisierte Einbeziehung zusätzlicher interner Funktionen holt die Vergütung aus dem oft kritisierten Elfenbeinturm des HR-Managements in die gesamtunternehmensbezogene Steuerung von Ressourcen und Risiken. Hinzu kommt: Die Offenlegung von Vergütungsparametern und gewährten Vergütungshöhen in Form neuer Informations- und Berichtspflichten verstärkt den Druck auf das Management und die Aufsichtsgremien. In der Praxis sind jedoch noch einige Fragen in der Synchronisation der beteiligten Gremien und Funktionen, die im Rahmen der forcierten Regulierung der Vergütung in Banken offenkundig nicht bedacht wurden, noch zu beantworten.

Fußnote

*) Quellen: hkp/// Studie Vergütungsberichte Top 50 Banken 2012, hkp///Markt-Barometer Banken Herbst 2011

Werner Klein , Inhaber und Managing Consultant , compgovernance, Düsseldorf
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