Aufsätze

Neue Spielregeln für ABS-Märkte definieren

Die Verbriefung als Instrument zur Eigenkapitalfreisetzung bei Banken, aber auch als Finanzierungsquelle, hat in den vergangenen Jahren stark an Bedeutung gewonnen. Ausgehend von den Märkten in den USA und Großbritannien etablierte sich das Finanzinstrument seit Ende der neunziger Jahre zunehmend auch in kontinentaleuropäischen Ländern. Der europäische Markt für Asset Backed Securities (ABS) wuchs von einem Emissionsvolumen von 85 Milliarden Euro im Jahr 2000 auf mehr als 450 Milliarden Euro in 2006 (vergleiche DZ Bank 2006). Deutschland hinkte der Marktentwicklung vor allem aufgrund rechtlicher und steuerrechtlicher Hindernisse lange Zeit hinterher, konnte aber insbesondere in den letzten zwei Jahren deutlich aufholen.

Reflexartiger Ruf nach besserer Regulierung

Diese Entwicklung endete recht abrupt mit der sich ausbreitenden Finanzmarktkrise. Noch immer hat die Kreditkrise die weltweiten Kapitalmärkte fest im Griff und die Verbriefungsmärkte sind nahezu vollständig zum Erliegen gekommen. Der Appetit der Investoren nach ABS hat stark abgenommen und die Preise auf den Sekundärmärkten fielen deutlich ab. Auch nicht unmittelbar von der Subprime-Krise betroffene Asset-Klassen wurden in Mitleidenschaft gezogen und stehen noch immer unter einer Art Generalverdacht. Kaum jemand wagt derzeit eine Prognose, wie lange dieser Zustand noch anhalten mag. Vielmehr wird nach Ansätzen gesucht, um ähnliche Entwicklungen künftig zu verhindern.

Deutsche Politiker reagieren scheinbar reflexartig mit dem Ruf nach mehr und besserer Regulierung auf die aktuelle Finanzmarktkrise. Die Argumentation basiert dabei häufig auf der Überlegung, dass schwindendes Vertrauen von Investoren und Banken in die Stabilität des Finanzsystems systemische Risiken berge. Als Konsequenz werden neue Spielregeln gesucht, die gegen solche Ereignisse künftig immunisieren sollen.

Fehlende Transparenz, vorherrschende Informationsasymmetrien sowie die dadurch induzierten Entwicklungen sind wesentliche Ursachen der aktuellen Finanzmarktkrise: Zunächst haben die Gestaltungsspielräume der Verbriefungsmärkte die Komplexität der Anlageinstrumente deutlich erhöht. Seitens der Investoren wurde diese Entwicklung zunehmend weder verstanden noch hinterfragt. Für sie ist es gerade aufgrund der Produktkomplexität und des uneinheitlichen Reportings mit unverhältnismäßigen Informationskosten verbunden, sich im Vorfeld einer Anlageentscheidung umfassend zu informieren.

Reputation als Ersatz für Information

Daher haben sich Investoren in der Vergangenheit häufig auf die Reputation der Banken verlassen, anstatt sich stärker um die Transparenz der Finanzinstrumente zu bemühen. Deren Reputationskapital, ob im einzelnen Fall berechtigt oder nicht, ersetzte de facto die Investition in Informationsbeschaffung und -verarbeitung. Im Rahmen der aktuellen Krise erfährt dieses Kapital eine Neubewertung durch den Markt, was Investorenzurückhaltung, Ex-posure-Reduzierung und Liquiditätsaustrocknung unmittelbar nach sich zieht.

Die Banken haben ihrerseits den aktuellen Boom und die geringen Transparenzerfordernisse der Verbriefungsmärkte zum "Cream Skimming" genutzt und Risiken durchgeleitet, die sie zu den gegebenen Konditionen vielfach nicht mit eigenem Kapital finanziert hätten. Das Wachstum des Kreditmarktes war demnach vermehrt durch den Appetit der Investoren getrieben und weniger durch die Kreditwürdigkeit der Schuldner. Zudem haben Banken nur wenige Anreize, bei der Kreditvergabe übermäßige Sorgfalt walten zu lassen, wenn sie ohnehin wissen, dass sie die Kredite schon bald wieder von ihren Büchern haben. Dieses als Prinzipal-Agenten-Problem bekannte Phänomen basiert wesentlich auf den bestehenden Informationsasymmetrien zwischen Banken (Originatoren) und Investoren.

Hinzu kam, dass Banken einzelne Verbriefungsplattformen für zusätzliche Arbitragegeschäfte genutzt haben, deren potenzielle Liquiditäts- und Ergebniswirkung aufgrund des Off-Balance-Sheet-Charakters aber nicht ausreichend transparent gemacht wurde. Schließlich wurden die kurzfristige Austrocknung der Marktliquidität von den Risikomanagementsystemen der Banken und den Aufsichtsregularien nicht adäquat abgebildet. Viele Investoren haben sich in ihrer Entscheidung primär durch die Rating-Einstufungen einzelner ABS-Tranchen leiten lassen. Diese stellen jedoch reine Bonitäts-Ratings dar, Liquiditätseffekte sind darin nicht berücksichtigt.

Die aktuelle Regulierungsdiskussion muss an den genannten Punkten ansetzen, aber explizit deren Interdependenz abbilden. Wenn Banker heute davon sprechen, dass Risikobewertung, Spreads und Volumina im Rahmen einer notwendigen Korrektur auf Normalniveau zurückkehren, dann verbindet sich damit die Überlegung, dass Investoren im Rahmen ihrer Verhaltensanpassung etwaige Fehlentwicklungen aussteuern können. In der Tat, für sich betrachtet, stellt der Totalverlust bei einigen Hedge Fonds und Structured Investment Vehicles (SIVs) kein relevantes Problem aus Sicht des Regulierers dar. Auch der Gang zum Insolvenzrichter ist ein verfassungsmäßig geschütztes Grundrecht.

Ansatzpunkte zur Lösung: Selbstregulierung möglich

Ganz sicher werden Investoren zukünftig mehr Transparenz über die zugrunde liegenden Kreditportfolios, Sicherheiten und Credit Enhancements einfordern und bei der Auswahl der Transaktionen stärker auf die Reputation des Bankhauses achten. Bankinstitute werden auch von sich aus zukünftig offener ihre Off-Balance-Sheet Exposures kommunizieren, zum Beispiel um ihre kurzfristigen Refinanzierungsspielräume auf dem Interbankenmarkt sicherzustellen. Diese Argumente unterstützen in Summe eher einen "Laissez Faire"-Ansatz, der auf direkte Eingriffe in dieser Phase verzichten würde.

Aus Regulierungssicht besteht das zentrale Problem in der Plötzlichkeit, mit welcher sich Marktkorrekturen vollziehen. Die plötzliche Anpassung bedingt eine temporäre Überreaktion und mündet unter Umständen in einem langwierigen Anpassungsprozess mit realwirtschaftlichen Konsequenzen. Die Rückkehr auf ein Normalniveau vollzieht sich nur langsam, und im Rahmen des Anpassungsprozesses entstehen Transaktionskosten, welche Vermögenstransfers und Wohlfahrtsverluste bewirken. Kommt es beispielsweise in Folge der Finanzmarktkrise zu einem "Credit Crunch", so wirkt sich dies nicht nur auf die kurzfristige Liquidität, sondern auch auf langfristige Wachstumsmöglichkeiten von Unternehmen aus, mit gegebenenfalls erheblichen volkswirtschaftlichen Konsequenzen.

Wenn in diesem Kontext von Regulierung gesprochen wird, dann geht es in erster Linie um die bereits ausführlich in der Fachpresse diskutierten Notfallmaßnahmen. Hierzu zählt die Bereitstellung von bis zu 95 Milliarden Euro Liquidität an einzelnen Tagen durch die Europäische Zentralbank, aber auch die seitens des britischen Finanzministeriums und der Bank of England ausgesprochenen Garantie auf Einlagen des Hypothekenfinanzierers Northern Rock. Beides stellen Notfallmaßnahmen zur Überbrückung von kurzfristigen Liquiditätsengpässen dar, mit dem Ziel, die negativen Konsequenzen der Finanzkrise abzufedern und eine Ausbreitung zu verhindern.

Ein beherztes Eingreifen in Form von Notfallmaßnahmen ist durchaus erforderlich. Zugleich muss jedoch verhindert werden, dass von diesen Eingriffen eine negative Signalwirkung ausgeht und Banken zunehmend riskante Geschäfte eingehen, in dem Vertrauen, dass sie im Notfall mit der Unterstützung ihrer Zentralbank rechnen können. Um diese negative Anreizwirkung zu verhindern, muss sichergestellt werden, dass die verantwortlichen Entscheidungsträger für ihr Fehlverhalten zur Rechenschaft gezogen werden.

Bedarf an Strukturen, die Qualität sicherstellen

Neben dem Ergreifen von Notfallmaßnahmen, gilt es aber auch die Rahmenbedingungen zu schaffen, um das Auftreten einer ähnlichen Krise in Zukunft unwahrscheinlich werden zu lassen. Hierbei besteht - insbesondere auch vor dem Hintergrund zunehmender Komplexität und Vielfalt der Anlageinstrumente - Bedarf an Strukturen, welche die Qualität von Asset Backed Securities sicherstellen. Die Etablierung von Qualitätsstandards stärkt das Vertrauen in ABS auch langfristig.

Qualitäts- beziehungsweise Gütesiegel geben den Investoren Sicherheit zurück, da besser transparent gemacht wird, was sich hinter den einzelnen Strukturen verbirgt. Sie erleichtern somit die Informationsbeschaffung im Rahmen von Investitionsentscheidungen. Dies ist insbesondere wichtig, um die Verfügbarkeit der Verbriefung als zunehmend bedeutenderes Finanzierungsinstrument auch in Zukunft zu gewährleisten. Gerade für den deutschen Mittelstand hat die Verbriefung als alternative Finanzierungsquelle auch vor dem Hintergrund geringer Eigenkapitaldeckung an Bedeutung gewonnen (vergleiche hierzu Brockmann/Hommel 2006).

Einführung einer einheitlichen Emissionsplattform

In diesem Zusammenhang erscheint die Einführung von Emissionsplattformen nahe liegend. Diese Bündelung aller Emissionen auf einige wenige Plattformen ermöglicht es, allgemein gültige Qualitätsstandards (auch über Landesgrenzen hinweg) zu etablieren. Die Durchsetzung dieser Standards führt wiederum zu mehr Transparenz und Vergleichbarkeit und verhindert somit opportunistisches Verhalten einzelner Weniger auf Kosten der Stabilität und Reputation des gesamten ABS-Marktes (vergleiche hierzu Brockmann/Hommel 2006). Positivbeispiele hierfür sind die KfW-Plattformen Promise und Provide sowie die von der KfW und 13 Gründerbanken initiierte True Sale International.

Emissionsplattformen müssen - wie die genannten Beispiele - klare Mindestanforderungen für Emissionsprospekte, Investoren-Reporting und Qualitätsprüfung definieren und grundlegende transaktionsspezifische Informationen zu Struktur, arrangierender Bank und zur laufenden Performance bereitstellen. Sie erhöhen die Transparenz für Investoren und erzeugen damit Verhaltenswirkungen, die nivellierend auf die Differenzierungsfähigkeit der Banken wirkt, die sich gerade auch in Deutschland immer noch deutlich hinsichtlich ihrer Kreditrisikokompetenz unterscheiden. Top-Institute geben dadurch zwar kurzfristig möglich reputationsbedingte Vorteile auf, langfristig überwiegt jedoch auch für diese Institute die positive Wirkung, da negative Spillover-Effekte durch Transaktionen minderer Qualität von Banken ohne langfristige Marktstrategie verhindert werden.

Diskussion um Gesetzgebung

Während die Governance der beschriebenen Emissionsplattformen zu einem hohen Maß aus teilnehmerbasierter Selbstregulierung bestehen kann, bedarf es für deren Initiierung sicherlich an einem deutlichen Maß an "Soft Coercion" durch die Aufsichtsbehörden. Die aktuelle Regulierungsdiskussion kann dazu einen positiven Beitrag leisten. Der Fokus sollte neben den beschriebenen Notfallmaßnahmen auf der Etablierung einheitlicher Emissionsplattformen und somit selbstregulierender Einheiten liegen.

Ein nationaler Alleingang erscheint dabei wenig förderlich, da dies nur zu einem Ausweichen der deutschen Banken auf andere Märkte führen könnte. Vielmehr sollte die Einführung einer einheitlichen Emissionsplattform gemeinsam länderübergreifend (beispielsweise innerhalb der EU oder G8) vorangetrieben werden.

Nationale gesetzliche Regulierungen des Verbriefungsmarktes in Form eines Verbriefungsgesetzes, wie sie aktuell diskutiert werden, sind dann erstrebenswert, wenn sie die immer noch bestehenden rechtlichen und steuerrechtlichen Unsicherheiten beheben. Anstelle einer Vielzahl von Einzelmaßnahmen könnte ein deutsches Verbriefungsgesetz treten, welches einzelne alleinstehende Gesetze und Ausnahmetatbestände vereint und die noch immer bestehenden Hindernisse angeht. Die Rolle der Qualitätssicherung hingegen sollte durch die seitens der Emissionsplattform selbst definierten Vorgaben wahrgenommen werden. Eine zusätzliche Regulierung im ABS-Gesetz erscheint dabei wenig förderlich.

Literaturverzeichnis Brockmann, Malte/Hommel, Ulrich (2006): Golden Gate oder Tacoma Narrows? Mezzanine-Kapital als Finanzierungsbrücke zwischen Mittelstand und Kapitalmarkt, Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen, 19-2006

DZ Bank (2006): ABS & Structured Credits, Eine Re-search-Publikation der DZ Bank AG o. A. (2007): When it goes wrong, Economist, Vol. 384, Issue 8547, Seite 76 bis 78

Prof. Dr. Ulrich Hommel , Inhaber des Lehrstuhls für Unternehmens- und Hochschulfinanzierung , EBS Business School, EBS Universität für Wirtschaft & Recht, Wiesbaden
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