Aufsätze

Neues Organisationsrecht für Genossenschaften in Kraft

Am 18. August 2006 trat das "Gesetz zur Einführung der Europäischen Genossenschaft und zur Änderung des Genossenschaftsgesetzes" in Kraft.1) Das Artikelgesetz schafft die rechtlichen Grundlagen für die Einführung der Europäischen Genossenschaft (SCE)2) und bot dem deutschen Gesetzgeber den von der Praxis lang ersehnten Anlass, das in seinen Grundzügen seit 1889 bestehende Recht der eingetragenen Genossenschaft (eG) an das moderne Wirtschaftsleben anzupassen. Während die SCE in der Praxis wohl kaum eine Rolle spielen wird, bringt das Genossenschaftsgesetz (GenG) für die mehr als 5 000 eGn und ihre zirka 17 Millionen Mitglieder zahlreiche, zum Teil gravierende Änderungen.3)

Novellierung überfällig

Eine Novellierung war längst überfällig. In den letzten drei Jahren wurden unter dem Dach des Deutschen Genossenschafts- und Raiffeisenverbandes e.V.(DGRV) nur 130 neue eGn gegründet. Die rechtlichen Ursachen der Neugründungsschwäche werden durch Image- und Präsenzprobleme verstärkt. Auch droht die der Vereinigungsform eigene Identität zwischen Mitglied und Kunde (siehe § 1 Abs. 1 GenG) durch das anwachsende konditionengleiche Nichtmitgliedergeschäft zu zerfallen.

Der drastische, aber insbesondere fusionsbedingte Rückgang eGn darf nicht zu dem Schluss führen, die eG sei eine überholte Vereinigungsform. Die Idee der förderwirtschaftlichen Mitgliederselbsthilfe ist nach wie vor aktuell. Dementsprechend steht auch im Zentrum der Novellierung des GenG, die Gründung eingetragener Genossenschaften zu erleichtern und die Attraktivität der besonderen gesellschaftsrechtlichen Vereinigungsform der eG insgesamt zu stärken.

1. Sprachliche und redaktionelle Überarbeitung: Besonders hervorzuheben ist, dass durchgängig das der eG vereinigungsformeigene Wort für Mitglied, "Genosse", durch die von der Praxis verwendete, angeblich geschlechtsneutrale und auch gleichstellungspolitisch notwendige Formulierung "Mitglied" ersetzt wurde. Wirklich jung ist der Gedanke, die Bezeichnung "Genosse" auszutauschen, freilich nicht. Bereits in § 1 Abs. 1 GenG RefE 1938 wurde das Mitglied einer eG als "Genossenschafter" legaldefiniert und auch § 1 GenG RefE 1962 sah die Bezeichnung "Mitglied" vor.

2. Erweiterung des Förderzwecks auf soziale und kulturelle Belange: Mit der Neufassung des § 1 Abs. 1 GenG hat der Gesetzgeber vor allem die Förderung des Erwerbs oder der Wirtschaft der Mitglieder entsprechend Art. 1 Abs. 3 SCE-VO auf soziale und kulturelle Belange erweitert. § 1 Abs. 1 GenG lässt also vergleichbar einem Idealverein (§§ 21 ff. BGB) eine Idealgenossenschaft zu.

Klarstellung

Insoweit handelt es sich um eine Klarstellung. Bereits zur alten Gesetzeslage ist aufgezeigt worden, dass Idealgenossenschaften uneingeschränkt zulässig sind.4) Dies belegen auch die in der Regierungsbegründung aufgeführten praktischen Fälle wie Schul-, Sport-, Medien- sowie Theater- oder Museumsgenossenschaften. Hieraus folgt, dass "sozial" und "kulturell" weit zu verstehen sind. Soziale und kulturelle Belange umfassen die gesamte daseinsvorsorgende menschliche Lebensführung der Mitglieder einer eG, die nicht einer Erwerbstätigkeit zugeordnet sind. Der künftige Erfolg von Sozial- oder Kulturgenossenschaften wird jedoch wesentlich davon abhängen, ob sie trotz des Gebots der nutzerbezogenen Mitgliederselbstförderung (§ 1 Abs. 1 GenG) als gemeinnützig i.S.des Steuerrechts anerkannt werden.5)

3. Stärkung der Satzungsautonomie: Bei dem GenG handelt es sich um ein Rahmengesetz. Daher betreffen sämtliche Gesetzesänderungen auch alle Genossenschaftsarten, und zwar häufig unabhängig davon, wie viele oder welche Mitglieder ihnen angehören. Aus diesem Grund ist zu begrüßen, das Gesetz durch die vermehrte Einräumung von Satzungsautonomie bei im Übrigen fortbestehender Satzungsstrenge (siehe § 18 S. 2 GenG) für alle Genossenschaften handhabbar zu halten. Keine eG soll gezwungen werden, von den Neuregelungen Gebrauch machen zu müssen.

4. Die "kleine Genossenschaft": Die SCE-VO enthält etliche Regelungen, die in der Vergangenheit gleichfalls für die deutsche eG diskutiert wurden und, um keine Wettbewerbsnachteile gegenüber der SCE entstehen zu lassen, nun in das GenG übernommen worden sind. Dabei handelt es sich zweckentsprechend vor allen Dingen um so bezeichnete Gründungserleichterungen. Nach dem neu gefassten § 4 GenG beträgt zur Gründung einer eG die Mindestmitgliederzahl nur noch drei statt sieben. Dem entspricht die Auflösungsvorschrift des § 80 Abs. 1 GenG. Investierende, nutzungsinaktive und - in Abgrenzung zu den so genannten "fördernden Mitgliedern" zugleich auch - nutzungsunwillige Mitglieder (§ 8 Abs. 2 GenG) bleiben aber gemäß § 80 Abs. 1 S. 2 GenG außer Betracht.

a) Selbst gestaltbare Organstruktur:

Kleingenossenschaften mit 20 oder weniger Mitgliedern können nach § 9 Abs. 1 S. 2 GenG durch Satzungsbestimmung vorsehen, auf den gemäß §§ 9 Abs. 1 S. 1 Fall 2, 36 GenG grundsätzlich einzurichtenden Aufsichtsrat verzichten zu wollen. Dessen Kontroll- und Leitungsaufgaben werden dann von der Generalversammlung (GV) als eine Art großer "Ersatz-Aufsichtsrat" wahrgenommen (§ 9 Abs. 1 S. 3 GenG). Bei einer solchen "aufsichtsratlosen Genossenschaft" muss zudem nach § 57 Abs. 5 GenG die GV ein (nutzendes, förderndes oder investierendes) Mitglied bestimmen, das innerhalb des besonderen Pflichtprüfungsverfahrens der §§ 57 ff. GenG die Funktion des Aufsichtsratsvorsitzenden übernimmt. Hierauf verweist etwa § 58 Abs. 3 S. 1 Halbs. 2 GenG.

Haftungsrechtliche Probleme?

Zusätzlich können Kleingenossenschaften in ihrer Satzung festlegen, dass ihr Vorstand aus nur einer Person bestehen soll (§ 24 Abs. 2 S. 3 GenG). Es handelt sich um gute Ansätze. Bei näherer Betrachtung wird jedoch offenbar, dass die verringerte Mindestmitgliederzahl in Verbindung mit der Zulassung von investierenden Mitgliedern ("Mitgliedermix") und dem Verzicht einer eG auf ihren regulären Aufsichtsrat und/oder zweiköpfigen Vorstand ("Doppelverzicht") zu organisatorischen und haftungsrechtlichen Problemen führen kann.6) Im Übrigen ist der Genossenschaftsvorstand trotz zahlreicher Kritik weiterhin größenübergreifend weisungsfrei (siehe § 27 Abs. 1 S. 1 GenG).

b) Befreiung von der handelsrechtlichen Rechnungslegungsprüfung: Schließlich

sieht § 53 Abs. 2 S. 1 GenG (§ 164 GenG) vor, dass im Rahmen der regelmäßigen Förderwirtschaftlichkeits- und Gesamtgeschäftsführungsprüfung aus § 53 Abs. 1 GenG eine zusätzliche Rechnungslegungsprüfung nach § 53 Abs. 2 S. 2 GenG in Verbindung mit §§ 316 Abs. 3, 317 Abs. 1 S. 2 u. 3, Abs. 2, 324a HGB nur noch bei solchen eGn stattfindet, deren Bilanzsumme eine Million Euro und deren Umsatzerlöse zwei Millionen Euro übersteigen.

Die Prüfungsfreistellung bedeutet jedenfalls auf dem Papier eine spürbare finanzielle Entlastung. Gleichwohl ist die Freistellung nach § 53 Abs. 2 S. 1 GenG ("1/4 von § 267 Abs. 1 HGB") nicht weit reichend genug.7) Das sieht der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages genauso.8) Dennoch stellen die Gesetzesverfasser mit der jetzigen "Viertellösung" die nach der Grundkonzeption des GenG lediglich sekundären Eigeninteressen der genossenschaftlichen Selbsthilfeeinrichtungen bewusst über die (auch nach der Kardinalnorm des § 1 Abs. 1 GenG) originären Förderinteressen ihrer Vereinsmitglieder beziehungsweise deren Mitgliederkunden.

Corporate Governance berührt

5. Organisationsrechtliche Veränderungen: Außer den bereits angeführten Organisationsvorschriften für Kleingenossenschaften sind vor allem in den §§ 24 bis 52 GenG für alle eGn verbindliche Anpassungen vorgenommen worden. Eine Vielzahl davon betreffen auch die mitgliederstarken Kreditgenossenschaften. Im Mittelpunkt steht das Verhältnis der GV zur Vertreterversammlung (VertrV) und umgekehrt. Insoweit ist die Corporate Governance der eG berührt. Entsprechend § 1 Abs. 1 GenG soll die binnenorganisationsrechtliche Stellung der Mitglieder gestärkt werden.

a) Mehrstimmrechte: Entgegen § 43

Abs. 3 GenG RegE stärkt § 43 Abs. 3 GenG (i.d.F. vom 19. Mai 2006) den herkömmlichen genossenschaftsrechtlichen Grundsatz "ein Mitglied - eine Stimme" nicht. Es bleibt prinzipiell bei der Möglichkeit, Mehrstimmrechte begrenzt gewähren zu können (§ 43 Abs. 3 S. 2 GenG). § 43 Abs. 3 S. 3 Nr. 1 bis 3 GenG unterscheidet hierbei nach Mitgliederarten (natürliche Personen, Unternehmer i.S.von § 14 BGB, so genannte Zentralgenossenschaften). Für sie gelten jeweils eigene Gestaltungsvarianten. Tatsächlich neu ist nur § 43 Abs. 3 S. 3 Nr. 2 GenG, der darauf abstellt, dass mehr als drei Viertel der Mitglieder Unternehmer i.S.von § 14 BGB sind. Ihre Mitgliedschaft muss in dieser Unternehmereigenschaft begründet sein. Die Stimmrechtsausübung mehrstimmberechtigter Unternehmermitglieder ist jeweils begrenzt auf höchstens ein Zehntel der in der GV anwesenden Stimmen (§ 43 Abs. 3 S. 3 Nr. 2 S. 2 Halbs. 1 GenG).

b) E-voting und Online-GV: Gemäß § 43 Abs. 7 S. 1 Halbs. 1 Fall 2 GenG können Beschlüsse der GV ebenfalls "in elektronischer Form" gefasst werden, wenn die Satzung dies gestattet und sicherstellt, dass insbesondere eine ordnungsmäßige Stimmabgabe gewährleistet ist. Auch eine virtuelle GV und als deren Weniger eine Präsenzversammlung mit Online-Teilnahme (Online-GV)9) sind zulässig. Damit gehen die Gesetzesverfasser über die aktienrechtlichen Regelungen hinaus (§§ 118 Abs. 1 u. 3, 121 Abs. 3 S. 2, Abs. 5, 130 Abs. 2 AktG). Der Fall 1 von § 43 Abs. 7 S. 1 Halbs. 1 GenG erlaubt, dass die Mitglieder Beschlüsse gleichfalls "schriftlich" fassen, sofern die Satzung dies vorsieht. Die Begründung geht hierauf mit keinem Wort ein. Das ist bemerkenswert. Bislang war eine Beschlussfassung im schriftlichen Umlaufverfahren nach §§ 43 Abs. 1, 43a Abs. 1, 47 Abs. 1 S. 2 GenG ("in" der GV), § 18 S. 2 GenG nicht zulässig.10) Entsprechend § 118 Abs. 3 AktG gestattet § 43 Abs. 7 S. 2 Fall 2 GenG, dass durch Satzungsregelung die GV für die Mitglieder "in Bild und Ton" übertragen werden darf. Ergänzend übernimmt § 43 Abs. 7 S. 2 Fall 1 GenG die 2002 eingefügte Regelung des § 118 Abs. 2 S. 2 AktG, wonach Aufsichtsratsmitglieder einer eG statt physisch vor Ort auf telekommunikativem Wege an der Präsenz-GV (interaktiv) teilnehmen können.1)

c) Kompetenzgestaltungsrecht der GV: Der neue § 43a Abs. 1 S. 2 GenG ermöglicht, dass die Satzung eine lediglich eingeschränkte Einführung der VertrV oder auch deren nachträgliche Kompetenzbeschränkung bestimmt. Die Mitglieder können durch satzungsändernden Beschluss "bestimmte Beschlüsse" der GV vorbehalten. In der Praxis dürfte das in erster Linie Beschlussgegenstände betreffen, "die für die Mitglieder von grundsätzlicher Bedeutung sind - wie z.B.Auflösung oder Umwandlung der Genossenschaft, Erhöhung der Geschäftsanteile"12). Das muss aber nicht so sein. Gleichwohl ist nicht bezweckt, dass sich die GV dauerhaft und regelmäßig mit Marginalien befasst und den Entlastungssinn der VertrV in Frage stellt. Sie soll sich vielmehr Grundlagenkompetenzen einräumen können. § 43a Abs. 1 S. 2 GenG ermöglicht, dass große Genossenschaften mit mehr als 1 500 Mitgliedern erstmalig über zwei Mitgliederversammlungen mit einer jeweils fördergeschäftsbetriebsbezogenen Beschlusskompetenz verfügen können.

d) Erweiterung von Mitglieder- und Minderheitenrechten: Zahlreiche Neuregelungen stärken die Rechte der Genossenschaftsmitglieder und ihrer Minderheit, insbesondere bei bestehender VertrV die Rechte der nicht zu Vertretern gewählten Mitglieder. Namentlich sind dies: Mitgliederquorum für die Einberufungspflicht zur GV, verlängerte Einberufungsfrist, Abschrift der Niederschrift einer VertrV, Einsichtnahme in und Abschrift der Vertreterliste.13)

Vorteil für mitgliederstarke Genossenschaften

Hervorzuheben ist die Klarstellung, dass die - auch von einer Mitgliederminderheit einberufene - GV für die Beseitigung der ihrerseits durch Satzungsänderung vormals eingeführten VertrV zuständig ist (§ 43a Abs. 7 GenG).14) Eine deutliche Ausweitung der mitgliedschaftlichen Teilhabe stellt zudem § 59 Abs. 1 S. 2 GenG dar, wonach die Mitglieder Einsicht in das zusammengefasste Ergebnis des Prüfungsberichts nehmen können.

e) Bestellung/Abberufung von Vorstandsmitgliedern: Anders als bei der AG bleibt bei der eG die Mitgliederversammlung sowohl für die Bestellung als auch die Abberufung der Vorstandsmitglieder und damit auch für die fristlose Kündigung des Anstellungsvertrages zuständig (§ 24 Abs. 2 S. 1 Fall 2 GenG). Dem Aufsichtsrat steht danach der Abschluss/die Änderung der Anstellungsverträge und deren ordentliche Kündigung (§ 39 Abs. 1 S. 1 GenG) sowie gemäß § 40 GenG die vorläufige Amtsenthebung zu. Die Satzung kann nunmehr jedoch bestimmen, dass nicht mehr allein die Bestellung, sondern zusätzlich die endgültige Abberufung von Vorstandsmitgliedern "und damit auch" die fristlose Kündigung des Anstellungsvertrages in die Zuständigkeit des Aufsichtsrats fällt (Kompetenzkonnexität).

Gegen einzelne Mitglieder des gemäß § 27 Abs. 1 S. 1 GenG weiterhin stets eigenverantwortlich tätigen Vorstands zügig vorgehen zu können, ohne eine GV oder VertrV einberufen zu müssen, ist insbesondere für mitgliederstarke Genossenschaften von Vorteil. Die nur vorläufige Amtsenthebung durch den Aufsichtsrat nach § 40 GenG scheidet in diesem Fall aus. Überdies ist entgegen des zu engen Wortlauts von § 24 Abs. 2 S. 2 Fall 2 GenG ("andere Art der Bestellung und Abberufung bestimmen"; besser: "andere Art der Bestellung oder Abberufung bestimmen") ein "Kompetenzsplitting" möglich. Der Aufsichtsrat ist etwa für die Bestellung und die GV für die Abberufung zuständig. Dann bliebe § 40 GenG anwendbar.

f) Grundsatz der Selbstorganschaft: An dem Mitgliedschaftserfordernis aus § 9 Abs. 2 S. 1 GenG zur Berufung in den Vorstand oder den Aufsichtsrat hat der Gesetzgeber festgehalten. Insoweit handele es sich um ein "strukturprägendes Element der Genossenschaft", auf das nicht ohne zwingenden Grund verzichtet werden sollte.15) Dennoch liberalisiert § 9 Abs. 2 S. 2 Halbs. 2 GenG die Selbstorganschaft, indem die Vorschrift die Berufungsfähigkeit auf gesetzlich oder rechtsgeschäftlich zur Vertretung berechtigte Personen von Mitgliedern erweitert, die juristische Person (GmbH, AG) oder Personengesellschaft sind (GbR, OHG, KG). Eine ähnliche, praxisrelevante, aber weniger weit reichende Bestimmung enthält § 43a Abs. 2 S. 2 GenG zur Vertreterwahl. Darüber hinaus sind auch investierende Mitglieder organamtstauglich (arg. § 8 Abs. 2 S. 4 GenG).

6. Finanzwirtschaftliche Neuerungen:

a) Sacheinlagen: Mit dem neuen, klarstellenden § 7a Abs. 3 GenG können eGn Sacheinlagen als Einzahlungen auf den Geschäftsanteil zulassen. Das flexibilisiert deren Finanzierung. Im Hinblick auf den Haftungszweck von Einlagen und den entlehnten Wortlaut der Regierungsbegründung ist es gerechtfertigt, die zu § 27 Abs. 2 AktG entwickelten Grundsätze auf § 7a Abs. 3 GenG zu übertragen. Danach sind allein bewertungsfähige Vermögensgegenstände (i.S.des § 246 Abs. 1 S. 1 HGB) sacheinlagefähig. Entsprechend § 27 Abs. 2 Halbs. 2 AktG kommen Dienstleistungseinlagen nicht in Betracht (für die SCE Art. 4 Abs. 2 S. 2 SCE-VO).

b) Zulässigkeit von "investierenden Mitgliedern": Um die Finanzierungssituation der eG zu verbessern und die eG der SCE gleichzustellen, eröffnet § 8 Abs. 2 GenG die Möglichkeit, rein investierende Mitglieder zuzulassen (siehe auch Art. 14 Abs. 1 UA 2 S. 1 SCE-VO). Die im Vorfeld hierzu geäußerte Kritik16) übersieht, dass sich nutzungswillige, aber gegenwärtig nutzungsinaktive Mitglieder (so genannte "fördernde Mitglieder") wegen der Geschäftsguthabenverzinsung (§ 21a Abs. 1 S. 1 GenG) - förderwirtschaftlich betrachtet - bereits wie von vorneherein nutzungsunwillige Mitglieder verhalten.

Begrenzung der Mitgliedschaftsrechte

Im Übrigen bedarf es zu dessen Einführung einer Mehrheit von mindestens drei Vierteln der abgegebenen Stimmen (s. §§ 8 Abs. 2 S. 3, 16 Abs. 2 S. 1 Nr. 11 GenG). Hinzu kommt die Zustimmung im Einzelfall, entweder durch die GV oder den Aufsichtsrat. Eine Übertragung der Aufgabe auf den Vorstand ist nicht möglich (§ 18 S. 2 GenG). Das weicht von § 15 Abs. 1 GenG ab und ist zu restriktiv. Es dürfte zu umständlich sein, für den Beitritt einzelner Investoren die GV oder eine Aufsichtsratssitzung abzuwarten oder gegebenenfalls einzuberufen. Nach § 8 Abs. 2 S. 2 GenG muss zudem die Satzung sicherstellen, dass investierende Mitglieder wichtige Beschlüsse der GV nicht verhindern können.

Eine weitere Begrenzung ihrer Mitgliedschaftsrechte folgt aus § 8 Abs. 2 S. 4 GenG. Danach darf die Zahl investierender Mitglieder im regelmäßig dreiköpfigen Aufsichtsrat ein Viertel nicht überschreiten. Das entspricht Art. 39 Abs. 3 u.Art.42 Abs. 2 S. 3 SCE-VO. Hingegen können investierende Mitglieder von der GV ohne Einschränkungen in den - nach § 24 Abs. 2 S. 3 GenG gegebenenfalls nur einköpfigen und gemäß § 27 Abs. 1 S. 1 GenG nach wie vor stets eigenverantwortlich tätigen - Vorstand gewählt werden (arg. §§ 9 Abs. 2 S. 1 Fall 1, 8 Abs. 2 S. 2 bis 4 GenG).

c) Geschäftsguthaben eGn als Eigenkapital nach IAS 32: Die neu in das GenG eingefügten §§ 8a, 73 Abs. 4 GenG erlauben den (Kredit-)Genossenschaften, welche die International Accounting Standards (IAS)/International Financial Reports Standards (IFRS) anwenden, die unabdingbar kündbaren Geschäftsguthaben der Mitglieder weiterhin als Eigenkapital auszuweisen.

Fakultatives Mindestkapital (§ 8a GenG): § 8a sieht i.V.m. § 16 Abs. 2 S. 1 Nr. 9 GenG vor, dass die Satzung ein Mindestkapital bestimmen kann, welches durch die Auszahlung des Auseinandersetzungsguthabens ausgeschiedener Mitglieder nicht unterschritten werden darf. Nach § 8a Abs. 2 S. 1 GenG wird nicht ausgezahlt, soweit und solange es hierdurch zu einer Unterschreitung des Mindestkapitals käme. Im Übrigen bleibt es den Mitgliedern überlassen, die Einzelheiten der Auszahlung zu regeln (§ 8a Abs. 2 S. 2 GenG), insbesondere wenn mehrere Mitglieder von einer Auszahlungsaussetzung betroffen sind.17)

Ausschluss der Auszahlung des Auseinandersetzungsguthabens (§ 73 Abs. 4 GenG): Alternativ ermöglicht § 73 Abs. 4 Halbs. 1 GenG, durch Satzungsbestimmung die Modalitäten und die Frist für die Auszahlung des Auseinandersetzungsguthabens eines ausgeschiedenen Mitglieds abweichend von § 73 Abs. 2 S. 2 GenG zu beschränken. Zum Schutz der Mitglieder ist nach § 16 Abs. 2 S. 1 Nr. 9 u. 10 GenG eine qualifizierte Mehrheit der GV erforderlich. Über die Voraussetzungen oder den Zeitpunkt der Auszahlung darf nicht ausschließlich der Vorstand entscheiden (siehe § 73 Abs. 4 Halbs. 2 GenG).

Lockerung der Guthabenauszahlung

Damit lockert der Gesetzgeber die bisher zwingende Guthabenauszahlung (§§ 73 Abs. 2 S. 2 GenG a.F., 18 S. 2 GenG). Darüber hinaus hat jedes Mitglied ein außerordentliches Kündigungsrecht sowie das nicht beschränkbare Recht, sein Geschäftsguthaben jederzeit auf eine andere Person, welche Mitglied der eG ist oder wird, zu übertragen. Der Gesetzgeber stellt eGn, die künftig die IAS/IFRS anwenden wollen, also zwei Gestaltungswege zur Verfügung. Das trägt den unterschiedlichen förderwirtschaftlichen Bedürfnissen Rechnung. Im Grundsatz stellt § 73 Abs. 4 GenG gegenüber § 8a GenG die einfachere Regelung dar.18)

d) Übertragung von Teilen des Geschäftsguthabens (§ 76 GenG): Ein bedeutsames Anliegen der Praxis regelt § 76 GenG. Genossenschaftsmitglieder können jetzt ihre Geschäftsguthaben auch teilweise auf andere Mitglieder übertragen und damit die Anzahl ihrer Geschäftsanteile verringern, ohne nach § 67b GenG Anteile kündigen zu müssen und das Eigenkapital der eG durch die teilweise Auszahlung des Geschäftsguthabens zu vermindern. Nach altem Recht konnte das Geschäftsguthaben nur als Ganzes auf einen einzigen Erwerber übertragen werden (Doktrin der Einheit des Geschäftsguthabens).

7. Pflichtprüfung und Prüfungsverbände: Für eGn legt § 53 Abs. 1 und 2 GenG außer der Prüfungsduldungspflicht zugleich den Prüfungsinhalt undumfang fest (gesetzlicher Prüfungsauftrag).19) Nach §§ 53 Abs. 1, 55 ff. GenG gilt ein vereinigungsformeigenes Pflichtprüfungsverfahren, das der fachgerechten Auswertung der Prüfergebnisse dient und branchenübergreifend für alle Genossenschaftsarten gilt. Ausweislich der Gesetzesmaterialien handelt es sich bei der aufsichtsrat- und mitgliederbezogenen Mängelbeseitigung um die eigentliche Prüfung.

Dabei dient der neu gefasste § 58 Abs. 3 GenG der besseren Vorbereitung auf die nach Absatz 4 gemeinsame Beratungssitzung von Vorstand und Aufsichtsrat über das Ergebnis der Prüfung. Nach § 58 Abs. 3 S. 1 Halbs. 1 Fall 2 GenG ist der Prüfungsbericht nicht länger ausschließlich dem Vorstand, sondern, anders als bei Kapitalgesellschaften (§ 325 Abs. 5 S. 2 HGB), jetzt auch zwingend dem Aufsichtsratsvorsitzenden vorzulegen (Doppelvorlage). Ferner verdeutlicht § 58 Abs. 3 S. 2 GenG, dass jedes Aufsichtsratsmitglied verpflichtet ist, sich mit dem Inhalt des Prüfungsberichts vertraut zu machen und auseinanderzusetzen (siehe auch §§ 38, 41, 34 GenG).

Prüfungs(verbands)wettbewerb

Aufgehoben wurde die im Vorfeld der Neugründung eines Prüfungsverbandes angesiedelte Bedürfnisprüfung (§ 63a Abs. 2 GenG a.F.).20) Das belebt den Prüfungs(verbands)wettbewerb. Leider wurde § 64a GenG nicht vollständig überarbeitet.21) Darüber hinaus ist § 55 Abs. 2 GenG über die Unbefangenheit der Verbandsprüfer in Anlehnung an die kapitalgesellschaftsrechtlichen Bestimmungen der §§ 319, 319a HGB neu erstellt und erweitert worden (zum Beispiel Selbstprüfungsverbot, finanzielle Abhängigkeit). Eine Prüfungsverbandsbefangenheit gibt es nicht mehr. Wegen der Neufassung von § 55 Abs. 2 GenG kann § 340k Abs. 2 HGB teilweise aufgehoben werden.22)

8. Weitere Änderungen: § 65 Abs. 2 S. 3 GenG eröffnet eGn, deren Mitglieder Unternehmer (i.S.des § 14 BGB) sind, die Möglichkeit, zum "Zweck der Sicherung der Finanzierung des Anlagevermögens" in der Satzung eine Kündigungsfrist von bis zu zehn Jahren festzuschreiben.23) Für alle anderen eGn bleibt es wie bisher bei einer möglichen Kündigungsfrist von bis zu fünf Jahren. Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass die gesetzlichen, insbesondere Kreditgenossenschaften betreffenden, Ausschlussgründe in § 68 Abs. 1 GenG a.F.komplett entfallen sind.24)

Mehr Satzungsautonomie

Sämtliche Gesetzesänderungen können an dieser Stelle weder vorgestellt noch seriös bewertet werden. Es gibt zahlreiche gute, das heißt der Mitgliederselbstförderung (des § 1 Abs. 1 GenG) zuträgliche Ansätze. Insbesondere ist zu begrüßen, das Rahmengesetz durch die Einräumung von mehr Satzungsautonomie flexibel handhabbar zu halten. Für die besondere Vereinigungsform der eG ist zu hoffen, wenngleich zweifelhaft, dass die rechtlichen Anpassungen allein ausreichend sein werden, ihre Anziehungskraft umfassend und nachhaltig zu erhöhen. Aus der rechts- und wirtschaftswissenschaftlichen Ausbildung und Literatur ist sie nahezu verschwunden. Kenntnisreiche externe Gründungshelfer und ebensolche Fürsprecher in Verwaltung und Gesetzgebung sind kaum noch anzutreffen. Die eG und ihre gesellschaftsrechtlichen Besonderheiten müssen ins Bewusstsein aller Interessierten und Beteiligten (zurück).

Anstatt sich zu isolieren, muss sich die eG dem Gründungs- und Beratungswettbewerb mit anderen "frei gründbaren" Rechtsformen stellen. Anderenfalls droht sie nicht mehr gewählt und schließlich überflüssig zu werden. Das bloße Verwalten des abschmelzenden Genossenschaftsbestandes führt auf Dauer zum "Aussterben der eG" und damit in eine Sackgasse. Insofern werden für die Zukunft weitere Strukturanpassungen unumgänglich sein. Hierzu aber ist die Gesetzesnovellierung sicherlich ein ausgewogener und gelungener Startschuss.

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