Aufsätze

Performance deutscher Mittelstandsverbriefungen in den Jahren der Krise

Die deutsche Wirtschaft erlebte im Jahr 2009 im Rahmen der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise ihren stärksten Konjunkturrückgang seit dem Zweiten Weltkrieg. Das Bruttoinlandsprodukt schrumpfte um über fünf Prozent. Entgegen der Vermutung hat sich der scharfe Konjunktureinbruch bisher nicht nennenswert auf die Anzahl von Insolvenzen deutscher mittelständischer Unternehmen ausgewirkt. Nach Informationen der Creditreform ist die gesamtwirtschaftliche Insolvenzrate von Unternehmen mit einem Jahresumsatz zwischen zehn Millionen Euro und 500 Millionen Euro in den letzten Jahren weitgehend konstant geblieben und beträgt rund 0,54 Prozent (Abbildung 1). Ob deutsche Mittelstandsverbriefungen ein ähnliches Ausfallverhalten aufweisen wie der gesamtwirtschaftliche Mittelstand soll im Folgenden analysiert werden.

Kreditvergabe zum Zweck der Verbriefung?

Die Analyse betrachtet im Wesentlichen alle Mittelstandsverbriefungen, die ab dem Jahr 2006 öffentlich platziert worden sind und damit in der Regel in der Krise noch ausstehend waren. Dabei wird zwischen sogenannten Balance-Sheet-Transaktionen (BST) und Originate-to-Distribute-Transaktionen (ODT) unterschieden.

Bei BST handelt es sich um die Verbriefung von Krediten, die bereits einige Zeit auf der Bankbilanz gehalten worden sind und bei denen die Kreditvergabe nicht zum Zweck der Verbriefung erfolgt ist. Darüber sind es im Wesentlichen synthetische Verbriefungstransaktionen, bei denen das Verlustrisiko aus den Krediten durch die Verbriefung versichert wird. Im Gegensatz hierzu handelt es sich bei den ODT um echte Kreditverkäufe, bei denen zum Zeitpunkt der Kreditvergabe klar gewesen ist, dass es zu einer Veräußerung der Forderung im Rahmen einer Verbriefung kommt.

Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal zwischen den beiden Transaktionstypen ist, dass in der Vergangenheit bei den BST vorrangige Kreditforderungen verbrieft worden sind; bei den ODT hingegen sind oftmals nachrangige Finanzierungen verbrieft worden, auf die sich auch diese Analyse beschränken soll. Bei einem Vergleich der in die Analyse einbezogenen Verbriefungsvolumina stellt sich heraus, dass ODT nur einen sehr kleinen Marktanteil besitzen und damit eine Nische des deutschen Verbriefungsmarktes darstellen. So betrug das Volumen der betrachteten BST rund 28 Milliarden Euro und das Volumen der betrachteten ODT rund 1,7 Milliarden Euro.

Als Performancemaß für die Verbriefungen wurde für diesen Beitrag die "echten Ausfälle" beziehungsweise die dem Transaktionstreuhänder zur Entschädigung angemeldeten Kreditereignisse (im Folgenden "Ausfälle") gewählt. Dieses Kriterium ist tendenziell mit den ausgewiesenen Insolvenzraten von Creditreform vergleichbar. Auf dieser Grundlage soll analysiert werden, ob die Krise zu erhöhten Ausfällen in den Portfolios geführt hat und ob die Performance der Mittelstandsverbriefungen vergleichbar mit der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung ist, wie sie in Abbildung 1 wiedergegeben wird.

Vielfältige Analysemöglichkeiten zum Wert einer Transaktion

Da allerdings bei einer Kreditverbriefung die Bonität der zugrunde liegenden Forderungen in gewissem Rahmen der Auswahl des Originators unterliegt, ist die Performance einer Transaktion auch immer im Zusammenhang mit der Bonitätsbeurteilung und der Tranchierung des Portfolios durch die Ratingagenturen bei Transaktionsbeginn zu sehen. Dabei lassen sich in der ex-post-Betrachtung folgende Tendenzaussage ableiten: Ist die tatsächliche Ausfallrate niedriger (höher) als die von den Ratingagenturen prognostizierte Ausfallrate, so ist die von den Ratingagenturen gewählte Tranchierung zu konservativ (großzügig) gewählt und es handelt sich um ein gutes (schlechtes) Investment aus Sicht des Risikoträgers.

Vor diesem Hintergrund werden die tatsächlich eingetretenen Ausfälle in den Portfolios zusätzlich verglichen mit den von den Ratingagenturen prognostizierten Ausfällen. Die Ratingagenturprognose wurde dabei indikativ auf Basis der zum Emissionszeitpunkt vorliegenden Portfolioparameter geschätzt.

Die gewählte Vorgehensweise der Perfor-mance-Analyse stellt nur eine von zahlreichen Möglichkeiten dar, die man in Abhängigkeit insbesondere vom Ziel der Untersuchung wählen und idealerweise ergänzend einsetzen kann. Die Systematik, wie sie in Abbildung 2 skizziert wird, ist nicht etwa eine akademische Übung. Vielmehr kann man hieraus zwei - gerade in Bezug auf die Wahrnehmung von Verbriefungen während der Krise ganz essenzielle - Erkenntnisse ableiten. Zum Ersten ist dem vielfach vorgebrachten Vorwurf der Intransparenz von Verbriefungen zu entgegnen, dass bereits heute auf der Basis vorhandener Informationen vielfältige Analysen möglich sind, um den Wert einer Transaktion zu beurteilen. Zum Zweiten wird klar, dass Performance mehrdimensional ist, und insbesondere die während der Krise aufgetretenen Kursverluste nicht zwangsläufig etwas über den Wert einer Transaktion aussagen.

Performance der Balance-Sheet-Transaktionen

In der Abbildung 3 werden die quartalsweisen und kumulierten tatsächlichen Ausfallraten aller betrachteten BST angezeigt. Die marginalen Ausfallraten beziehen sich dabei auf das zum Beobachtungszeitpunkt ausstehende Portfoliovolumen, das in der Regel tilgungsbedingt niedriger als das ursprünglich verbriefte Volumen ist. Die kumulierten Ausfallraten beziehen sich auf das ursprünglich verbriefte Portfoliovolumen.

Anhand von Abbildung 3 ist zu erkennen, dass bei den betrachteten BST zirka 1,6 Prozent des ursprünglich verbrieften Betrags ausgefallen sind. Unter Berücksichtigung der bisherigen kapitalgewichteten Laufzeit der Transaktionen von rund drei Jahren korrespondiert damit eine jährliche durchschnittliche Ausfallrate von zirka 0,5 Prozent. Dieser Wert entspricht in etwa der durchschnittlichen gesamtwirtschaftlichen Insolvenzquote. Darüber hinaus ist bei den Verbriefungstransaktionen erkennbar, dass es ab dem zweiten Quartal 2009 zu einer Erhöhung der Ausfallrate gekommen ist. Diese Entwicklung könnte der Krise geschuldet sein. Allerdings sind bei Verbriefungen signifikante Ausfälle in den ersten Jahren nach Transaktionsbeginn grundsätzlich unwahrscheinlich, da die Kredite in den Portfolios zum Zeitpunkt der Verbriefung immer gesund gewesen sind und eine bestimmte Mindestbonität aufwiesen. Vor diesem Hintergrund können sich die erhöhten Ausfälle auch auf den "natürlichen Lebenszyklus" der BST zurückführen lassen. Für den zweiten Erklärungsansatz spricht, dass die Creditreform-Zahlen nicht wesentlich auf die Krise reagieren.

Die relative Performance der Transaktionen, das heißt die tatsächlichen Ausfälle in Relation zu der Ausfallprognose der Ratingagenturen bei Transaktionsbeginn, wird in Abbildung 4 analysiert. Die Prognose wird dabei auf Basis des von den Ratingagenturen verliehenen Portfolioratings abgeleitet, das in der Regel den Emissionsreports der Ratingagenturen entnommen werden kann.

Besser als durch die Ratingagenturen erwartet

Die ab dem Jahr 2006 verbrieften BST wiesen im Durchschnitt ein BB+/BBB- Rating auf. Hierbei wurde sich in der Regel an dem S&P-Rating orientiert. Unter Berücksichtigung des durchschnittlichen Tilgungsprofils aller betrachteten Transaktionen leitet sich aus dem Durchschnittsrating unter Verwendung der idealisierten Ausfallkurven der Ratingagenturen die in der Abbildung 4 abgetragene kumulative Ausfallprognose ab, die in Q2 des Jahres 2010 eine Höhe von rund 3,5 Prozent aufweist.

Demgegenüber sind in der Realität lediglich Ausfälle in Höhe von rund 1,6 Prozent aufgetreten.

Bei dem Vergleich dieser Zahlen ist zu berücksichtigen, dass die Ausfalldefinition, die sich hinter dem Portfoliorating von BB+/BBB- verbirgt, breiter gefasst ist als die Ist-Beobachtung, da sie neben einer Insolvenz auch eine Restrukturierung und einen Zahlungsverzug von größer 90 Tagen beinhaltet. Diese breitere Ausfalldefinition sollte allerdings nicht den großen beobachteten Unterschiedsbetrag vollständig erklären.

In der Abbildung 4 ist auch ablesbar, dass der stärkere Anstieg der realen Ausfälle ab dem Jahr 2009 unter Ratinggesichtspunkten unproblematisch sein sollte, da der Anstieg der Ausfallprognose in diesem Zeitraum ähnlich stark ist. Durch den Vergleich der beiden Kurven lässt sich schlussfolgern, dass die betrachteten BST im Durchschnitt besser performen als durch die Ratingagenturen zum Verbriefungszeitpunkt erwartet. Vor diesem Hintergrund ist die Risikoeinschätzung der BST im Mittel konservativ gewesen. Bei einzelnen Transaktionen ist allerdings beobachtbar, dass die Ratingagentur-Einschätzung anfänglich zu großzügig war.

Performance der Originate-to- Distribute-Transaktionen

Im Gegensatz zu den BST, über die häufig viele tausend Darlehen verbrieft worden sind, handelt es sich bei den ODT um wenig granulare Portfolios. Bei der betrachteten Stichprobe befinden sich durchschnittlich 56 Credits im Portfolio. Auch für das Marktsegment insgesamt besteht ein "Klumpenrisiko", da alle Finanzierungen endfällig bei einer standardisierten Laufzeit von sieben Jahren sind, sodass ab dem Jahr 2011 in diesem Segment Refinanzierungen von mehr als vier Milliarden Euro anstehen.

Die Abbildung 5 stellt die quartalsweisen und kumulierten tatsächlichen Ausfallraten der betrachteten ODT dar. Aufgrund der Endfälligkeit der Finanzierungen beziehen sich sowohl die marginale Ausfallraten pro Quartal als auch die kumulierte Ausfallrate auf das ursprünglich verbriefte Portfolio. Kumuliert sind bis zum Ende von Q2 des Jahres 2010 etwa 22,3 Prozent der ursprünglich verbrieften Portfolios ausgefallen.

Insgesamt erscheint die kumulative Ausfallrate mit 22,3 Prozent bei einem durchschnittlichen Seasoning der Transaktionen von rund 3,7 Jahren sehr hoch. Dies entspricht ungefähr einer mittleren S&P-Bonität von B und einer durchschnittlichen jährlichen Ausfallrate von rund sechs Prozent. Auffällig sind zahlreiche, relativ frühzeitige und zum Teil multiple Ausfälle in allen Transaktionen. Bereits seit Q2 des Jahres 2007, also parallel zum Ausbruch der Finanzmarktkrise, setzte eine kontinuierliche Ausfallfrequenz ein, sodass kein Quartal ohne Ausfälle verging.

Kriseninduzierte Effekte in der Realwirtschaft haben sich jedoch erst mit einiger zeitlicher Verzögerung in 2008/2009 ergeben. Die im Zeitverlauf recht konstante Ausfallrate im Bereich von 1,5 bis 2,5 Prozent pro Quartal kann somit vermutlich nicht, beziehungsweise zum größten Teil nicht ursächlich auf die Krise reduziert werden. In Anbetracht der hohen Konzentration von (End-)Fälligkeiten der Mezza-nine-Instrumente ab dem nächsten Jahr ist ceteris paribus von einem weiteren Anstieg der Ausfallraten auszugehen.

Portfolios mit relativ schlechter Kreditqualität

Abschließend kann die Frage nach den Gründen für die hohen und frühzeitigen Ausfälle in der Analyse nicht beantwortet werden. Da die Ausfälle jedoch in allen Transaktionen ein ähnliches Muster aufweisen liegt die Vermutung nahe, dass der Selektionsmechanismus in Verbindung mit einer kurzfristig sehr starken Nachfrage nach Finanzierungsnehmern systematisch zu Portfolios mit relativ schlechter Kreditqualität geführt hat.

Der phasenweise vorhandene Angebotsüberhang an Finanzierungsmitteln lässt sich unter anderem an den zahlreichen Überlappungen zwischen den Transaktionen sowie an der Aufnahme auch ausländischer Unternehmen in die Programme ablesen. Ergänzend kommen noch einige Betrugsfälle hinzu, was in der Vergleichsgruppe auf vier von 65 Ausfällen (ohne Berücksichtigung von Überlappungen) zutrifft.

Ratings instabil

Abbildung 6 stellt die relative Performance der analysierten ODT dar, das heißt sie vergleicht die tatsächlichen kumulierten Ausfälle aller Transaktionen mit der aus den Portfolioparametern sowie Ratingmethodik der Agenturen abgeleiteten Ausfallprognose bei Transaktionsbeginn. Es wird deutlich, dass die Ist-Ausfälle sehr schnell, bereits nach sechs Quartalen, über den Prognosewerten liegen und sich im Folgenden auf einem ungefähr doppelt so hohen Niveau einpendeln. Entsprechend instabil haben sich auch die Ratings aller Transaktionen verhalten. Keine einzige Tranche konnte ihr ursprüngliches Rating halten oder wurde heraufgestuft.

Ergänzend zu fundamentalen beziehungsweise den genannten systematischen Faktoren kommt hinzu, dass im Jahr 2009 konservativere Anpassungen bei der Ratingmethodik vorgenommen wurden, die unter anderem von deutlich erhöhten Un-ternehmens-Ausfällen ausgehen, ohne eine weitere Differenzierung, insbesondere nach BST und ODT vorzunehmen. Per saldo wurden durchweg drastische Ratingherabstufungen bei den ODT durchgeführt.

Zwei entgegengesetzte Verhaltensmuster

Die Analyse zeigt, dass die Performance deutscher Mittelstandstransaktionen zwei entgegengesetzte Verhaltensmuster aufweist. Auf der einen Seite stehen die BST, die sich über ihren Lebenszyklus hinweg im Durchschnitt besser entwickeln als die ursprüngliche Portfoliobewertung ausdrückte. Dabei ist ihre durchschnittliche Ausfallentwicklung vergleichbar mit der des gesamtwirtschaftlichen Mittelstands mit einem Umsatzvolumen zwischen zehn Millionen Euro und 500 Millionen Euro. Es zeigt sich darüber hinaus eine leichte Erhöhung der Ausfälle seit Beginn der Krise.

Demgegenüber stehen die ODT, die sich deutlich schlechter entwickeln als ursprünglich erwartet. Die Ausfallhöhe entspricht einem Vielfachen der gesamtwirtschaftlichen Insolvenzquote. In Anbetracht des vergleichsweise geringen Verbriefungsvolumens der ODT und der klaren Abgrenzbarkeit gegenüber der BST lässt sich allerdings verallgemeinert sagen, dass deutsche Mittelstandsverbriefungen eine gute Performance auch in den Jahren der Krise aufweisen.

Um das Profil deutscher Mittelstandsverbriefungen als Qualitätsprodukt weiter zu schärfen, ist die Verbriefungsindustrie gemeinsam mit Investoren dazu übergegangen, Kriterien für einen Premiumstandard für Verbriefungstransaktionen zu definieren, die sich unter anderem an Kriterien orientieren, die die BST bereits erfüllen. Hierzu gehören Mindestkriterien an den Kreditvergabe- und Überwachungsprozess und die Portfoliogranularität. Diese Kriterien haben auch Eingang in das neue TSI-Gütesiegel "Deutscher Verbriefungsstandard" gefunden, das helfen soll, verloren gegangenes Vertrauen in Verbriefungsprodukte wiederzugewinnen.

Der Artikel gibt die Meinung der Autoren wieder und ist keine Stellungnahme der DZ Bank oder KfW.

Markus Schmidt , Abteilungsleiter Treasury , Sparkasse Hannover
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