Aufsätze

Professionalisierung der Aufsichtsratstätigkeit - im Interesse von Unternehmen und Aktionären

Aufsichtsräte benötigen heute mehr denn je ein breites Spektrum an Kenntnissen und Fähigkeiten, um ihre zentralen Aufgaben - Rat geben und Aufsicht führen - erfüllen zu können. Nicht erst die Finanz- und Wirtschaftskrise hat deutlich gezeigt, wie dringend die Unternehmen auf vielfältig qualifizierte Aufsichtsräte angewiesen sind. Es liegt eindeutig im Interesse der Emittenten und der Anleger gleichermaßen, die Qualität der Aufsichtsratsarbeit zu stärken.

Fachliche Diversität

Die erforderliche Qualifikation bezieht sich dabei nicht ausschließlich oder primär auf die Zusammensetzung des Aufsichtsrates, die derzeit unter dem Schlagwort "Diversity" intensiv diskutiert wird. Nicht der Anteil weiblicher Aufsichtsräte - im schlechtesten Fall erzwungen durch eine starre Quote - entscheidet über den Erfolg deutscher Unternehmen oder gar ihre Überlebensfähigkeit in einer Krise. Eher ist die internationale Diversität ein Qualitätskriterium für Aufsichtsräte. Diese internationale Diversität wird sich mit zunehmender Internationalisierung der Aktionärsstrukturen, aber auch der Geschäftsfelder und Märkte der Unternehmen in den nächsten Jahren automatisch erhöhen.

Am wichtigsten ist jedoch eine fachliche Diversität, also eine hohe Qualifikation der Aufsichtsräte auf möglichst allen Feldern, die für das jeweilige Unternehmen von Bedeutung sind. Mit der Einführung des Finanzexperten (Financial Expert) ist hier ein erster Schritt gegangen worden.

Dass ein Finanzexperte im Aufsichtsrat unverzichtbar ist, ist sicher unstrittig. Welche anderen Experten ein Unternehmen benötigt, um angemessen beaufsichtigt und beraten zu werden, hängt unter anderem von der Branche und anderen konkreten Einzelfaktoren ab und entzieht sich daher einer expliziten und detaillierten Kodifizierung im Gesetz oder im Corporate Governance Kodex. Da es im ureigenen Interesse der Anteilseigner liegt, ihren Aufsichtsrat optimal zu besetzen, ist es nur konsequent, diese Entscheidung der Hauptversammlung zu überlassen.

Ebenso konsequent ist es, bereits im Amt befindliche, aber auch zukünftige Aufsichtsräte auf ihre speziellen Aufgaben vorzubereiten. So hat die Regierungskommission Corporate Governance jüngst die Verpflichtung der Aufsichtsräte betont, eigenverantwortlich die für ihre Aufgabe erforderlichen Aus- und Fortbildungsmaßnahmen wahrzunehmen.

Die Unternehmen werden gleichzeitig von der Kommission aufgefordert, diese Maßnahmen angemessen zu unterstützen. Letztlich muss es für Aufsichtsräte so selbstverständlich werden, sich regelmäßig fortzubilden, wie es zum Beispiel für Ärzte, Anwälte oder Angehörige anderer verantwortungsvoller Berufe bereits heute selbstverständlich ist.

Modulare Struktur einer Fortbildung

Kandidaten für eine Aufsichtsratsposition sind in aller Regel bereits durch ihre Ausbildung, ihre berufliche Erfahrung und nicht zuletzt ihre Persönlichkeit hoch qualifiziert. Es kann und darf also nicht darum gehen, in der geforderten Fortbildung betriebswirtschaftliche oder juristische Basiskenntnisse zu vermitteln. Dies würde nicht nur am Bedarf vorbeigehen, sondern wäre für die Aufsichtsräte eine Zumutung und bedeutete die Verschwendung knapper zeitlicher Ressourcen. Worauf es vielmehr ankommt, ist die Ergänzung der in der Regel bereits in hohem Maße vorhandenen Fähigkeiten um die notwendigen spezifischen Kenntnisse eines Aufsichtsrats.

Aus diesem Grund kommt nur eine modulare Struktur für die erforderliche Fortbildung infrage, die es ermöglicht, jedem Teilnehmer genau diejenigen Themen zu vermitteln, die noch benötigt werden nicht mehr, aber auch nicht weniger. Diesem Ansatz folgen das Deutsche Aktieninstitut und die Frankfurt School of Finance and Management bei ihrem gemeinsam entwickelten Fortbildungsprogramm. Das DAI ist in seiner Absicht, ein solches Fortbildungskonzept anzubieten, durch eine Vielzahl von Gesprächen mit der Regierungskommission Corporate Governance und dem Bundesjustizministerium, aber auch von seinen Mitgliedern bestärkt worden.

Bei jeder Fortbildung ist der Konflikt zwischen einem Zuviel an Inhalten - und damit an zeitlicher Beanspruchung der Teilnehmer - und einem Zuwenig an Stoff - also einer zu oberflächlichen Behandlung der wesentlichen Themen - zu wahren und angesichts der Themenfülle das richtige Maß zu finden. Die Module des DAI-Fortbildungsprogramms gewährleisten dies. In insgesamt sechs Veranstaltungen, die jeweils einzeln belegbar sein werden, wird das gesamte Spektrum des erforderlichen spezifischen Aufsichtsratswissens vermittelt.

Corporate Governance, Kommunikation und Überwachung

Das erste Modul stellt die Grundzüge der Corporate Governance im dualistischen System dar und zeigt die wesentlichen Unterschiede zu angelsächsisch geprägten Board-Systemen, die durch die Societas Europaea (SE) ja auch in Deutschland ermöglicht wurden. Weitere Inhalte sind zum Beispiel die Funktionen, Pflichten und Kompetenzen des Aufsichtsrats, die praktische Arbeit im Plenum und in den Ausschüssen, die Zusammenarbeit zwischen Anteilseigner- und Arbeitnehmerseite und der Umgang mit Interessenkonflikten und Insiderinformationen.

Im zweiten Modul steht die Kommunikation des Aufsichtsrats mit den Aktionären im Zentrum. Diese Kommunikation erfolgt einerseits im Rahmen der vom Aufsichtsrat zu leitenden Hauptversammlung, deren Durchführung im Interesse der Aktionäre, des Unternehmens und der Mitarbeiter "anfechtungsfest" sein muss.

Andererseits sprechen in jüngster Zeit verstärkt vor allem angelsächsische Aktionäre direkt die Mitglieder, insbesondere den Vorsitzenden des Aufsichtsrates an. Auch hierauf muss ein Aufsichtsrat angemessen vorbereitet sein. Das dritte Modul befasst sich mit den unternehmerischen Überwachungssystemen. Behandelt werden jeweils die rechtlichen Grundlagen, die spezifischen Systeme und die Berichtspflichten zu Compliance, Risikomanagement und interner Revision.

Strategie, Vorstandsvergütung und Rechnungslegung

Im vierten Modul stehen die Rolle des Aufsichtsrats bei der strategischen Ausrichtung des Unternehmens, Analyse und Beurteilung des Geschäftsmodells und unternehmensethische Fragen im Mittelpunkt. Das fünfte Modul konzentriert sich auf die Auswahl und Vergütung von Vorstandsmitgliedern, eine der zentralsten Aufgaben des Aufsichtsrates schlechthin. Auch die Gestaltung der Aufsichtsratsvergütung selbst sowie Aspekte von Nachfolgeplanung und -regelung stehen auf dem Programm. Gegenstand des sechsten Moduls ist die Überwachung des Rechnungslegungsabschlusses und der Abschlussprüfung. Angesprochen werden unter anderem die unterschiedlichen Konzeptionen von HGB und IFRS, Möglichkeiten bilanzpolitischer Gestaltung des Jahresabschlusses, Analyse des Jahresabschlusses sowie die wertorientierte Unternehmensführung.

Diese sechs Module sollen in deutscher Sprache angeboten werden. Um die zunehmende Internationalisierung der Unternehmensführungen zu berücksichtigen, aber auch zu fördern, wird ein auf drei Module konzentriertes Programm auch in englischer Sprache angeboten. Im Zentrum dieses "International Directorship Programme" stehen das deutsche System der Corporate Governance, die Rolle des Aufsichtsrats bei der Überwachung der Finanzberichterstattung, des Risikomanagements, der Compliance und der internen Revision sowie seine Aufgaben und Kompetenzen in der Hauptversammlung, der Festlegung der Unternehmensstrategie und im Dialog mit den Aktionären.

Eigene Module im Finanzsektor

Wegen der besonderen fachlichen Anforderungen werden der Aufsichtsratstätigkeit im Finanzsektor eigene Module gewidmet. Sie befassen sich unter anderem mit der speziellen Compliance von Finanzinstituten, bankaufsichtsrechtlichen Anforderungen an Solvabilität und Risikomanagement sowie verschiedenen Produkten wie zum Beispiel Wertpapieren, Derivaten, Verbriefungen und dem Kreditgeschäft.

Auch hier ist durch den modularen Aufbau gewährleistet, dass nur die Veranstaltungen besucht werden müssen, deren Inhalt für das spezielle Institut wirklich relevant ist. Über den Kreis der Aufsichtsräte börsennotierter Unternehmen hinaus sind die Module zur Finanzwirtschaft natürlich auch für die Mitglieder der Verwaltungsräte oder anderer Aufsichtsgremien von nicht börsennotierten Kreditinstituten von hoher Relevanz.

Mit diesem Fortbildungsprogramm bieten das Deutsche Aktieninstitut und die Frankfurt School of Finance and Management allen Aufsichtsräten und Führungskräften, die diese wichtige Aufgabe bereits wahrnehmen oder sich auf sie vorbereiten wollen, eine maßgeschneiderte Möglichkeit, die erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten in einem anspruchsvollen und gleichzeitig vertraulichen Umfeld zu erwerben. Als Referenten sind erfahrene Praktiker aus den Unternehmen, aber auch Anwälte und Wirtschaftsprüfer, Hochschullehrer und andere Experten vorgesehen. Sowohl seitens der potenziellen Referenten als auch aus dem Kreis möglicher Teilnehmer wurde großes Interesse bekundet, an einer anspruchsvollen Fortbildung für Aufsichtsräte teilzunehmen beziehungsweise mitzuwirken.

Das neue Fortbildungsangebot wird ergänzt durch regelmäßige Konferenzen und Workshops, die aktuelle Themen der Aufsichtsratspraxis aufgreifen und diskutieren. Damit wird den Aufsichtsräten eine Plattform zu vertraulicher Meinungsbildung und Diskussion geboten.

Angesichts neuer Herausforderungen, die nicht zuletzt aufgrund weiterer regulatorischer Verschärfungen in Folge der Finanzkrise zu erwarten sind, ist eine systematische und organisierte Fortbildung unerlässlich. Den Standort und Finanzplatz Deutschland wird dieses neue Angebot zweifellos im internationalen Wettbewerb um die besten Führungskräfte stärken.

Dr. Franz-Josef Leven , Stellvertretender Geschäftsführer , Deutsches Aktieninstitut, Frankfurt am Main
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