Aufsätze

Prüfung im Finanzverbund zusammen geht mehr!

Ulrich Brixner wurde im Jahr 2002 in einem Interview mit der Zeitschrift für das gesamte Genossenschaftswesen darum gebeten, den Blick in die Zukunft zu richten und eine Vision für den genossenschaftlichen Finanzverbund im Jahr 2020 zu entwerfen. In seiner Antwort zeichnet er das Bild von einem gut aufgestellten Verbund mit dezentraler Marktbearbeitung und zentraler Abwicklung von Service und Transaktionen. Gleichzeitig plädiert er bei seinem Ausblick für ein Mehr an Geschlossenheit und Gemeinsinn. Er fordert einen Korpsgeist ein, "wie ihn Genossenschaftsorganisationen vielleicht zu Zeiten von Schulze-Delitzsch und Raiffeisen hatten".

Dieser Verweis auf originäre genossenschaftliche Ideale ist charakteristisch für das Wirken von Ulrich Brixner. Er kommt auch im aktuellen Slogan der DZ Bank zum Ausdruck: "Zusammen geht mehr!" An Brixners Forderung setzen die folgenden Ausführungen zur Verzahnung der genossenschaftlichen Prüfungsstruktur mit dem Finanzverbund an.

Strukturen im Finanzverbund

Der Finanzverbund der genossenschaftlichen Bankengruppe besteht aus selbstständigen Finanzunternehmen. Hierzu gehören die genossenschaftlichen Banken sowie die Verbundunternehmen, deren Stamm- oder Gesellschaftskapital voll oder zu einem maßgeblichen Teil in den Händen der genossenschaftlichen Bankengruppe liegt. Wichtige Verbundunternehmen sind die genossenschaftlichen Zentralbanken DZ Bank und WGZ Bank sowie die Bausparkasse Schwäbisch Hall, die DG Hyp, die Difa, die Münchener Hypothekenbank, die Norisbank, die R+V Versicherung, die Union Investment, die VR-Leasing und die WL Bank. Herzstück des Finanzverbunds aber sind die 1 290 lokalen Kreditgenossenschaften.

Um den Instituten vor Ort ein wettbewerbsfähiges Allfinanzangebot anbieten zu können, müssen sich die Unternehmen des Verbundes mit ihren speziellen Produkten und Dienstleistungen dem internen (also dem Wettbewerb untereinander) und dem externen Wettbewerb (also dem Wettbewerb mit Drittmarktanbietern) stellen.

Die Zentralbanken und die Spezialanbieter treten dabei in einer klar geordneten, dezentral und subsidiär geprägten Gruppenstruktur auf. Die zentralen Einheiten sind nur Leistungserbringer und Unterstützer für die dezentralen Einheiten. Jede einzelne Kreditgenossenschaft legt ihre Geschäftspolitik individuell fest. Für die spezifische Marktbearbeitung wird bei Bedarf auf Produkte und Dienstleistungen im Finanzverbund zurückgegriffen. Subsidiarität kann dabei aber nur funktionieren, wenn die Verbundunternehmen qualitativ hochwertige und wettbewerbsfähige Leistungen anbieten und diese auch auf der lokalen Ebene als solche erkannt und in Anspruch genommen werden.

Dezentralität und Subsidiarität im genossenschaftlichen Prüfungswesen

Die Verbundstrukturen im genossenschaftlichen Prüfungswesen sind wie beim genossenschaftlichen Finanzverbund dezentral und subsidiär angelegt. So werden die Kreditgenossenschaften durch die jeweils regionalen Prüfungsverbände respektive durch die Fachprüfungsverbände geprüft. Dabei ist die genossenschaftliche Pflichtprüfung durch die Verbände ein ganz wesentlicher Grund dafür, dass die eingetragene Genossenschaft seit Jahren die insolvenzsicherste Rechtsform in Deutschland ist.1)

Der Deutsche Genossenschafts- und Raiffeisenverband (DGRV) ist in der Genossenschaftsorganisation Spitzenverband im Sinne des Gesetzgebers. Er ist sowohl Prüfungsverband als auch der Standardsetter in Fragen der Rechnungslegung, Prüfung und prüfungsnahen Beratung. Der Verband wird durch die vier spartenbezogenen Bundesverbände, durch die Regionalverbände und Fachprüfungsverbände sowie durch zahlreiche Zentralunternehmen und Spezialinstitute aus der Genossenschaftsorganisation getragen (vergleiche Abbildung 1).

Der DGRV übernimmt im Rahmen der Subsidiarität die Aufgabe, das genossenschaftliche Prüfungswesen auf Bundesebene zu vertreten. Als Spitzenverband im Sinne des § 56 Abs. 2 GenG führt er auch selbst Prüfungen durch. Er wird beispielsweise immer dann aktiv, wenn das Prüfungsrecht eines regionalen Prüfungsverbandes im Falle einer personellen Verflechtung von Vorstandsmitgliedern des regionalen Verbandes mit der zu prüfenden Genossenschaft ruht (so genannte Kollisionsprüfung im Sinne des § 56 Abs. 1 GenG).

Darüber hinaus ist der DGRV der gesetzlich zuständige Prüfungsverband seiner genossenschaftlichen Mitgliedsverbände und -unternehmen. Von ihm werden Prüfungen im Sinne der genossenschaftlichen Pflichtprüfung, Jahresabschlussprüfungen bei Kreditinstituten (einschließlich Depotprüfung und Wertpapierdienstleistungsprüfung), Konzernabschlussprüfungen und sonstige freiwillige Prüfungen durchgeführt.

Sowohl die regionalen Prüfungsverbände als auch der DGRV sind aufgrund der gesetzlichen Vorgabe in § 63b GenG als eingetragener Verein konstituiert. Mitglieder dieser Verbände können nur eingetragene Genossenschaften und - ohne Rücksicht auf ihre Rechtsform - Unternehmen sein, die sich ganz oder überwiegend in der Hand eingetragener Genossenschaften befinden oder dem Genossenschaftswesen dienen. Ihre Rechtsform und ihr satzungsmäßiger Auftrag stehen einer Anerkennung der genossenschaftlichen Prüfungsverbände als Wirtschaftsprüfungsgesellschaft im Sinne der Wirtschaftsprüferordnung entgegen.2)

Eigene Wirtschaftsprüfungsgesellschaft

Aus diesem Grunde wurde bereits vor 60 Jahren eine von allen regionalen Prüfungsverbänden und dem DGRV getragene Wirtschaftsprüfungsgesellschaft gegründet, die heute als "DGR Deutsche Genos-senschafts-Revision Wirtschaftsprüfungsgesellschaft GmbH" (DGR) firmiert. Die DGR ist die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft insbesondere für die genossenschaftlichen Verbundunternehmen. Als kompetenter Partner prüft, berät und analysiert sie Unternehmen unterschiedlicher Branchen und Rechtsformen auch außerhalb des genossenschaftlichen Sektors. Die Gesellschaft hat insbesondere Spezialkenntnisse im Bereich der Finanzdienstleistungen und der Informationstechnologie.

Damit vor Ort immer höchste Prüfungsqualität gewährleistet werden kann, werden Spezialfragen im Fachausschuss für Prüfungsfragen beim DGRV diskutiert und gemeinsam mit allen Prüfungsverbänden entschieden. Prüfungsdienstleistungen für Verbundunternehmen werden über die DGR beziehungsweise - falls rechtlich möglich - über die Prüfungsabteilung des DGRV angeboten. Damit wird deutlich, dass der DGRV im Bereich des Prüfungswesens zusammen mit der DGR ähnliche Aufgaben für die Prüfungsverbände übernimmt wie die Verbundunternehmen innerhalb des Finanzverbundes für die Kreditgenossenschaften. Beide Strukturen gleichen sich somit nicht nur in Funktion und Aufbau, sondern es bestehen systembedingt auch auf unterschiedlichen Ebenen Verzahnungen.

Verzahnung von genossenschaftlichem Prüfungswesen und Finanzverbund

Das genossenschaftliche Prüfungswesen und der Finanzverbund begegnen sich auf zwei Ebenen (vergleiche Abbildung 2)3). Auf der Ebene der Primärstufe (Ebene 1) besteht eine dienstleistungsbezogene Verzahnung zwischen den selbstständigen Kreditgenossenschaften - die Basis des Verbundes - einerseits und den Regionalbeziehungsweise Fachprüfungsverbänden - die Basis des genossenschaftlichen Prüfungswesens - andererseits. Die Prüfungsverbände führen die gesetzliche Prüfung einer Kreditgenossenschaft nach § 340k Abs. 2 HGB durch. Sie bieten ihren Mitgliedsbanken darüber hinaus auch prüfungsnahe Beratung und sonstige Dienstleistungen an.

Auf der Ebene der zentralen Einrichtungen (Ebene 2) besteht ebenfalls eine dienstleistungsbezogene Verzahnung. Die DGR ist als IT-Kompetenzzentrum in die Jahresabschlussprüfung und prüfungsnahe Beratung der Rechenzentralen des genossenschaftlichen Finanzverbundes einbezogen. Der DGRV prüft als Prüfungsverband die Jahresabschlüsse bei einigen Verbundunternehmen. Darüber hinaus nutzt beispielsweise die DZ Bank die Funktion des DGRV als Kompetenzzentrum für Rechnungslegung und Prüfung, indem sie Fragen der Rechnungslegung von neuen Produkten, die sie an die Kreditgenossenschaften vertreiben will, im Vorfeld über den DGRV abstimmt. Eine vergleichbare Verzahnung entstand im Zusammenhang mit den Verbriefungstransaktionen des genossenschaftlichen Finanzverbundes. Hierfür wurde beim DGRV ein Leitfaden zu den Rechtsgrundlagen, dem Risikomanagement, der Bilanzierung und der aufsichtsrechtlichen Behandlung solcher Transaktionen zusammengestellt.

Die auf den Grundsätzen der Selbsthilfe, Dezentralität und Subsidiarität angelegte Struktur im genossenschaftlichen Prüfungswesen und deren Verzahnung mit dem Verbund hat sich im Rückblick über Jahrzehnte hinweg bewährt. Sie steht ganz in der Tradition des genossenschaftlichen Selbstverwaltungsgedankens. Die von den Prüfungsverbänden übernommenen Aufgaben werden nicht durch außerhalb der Genossenschaftsorganisation Stehende erbracht, sondern durch von den Genossenschaften selbst getragenen Einrichtungen. Dabei werden auch die aufgrund internationaler Tendenzen verschärften Unabhängigkeitsregelungen beachtet. Der Blick in die Zukunft zeigt indes, dass die zahlreichen Veränderungen, vor denen der Finanzverbund steht, einen Ausbau dieser Verzahnung erforderlich macht.

Im Finanzverbund dominieren gegenwärtig zwei Tendenzen: Das aktuelle Anlegerverhalten führt zu einem Stagnieren des bilanzwirksamen Wachstums bei den Primärbanken und zu einem Ausbau des Vermittlungsgeschäftes innerhalb des Verbundes. Gleichzeitig fordern die Kunden mit Blick auf den innovativen und wettbewerbsintensiven Finanzmarkt von ihren Kreditgenossenschaften immer komplexere Produkte ein, die in weiten Bereichen nur noch innerhalb des Verbundes erstellt werden können. Diese Entwicklungen führen zu einer betriebswirtschaftlich bedingten Verschiebung innerhalb der Wertschöpfungskette.

In dem Maße, in dem die Bedeutung von Verbundlösungen wächst, erhöhen sich zwangsläufig die Anforderungen an die Verbundunternehmen. Diese Anforderungen betreffen einerseits den Prozess der Leistungserstellung und andererseits das Ergebnis der Leistungserstellung. Zum einen wird damit die Frage aufgeworfen, ob zum Beispiel die Leistungserstellung transparent ist, die Primärbanken in die Leistungserstellung eingebunden sind oder für die Leistungserstellung innerhalb des Verbundes vorhandene Vorgaben beziehungsweise Richtlinien eingehalten worden sind. Zum anderen geht es nicht zuletzt darum, ob die Ergebnisse den Anforderungen der Primärbanken entsprechen und innerhalb des Verbundes abgestimmt sind, eine Qualitätssicherung durchgeführt worden ist, eine verursachungsgerechte Bepreisung der erstellten Leistungen erfolgt und wie die Erlösströme verteilt sind.

Mit den steigenden Anforderungen an die Leistungserstellung muss gleichsam auch die Verzahnung von Finanzverbund und genossenschaftlichem Prüfungswesen noch enger angelegt werden. In diesem Zusammenhang kommen erweiterte Prüfungsaufgaben auf den DGRV als Prüfungsverband und die DGR als Wirtschaftsprüfungsgesellschaft des Verbundes zu.

Aufbauen auf Verbundexpertise

Aus heutiger Sicht stellen sich zwei Möglichkeiten dar. Zum einen kann es zukünftig die Aufgabe der zentralen Prüfungsinstanzen des Verbundes sein, die Einhaltung der hier beispielhaft angeführten Anforderungen auf Ebene der Verbundunternehmen zu überwachen. Mit der Ende 2003 begonnenen Neuausrichtung des DGRV sind die Voraussetzungen geschaffen worden, dass der Spitzenverband erweiterte Aufgaben bei der Prüfung von Unternehmen des Finanzverbundes für die genossenschaftliche Gruppe übernehmen kann. Sowohl DGRV als auch die DGR Wirtschaftsprüfungsgesellschaft richten ihr internes Qualitätssicherungssystem an den aktuellen Anforderungen des wirtschaftsprüfenden Berufsstandes aus und haben sich bereits erfolgreich einer externen Qualitätskontrolle unterzogen. Aufgrund der besonderen Expertise im Genossenschaftswesen und der Vertrauensstellung, die der Prüfungsverband bei seinen Mitgliedern besitzt, hat der DGRV einen klaren Wettbewerbsvorteil gegenüber den klassischen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften.

Zum anderen kann die Verzahnung des Verbundes mit der Verbundstruktur des genossenschaftlichen Prüfungswesens dadurch intensiviert werden, dass die zentralen Prüfungsinstanzen DGRV und DGR auch dort in die gesetzliche Prüfung der Verbundunternehmen integriert werden, wo dies bislang nicht der Fall ist. Durch die Qualitätsoffensive haben DGRV und DGR in den letzten Jahren ihre Kompetenzen im Bereich der Rechnungslegung und Prüfung erheblich erweitert. Über Netzwerke mit den regionalen Prüfungsverbänden können kurzfristig auch die quantitativen Anforderungen, die bei der Prüfung von Verbundunternehmen zu stellen sind, abgedeckt werden.

Entscheidend für den Erfolg dieser Strukturen ist jedoch der Markt. Nur wenn es dem DGRV und der DGR gelingt, marktkonforme und qualitativ hochwertige Prüfungsdienstleistungen den Verbundunternehmen anbieten zu können, werden diese auch nachgefragt. Aus diesem Grunde muss im Rahmen einer Vertriebsoffensive genau analysiert werden, welche Leistungsprofile von den Verbundunternehmen nachgefragt und gesucht werden.

Die Intensivierung der Zusammenarbeit zwischen dem Finanzverbund und den Verbundstrukturen des genossenschaftlichen Prüfungswesens dient dem Wohl des Ganzen: Selbstverwaltung und Subsidiarität wesentliche Eckpfeiler der genossenschaftlichen Idee - werden gelebt und innerhalb des Verbundes bestehendes Vertrauen wird weiter ausgebaut. Zentral ist dabei immer, dass der genossenschaftliche Korpus in seinen Strukturen gewahrt bleibt: Wirtschaftlich selbstständige Einheiten fördern sich gegenseitig, damit jede einzelne an Stärke gewinnt. Die Einbindung der zentralen Prüfungsinstanzen DGRV und DGR wird dabei helfen, diesen Korpus zu stützen. Zusammen geht mehr!

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