Aufsätze

Zur Reform der BVR-Sicherungseinrichtung

Das Vertrauen der Kunden in ihre Bank und insbesondere in die Sicherheit ihrer Einlagen bildet die Basis für das Vertrauen der Menschen in die Geld- und Kapitalmärkte insgesamt. Zu den wenigen Bankengruppen, die sich auch nach mehr als zwei Jahren der schwersten Finanzmarktkrise seit 1929 weiterhin aus eigener Kraft behaupten, zählt der genossenschaftliche Finanzverbund. Auch wenn sich letztlich kein Kreditinstitut von externen Schocks wie Verwerfungen an den Märkten völlig isolieren kann, bleibt festzuhalten, dass alle Portfolioentscheidungen in den Eigenanlagen und im Kreditgeschäft für die genossenschaftliche Bankengruppe trotz Krise tragbar waren und sind. Der reale Stress-Test ist bis jetzt gut bestanden worden. Staatliche Eigenkapitalhilfen, Garantien, einschließlich staatlich unterstützter Bad-Bank-Lösungen sind deshalb für Genossenschaftsbanken in Deutschland weiterhin keine Handlungsoption.

Geschäftsmodell mit geringem Risikoappetit

Neben der Nachhaltigkeit des Geschäftsmodells mit geringem Risikoappetit der einzelnen Banken und einem angemessenen Risikomanagement spielt die Sicherungseinrichtung des Bundesverbandes der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) eine wichtige Rolle. Sie ist Rückgrat des Finanzverbundes und Garant für Stabilität. Die Sicherungseinrichtung des BVR ist eine institutssichernde Einrichtung, das heißt sie schützt die ihr angeschlossenen genossenschaftlichen Banken und damit die Einlagen und Inhaberschuldverschreibungen der Kunden zu 100 Prozent. Seit ihrem Bestehen hat noch nie ein Kunde einer angeschlossenen Bank einen Verlust seiner Einlagen erlitten, es mussten noch nie Einleger entschädigt werden, und es hat noch nie eine Insolvenz einer angeschlossenen Bank gegeben, da die Sicherungseinrichtung stets vorher mit Erfolg eingegriffen hatte.

Jüngst hat die Sicherungseinrichtung ihre Reformfähigkeit erneut unter Beweis gestellt. Die Mitgliederversammlung des BVR stimmte im September 2009 mit einer Mehrheit von 98,3 Prozent für eine Neufassung des Status der Sicherungseinrichtung. Damit ist der Weg frei, den hohen Standard der Sicherungseinrichtung auch in der Zukunft fortzuschreiben.

Das neue Statut der Sicherungseinrichtung tritt bereits zum 1. Januar 2010 in Kraft. Nachfolgend werden die wichtigsten Änderungen kurz angesprochen. Der BVR hat seit Längerem ein System risikoorientierter Beiträge zum Garantiefonds umgesetzt. Anhand eines Klassifizierungsverfahrens werden die Mitgliedsinstitute der Sicherungseinrichtung einer Ratingklasse zugeordnet. Künftig müssen die besonders gut gerateten Institute durch die im September neu beschlossene BVR-Ratingklasse A++ nur noch 80 Prozent des sich ergebenden regulären Jahresbeitrages zahlen. Die Aufteilung der bisherigen Klasse A+ in die zwei Klassen A++ und A+ ist die konsequente Weiterentwicklung des Klassifizierungsverfahrens. Die Beiträge zur Sicherungseinrichtung liegen damit in Abhängigkeit von der Bonitätsklasse eines Mitgliedsinstituts zwischen 80 und 140 Prozent des regulären Jahresbeitrages, bisher zwischen 90 Prozent und 140 Prozent.

Umstellung der Bemessungsgrundlage

Die Entwicklung der Klassifizierungsergebnisse seit dem Jahr 2002 zeigt einen erfreulichen Verlauf, da sich jetzt sehr viel mehr Institute in den oberen Bonitätsklassen befinden als damals. Es war also nicht über zusätzliche Klassen am Ende der Skala zu entscheiden. Auch wenn das Klassifizierungsverfahren des BVR bei seiner Einführung damals heftig diskutiert worden war, genießt es heute hohe Akzeptanz bei den Mitgliedsbanken.

Darüber hinaus wird die Bemessungsgrundlage für die Ermittlung der bankindividuellen Beiträge zur Sicherungseinrichtung auf die Systematik der Solvabilitätsverordnung umgestellt. Um Härten zu vermeiden, ist ein fünfjähriger Übergangszeitraum vorgesehen, in dem die Institute zwischen alter und neuer Regelung wählen können. Bisher werden bestimmte Bilanzpositionen ungewichtet in die Bemessungsgrundlage für die Errechnung der Beiträge zur Sicherungseinrichtung einbezogen, im Wesentlichen das Kundenkreditvolumen.

Die Entwicklung der letzten Jahre, insbesondere die aktuellen Erfahrungen der Finanzkrise zeigen, dass selbst Wertpapiere, die ursprünglich von Ratingagenturen mit Bestnoten beurteilt wurden, erhebliche Spreadrisiken und zum Teil sogar Ausfallrisiken aufweisen können. Ausfälle im De-pot-A und Wertänderungen, wie sie in den letzten zwei Jahren zu beobachten waren, sind zuvor kaum jemals aufgetreten. Es ist deshalb konsequent, auch eigene Wertpapiere in die Berechnung des Beitrags zur Sicherungseinrichtung einzubeziehen.

Mit der neuen Beitragsbemessungsgrundlage und der zusätzlichen Ratingklasse A++ werden die Beiträge der Mitgliedsinstitute zur Sicherungseinrichtung künftig risikoadäquater und damit fairer sein. Zugleich berücksichtigt der BVR wichtige Erfahrungen aus der Finanzmarktkrise.

Erweiterte Informationsrechte gegenüber den Instituten

Die Reform ermöglicht es zudem, die Risikoentwicklung innerhalb des genossenschaftlichen Finanzverbundes noch besser einschätzen zu können, auch mit Blick auf § 10c KWG. Der BVR erhält erweiterte Informationsrechte gegenüber den Instituten und untermauert damit die Voraussetzungen, dass verbundinterne Forderungen auch künftig nicht mit Eigenkapital unterlegt werden müssen.

Um Missverständnissen vorzubeugen: Bei der Reform des Statuts der Sicherungseinrichtung geht es nicht um mehr Einnahmen, sondern um eine strukturelle Reform mit gerechteren Beiträgen, letztlich um eine dem Grundsatz der Gleichbehandlung aller Mitglieder besser entsprechen zu können. Der BVR möchte die Sicherungseinrichtung so aufstellen, dass die Institute mit Blick auf ihre Risikolage angemessen beitragen, dass mögliche Verbesserungen des Systems umgesetzt werden und insgesamt die bisherige Leistungsfähigkeit der Sicherungseinrichtung auch künftig erhalten bleibt.

Die BVR-Sicherungseinrichtung ist ein Alleinstellungsmerkmal der genossenschaftlichen Gruppe. Dass dies so bleibt, dafür kämpft der BVR auch auf der politischen Ebene. Eine wie auch immer geartete Zusammenlegung mit anderen Sicherungssystemen wäre verfehlt und würde von den Genossenschaftsbanken entschieden abgelehnt. Dies gilt auch für die vereinzelt geäußerte Idee eines staatlichen Einheitssystems der Einlagensicherung für alle Banken - und gegebenenfalls für Finanzinstitute.

Keine Experimente

Funktionierende freiwillige Sicherungssysteme, die gerade in der Krise zur Systemstabilität beigetragen haben, dürfen durch eine Änderung der Einlagensicherung nicht beeinträchtigt werden. Vielmehr gilt es, Schwachstellen dort zu beseitigen, wo sie offensichtlich geworden sind. Fragen wie die Ex-ante-Finanzierung eines Sicherungssystems, risikoabhängige Beiträge oder wirksame Präventionsmechanismen haben die Genossenschaftsbanken jedenfalls seit langer Zeit privatwirtschaftlich erfolgreich gelöst. Es wäre ein großer Irrtum anzunehmen, dass eine staatliche Einlagensicherung bessere Ergebnisse brächte. Der BVR ist überzeugt, dass das Gegenteil einträte.

Die EU-Kommission hat kürzlich zur Richtlinie 94/19/EG und den gesetzlichen Einlagensicherungssystemen in den EU-Mitgliedstaaten eine Konsultation durchgeführt, um möglichen weiteren Reformbedarf der Einlagensicherung auf europäischer Ebene auszuloten. Die Ereignisse der letzten Monate haben die Bedeutung der Einlagensicherung für die Finanzmarktstabilität unter Beweis gestellt. Wie die Kommission weiter verfahren wird, ist derzeit offen. Soweit die Richtlinie in Einzelpunkten angepasst werden sollte, ist sorgfältig der Nutzen der Anpassung gegen den daraus entstehenden Aufwand und gegebenenfalls anderer Nachteile abzuwägen. Dabei muss die Vermeidung sogenannter Run-Situationen, das heißt die Wahrung des Vertrauens der Einleger in das Bankensystem und der Erhalt ihrer Vermögenswerte allererste Priorität genießen. Harmonisierung von Sicherungssystemen in Europa ist bis zu diesem Punkt sinnvoll, darüber hinaus ist ein hoher, ein aus Sicht des BVR zu hoher Preis zu zahlen. Mit dem Vertrauen der Menschen in die Sicherheit und Funktionsfähigkeit vorhandener Sicherungssysteme darf es keine Experimente geben.

Die Kommission ist sich dessen sicher bewusst, dass mögliche Weiterentwicklungen der Einlagensicherung einen direkten Bezug zum vertrauensempfindlichen Kunden haben, deshalb nicht vergleichbar sind mit anderen, rein auf Banken bezogene Maßnahmen, wie zum Beispiel eine Veränderung der Eigenkapitalregeln. Aktionismus und vorschnelle Entscheidungen sollten bei einem sensiblen Thema wie der Einlagensicherung vermieden werden. Auch wiederholte Nachrichten über Änderungen an den Systemen in kurzen Zeitabständen können zur Verunsicherung der Einleger führen.

Präventionsfunktion

Bei allem Reformeifer darf auch nicht übersehen werden, dass Einlagensicherungssysteme nicht primär ein Instrument des Krisenmanagements sind, und sicher nicht vor allem eine "pay box", die im Sicherungsfall lediglich jeden denkbaren Betrag auszuzahlen hat. Ihren größten Nutzen für die Einleger und das Finanzsystem insgesamt entfalten Sicherungssysteme dadurch, dass sie wirksame Präventionsverfahren vorsehen. Das heißt sie sollten frühzeitig Einblick in die Entwicklung der gesicherten Institute nehmen, um sich anbahnende Schwierigkeiten rechtzeitig zu erkennen und ihnen entgegenzuwirken. Die bestehenden Sicherungssysteme der drei Bankensäulen in Deutschland erfüllen diese Präventionsfunktion.

Die Sicherungseinrichtung des BVR wird diesem Anspruch bereits seit 75 Jahren gerecht. Deshalb ist den Genossenschaftsbanken ihre Sicherungseinrichtung heilig. Eine Verringerung des Schutzumfangs oder Änderungen an diesem über Jahrzehnte hinweg optimierten System wären das falsche Signal, nicht nur vor dem Hintergrund der Finanzkrise.

Gerhard Hofmann , Mitglied des Vorstands , Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken e.V. (BVR), Berlin
Noch keine Bewertungen vorhanden


X