Aufsätze

Sanierungsstrategien im Workout- Management - Implikationen veränderter Rahmenbedingungen

Ökonomisch betrachtet, war die Restrukturierung von finanziell angeschlagenen Kreditnehmern aus der Perspektive der Kredit gewährenden Bank bis vor wenigen Jahren als strategische Entscheidungssituation interpretierbar. Diese Situation entstand, sobald sich das Kreditrating des Unternehmens wesentlich verschlechtert hat und das Engagement an das sogenannte Problemkreditmanagement oder Work-out-Management der Bank übergeben wurde. Auf Basis der berechneten Kreditausfallraten sind dort die erforderlichen Einzelwertberichtigungen (EWB) definiert worden, deren Auflösung ein Ziel des Work-out-Managements war.

Sanierung als Ergebnis interdependenter Entscheidungen

Um eine Kreditrückführung überhaupt zu ermöglichen, haben sowohl Banken als auch Eigentümer die Unternehmensrestrukturierung induziert und entsprechende Sanierungsbeiträge wie Stundungen, Verzichte oder die Zuführung "frischen" Kapitals geleistet. Die nachhaltige Sanierung des Kreditnehmers war somit das Ergebnis interdependenter Entscheidungen, das sich aus den bekannten Verhandlungsteilnehmern (Eigentümer und Fremdkapitalbanken, gebündelt im Bankenpool), deren Verhandlungsspielräume und -positionen sowie den möglichen Pay-offbeziehungsweise Risikofunktionen für die Betroffenen ableiten ließ.

Die veränderten Rahmenbedingungen haben letztlich auch die Sanierungsstrategien im Workout-Management umfassend verändert und die Bestimmung der wertoptimalen Strategie signifikant erschwert. Auslöser dafür waren sowohl der erhöhte Wettbewerbsdruck im Bankenmarkt, der zu einer erheblichen Veränderung der Marktanteile geführt hat (beispielsweise haben die vier größten deutschen Geschäftsbanken die Kreditvergabe seit 2000 um 19 Prozent reduziert, während im gleichen Zeitraum ausländische Wettbewerber die Kreditvergabe um 43 Prozent ausgeweitet haben) als auch die fortschreitende Bankenkonsolidierung (beispielsweise hat sich die Anzahl der Sparkassen/Genossenschaftsbanken in den letzten zehn Jahren halbiert).

Berücksichtigt man die erhebliche Bedeutung des Bankkredites in der deutschen Unternehmensfinanzierung (Kapitalstruktur eines mittelständischen Unternehmens in Deutschland weist 53 Prozent Fremdkapital von Banken aus) und die zunehmende Bedeutung des Kapitalmarktes (beispielsweise sind notierte Corporate Bonds in den letzten zehn Jahren um rund 900 Prozent gewachsen) ist die Veränderung des Kreditmanagements nicht verwunderlich. Durch das Auftreten kapitalmarktorientierter Distressed Investoren erhält das Sanierungsmanagement eine neue Dimension mit heterogenen, nicht unbedingt sofort einsichtigen Sanierungszielsetzungen. Die Wahl der adäquaten Sanierungsstrategie für Problemkredite ist dabei meist eine proaktive Investitionsstrategie unter Berücksichtigung der Refinanzierungsmöglichkeiten des Kapitalmarktes, die tradierte Vorgehensweisen sichtlich hinterfragt.

Vor diesem Hintergrund sind vor allem die möglichen Sanierungsstrategien der Banken zu thematisieren und deren Implikationen für die Kreditsanierung und für die Kreditnehmer zu erläutern. Da der Paradigmenwechsel im Kreditmanagement vor allem den Kreditverkauf betont, stellt sich die Frage nach den möglichen Ausprägungsformen und deren Konsequenzen.

Sanierungsstrategien im Überblick

Wird ein Kreditnehmer aufgrund seiner Bonität, seines Zahlungsverhaltens oder einer anderen Krisenindikation als Problemkredit evident, so bestimmt das Kreditinstitut in Abhängigkeit vom Erkenntniszeitpunkt und Informationsstand über das Engagement seine Sanierungsstrategie. Im Sinne der Steuerung des Kreditrisikos sind dabei folgende mögliche Vorgehensweisen bekannt:

Stillhalten: Dieses Vorgehen ist durchaus janusköpfig - einerseits im Sinne eines passiven "Ruhebewahrens" der Banken, andererseits im Hinblick auf das Verlustrisiko, sofern selbst das Zerschlagungsszenario eine hinreichende Sicherheitendeckung liefert und keine unmittelbare Aktivität gefordert ist.

Außergerichtliche Kreditsanierung: Mit dem Ziel der Risikoreduzierung wird eine aktive Restrukturierung und somit Wertaufholung des Kreditnehmers, also des Firmenkunden ermöglicht. Dabei steht die Wiederherstellung der operativen Leistungsfähigkeit im Fokus und die ganzheitliche Restrukturierung wird über ein belastbares Sanierungskonzept gegebenenfalls unter Einbindung des Bankenpools gesteuert. Der Bankenbeitrag äußert sich dabei in finanziellen Zugeständnissen und einer kommunikativen Kooperation. Gelingt die Restrukturierung erhalten die Kreditinstitute sowohl finanzielle Beiträge als auch einen nachhaltigen Kreditnehmer zurück.

Kündigung und Liquidation: Sofern zum Beispiel eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage des zu sanierenden Unternehmens eintritt, sind die Kredit gebenden Banken gemäß der AGB zur Kündigung und somit zur Beendigung der Kreditbeziehung autorisiert. Als Konsequenz ergibt sich oft die vollständige Wertberichtigung des Restbuchwertes durch Kreditausfall.

Verkauf: Mit dem Verkauf des Problemkredites beendet das Institut wahrscheinlich ebenso die Kreditbeziehung, hat allerdings die Chance durch den erzielten Verkaufserlös, zumindest einen Teil des offenen Wertes wieder zu erwirken. Während die anderen drei etablierten Sanierungsstrategien der Banken weitgehend auf Basis der Sanierungswürdigkeit des Einzelkreditnehmers entschieden werden, sind im Rahmen des Kreditverkaufs auch bankpolitische und marktspezifische Facetten entscheidungstreibend. Vor dem Hintergrund der nachhaltigen Implikationen für die Kredit gebenden Banken und die zu restrukturierenden Unternehmen, stellt die Sanierungsstrategie Kreditverkauf eine weiter zu detaillierende Alternative dar, wobei explizit die Auswirkungen für diese beiden Parteien hervorzuheben sind.

Kreditverkauf als Workout-Alternative

Der Markt für den Verkauf von Problemkrediten hat sich erst im Jahre 2003 in Deutschland gebildet und erfährt seitdem fortlaufend Beachtung. Das Nominalvolumen derartiger Transaktionen mit sogenannten Non-performing Loans (NPL) beziehungsweise Sub-performing Loans (SPL) stieg seitdem von rund 1,5 Milliarden Euro auf zirka 7,6 Milliarden Euro in 2006 an. Firmenkredite stellen hierbei mit rund 53 Prozent für den größten Anteil an den notleidenden Krediten deutscher Banken. Insgesamt wird das gesamte Corporate NPL-Volumen in Deutschland auf rund 100 bis 300 Milliarden Euro geschätzt. Daran entfällt der größte Anteil auf kleinere und mittlere Unternehmen (Abbildung 1).

Durch die weitergehende Standardisierung können die mit einer Transaktion verbundenen Kosten zudem weiter gesenkt und in Zukunft auch kleinere Kreditportfolio-Transaktionen Gewinn bringend durchgeführt werden. Auch die Schaffung von spezialisierten Abwicklungsgesellschaften (sogenannte Bad Banks) zur Bündelung von Krediten und zur Erzielung von Größenvorteilen erhöhen die Anzahl kleinerer Transaktionen.

Auch zukünftig scheint der Bereich Corporate NPL erhebliches Wachstumspotenzial aufzuweisen. So wird erwartet, dass neben den deutschen Geschäftsbanken auch die Sparkassen und Landesbanken die Sanierungsoption Kreditverkauf verstärkt nutzen. Ferner wird diese Entwicklung durch die Schaffung einer einheitlichen Handelsplattform für NPL das zukünftige Wachstum unterstützen.

Banken als aktiver Investor und Käufer?

Ein erhöhtes Transaktionsvolumen im Corporate NPL-Bereich bedeutet aber auch, dass immer mehr kleine und mittelständische Unternehmen in Schieflage mit einem Kreditverkauf rechnen müssen. Für die Kreditinstitute ergibt sich somit neben einer Vielzahl rechtlicher und prozessualer Herausforderungen auch die Notwendigkeit, sich auf die zunehmend komplexe Bewertung von Einzelkrediten einzustellen und den Kreditverkauf neben der aktiven Sanierung und Abwicklung als neue Handlungsoption strategisch zu nutzen. Inwiefern Banken zukünftig selbst als aktiver Investor und Käufer der Problemkredite, mit dem Ziel der Risikorückführung über die aktive Unternehmensrestrukturierung, beteiligen sollten, ist zu thematisieren.

Die Alternative Kreditverkauf führt die Banken allerdings in ein "Sanierungsdilemma": Einerseits wird der Verkauf durch die regulatorischen Rahmenbedingungen verstärkt. Mit den Mindestanforderungen an das Kreditgeschäft (MaK/Ma Risk) werden strukturelle und prozessuale Anforderungen und Auflagen definiert, mit Einführung von Basel II erfolgt die Notwendigkeit einer risikoadjustierten Eigenkapitalhinterlegung der Kreditrisiken und mit IFRS 39 entsteht die Notwendigkeit einer umgehenden Bewertung der Problemkredite zum Fair Value samt Einbuchung der Wertberichtigung. Daneben können ökonomische Hindernisse durch das Angebot eines zu geringen Marktpreises entstehen, einer hohen Komplexität in der Zusammenstellung der erforderlichen Vertragsdokumentation zum Verkauf oder in bankpolitischen Aspekten, wie beispielsweise Reputationsschäden.

Reduzierung der Risikoaktiva und Optimierung der Bilanzstruktur

Andererseits bietet sich der Verkauf eines Problemkredites an, wenn der Verkaufserlös höher als der Barwert der diskontierten Nettozuflüsse ist, die sich aus der Differenz der erwarteten Zins- und Tilgungszahlungen sowie den Kapitalkosten ergeben. Für die Banken führt dies zu einer Reduzierung der Risikoaktiva, einer Optimierung der Bilanzstruktur und letztlich zur Steigerung des Ertrags im Firmenkundenkreditgeschäft - allerdings vermutlich mit dem Verlust der Kundenbeziehung! In welchem Umfang daher die Risikoreduzierung durch den Verkauf beziehungsweise den unterstützten, aktiven Sanierungsversuch des Kreditnehmers für die Bank die zielorientierte Sanierungsstrategie ist, sollte einzelfallspezifisch beurteilt werden. Dazu ist eine solide Entscheidungsgrundlage, die die innerbetrieblichen Risiken des Kreditnehmers quantifiziert und den Sanierungsfahrplan abschätzbar macht, hilfreich und die Dokumentation in einem Sanierungskonzept erforderlich.

Aktive Unternehmenssanierung durch Distressed Investoren

Ob eine aktive Sanierung des Kreditnehmers durch den Verkauf an einen Distressed Investor betrieben wird, hängt zentral von dessen Investitionsrational ab (Abbildung 2). Der deutsche Sekundärmarkt für Corporate Distressed Loans kennt dabei einerseits die klassischen Kredithändler, die aus der Arbitrage und unter Einbeziehung des Kapitalmarktes mit den Problemkrediten Rendite erwirtschaften. Die Kredithändler haben sich ursprünglich auf Distessed Debt Portfolios fokussiert und nehmen zunehmend auch Einzeltransaktionen ins Visier.

Andererseits sind auch Distressed Investoren aktiv, die über die Ablösung einer oder mehrerer Banken die Passivseite der Kapitalstruktur des Restrukturierungsfalls abbilden. Deren Geschäftsmodell gleicht teilweise dem der ursprünglich Kredit gewährenden Bank, in dem unter anderem auch über die Restrukturierung des operativen Geschäfts eine Risikoreduzierung und Wertschöpfung angestrebt wird. Für diese Investorengruppe lassen sich sowohl Eigen- als auch Fremdkapitalinvestitionen im deutschen Markt verzeichnen.

Mit aktuell rund 50 aktiven Kredithändlern im Bereich Corporate Distressed Loans haben sich Hedge Funds und Investmentbanken etabliert, die nicht auf die Erzielung von Kontrolle im Restrukturierungsfall abzielen und keine aktive Unternehmensrestrukturierung anstreben. Allein der Handel und die Verbriefung des Problemkredites beziehungsweise des Kreditrisikos ermöglicht hier, auch über die Platzierung von Derivaten wie Default Swaps oder Debt Obligations, ein nachhaltiges Investitionsverhalten. Die aktive Teilnahme an der Restrukturierung operativer Prozesse steht dabei nicht im Fokus dieser Gesellschaften.

Unternehmerische Kontrolle

Auch aufgrund des geringen Umfangs kapitalmarktnotierter Eigen- und Fremdkapitalanteile von deutschen Unternehmen haben sich zunehmend mehr Distressed Investoren als aktive Investoren in der Restrukturierung positioniert. Mit der Zielsetzung, die unternehmerische Kontrolle zu erwerben, wird versucht, eine für den Investor optimierte Finanz- und Bilanzstruktur zu schaffen, die aus dem strategisch restrukturierten Geschäftsmodell bedient werden soll. Dabei nehmen diese Investoren unabhängig von der Eigen- oder Fremdkapitalposition auch oft eine pragmatische Investorenrolle ein, indem flexibel rechtliche und finanzwirtschaftliche Konstrukte kombiniert und im Sinne der Restrukturierung eingesetzt werden können. Als Entscheidungsgrundlage benötigen diese Investoren neben einer kompetenten und umsetzungsorientierten Beratung vor allem auch ein belastbares Sanierungskonzept. Dieses sichert unter Berücksichtigung der strategischen Positionierung und Quantifizierung der Umsatzqualität auch die erforderlichen Maßnahmen ab, die letztlich eine rentable Investition ermöglichen.

Abtretung des Kreditrisikos?

Besondere Herausforderungen treten allerdings für die Unternehmenssanierung auf, wenn der Verkauf des Problemkredites eine Abtrennung des Kreditrisikos beinhaltet und Restrukturierungsteilnehmer ohne Kreditkompetenzen zurücklässt. Da beispielsweise gerade deutsche Sanierungs-Poolverträge die Einstimmigkeit erfordern, können hier durch das Auseinanderfallen von "Risiko" und "Papier" Komplexitäten für die Restrukturierung entstehen, die weiterer Vertiefung erfordern.

In der Gesamtschau lässt sich festhalten, dass gerade das Workout-Management der deutschen Banken stets - auch anhand solider Sanierungsgutachten - prüfen sollte, welche Sanierungsstrategie langfristig wertoptimierend für das Institut ist. Dabei gilt es neben der Akzeptanz, dass die Restrukturierung nicht nur zur Steuerung der Kreditrisiken, sondern auch als aktives Investitionsgeschäft zu betreiben ist, die Vielzahl der aktuellen Herausforderungen zu berücksichtigen: Dazu zählt neben der Anpassung der strukturellen Prozesse und Strukturen auch die Implementierung der geeigneten Instrumentarien und die Integration der entsprechenden Prozessbeteiligten.

Als Entscheidungs- und Steuerungsgrundlage gewinnt gerade aktuell die Quantifizierung von unternehmerischen Strategien und Märkten im Rahmen der Sanierungs- und Neuausrichtungskonzepte an wesentlichem Stellenwert, der durch externe Unterstützung erarbeitet und dokumentiert werden sollte.

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