Aufsätze

Sparkassen in Ostdeutschland gelungene Integration

Die Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion, Mitte des Jahres 1990, bedeutete für die damaligen Sparkassen der DDR, wie für jedes andere Unternehmen im Osten Deutschlands, einen gewaltigen Sprung von der zentralstaatlich organisierten Planwirtschaft sozialistischer Prägung in das unbekannte Wasser der Marktwirtschaft. Es galt, sich nicht nur von heute auf morgen auf ein komplett anderes Wirtschaftssystem einzustellen, sondern vor allem das Überleben in einem bis dahin nicht vorhandenen Wettbewerbsumfeld zu erlernen.

Jahre intensiver Arbeit

Einige Monate später, mit der staatlichen Einheit, stand die Aufgabe, sich zusätzlich von einem zentralistisch organisierten Staat zu verabschieden und in einem von Grund auf föderal aufgebautem Gemeinwesen zurechtzufinden. Was mit wenigen Worten gesagt ist, das bedeutete in der Praxis, Monate, teilweise Jahre intensiver Arbeit, um den Übergang nachhaltig und erfolgreich zu bewerkstelligen.

Den Ost-Sparkassen war 1990 klar, dass sie möglichst rasch passfähige unternehmerische Strukturen und ein vergleichbares Dienstleistungsangebot für Privat-, Geschäfts- und öffentliche Kunden herstellen mussten, wie das im Westen Deutschlands üblich war. Einigkeit bestand darin, dass nach knapp 40 Jahren als "Volkseigentum" Sparkassen wieder als "echte", das heißt kommunal gebundene, regional ausgerichtete und demokratisch kontrollierte Kreditinstitute gebraucht würden.

Die Schaffung neuer, dezentraler, mittelständischer Wirtschaftsstrukturen im östlichen Deutschland sowie die Lösung der vordringlichen Probleme des privaten Wohnungsbaus und des Ausbaus der Infrastruktur benötigten als wichtige Stützen ein dafür geeignetes dezentrales Bankwesen. Sparkassen würden darin eine wichtige Aufgabe zu erfüllen haben, so der Konsens. Um diese ordentlich erfüllen zu können, waren aber Sparkassen erforderlich, die betriebswirtschaftlich die nötige Stärke aufwiesen.

Neuaufbau von Zahlungsverkehr und Kreditgeschäft

Technisch gesehen, bedeutete dies zunächst, dass nicht weniger als der gesamte Zahlungsverkehr neu ausgerichtet und umgebaut werden musste. Daneben wurde auch das klassische Kreditgeschäft völlig neu aufgebaut, denn im Kreditbereich hatten Sparkassen in der DDR kaum Erfahrungen sammeln können. Neben Wohnungsbaukrediten fanden üblicherweise keine Unternehmensfinanzierungen in nennenswerten Größenordnungen statt. Auch das Kommunalkreditgeschäft fehlte. Entsprechend mangelte es auch an spezialisiertem Personal.

Ost-Sparkassen verfügten nicht über gewachsene Geschäftsverbindungen zu Unternehmen und Gebietskörperschaften, denn diese wurden in DDR-Zeiten über die Staatsbank finanziert. Nach deren Privatisierung fanden sich diese Kunden und deren Nachfolgeunternehmen zumeist in den Kreditabteilungen privater Großbanken wieder, was Sparkassen den Zugang zur Wirtschaft ebenfalls nicht erleichterte.

Parallel zur technischen Ausstattung und zur Geschäftsfelderweiterung mussten ab 1990 auch sämtliche Abläufe der Geschäftstätigkeit an neue Standards angepasst werden. Sie mussten den aufsichtlichen, rechtlichen, betriebswirtschaftlichen und nicht zuletzt personellen Erfordernissen der neuen Zeit entsprechen.

Starke Aufstockung des Personals

Banking ist vergleichsweise personalintensiv, und Bankerfolg hängt sehr von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ab. Folglich war es eine zentrale Herausforderung das vorhandene Personal schnellstmöglich zu qualifizieren. Zu den 10 000 Alt-Sparkassen-Beschäftigten war die Einstellung weiterer 20 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erforderlich. Die überwältigende Mehrheit davon musste fit für den Job gemacht werden.

Die Lösung all der anstehenden Aufgaben war selbstredend mit sehr hoher Dringlichkeit verbunden, da klar war, dass die Wettbewerber ihrerseits alle Kräfte für einen raschen Eintritt in den neuen Markt zum Einsatz bringen würden und brachten. Insbesondere die deutschen privaten Großbanken versuchten anfangs mit Nachdruck, im Osten Fuß zu fassen. Gegenüber den alten DDR-Sparkassen sahen sie sich weit im Vorteil und ohne spürbare Veränderungen innerhalb der Sparkassen wären sie es wohl auch lange Zeit geblieben.

Vorteilhaft und wohl wirtschaftsgeschichtlich einzigartig war die zu dieser Zeit unter Leitung des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV) und seines Präsidenten Helmut Geiger ins Leben gerufene Solidaraktion für die rasche Eingliederung der Ost-Sparkassen in das gewachsene bundesdeutsche Wirtschafts- und Sparkassensystem. Regionale Sparkassen- und Giroverbände der Bundesrepublik übernahmen dabei bereits 1990, abgestimmt mit dem neu gegründeten Sparkassenverband der DDR, Partnerschaften für die Sparkassen in den 15 Bezirken der DDR. Innerhalb kürzester Zeit waren jeder der damals 196 Sparkassen eine oder mehrere westdeutsche Partnersparkassen zugeordnet.

"Modell des gemischten Doppels"

Diese, aus Sicht der einzelnen westdeutschen Sparkasse, uneigennützige Hilfe ging weit über punktuelle Spenden von Technik wie Kopiergeräte, Schreibmaschinen, Taschenrechner, Frankiermaschinen, Telefonanlagen und andere Bürogegenstände, hinaus. Am auffälligsten war wohl, dass westdeutsche Sparkassen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entsandten, die ihre Erfahrungen vor Ort weitergaben. Im Schnitt wurden jeder Ost-Sparkasse drei Mitarbeiter aus dem Westen zur Seite gestellt.

Einige von ihnen lebten sich rasch so gut ein, dass sie dauerhaft blieben. Auf der Ebene der neu gebildeten Sparkassenvorstände setzte sich derweil das Modell des gemischten Doppels durch. Danach bildeten einheimische Vertreter einer ostdeutschen Sparkasse immer gemeinsam mit einem neu aus dem Westen hinzukommenden Kollegen ein gemeinsames Vorstandsgespann. Hierin kam die Überzeugung zum Ausdruck, dass sowohl die örtliche Markt- und Menschenkenntnis als auch das marktwirtschaftliche westdeutsche Know-how für den Erfolg der Sparkassen unverzichtbar sein würden.

Diese Strategie führte entscheidend mit dazu, dass alle zum Ostdeutschen Sparkassenverband zählende Sparkassen sich bis etwa Mitte der neunziger Jahre sehr gut etabliert und als Marktführer nach Girokonten, Einlagen und Krediten an Selbstständige im Wettbewerb durchgesetzt hatten. Im Rahmen der Sparkassen-Finanzgruppe wurden sie so sehr schnell zu einem selbstverständlichen Verbundbestandteil, der sich aktiv in die laufenden Arbeiten der Gruppe mit Engagement wie auch erfolgreich einbringt.

Rostocker Leitsätze

In ihren Rostocker Leitsätzen formulierten die ostdeutschen Sparkassen sehr früh, bereits 1999, wichtige Grundsätze für den weiteren Kurs als flächendeckende Finanzdienstleistungsanbieter mit kommunaler Bindung und regionalem Nutzenauftrag. Kerngedanke war, die weitere Sicherstellung der Nutzenstiftung der Sparkassen auf der Basis anhaltenden wirtschaftlichen Erfolges zu organisieren.

Die ostdeutschen Sparkassen haben sich nicht zuletzt aus diesem Grund auch sehr erfolgreich an der Umsetzung der 2002 beschlossenen Strategieziele der Sparkas-sen-Finanzgruppe beteiligt und die im Rahmen der weiteren internen Optimierung nötige Bündelung von Bankaufgaben, beraten durch ihren Verband, zügig selbst in die Hand genommen. Hervorzuheben ist dabei, dass diese - soweit Kostensenkungen auch Personalbestandsreduzierungen erforderlich machten - mitarbeiterfreundlich umgesetzt wurden.

Der erwähnte Optimierungsprozess war rasch mit spürbaren Erfolgen verbunden. Erfolge, die sich in solchen Kennziffern wie Betriebsergebnis vor Bewertung, Cost-In-come-Ratio und Eigenkapitalrentabilität ablesen lassen. Seit Mitte des laufenden Jahrzehnts entwickelten sich diese so gut, dass die Gruppe der OSV-Sparkassen innerhalb der Sparkassenfamilie - verglichen mit dem Durchschnitt der deutschen Sparkassenverbände - zur deutschlandweiten Spitzengruppe gehört.

Verstetigung der Erfolge im Blick

Der OSV ist sich dabei bewusst, dass auch ein gutes Durchschnittsergebnis immer bedeutet, dass es neben den hervorragenden auch noch Mitglieder der Gesamtheit gibt, die zulegen können. Darum arbeiten die OSV-Mitgliedssparkassen und der Verband nunmehr an der Verstetigung und Verbreiterung der erreichten Erfolge.

Nach der Periode verstärkter Synergiehebungen läuft derzeit unstrittig die Phase, in der weitere Geschäftserfolge immer weniger durch Kostensenkungen und immer mehr durch Vertriebssteigerungen, sprich durch mehr Geschäft, erzielt werden müssen. Das ist angesichts eines Umfeldes, das trotz der vielfachen und unumstrittenen wirtschaftlichen Erfolge der letzten 18 Jahre noch immer deutlich schwächer als der Bundesdurchschnitt ist, und in dem insbesondere der demografische Wandel schneller und stärker als im übrigen Deutschland zu spüren ist, eine enorme selbstgestellte Herausforderung.

Die genannte Zielstellung hat aber keine akzeptablen Alternativen. Solche wären Geschäftseinschränkungen, Rückzug aus der Fläche, nachlassende Nutzenstiftung. Andererseits gibt es genügend Potenzial im Geschäftsgebiet der ostdeutschen Sparkassen, um auch den eingeschlagenen Erfolgskurs über die Steigerung der Vertriebserträge halten und ausbauen zu können.

Aktive Einbindung in die Bewältigung neuer Herausforderungen

Die Aufmerksamkeit von Sparkassen und Verband liegt folgerichtig vorwiegend in der Weiterentwicklung der verkäuferischen Talente und Fähigkeiten sowie der den Verkauf unterstützenden organisatorischen Grundlagen und Hilfen. In den letzten Jahren wurden dabei sehr gute Erfahrungen mit Produkten wie dem Sparkassen-Finanzkonzept für Privat-, Geschäfts- und Firmenkunden und anderen zunächst im OSV entwickelten Programmen gemacht, die später auf DSGV-Ebene deutschlandweit angeboten beziehungsweise weiterentwickelt wurden. Klar ist aber für die OSV-Sparkassen auch, und diese Tatsache darf nicht aus den Augen verloren gehen, dass die zentralen Koordinaten die Kundenbedürfnisse bleiben. Es geht dabei nicht um Vertriebserfolge um jeden Preis.

Auch perspektivisch werden sich die ostdeutschen Sparkassen und ihr Regionalverband aktiv in die Lösung von Aufgaben einbringen, die deutschlandweit vor den Sparkassen stehen. Dabei geht es wesentlich um strategische Antworten, die sich für alle Sparkassenbereiche aus dem zunehmenden Wettbewerb und der Herausforderung Demografie ableiten. In diesem Zusammenhang steht die Frage im Mittelpunkt, wie Massenvertrieb bei einer sinkenden Bevölkerungszahl ökonomisch erfolgreich organisiert werden kann. Es geht in diesem Kontext sicherlich immer wieder auch um so grundlegende Fragestellungen, wie die nach der Zukunft der "rollenden Geschäftsstellen" und der Internet-Filialen der Sparkassen.

Das Bild der ostdeutschen Sparkassen und ihres Integrationsprozesses wäre unvollständig, würde es sich auf das rein Geschäftliche beschränken. Die Existenzberechtigung von Sparkassen liegt bekanntlich nicht nur in der Erfüllung ihres Auftrages, ein flächendeckendes Angebot von Finanzdienstleistungen und die Unterstützung des Mittelstandes sicherzustellen, sondern auch darin, einen Beitrag zur Entwicklung des gesellschaftlichen und kulturellen Lebens insgesamt zu leisten. Unsere monetäre Unterstützung regionaler und überregionaler Aktivitäten und Vorhaben in den Bereichen Kultur, Sport, Soziales und Jugend betragen 56 Millionen Euro jährlich - ein Betrag, der vergleichsweise rund 42 Prozent des kumulierten Jahresergebnisses der OSV-Mitgliedssparkassen entspricht.

Ostdeutsche Sparkassen sind im OSV-Geschäftsgebiet, und auch hier ist die Integration in die Sparkassenfamilie vollständig gelungen, der größte nichtstaatliche Sport- und Kulturförderer. Gerade im Bereich Kulturförderung kommt der Ostdeutschen Sparkassenstiftung als der gemeinsamen und in vier Ländern kulturfördernd tätigen Stiftung eine besondere Rolle zu. Unter ihrer Beteiligung werden regionale Projekte mit überregionaler, teilweise europaweiter Ausstrahlung ermöglicht.

Gemessen am Anteil der OSV-Sparkassen an der Bilanzsumme aller deutschen Sparkassen (9,3 Prozent) sind sie auf den Feldern Spenden, Sponsorings und Förderungen mit einem Anteil von 12,8 Prozent an der Gesamtheit der deutschlandweiten Aufwendungen für die genannten Bereiche sehr gut positioniert. Rückblickend und zusammenfassend kann heute festgestellt werden, dass die Integration der DDR-Sparkassen in die große deutsche Sparkassenfamilie ein Erfolgsprojekt war. Kommunale Träger und Sparkassenvorstände können mit Recht stolz auf das Erreichte sein.

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