Aufsätze

Swiss Banking - zwischen Tradition und Moderne

Auch fast sechs Jahre nach dem Beginn der Finanz- und Bankenkrise herrscht an den Finanzmärkten Unsicherheit vor. Große Banken leiden unter dem nachhaltigen Vertrauensverlust ihrer Kunden, der seine Ursache auch in einem Zweifel am Nutzen bankeigener Vertriebsprodukte sowie der Intransparenz von Gebühren findet. Entsprechend stellt sich auch in Deutschland mancher Vermögensinhaber die Frage, ob und wo seine Bank möglicherweise zusätzliche Erträge aus der Kundenbeziehung erwirtschaftet, die sie jedoch ihm gegenüber nicht aufdeckt. Gleichzeitig fehlt es oft an einer klaren individuellen Anlagestrategie auf der Basis eines objektiven Anlagekonzeptes.

Herausforderndes Umfeld

In den letzten Jahren war als Folge dessen bereits ein zunehmendes Interesse an unabhängigen Vermögensverwaltern und Privatbanken zu erkennen, bei denen der Produktvertrieb nicht zum Geschäftsmodell gehört und ein einfaches Gebührenmodell etabliert ist. Vermögensinhaber bringen diesen Anbietern scheinbar eher Vertrauen entgegen, im Portfolio-Management unabhängig zu agieren und bezüglich der vereinnahmten Gebühren und Erträge aus der Kundenbeziehung transparent zu sein.

Gleichzeitig veränderte sich das Umfeld für Privatbanken im Allgemeinen und für Schweizer Privatbanken im Speziellen jedoch erheblich. In Deutschland stellte der Verlust der Unabhängigkeit von Sal. Oppenheim sicher eine Zäsur dar, was die Wahrnehmung von "echten" Privathäusern anging, die noch von persönlich haftenden Gesellschaftern geführt werden. Was einst als Zeichen von Stabilität galt, wurde plötzlich als Risikofaktor gesehen, und Gerüchte um die Krisenfestigkeit einzelner Häuser und deren Geschäftsmodelle machten die Runde.

Insbesondere in Deutschland tätige Schweizer Privatbankhäuser sahen sich in der jüngsten Vergangenheit zwei weiteren Tendenzen unterworfen. Zum einen lenkten gehandelte Steuer-CDs und das inzwischen gescheiterte Doppelbesteuerungsabkommen von deren traditionsreicher Expertise als Vermögensmanager ab, zum anderen zogen sich einige, die mit zu großen Hoffnungen im Gepäck zu große Fixkosten in Deutschland aufgebaut hatten, sich wieder schrittweise aus Deutschland zurück.

Aus der Schweiz in die Welt ...

Für eine Bank wie Pictet, die von diesen negativen Oberthemen nicht betroffen war, ist dies ein spannendes Umfeld, bei dem es gilt und stetig eine Herausforderung darstellt, die eigene Organisationsform als Alleinstellungsmerkmal zu erklären und von den genannten Störgeräuschen des Marktes abzukoppeln. Zwar ist auch Pictet eine "echte", das heißt derzeit von acht Teilhabern geführte Privatbank, doch hat sich evolutionär eine Organisationsform entwickelt, die die Vorteile familiengeführter Unternehmen weitgehend verinnerlicht und die Nachteile möglichst vermeidet. So sorgt unter anderem ein bewährtes Mehr-Generationen-System dafür, dass die oft heikle Frage der Unternehmensnachfolge für die kommenden Jahrzehnte geklärt ist.1)

Ein stetig fortschreitender Internationalisierungsgrad und das dynamische Wachstum der Gruppe, die inzwischen 3 300 Mitarbeiter an mehr als 20 Standorten weltweit beschäftigt und mehr als 300 Milliarden Euro betreut, warf jedoch zunehmend die immer drängendere Frage auf, wann denn die Grenze erreicht sei, bei dem die Rechtsform als "Schweizer Bankiers" vielleicht nicht mehr adäquat sein würde. Vor allem wurde diese Rechtsform im Zuge der fortschreitenden Internationalisierung zu einem Hindernis, da sie insbesondere außerhalb Europas erklärungsbedürftig oder nicht anerkannt war. Als Folge dessen wurden die internationalen Einheiten bereits als Kapitalgesellschaften geführt. Um in einem sich weiter globalisierenden Umfeld auch künftig den optimalen Grad zwischen Tradition und Moderne beziehungsweise unternehmerischer Verantwortung und international akzeptierten und modernen Strukturen darzustellen, entschied man sich nun, ab Januar 2014 auch die Schweizer Bank als Kapitalgesellschaft zu führen und sie, wie auch die internationalen Einheiten, unter einer Dachgesellschaft einzugliedern, die als Kommanditgesellschaft nach Schweizer Recht, ähnlich einer deutschen KGaA, fimiert.

Nicht zuletzt war es stets eine Stärke Pictets, sich in nun 208 Jahren seit ihrer Gründung, beständig den veränderten Gegebenheiten anzupassen und somit den Fortbestand und die erfolgreiche Weiterentwicklung der Bank zu gewährleisten. Dabei erfolgte Wachstum immer ausschließlich organisch, die jeweiligen Schritte wurden stets durchdacht, und selten bis nie zog man sich wieder zurück. Im Gegenteil behielt man die Geduld mit Märkten, von denen man überzeugt war, dass sie Schlüsselmärkte werden würden. Als bestes Beispiel gilt Japan, wo man nach Jahren der Investitionen inzwischen zu den führenden ausländischen Vermögensverwaltern zählt. Für einige Jahre belegte man gar den ersten Platz, selbst gegenüber den Großbanken.

... und nach Deutschland

Innerhalb Europas nimmt der deutsche Markt für Pictet eine ganz wesentliche strategische Bedeutung ein. Zum einen, weil Deutschland gemeinhin als der größte Markt für die Vermögensverwaltung in Europa gilt, zum anderen, weil man sich - selbst in neunter Generation familiengeführt - der in Deutschland vorherrschenden Struktur familiengeführter Unternehmen sehr verbunden fühlt. Für eben diesen Kundenkreis kann es ein unschätzbarer Vorteil und ein wesentliches Argument sein, auf der Bankenseite Gesprächspartner mit unternehmerischem Hintergrund anzutreffen, die sich selbst mit den gleichen oder ähnlichen Problemstellungen konfrontiert sehen.

Zwar mag es auf den ersten Blick als kultureller Nachteil erscheinen, dass man seine Wurzeln in der französischen Schweiz, nämlich in Genf, hat. Auf den zweiten Blick spricht die große Internationalität des Finanzplatzes Genf dafür, diese Expertise, auch ergänzend zu den Empfehlungen deutscher oder US-amerikanischer Bankhäuser, einzuholen. Nicht zuletzt die große Erfahrung im Einsatz alternativer Investments oder die eigene langjährige Erfahrung bei Anlagen in Schwellenländern sind hier als abgrenzende Merkmale zu nennen. So erfreut sich in den letzten Monaten insbesondere das neu entwickelte Kompetenzfeld für Unternehmensanleihen in Schwellenländern (Emerging Markets Corporate Bonds) eines großen Interesses seitens der internationalen Klientel im Wealth Management.

Markttrend "Family Office Services"

Damit einher geht, dass durch den hohen Internationalisierungsgrad mit Kunden aus mehr als 80 Ländern auch der deutschen vermögenden Kundschaft, die auch selbst immer internationaler agiert, Lösungen und Netzwerke angeboten werden können, wie sie sonst nur bei Großbanken zu finden sind. Regelmäßige Top-Platzierungen bei internationalen Ratings in den Segmenten Family Office Services (unter anderem "Euromoney") und Global Custody Services (etwa "Global Investor") unterstreichen die Strategie der Bank, ihre Vorteile umso mehr ausspielen zu können, je komplexer und größer die Vermögen sind. Schließlich war Pictet & Cie 1998 auch die erste Bank, die ihren Kunden umfassende "Family Office Services" in Europa anbot.

Muteten diese Services zu Beginn noch etwas exotisch an und galten (fälschlicherweise) als Dienstleistungen für sogenannte "Superreiche", so gibt es mittlerweile auch in Deutschland kaum einen Unternehmer aus dem mittleren oder gehobenen Mittelstand, der sich nicht schon damit auseinandergesetzt hätte, entweder eigene Family-Office-Strukturen in Form eines Single Family Offices zu entwickeln oder sich einem Multi Family Office anzuschließen, welches die Vermögensaktivitäten mehrerer Familien bündelt. Doch realisieren wiederum im Zuge der Finanzkrise viele Unternehmer, dass die Gestaltung eigener Strukturen nicht ohne ein beträchtliches Risiko einhergeht, ganz zu schweigen von kritischen Größen und dem fehlenden Zugriff auf ein umfassendes Research und Risikomanagement, welches auch so manches Multi Family Office nicht in der Form darstellen kann wie eine breit aufgestellte, international operierende Privatbank.

Vor dem Hintergrund enorm gestiegener Anforderungen angesichts der Komplexität der Finanzmärkte bei gleichzeitig markant gesunkenen Ertragserwartungen und damit verbundenem Kostendruck sowie oftmals fatalen Auswirkungen auch schon kleiner Anlagefehler, hinterfragen folglich immer mehr Inhaber oder Verantwortliche großer Anlagevermögen ihre aktuelle Anlageorganisation und Anlagestruktur: Ist ein Anlagekomitee in der heutigen Zeit wirklich in der Lage, ausreichend schnell richtige Entscheidungen zu fällen und auch umzusetzen? Soll sich die Aufgabe und die Verantwortung des Anlagekomitees nicht sehr viel stärker auf die langfristige Strategiediskussion, die Zielsetzung sowie die Supervision konzentrieren? Sollen wichtige laufende Anlageentscheidungen, wie zum Beispiel die taktische Anlagestruktur, das Währungsrisiko-Management, die Auswahl und das Monitoring der Vermögensverwalter sowie die laufende Supervision und Risikokontrolle nicht eher an einen dafür spezialisierten CIO mit seinem Team delegiert werden? Rechtfertigt das Vermögensvolumen, ein solches Spezialistenteam intern zu beschäftigen, oder sollen "Outsourcing"-Lösungen in Betracht gezogen werden?

Aus dieser Komplexität erklärt sich die zunehmende Beratungsrolle, in der sich eine internationale Privatbank wie Pictet in der Zusammenarbeit mit Family Offices und Unternehmern wiederfindet. In manchen Kundenbeziehungen agiert man als Mitglied des Investment-Komitees des Family Office und in anderer Konstellation als ausgelagertes Family Office eines Unternehmers.

Traditionelle Beratungsmodelle versus "Ausgelagertes CIO-Modell"

Die ersten Firmen mit "offener Architektur" traten in den siebziger Jahren bei der Beratung großer US-Pensionskassen und Endowment Funds in Erscheinung, zur Unterstützung der internen Spezialisten und sophistizierten Anlagekomitees. Diese Investoren wollten sämtliche wichtigen Entscheidungen selbst fällen und waren dazu auch unter Einbezug der Ratschläge der Consultants in der Lage. Mit der Zeit haben auch kleinere Investoren (Pensionskassen, Endowments, Familien) dieses Modell übernommen, jedoch häufig ohne über die notwendigen internen Ressourcen und sophistizierten Anlagekomitees für die Entscheidungsfindung und Umsetzung zu verfügen. Die Problematik dieser Konstellationen trat im Bull Markt der achtziger und neunziger Jahre weniger in Erscheinung, dafür umso mehr nach der Jahrhundertwende beim Platzen der Technologieblase oder in der Finanzkrise 2008 mit teilweise katastrophalen Folgen ("wir haben euch nur beraten - ihr habt die Entscheidungen gefällt").

Die Erfahrungen aus den jüngsten Krisen verbunden mit den stark gesunkenen Ertragserwartungen und erhöhten Volatilitäten hat die Diskussion und den Trend in Richtung "Fiduciary Management" oder "Outsourced CIO"-Modellen massiv verstärkt. Laut US-Studien von Casey Quirk2) und Family Wealth Alliance3) hat sich die Anzahl und das Volumen von "Outsourcing"-Lösungen nicht nur bei institutionellen Investoren markant erhöht: Rund vier von zehn vermögenden Familien haben ausgelagertes diskretionäres Investment Management implementiert und verwenden nun das "Outsourced CIO"-Modell. Unter "kleineren" Family Offices (solche mit 500 Millionen US-Dollar oder weniger) verwenden zwei Drittel einen externen Berater auf diskretionärer Basis. Ein Drittel aller Single Family Offices glaubt, über nicht genügend interne Anlage-Expertise zu verfügen. Bei Single Family Offices mit 100 bis 500 Millionen US-Dollar steigt diese Quote auf 50 Prozent.4)

Die Aufgaben und Verantwortungen des "Fiduciary Managers" sind vielfältig und sollten in einem schriftlichen Anlagereglement klar umschrieben werden. Es sind dies beispielsweise zusammen mit dem Investor die Spezifizierung der Anlagephilosophie und darauf basierend die Erarbeitung einer maßgeschneiderten Anlageorganisation und Anlagestrategie unter Berücksichtigung der Zielsetzung sowie des Rendite- und Risikoprofils. In der Umsetzung geht es um die Auswahl und das laufende quantitative und qualitative Monitoring der "best in class"-Vermögensverwalter, das Liquiditäts- und Währungsrisiko-Management, das konsolidierte Reporting und die Supervision des Gesamtportfolios wie auch der einzelnen Vermögensverwalter.

Bei der Auswahl eines geeigneten "Outsourcing"-Partners stellen sich die folgenden wichtigen Fragen: Hält sich der "Fiduciary Manager" strikt an eine offene Architektur, und verfügt er über die nötige Erfahrung und Ressourcen, um die besten Manager auszuwählen und diese laufend zu begleiten und zu überwachen? Verfügt er über eine klare "best practice"-Anlagephilosophie, einen klar definierten Anlageprozess, ein sophistiziertes Risikomanagement sowie die dafür notwendige Infrastruktur? Ist er in der Lage, die Ergebnisse in einem konsolidierten Reporting transparent zu messen und laufend zu kommunizieren? Ein exzellentes Client Relationship Management schließlich ist von zentraler Bedeutung: Selbst wenn der "Fiduciary Manager" gute Arbeit geleistet hat, kann mangelhafte Kommunikation zu gravierenden Missverständnissen führen, wie dies beispielsweise in 2008 mancher Hedgefonds schmerzlich erfahren musste.

Vor- und Nachteile des "Fiduciary Managements"

Den zahlreichen Vorteilen, wie beispielsweise ein sophistizierteres Portfoliodesign, Zugang zu intellektuellem Kapital sowie einem vergrößerten Anlageuniversum, klarer Fokus auf die zentralen Aufgaben und Kompetenzen sowie klare Performance-Verantwortung, stehen auch Nachteile gegenüber wie die Gefahr der Auswahl eines schlechten "Fiduciary Managers", weniger Kontrolle und Ausbildung des Investors oder je nach Situation und Betrachtungsweise erhöhte Kosten.

Es ist klar, dass "Fiduciary Management" nicht das richtige Modell für alle ist. Dennoch gehen immer mehr auch sehr vermögende Investoren und Familien in Richtung "Outsourcing", nicht zuletzt deshalb, weil es immer schwieriger wird, Top-Investment-Talente zu engagieren und auch zu halten, geschweige denn ein hoch kompetentes Anlagekomitee zu etablieren, welches sich auch um laufende Implementierungsfragen kümmern kann. Die meisten Familien haben ihr Vermögen außerhalb des Finanzsektors generiert. Die Kompetenzen, aber auch die Interessen liegen oftmals nicht im Vermögensmanagement: Einer der wesentlichen Gründe für den klaren Trend in Richtung "Fiduciary Management" oder "Outsourced CIO" ist, den enormen Herausforderungen bei der Vermögenserhaltung über die künftigen Generationen gerecht zu werden.

Die Vorteilhaftigkeit der einen gegenüber der anderen Variante ist von der individuellen Situation des Einzelnen beziehungsweise der einzelnen Familie abhängig. Für eine unabhängige Beratung sollte ein Institut jedoch in der Lage sein, die gesamte Klaviatur anzubieten, und dies wiederum auf internationalem Level. Erneut geht man dabei bei Pictet seinen eigenen Weg. Statt Reziprozitäten abzubilden und unnötige Kosten zu verursachen, ist man durch das weltweit installierte und maßgeschneiderte elektronische System Avaloq in der Lage, die Expertise von Teams in der Schweiz, Luxemburg, London und Asien optimiert zusammenzuführen. Den Kollegen vor Ort in Deutschland kommt dabei die Rolle des primären Kundenberaters zugute, der nötigenfalls verschiedene Expertenteams individuell zugeschnitten zusammenstellen kann.

Um noch näher beim Kunden zu sein wird man in den kommenden Monaten auch seine regionale Präsenz verstärken, dies wiederum ohne notwendigerweise neue Büros zu eröffnen. Denn die Kunden verlangen selbst nach smarten Lösungen, und als Bank sollte man, um ein glaubwürdiger Partner zu sein, Ähnliches für sich in Anspruch nehmen können. Jegliche Marketingaktivität erfolgt dabei aus dem Frankfurter Büro heraus, welches als Niederlassung der Luxemburger Tochtergesellschaft der Pictet-Gruppe über eine Vollbanklizenz mit deutschem Steuerreporting verfügt und seitens Luxemburger Commission de Surveillance du Secteur Financier (CSSF) und BaFin reguliert wird.

Somit erhalten die Kunden für sie maßgeschneiderte Lösungen aus mehreren Welten - lokale Expertise und Betreuung, Regulierung nach deutschen Standards sowie internationales Know-how und Netzwerk auf der Basis der Schweizer Vermögensverwaltungstradition. Nicht zuletzt sollte die Umsetzung der Schweizer Weißgeldstrategie in den nächsten Jahren dafür sorgen, dass Schweizer Werte, wie Verlässlichkeit und Präzision wieder in den Mittelpunkt rücken werden - kombiniert mit der Expertise eines weltweit tätigen renommierten Asset und Wealth Managers.

Fußnoten

1) Siehe unter anderem Simon/Wimmer/Groth: Mehr-Generationen-Familienunternehmen, Heidelberg 2005.

2) The New Gatekeepers: Winning Business Models for Investment Outsourcing (Casey Quirk, 2008).

3) Single-Family Office Study (Family Wealth Alliance, 2009 & 2012).

4) The Outsourced CIO Model - White Paper No. 49 (Greycourt, 2010).

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