Aufsätze

Volatilität - neue Anlageklasse für Privatinvestoren?

Im Jahr 2013 verzeichnete der deutsche Aktienindex Dax neue Allzeithochs. Allerdings fiel der Index, nachdem er Mitte Mai einen bis dato neuen Bestwert erzielt hatte, wieder fast auf das Jahresanfangsniveau zurück und erreichte erst nach der deutlichen Zunahme ab dem dritten Quartal 2013 seine Höchststände. Auch für die nähere Zukunft erwarten Finanzanalysten weiterhin viel Bewegung am deutschen Aktienmarkt, sehen derzeit jedoch keine nachhaltige Wertentwicklung. Für Anleger ist es daher schwierig, am Aktienmarkt auf steigende oder fallende Kurse zu setzen. Investitionsmöglichkeiten, für deren Wertentwicklung nicht die Richtung der Schwankung, sondern die Schwankung an sich das Gewinnpotenzial beinhaltet, gewinnen damit sowohl für institutionelle Anleger als auch für Privatanleger an Attraktivität.

Sämtliche Überlegungen dieses Beitrags betreffen die Volatilität eines Equity-Underlyings, da die Schwankungsintensität von Aktien vergleichsweise hoch ist, sich der Großteil der Instrumente zum Volatilitätshandel mit der Volatilität des Aktienmarkts befasst und dieser über ausreichend Liquidität verfügt, um einen fortwährenden Handel zu ermöglichen.

Volatilitätsbegriff als Streuungsmaß und seine Messung

In der Finanzmathematik beschreibt die Volatilität als eine wichtige Risikokennziffer die Höhe und Intensität der Schwankung von Aktienrenditen.1) Operationalisiert wird die Volatilität üblicherweise mit dem statistischen Konzept der Varianz beziehungsweise Standardabweichung als Streuungsmaß.2) Insofern kann die Volatilität zur Interpretation der Unsicherheit an den Finanzmärkten indikativ herangezogen werden. Dabei ist insbesondere zwischen realisierter und impliziter Volatilität zu unterscheiden.

Die realisierte oder auch historische Volatilität wird rückwärtsgerichtet auf Basis historischer Kursreihen berechnet und gibt Auskunft über die Veränderung der Aktienrendite für einen bestimmten Zeitraum in der Vergangenheit. Die Volatilität gibt die Streuung der realisierten Renditen um ihren Mittelwert an.3) Je höher dabei der Wert der Volatilität ist, desto größere Schwankungen hat die Aktie in der Vergangenheit gezeigt und umso riskanter ist eine Investition. Gleichzeitig ermöglicht sie aber auch einen höheren Gewinn.

Da die historische Volatilität jedoch nicht unmittelbar in die Zukunft extrapoliert werden kann,4) wird zusätzlich das künftige Volatilitätsniveau (die sogenannte implizite Volatilität) aus Preisen von am Terminmarkt gehandelten Optionen abgeleitet. Mit Hilfe der Black-Scholes-Bewertungsformel kann die in einer Option eingepreiste Volatilität über die Höhe der Prämie extrahiert und mit einem iterativen Verfahren bestimmt werden. Diese implizite Spot-Volatilität kommt damit der von den Marktteilnehmern gegenwärtig geschätzten, zukünftigen Schwankungsbreite des Underlyings der Option gleich und spiegelt das erwartete Volatilitätsniveau am Markt für zukünftige Zeiträume wider.5) Die zu einem zukünftigen Zeitpunkt erwarteten Spot-Volatilitäten lassen sich in der sogenannten Forwardkurve der Volatilität darstellen (vergleiche Abbildung 1). Erwartet der Markt eine zunehmende implizite Volatilität, nimmt die Forwardkurve einen ansteigenden Verlauf an und umgekehrt.

Das Black-Scholes-Modell unterstellt allerdings, dass unabhängig von der Laufzeit der Option und vom aktuellen Preis des Underlyings eine konstante Volatilität besteht. Damit wird einerseits die in der Kapitalmarktpraxis in der Regel aufwärts gerichtete Volatilitätsstrukturkurve, das heißt die mit längeren Optionslaufzeiten verbundene steigende Volatilität nicht berücksichtigt. Andererseits bleibt unbeachtet, dass die implizite Volatilität von Aktienoptionen häufig mit steigendem Kurs des Underlyings fällt (sogenannter Smile-Effekt der Volatilität). Zudem wird vernachlässigt, dass extreme Kursausschläge, sogenannte Fat Tails mit höherer Wahrscheinlichkeit auftreten, als sie durch die unterstellte Normalverteilungsannahme der Optionspreistheorie einbezogen sind. Daher bildet die implizite Volatilität die vom Markt erwartete Volatilität nur eingeschränkt ab.

6) Insgesamt bleibt zu beachten, dass sich die Aussagekraft der Volatilität als Streuungsmaß auf das Ausmaß der Renditeschwankungen von Aktien bezieht. Über die Richtung des Marktes, und ob damit positive oder negative Renditen vorliegen, trifft die Volatilität dagegen keine Aussage.

Abbildung in eigenen Indizes

Die Börse fasst die Volatilität über verschiedene Betrachtungszeiträume zusammen. Nahezu sämtliche Volatilitätsindizes beruhen dabei auf der Ausprägung der impliziten Volatilität:

Der älteste und gleichzeitig weltweit bekannteste Gradmesser für Aktienvolatilität ist der im Jahr 1993 an der Chicago Board Options Exchange (CBOE) eingeführte CBOE Volatilitätsindex (Vix), der die Schwankungserwartung des Indizes von Standard and Poor's für 500 amerikanische Werte (S&P 500) für die kommenden 30 Tage widerspiegelt. An der Eurex werden mittlerweile Äquivalente für den europäischen Raum gelistet, die Volatilitätsindizes V-SMI auf den Swiss Market Index, V- Stoxx auf den Dow Jones Euro Stoxx 50 sowie speziell für Deutschland der von der Deutschen Börse berechnete V-Dax-New7) als Nachfolger des V-Dax auf den Dax. In Abbildung 2 werden die Kursverläufe dieser Indizes wiedergegeben.

Obgleich die Underlyings der Volatilitätsindizes gegenläufige Kursveränderungen im Zeitablauf aufweisen, ist eine positive Korrelation der einzelnen Volatilitätsindizes untereinander deutlich zu erkennen. Lediglich die absolute Höhe der Volatilität kann variieren.

Die Berechnung des V-Dax-New basiert im Vergleich zum V-Dax nicht mehr auf der impliziten Volatilität selbst, sondern erfolgt über die Wurzel der impliziten Varianzen und somit der quadrierten Volatilität von Eurex-Optionen.8) Es werden acht Subindizes verschiedener Laufzeiten berechnet.9) Mittels linearer Interpolation spiegelt der rollierende Index letztendlich stets eine Restlaufzeit von 30 Tagen wider.10) Mit der neuen Methodik soll die Robustheit, Informationsdichte und Handelbarkeit des Index verbessert werden.

Mit seiner festen Restlaufzeit bietet der V-Dax-New einen standardisierten Zugang zu der Prognose der erwarteten Schwankungsintensität der im Dax gelisteten Aktien in den folgenden 30 Tagen und kann insofern als Stimmungsbarometer des deutschen Aktienmarktes betrachtet werden.11) Ein hoher Indexstand zeigt die Erwartung großer Schwankungen an und weist auf hektische Märkte hin, niedrige Werte hingegen lassen tendenziell eine ruhige Kursentwicklung erwarten. Diese Markteinschätzung kann sich börsentäglich ändern.

Letztendlich wird mit dem V-Dax-New das Ziel verfolgt, die reine Volatilität des deutschen Aktienmarktes handelbar zu machen. Das abstrakte Maß der Volatilität wird mittels der dargestellten Volatilitätsindizes auch für das breite Börsenpublikum transparent dargelegt und damit die Grundlage für die Einbeziehung der synthetischen Anlageklasse in den Prozess der Asset Allokation geschaffen.

Eigenschaften und Besonderheiten

Bei der Analyse der Volatilität im Zeitverlauf lassen sich Charakteristika identifizieren, wie nachfolgender Chart mit der Performance des V-Dax-New anschaulich belegt (vergleiche Abbildung 3). Als zentrale Eigenschaft kann der Mean-Reversion-Effekt angesehen werden:12) Die Volatilität verfügt über einen langfristigen Mittelwert, der sich empirisch auf Basis ihres historischen Kursverlaufs herleiten lässt. Die Kursbewegung der Volatilität richtet sich nach diesem Mittelwert aus, der damit faktisch als Ausrichtungspunkt auch für die zukünftige Entwicklung der Volatilität dient. Die Volatilität folgt demnach keinem anhaltenden negativen oder positiven Trend, sondern tendiert langfristig regelmäßig hin zu ihrem Durchschnittswert.13)

Dies ist nicht gleichbedeutend damit, dass nur relativ geringe Abweichungen zum Durchschnitt auftreten. Im Gegenteil, die Anlageklasse Volatilität weist im Vergleich zu traditionellen Anlageklassen eine äußerst hohe Volatilität auf, die auf temporäre, teilweise sogar signifikante Ausschläge zurückzuführen ist. Insbesondere eine rasche Zunahme der Volatilität kann in nervösen Märkten zu Extremwerten führen. Umgekehrt verhält sich die Volatilität bei ruhigen Märkten vorübergehend auf niedrigem Niveau.

Eine gewisse Schwankungsintensität tritt folglich unabhängig von ihrer Ausprägung tendenziell in Phasen auf, die als Volatilitäts-Clustering bezeichnet werden. Dadurch weist die Volatilität eine gewisse Autokorrelation auf, durch die aus der Kursentwicklung der Vergangenheit Rückschlüsse über zukünftige Kurse gezogen werden können. Insgesamt bewegt sich die Volatilität innerhalb einer gewissen Bandbreite, das heißt einem Minimal- und Maximalwert, wobei Letzterer nicht eindeutig quantifiziert werden kann.

Eine weitere Besonderheit der Volatilität ergibt sich aus dem Vergleich des Kursverlaufs der Volatilität mit dem ihres Underlyings, was nachfolgend exemplarisch am V-Dax-New und dem Dax veranschaulicht ist (vergleiche Abbildung 4).

Zu erkennen ist, dass bei fallenden Kursen die Volatilität steigt und bei Phasen zunehmender Kurse die Volatilität der zugrundeliegenden Anlage tendenziell sinkt.14) Diese negative Korrelation ergibt sich aus üblicherweise heftigen und innerhalb kürzerer Zeit stattfindenden Abwärtsphasen des Marktes, wohingegen Kursanstiege sich eher moderat und über einen längeren Zeitraum vollziehen.15) Ausnahme dieser gegenläufigen Korrelationseigenschaft kann ein niedriges Volatilitätsniveau sein. Von diesem ausgehend können Kursanstiege auch zu steigender Volatilität führen.

Ausgewählte Instrumente zur Anlage

In die dargestellten Volatilitätsindizes kann nicht direkt investiert werden, da bislang keine angemessene Replikationsstrategie vorliegt. Investoren müssen daher auf Finanzprodukte am Terminmarkt zurückgreifen.

Die klassische Form, auf Änderungen der Volatilität zu spekulieren, beruht auf börsengehandelten Optionen beziehungsweise Optionskombinationen. Der Preis beziehungsweise der Wert der Option wird neben dem aktuellen Kurs auch durch die Volatilität des Underlyings respektive deren Veränderung bestimmt, auch Vega-Risiko genannt. So erhöht eine kursrichtungsneutrale Steigerung der Volatilität die Wahrscheinlichkeit, dass der Wert des Underlyings stark steigt oder fällt. Das mögliche Spektrum von Kursständen am Laufzeitende wird damit breiter. Die Long-Position einer Option profitiert von einer solchen Steigerung der Volatilität, da bei einer Call-Option die Chance auf starke Kursanstiege und bei einer Put-Option starke Kursrückgänge das mögliche Gewinnpotenzial deutlich steigern. Das Verlustrisiko bleibt durch das spezifische Risikoprofil eine Option jedoch weiterhin auf die bezahlte Optionsprämie begrenzt. Bei zunehmender Volatilität steigt folglich sowohl der Wert der Call- als auch der Put-Option.

Eine gängige Optionskombination ist die Strategie des sogenannten Straddle. Hierbei handelt es sich um den gleichzeitigen Kauf beziehungsweise Verkauf einer Call- und Put-Option auf das identische Underlying mit gleicher Restlaufzeit und gleichem Ausübungspreis (vergleiche Abbildung 5).16)

Das Gewinnpotenzial eines Long Straddle ist unbegrenzt und überwiegend von der Volatilität das Underlyings abhängig, während der Verlust auf die Summe beider Prämien begrenzt ist. Bei steigender Volatilität erhöhen sich die Werte beider Optionsbestandteile und damit auch der Wert des Portfolios. Eine ähnliche Strategie verfolgt der Strangle, mit dem Unterschied, dass die beiden gekauften Optionen über unterschiedliche Ausübungspreise verfügen.

Während bei einzelnen Optionen die Sensitivität gegenüber der Wertentwicklung des Underlyings (sogenanntes Delta-Risiko) über mehrfache und kostenintensive Anpassung der Gewichtung der einzelnen Positionen im Portfolio erst ausgeglichen werden muss, sind Optionskombinationen häufig deltaneutraler. Damit diese Position einen positiven Gesamtgewinn generiert, muss das Underlying jedoch äußerst volatil sein.

Neben derartigen Konstruktionen mit Optionsbestandteilen bilden börsengehandelte Volatilitäts-Futures mittlerweile eine standardisierte Möglichkeit reine Volatilität zu handeln. Da die Futures jedoch über eine begrenzte Laufzeit verfügen, muss bei einer langfristigen Investition regelmäßig ein Austausch der zugrunde liegenden Kontrakte durch länger laufende Kontrakte vorgenommen werden. Dieser Prozess wird auch als Roll-Vorgang bezeichnet. Sobald bei der Re-Investition der auslaufende Future einen niedrigeren Kurs als der neue Future aufweist, entstehen jedoch Verluste. Dies ist der Fall, wenn sich der Markt in einem sogenannten Contango befindet.

Vor allem in Phasen mit niedriger Volatilität notieren die weiter in der Zukunft liegenden Futures deutlich über den heutigen Futures. Der Markt geht davon aus, dass die Volatilität in Zukunft höher liegen wird. Steht der Markt hingegen in der Backwardation, tritt die gegensätzliche Konstellation auf und längere laufende Futures haben niedrigere Kurse. Letzteres tritt jedoch äußerst selten ein.

Neben standardisierten Geschäften bietet auch der Over-the-counter-Markt (OTC) einen aktiven und liquiden Handel der Volatilität. Das bekannteste Instrument ist der Variance-Swap. Für das Termingeschäft ist die realisierte Volatilität des Underlyings während der Kontraktlaufzeit wertbestimmend. Der Käufer des Swaps geht von steigender Volatilität beziehungsweise Varianz aus und bezahlt einen festen Betrag, die laufzeitadjustierte implizite Volatilität. Dafür erhält er vom Verkäufer eine Zahlung in Höhe der realisierten Varianz. Primär werden Varince-Swaps zur Ausnutzung des Spreads zwischen impliziter und realisierter Volatilität genutzt.17)

Strategie unter Annahme der Mean-Reversion-Eigenschaft

Eine Investition in Volatilität kann nicht nur zur Diversifikation und Absicherung eines Portfolios aufgrund ihrer negativen Korrelation zu Aktien,18) sondern auch zur Renditegenerierung genutzt werden. Da die Volatilität als Anlageklasse an sich eine sehr hohe Schwankungsbreite aufweist, ist neben einem klaren Meinungsbild über die zukünftige Entwicklung auch das richtige Timing für den Erfolg einer solchen Investition in Volatilität maßgeblich. Daher wird auf Basis der bereits aufgezeigten Mean-Reversion-Eigen schaft der Volatilität nachfolgend ein vereinfachter regelbasierter Mechanismus für die Ableitung geeigneter Investitionsentscheidungen unter Einbezug der bisher vorgestellten Instrumente dargestellt.

Ausgangspunkt für das Modell bildet die Wertentwicklung von Volatilitätsindizes. Wie bereits erläutert, nähern sich die Tagesschlussstände der Indizes langfristig ihrem Durchschnittswert an. Bei einer Gegenüberstellung der beiden Größen lassen sich prinzipiell drei Ausgestaltungen unterscheiden. Ein einzelner Indexwert kann entweder größer, gleich oder kleiner als dem Mittelwert aller Indexstände sein.

Ausgehend hiervon lässt sich anhand des heutigen Volatilitätsniveaus nunmehr eine Aussage über die bevorstehende tendenzielle Entwicklung des Volatilitätsindizes ableiten. Liegt der aktuelle Kurs über dem Durchschnitt, kann perspektivisch mit einem Kursrückgang und demgemäß einer erwarteten, rückläufigen Volatilitätsveränderung gerechnet werden. Umgekehrt impliziert ein gegenwärtig unter dem Durchschnitt liegender Kurs einen zunehmenden Indexwert und mithin eine steigende Volatilitätserwartung. Entspricht der Kurswert genau dem Durchschnitt, lässt dieses Modell keine Rückschlüsse auf die Richtung der Volatilitätsveränderung zu.

Die mittels dieser Methode gebildete Meinung der Volatilitätsbewegung kann als Grundlage für den Auswahlprozess geeigneter Volatilitätsinstrumente basierend auf deren Volatilitätsposition herangezogen werden. So lautet die Investitionsempfehlung beispielsweise, bei einem unter dem langfristigen Mittelwert liegenden Indexstand Volatilität zu kaufen und eine Long-Volatilitätsposition mit der Investition in einen Long Straddle beziehungsweise Long Strangle oder dem Kauf von Volatilitäts-Futuren aufzubauen.

Eine Anwendung des Modells auf den V-Dax-New für den Zeitraum 3. Januar 2000 bis 11. Oktober 2013 ergibt folgendes Bild (vergleiche Tabelle 1). Insgesamt können die 3 511 Handelstage in zwei Gruppen unterteilt werden. An 2 214 und damit knapp zwei Drittel aller Handelstage liegt der Index unter seinem Mittelwert und folglich nur mit ein drittel und 1 297 Handelstagen darüber. Die Abweichung nach unten fällt mit durchschnittlich 6,05 Indexpunkten (entspricht knapp 25 Prozent) jedoch deutlich geringer aus als mit 10,33 Indexpunkten (entspricht mehr als 40 Prozent) nach oben.

Diese Aussagen lassen sich spezifizieren, wenn der Betrachtungszeitraum parallel in 154 Abschnitte mit einer durchgehend positiven oder negativen Abweichung einteilt wird (vergleiche Tabelle 2).

100 dieser Perioden umfassen dabei maximal fünf Handelstage, weitere 26 Perioden maximal 20 Handelstage, wobei die Anzahl der Abschnitte mit positiver Abweichung leicht überwiegt. Auffallend ist ebenfalls, dass eine Periode entweder weniger als 120 oder gleich mehr als die doppelte Zeitspanne, nämlich 250 Handelstage umfasst. Für fünf Perioden war Letzteres der Fall, wobei sich die drei Abschnitte mit negativer Abweichung über bedeutend mehr Handelstage erstreckten.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass sich die Volatilität tendenziell innerhalb weniger Handelstage wieder ihrem Mittelwert annähert. In Extremphasen können jedoch deutliche absolute Abweichungen nach oben auftreten. Perioden negativer Abweichung dagegen können zeitlich länger andauern und in verhältnismäßig geringerer Ausprägung verlaufen.

Auf Basis der Mean-Reversion-Eigenschaft lässt sich folglich eine Trading-Strategie konzipieren.19) Das umfangreichere Renditepotenzial in den Grenzbereichen und eine zeitnahe Tendenz hin zum langfristigen Mittelwert sprechen für eine Umsetzung in Perioden, in denen der aktuelle Indexstand über dem langfristigen Mittelwert liegt. Ein Extrem- beziehungsweise Grenzwert für die Feststellung des idealen Investitionszeitpunkts lässt sich jedoch nicht ausdrücklich definieren.

Anlageform für private und institutionelle Anleger

Grundsätzlich muss sich jeder Anleger vor einer Investition darüber im Klaren sein, um welche Art von Investment es sich handelt und wie dieses aufgebaut und strukturiert ist. Zudem ist eine eindeutige Marktmeinung bezüglich der künftigen Entwicklung unerlässlich. Beides gilt besonders für die vielschichtige Anlageklasse der Volatilität.20)

Der Handel von Volatilität ist für Privatanleger zwar grundsätzlich möglich, bislang jedoch noch überaus komplex. So können über den Erwerb von Optionen beziehungsweise Optionsscheinen und deren Kombinationen Positionen aufgebaut werden, deren Wert von der Volatilität maßgeblich beeinflusst ist. Auch bei der Preisbildung vieler strukturierter Produkte kommt der Volatilität eine entscheidende Rolle zu. So verkauft der Inhaber eines Discount-Zertifikats indirekt eine Call-Option und der Inhaber eines Reverse Convertible eine Put-Option. Allerdings können Privatanleger mit diesen Instrumenten die Volatilität bisher nicht isoliert handeln.

Neben entsprechend spezialisierten Fonds werden derzeit speziell am Retailmarkt Indexzertifikate auf die Volatilität offeriert. Die Entwicklung des Volatilitätsindizes als Underlying wird dabei durch das Zertifikat dargestellt. Es ist jedoch zu beachten, dass keine exakte Abbildung des Indizes stattfindet, da aufgrund der aufwendigen Replizierbarkeit des Indizes der Preis des Zertifikats eher von der Forward-Volatilität, das heißt der per Verfall erwarteten Volatilität, bestimmt wird. Damit eventuelle Roll-Problematiken bei länger laufenden Zertifikaten wertneutral verlaufen, wird dies häufig über Anpassung des Bezugsverhältnisses verarbeitet. Die genaue Umsetzung und die verschiedenen Ausgestaltungsmöglichkeiten der Zertifikate hängen dabei vom jeweiligen Emittenten ab, weswegen für private Investoren mit begrenzter Kapitalmarkterfahrung der Vergleich der einzelnen Angebote wichtig ist. Für Investoren mit begrenzter Kapitalmarkterfahrung dürfte dies in aller Regel kaum realisierbar sein.

Institutionelle Anleger hingegen handeln bereits Volatilität. Vor allem die außerbörslich gehandelten Variance-Swaps sind in den vergangenen Jahren nochmals deutlich liquider geworden. Aber auch die Umsatzstatistik an der Eurex zeigt eine Etablierung der Volatilitätsderivate am Markt, beispielsweise werden häufig Mini-Futures auf den V-Stoxx gehandelt. Insgesamt bleibt die Anlageklasse der Volatilität für institutionelle Anleger ein entscheidendes Instrument zur Portfoliooptimierung und gewinnt zunehmend an Bedeutung.

Tendenz zum langfristigen Mittelwert

Insgesamt kann die am Finanzmarkt als Risikomaßzahl für die Schwankungsbreite von Aktienrendite eingeführte Volatilität mittlerweile als eigenständige Anlageklasse angesehen werden. Die Untersuchung der besonderen und für eine Investitionsentscheidung relevanten Merkmale der Volatilität hat ergeben, dass der Kursverlauf der Volatilität innerhalb einer gewissen Bandbreite abläuft und eine eindeutige Tendenz zum langfristigen Mittelwert aufweist. Trotz der hohen Schwankungsintensität der Volatilität lassen sich autokorrelierte Clusterphasen erkennen und eine Prognose über das zukünftige Volatilitätsniveau ableiten.

Mittels Optionsstrategien kann ein Portfolio sensitiv gegenüber der Veränderung der Volatilität gestaltet werden. Die Berechnung des V-Dax-New und vergleichbarer Volatilitätsindizes ermöglicht seit einigen Jahren auch den Future-Handel. Die Einführung weiterer Finanzinstrumente auf die Indizes machen Volatilität zu einer vielseitig investierbaren Größe. Wie sich die Volatilitätsinvestments in verschiedenen Marktphasen verhalten, hängt dabei von der jeweiligen Volatilitätsposition ab. Bei dem Handel mit Volatilität gilt es zwei Strategien zu unterscheiden. Einerseits bietet die negative Korrelation der Volatilität mit Aktien eine Möglichkeit das Portfolio zu diversifizieren und gegen mögliche Kursrückgänge am Aktienmarkt abzusichern. Andererseits kann die Volatilität eigenständig als alternative Renditequelle genutzt werden. Hierbei bieten Phasen fallender und unsicherer Märkte, die mit einem hohen Volatilitätsniveau einhergehen, tendenziell größere Renditemöglichkeiten. Mit dem Verkauf von Volatilität und damit dem Aufbau einer Short-Position kann der Investor von rückläufiger Volatilität profitieren.

Da die Volatilität jedoch stark sensitiv ist, gestaltet sich der Umgang äußerst komplex. Daher sollten Investoren die Entwicklung am Aktienmarkt und insbesondere sein Schwankungspotenzial stets verfolgen und analysieren. Volatilitätsinstrumente können wegen ihrer Mean-Reversion-Eigenschaft nicht gehalten, sondern nur gehandelt werden und langfristige Renditen wie bei traditionellen Anlageklassen in Form von Aktien oder Anleihen sind nicht zu erwarten. Der Handel mit Volatilität bietet sich vor allem für ein aktives Portfoliomanagement und taktische Investments an.

Der Markt für Volatilität ist in den vergangenen Jahren sowohl in der Breite als auch in der Tiefe deutlich gewachsen. Neben institutionellen Anlegern investieren zunehmend auch Privatbanken und vermögende Privatkunden in die vermehrt angebotenen Finanzinnovationen auf die Anlageklasse Volatilität. Die zukünftige Performance dieser Produkte wird dabei mit ausschlaggebend für eine feste Etablierung und den weiteren Zuwachs der Anlageklasse Volatilität am deutschen Finanzmarkt sein.

Letztendlich tragen Volatilitätsindizes und OTC- als auch börsengehandelte Instrumente zur Steuerung der Volatilität zur Komplettierung des Finanzmarktes bei. Jedoch bleiben beim Volatilitätshandel die Zeit und die damit einhergehenden Finanzierungs- und Kapitalbindungskosten die entscheidenden Unsicherheitsfaktoren. Bereits der britische Ökonom John Maynard Keynes erkannte, dass Märkte viel länger irrational bleiben können, als Investoren solvent.

Fußnoten

1) Vgl. auch im Folgenden Hull: Optionen, Futures und andere Derivate, 7. Aufl., 2009, S. 259, 353 f., 370, 938.

2) Vgl. auch im Folgenden Steiner/Bruns/Stöckl: Wertpapiermanagement, 10. Aufl., 2012, S. 55, 353, 362, 369, 512, 515, 534, 537.

3) Vgl. auch im Folgenden Wiedemann: Financial Engineering, 6. Aufl. 2013, S. 226, 446f., 449.

4) Vgl. auch im Folgenden Thomas/Schmidt: Volatilitätsindizes im Vergleich - Ist Volatilität handelbar?; in: Finanz Betrieb, H. 06/2005, S. 433f.

5) Vgl. auch im Folgenden Detering/Zhou/Wystup: Volatilität als Investment: Diversifikationseigenschaften von Volatilitätsstrategien, Working Paper, Frankfurt School of Finance and Management 2012; http://www.frankfurtschool.de/clicnetclm/file-Download.do?goid=000000354372AB4, besonders S. 12, 15, 30.

6) Vgl. auch im Folgenden Wilkens/Scholz: Reverse Convertibles und Discount-Zertifikate - Bewertung, Pricingrisiko und implizite Volatilität; in: Finanz Betrieb, H. 03/2000, S. 172f., 178.

7) Trotz des neuen Berechnungskonzepts für den V-Dax-New liegt die Korrelation zwischen den beiden Indizes nahezu bei eins.

8) Vgl. auch im Folgenden Deutsche Börse: AG (2007): Leitfaden zu den Volatilitätsindizes der Deutschen Börse, Version 2.4, Januar 2007, Frankfurt am Main; in: http://www.boerse-frankfurt.de/ DE/MediaLibrary/Document/Wissen/vdax_guide.pdf, S. 19, 24.

9) Vgl. auch im Folgenden Schöne: Handelbarkeit und Informationsgehalt von Volatilitätsindizes, Diss. Univ. Bielefeld, 2011, http://pub.uni-bielefeld.de/ luur/download?func=downloadFile&recordOId=24 47109&fileOId=2447110, S. 11, 30f., 48.

10) Der V-Dax-New orientiert sich damit ebenso wie die anderen vorgestellten Volatilitätsindizes am Konstruktionsbeispiel des Vix.

11) Vgl. auch im Folgenden Bourdeix/Dänner: Volatilität als neue Assetklasse, in: ZfgK 8/2008, S. 354-356; Henke: Investieren in Volatilität - Eine Analyse des V-Dax als Portfoliobeimischung; in: Finanz Betrieb, H. 03/2006, S. 171.

12) Vgl. auch im Folgenden Peetz/Schmitt: Wie aus Volatilität Rendite wird; in: Die Bank, H. 03/2009, S. 14f., 17, 22.

13) Vgl. auch im Folgenden Goldman Sachs: Volatilitäts-Kompass, in: http://data.boerse-go.de/partner/goldmansachs/kompasse/02_Volatilitaets-
Kompass.pdf, S. 11, 34 ff.; Lehmann: Strukturierte Investmentprodukte - Absatz und Marktvolatilität, Dissertation, Univ. St. Gallen 2008, http://www1.unisg.ch/www/edis.nsf/SysLkpByIdentifier/3517/ $FILE/dis3517.pdf, S. 35, 37, 56f., 123f.

14) Vgl. auch im Folgenden Hafner/Wallmeier: Volatilität als Anlageklasse - Attraktiv für institutionelle Anleger, in: Busack/Kaiser (Hrsg.): Handbuch Alternative Investments Band 2, 2006, S. 513ff.

15) Vgl. auch im Folgenden Clausius/Kloy: Volatilität: Eine neue Assetklasse oder Crash-Versicherung?; in: ZfgK 3/2005, S. 134-137.

16) Vgl. auch im Folgenden Bloss/Ernst: Derivate - Handbuch für Finanzintermediäre und Investoren, 2008, S. 65.

17) Für eine genaue Darstellung und Analyse der Variance-Swaps vgl. Detering/Zhou/Wystup: a.a.O., S. 15.

18) Zur Ausführung und Beurteilung dieser Strategie vgl. u.a. Hafner/Wallmeier: a.a.O., S. 521-525; Peetz/ Schmitt: a.a.O., S. 15-20 oder Clausius/Kloy: a.a.O., S. 20-23.

19) Derartige Strategien werden als direktionale Ansätze zusammengefasst, vgl. Bourdeix/Dänner: a.a.O., S. 33.

20) Für eine ausführliche Diskussion, ob Volatilität grundlegend als eigenständige Assetklasse betrachtet werden kann oder nicht vielmehr eine Trading-Strategie darstellt, vgl. Detering/Wystup/Zhou: a.a.O., S. 11-13.

Prof. Dr. Stephan Schöning , Professor für ABWL/Finance, SRH Hochschule Heidelberg
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