Geschichte der Bayerischen Raiffeisen-Zentralbank

Das Zusammengehen der DZ Bank mit der WGZ Bank im Jahr 2016 war der Schlusspunkt einer etwa 30-jährigen Entwicklung, die im Jahr 1985 ihren Anfang nahm. Die DG Bank, Vorgängerinstitut des heutigen Spitzeninstituts DZ Bank, übernahm seinerzeit die in Schieflage geratene Bayerische Raiffeisen-Zentralbank AG (BRZ). Diese Übernahme einer regionalen Zentralbank durch ein Spitzeninstitut durchbrach das bisherige dreistufige Verbundsystem der Volks- und Raiffeisenbanken und war damit zugleich der Anfang vom Ende der Dreistufigkeit bei den Genossenschaftsbanken.

Großer Schaden durch das Bauträgergeschäft

Wittmanns Studie ist in sieben Teile gegliedert, wobei Einleitung und Fazit den ersten und letzten Teil bilden. Die Geschichte der BRZ und ihrer Vorgängerinstitutionen bis zu den ersten Krisenanzeichen wird in den Teilen zwei bis vier zielführend und keineswegs ausufernd beschrieben. Das Hauptaugenmerk der Untersuchung liegt im fünften Teil und zwar auf dem Bauträgergeschäft, das seit Anfang der achtziger Jahre enorm ausgeweitet wurde und letztendlich dem Unternehmen großen wirtschaftlichen Schaden zufügte. Ermöglicht wurde dies durch laxe Kreditgewährung an bonitätsschwache Investoren, bei gleichzeitiger systematischer Vertuschung sowie mangelnder Kontrolle durch Vorgesetzte und Aufsichtsorgane. Mit der Übernahme durch die DG Bank schließt dieser Teil.

Die Verfehlungen von Direktoren, Vorständen und Aufsichtsräten und die damit verbundene strafrechtliche Aufarbeitung sind Gegenstand des sechsten Teils der Arbeit.

Wittmann ist der Verdienst zuzuschreiben, die Geschichte der BRZ in ihrer an der Universität Bamberg verteidigten Dissertation umfangreich und sachkundig aufgearbeitet zu haben. Fraglich ist allerdings, ob die Arbeit der Teilüberschrift des Gesamtwerkes und somit einer Analyse gerecht wird. Die Ergebnisse der äußerst umfangreichen und löblichen Archivrecherchen und Zeitzeugeninterviews führen in der Regel zu einer reinen deskriptiven Untersuchung, die darüber hinausgehende Fragestellungen und Erkenntnisse etwas vermissen lässt. So wird selbst die im Geleitwort aufgeworfene "zentral und forschungsleitend[e] ... Frage" (Seite 10), nach dem Warum, also ob die veränderten Rahmenbedingungen oder die riskante Geschäftspolitik zum Zusammenbruch der BRZ führte, im Grunde nicht beantwortet.

Ärgerlich sind Trugschlüsse, die durch die bloße Betrachtung absoluter Zahlen und nicht durch einen relativen Vergleich erfolgen, wie etwa die Entwicklung der Einlagen von Kunden und Primärinstituten. Dabei wird ein Anstieg um etwa 334 Prozent als enorm benannt, während ein zeitgleicher Anstieg um etwa 310 Prozent als nicht "nennenswert" abgetan wird (Seite 102 sowie Abbildung 35). Verwirrend ist, dass die von der DG Bank übernommene Beteiligung an der Schwäbisch Hall als besonders wertvoll (Seite 325) bezeichnet wird, da dies im krassen Widerspruch zu der in der Untersuchung ausgewiesenen Beteiligung steht, die sich im Promillebereich beläuft (Seite 220). Ebenfalls verwirrend ist die wiederholte Verwendung von Tausendertrennpunkten statt Kommata (Seiten 266 bis 269), die zu einer Vertausendfachung von Konsortialbeteiligungen - aus 100 Millionen DM werden 100 Milliarden - führen. Merkwürdig sind typografische Unsauberkeiten wie Satz- und Trennfehler, "Hurenkinder" (beispielsweise Seiten 293 und 325) und Absätze mitten im Wort (Seite 281).

Verwunderlich ist zudem die Verwendung des Terminus technicus "drohende Zahlungsunfähigkeit" aus der Insolvenzordnung im Untertitel. Zum einen war der Tatbestand drohende Zahlungsunfähigkeit bei der BRZ nie erfüllt und zum anderen ist der Begriff erst mit § 18 der Insolvenzordnung 1999 inhaltlich klar besetzt worden. Erstaunlicherweise wird der Begriff in der eigentlichen Arbeit nie verwandt, sondern lediglich im Geleitwort zur Arbeit, dafür dann gleich mehrfach. Ein Personen- und Institutionenregister wäre wünschenswert gewesen. Gleichwohl ist es Wittmann gelungen, eine detailreiche und spannende Studie zu verfassen, die an vielen Stellen die teilweise dunkle Geschichte der BRZ kompetent erhellt.

Dr. Klemens Grube, Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Stiftungslehrstuhl für ABWL und Internationales Finanzmanagement/ Internationale Kapitalmärkte, Universität Greifswald

Im deutschen Bankensystem spielt "die Drei" eine herausragende Rolle: drei Säulen, drei Stufen. Das Drei-Säulen-System erfasst Kreditbanken, Sparkassen und Genossenschaftsbanken als die großen Akteure im Bankensystem. Die BRZ gehört zu den Genossenschaftsbanken. Das Drei-Stufen-System benennt den pyramidenartigen Aufbau der Genossenschaftsbanken mit den Volks- und Raiffeisenbanken auf der untersten Stufe, den regionalen genossenschaftlichen Zentralbanken auf der mittleren Stufe und der damaligen DG Bank auf der obersten Stufe.

Ein facettenreicher Einblick in die Krise der BRZ

Teilband 2 ist als Sammelband konzipiert. Er nimmt insgesamt zehn Beiträge von acht Autoren auf. Aber auch hier spielt "die Drei" eine große Rolle: Zum einen ist Wagner-Braun mit drei Beiträgen vertreten und zum anderen fungiert sie als (i) Herausgeberin des Teilbandes 2, (ii) des Gesamtbandes 133 sowie (iii) als Mitherausgeberin der renommierten Schriftenreihe, die den Gesamtband aufnimmt. Dass sich die Teilbände 1 und 2 auch unabhängig voneinander mit großem Gewinn lesen lassen, liegt nicht zuletzt an der profunden Einführung und Erläuterung der Fragestellung (Teil 1), sondern auch an der Darlegung des wissenschaftlichen Befundes (Teil 10) durch die Herausgeberin. Dazwischen bieten acht Beiträge einen facettenreichen Einblick in die Krise der BRZ und ihre Konsequenzen.

Zunächst geht Robert Obermaier auf die liquiditätsmäßig-finanziellen und technisch-organisatorischen Ursachen der Krise sachkundig ein und beleuchtet dabei auch die zentrale und spannende Frage der Bewertung von BRZ-Vermögensgegenständen nach Fortführungs- oder Zerschlagungswerten. Die nächsten drei Beiträge drehen sich um das Bauträgergeschäft, wobei die Auswirkungen der Übernahme der BRZ für die Bauträgerkunden (Wittmann), die Verwicklung von Primärgenossenschaften ins Bauträgergeschäft (Adam Dyczewski) sowie die Folgen der BRZ-Krise auf die von Bauträgern beauftragten Handwerker (Wagner- Brau n) im Mittelpunkt stehen. Rainer Gömmel geht auf die Entwicklung der Bayerischen-Beteiligungs-AG als "Restebank" und Nachfolgeinstitut der BRZ ein.

Fehlende wirtschaftsjuristische Betrachtung

Anschließend betrachtet Arnd Kluge sehr instruktiv die BRZ-Krise im Spiegel der Printmedien. Dieser Aspekt verdient zurecht Aufmerksamkeit, weil bei Bankenkrisen über den Kanal der öffentlichen Wahrnehmung zahlreiche Dominoeffekte ablaufen können. Die beiden Beiträge von Adrian Hubel und Holger Blisse untersuchen die "Stufigkeit" im Genossenschaftswesen, wobei Hubel sich sehr eingängig und überblickartig der Strukturdiskussion im deutschen Genossenschaftswesen widmet, während Blisse darüber hinaus auch einen tiefgründigen Vergleich mit Österreich vornimmt.

Die Entscheidung, die Entwicklung der BRZ bis in die Krise mittels einer Dissertation und die facettenreichen Konsequenzen der Krise mittels Sammelbandbeiträgen zu analysieren, ist angesichts der Größe des Projekts klug gefällt worden. Die Beiträge sind lesenswert und anregend. Zwei Kritikpunkte seien dennoch vorgebracht. Zum einen bespricht Teilband 2 mehr als sein Titel verspricht: Er untersucht vielfältige Konsequenzen der BRZ-Krise - die Übernahme durch die DG Bank im Jahr 1986 ist nur eine davon. Zum anderen ist nicht ganz klar, was mit der BRZ seinerzeit genau geschah. Im Buch finden sich dazu viele unterschiedliche Begriffe: Schieflage, Ende, Untergang, Zusammenbruch, Übernahme, Fusion, drohen der Konkurs, drohende Zahlungsunfähigkeit, drohende und fiktive Überschuldung.

Hier wäre womöglich ein wirtschaftsjuristischer Beitrag erhellend gewesen. Der hätte nicht nur mögliche Verbindungen zur 1999 in Kraft getretenen Insolvenzordnung und ihrer 2008 erfolgten Novellierung ziehen können. Vielmehr hätte dabei auch die Trennung der ökonomischen von der rechtlichen Überschuldung bei Aufwertung der Fortführungsprognose interessante Ansatzpunkte geboten. Ungeachtet dessen sind beiden Teilbänden viele Leser zu wünschen!

Prof. Dr. Jan Körnert, Stiftungslehrstuhl für ABWL und Internationales Finanzmanagement/Internationale Kapitalmärkte, Universität Greifswald

Margarete Wagner-Braun (Hrsg.): Die Bayerische Raiffeisen-Zentralbank AG. Analyse einer bayerischen Ikone seit 1893. Beiträge zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Band 133.1, Stuttgart 2019, Franz Steiner Verlag.
Margarete Wagner-Braun (Hrsg.): Die Bayerische Raiffeisen-Zentralbank AG. Analyse einer bayerischen Ikone seit 1893. Beiträge zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Band 133.2, Stuttgart 2019, Franz Steiner Verlag.
Prof. Dr. Jan Körnert , Stiftungslehrstuhl für ABWL und Internationales Finanzmanagement / Kapitalmärkte , Universität Greifswald
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