Marktmissbrauchsverordnung

Klöhn (Hrsg.), Brellochs/Schmolke/Semrau, Marktmissbrauchsverordnung - Verordnung (EU) Nr. 596/2014, Verlag C. H. Beck, 1. Auflage 2018, XVII 968 S., gebunden, 169,00 Euro; ISBN 978-3-406-67798-4

In der Kürze liegt die Würze - dass dieser hübsche Grundsatz nicht immer gilt, zeigen die fast schon lapidar oder aber sarkastisch hingeworfenen Vorschriften zum strafbaren Marktmissbrauch: Laut Artikel 14 - Verbot von Insidergeschäften und unrechtmäßiger Offenlegung von Insiderinformationen sind folgende Handlungen verboten:

a) das Tätigen von Insidergeschäften und der Versuch hierzu,

b) Dritten zu empfehlen, Insidergeschäfte zu tätigen, oder Dritte anzustiften, Insidergeschäfte zu tätigen, oder

c) die unrechtmäßige Offenlegung von Insiderinformationen."

Laut Artikel 15 - Verbot der Marktmanipulation - sind Marktmanipulation und der Versuch hierzu sind verboten.

Die Würze liegt hier nicht im Minimalismus, sondern der unerschöpflichen Weite und Tiefe der Tatbestandsvoraussetzungen und Tathandlungen. Daraus folgte das zwingende Erfordernis durch ein umfassendes Werk die dringend notwendige Rechtssicherheit zu schaffen, soweit das mit rechtswissenschaftlichen Auslegungs- und Vergleichsmöglichkeiten überhaupt gelingen kann. Bereits darin liegt die Bedeutung dieses gänzlich neuartigen Kommentars, der sich den MAR (Market Abuse Regulation): Marktmissbrauchverordnung (MMVO) - EU Nr. 596/2014 als Herzstück des europäischen Kapitalmarktrechts widmet.

In Kapitel 1 (Art. 1 - 6) des Gesamtwerks erläutert Klöhn Historie und Systematik des Marktmissbrauchsrechts mit Definition des Insiderverbots, Darstellung der Begriffsinhalte mit einer tabellarischen Übersicht der europäischen Rechtsakte. Kapitel 2 - ebenfalls Klöhn - bietet eine umfassende Darstellung von Artikel 7 MMVO. Zur "Insiderinformation" werden die Begriffe der Insiderinformationslage und der Informationsgegenstände (Tatsachen, Gerüchte, Prognosen) erläutert. Abgrenzungsschwierigkeit: Wann ist eine Information mit welchem Gegenstand oder Handeln "öffentlich bekannt gemacht", wann liegt Kursrelevanz, auch in Abhängigkeit von der Markterwartung vor. Breiten Raum nimmt die Darstellung der "besonderen Regeln für bestimmte Insiderinformationen", etwa in Bezug auf noch nicht aufgeführte Kundenaufträge und die Einzelfälle von Insiderinformationen ein: Erwerbs- und Übernahmeangebote, Umstrukturierungen, Kapital- und Personalveränderungen (Wechsel von Organmitgliedern).

Insidergeschäfte

Für die Praxis sind die Ausführungen zu Artikel 8 MMVO "Insidergeschäfte" wichtig: Geschütztes Rechtsgut ist der gleichberechtigte Marktzugang. Als Handelnde kommen in erster Linie Organmitglieder, Gesellschafter, aber auch "Berufsinsider" in Betracht, bei denen es nicht auf den Inhalt ihrer Aufgaben ankommt, sondern auf Zugang zu relevanten Informationen. Von hoher Relevanz sind die Überlegungen des Verfassers in Bezug auf den direkten oder indirekten Erwerb und die Veräußerung von Finanzinstrumenten, weil es dabei auch um das Profitieren durch Anstiftung zum Insiderhandel und Mittelsmänner geht. Die Kommentierung von Art. 10 befasst sich mit dem Begriff der Offenlegung, dem Terminus des "Unbefugten" und dem Offenlegungsinteresse. Ausnahmetatbestände: Offenlegung in Ausübung des Berufes.

Brellochs definiert bei seiner Kommentierung von Art. 11 MMVO die Marktsondierung als Übermittlung der Information des offenlegenden Marktteilnehmers an den Empfänger, bevor die wesentlichen Bedingungen des Geschäfts veröffentlicht worden sind. Er kristallisiert heraus, dass es bei der Offenlegung gegenüber einem potenziellen Anleger entscheidend darauf ankommt, ob der Informationsempfänger im Rahmen des Geschäfts ei ne Investitionsentscheidung in Abhängigkeit von den Bedingungen der Kapitalmarkttransaktion treffen soll. Wesentlich für eine Marktsondierung ist die "Abschätzung des Interesses" an dem Geschäft, das ist im Stadium konkreter Vertragsverhandlungen nicht mehr der Fall.

Marktmanipulation

Der Hauptteil: Art. 12 "Marktmanipulation" ist von Schmolke umfassend kommentiert. Dabei nimmt die Erörterung des Begriffs "Marktmanipulation" weiten Raum ein; nachvollziehbar herausgearbeitet sind neben dem gegenständlichen Anwendungsbereich die Tathandlungen: Durch sie muss ein bestimmter Effekt ausgelöst werden, etwa mittels falscher oder irreführender Signale durch die das Kursniveau beeinflusst werden kann. Schmolke definiert potenziell falsche beziehungsweise irreführende Signale und beschreibt ihre Verbreitung und Verbreitungswege, den Begriff und die Bedeutung des Referenzwertes eines Finanzinstrumentes, der manipuliert wird, und die erforderliche Einflussnahme auf den Berechnungsprozess.

Klöhns Kommentierung von Art. 17 bietet eine umfassende Einführung in die Ad-hoc-Publizitätspflicht. Da weitesten Auslegungen Tür und Tor geöffnet ist, hat der Autor die Thematik systematisch aufgearbeitet: Erörtert wird im Kapitel zur Allgemeinen Ad-hoc-Publizitätspflicht der personelle Anwendungsbereich, Insiderinformation, Unmittelbare Betroffenheit und der Begriff der "Unverzüglichkeit". Wesentlich ist die Dokumentationspflicht während der Aufschubphase gemäß Art. 4 I DurchführungsVO (EU) 2016/1055. In Kapitel VI. zu Art. 17 liefert Klöhn eine umfassende Kasuistik, bei der die Stichworte "Director's Dealings", Personelle Veränderungen, Fehlverhalten und strafbare Handlungen des Managements schon aus aktuellen Gründen besondere Beachtung verdienen.

Eigengeschäfte von Führungskräften

Manager werden die Ausführungen von Semrau zu Art. 19 "Eigengeschäfte von Führungskräften" zu schätzen wissen, insbesondere die Erläuterungen zum Personenkreis, der von der Meldepflicht des Art. 19 I umfasst ist: Organmitglieder (Vorstand, Aufsichts- beziehungsweise Verwaltungsrat), Führungskräfte mit Zugang zu Insiderinformationen, nicht: Aktionäre, auch wenn sie beherrschenden Einfluss haben, externe Dienstleister. Semrau verlangt als weiteres Kriterium zur Anwendung des Art. 19, dass die Führungsperson durch das Geschäft einen signifikanten eigenen wirtschaftlichen Vorteil erzielen kann. Neben der Darstellung der meldepflichtigen Geschäfte beschreibt der Verfasser die Durchführung der Meldung, mit Erörterung der Melde- und Veröffentlichungsfrist, Inhalt und Form der Meldung.

Dieses Werk ist verlässliche Leitlinie, vorzügliches Handwerkszeug für Bankjuristen in Kreditinstituten, leitende Mitarbeiter in Behörden des Finanzsektors und detailliertes Kompendium für Dozenten des Bankrechts und der Bankwirtschaft. Dieser in jeder Hinsicht tiefgründige Kommentar vermittelt Vorständen, Mitgliedern von Aufsichts- und Verwaltungsräten außerdem fundiertes Ergänzungswissen, das zum Sachkundenachweis gemäß §§ 25 c, d KWG ausgezeichnet herangezogen werden kann. Die Verfasser haben nichts weniger versucht, als ein Werk vorzulegen, das als Fundament des europäischen Marktmissbrauchsrechts angesehen werden kann. Genau das ist in jeder Hinsicht hervorragend gelungen.

Hartmut Glenk, Direktor, Institut für Genossenschaftswesen und Bankwirtschaft (IGB), Siegen/Berlin

Hartmut Glenk , Direktor, Institut für Genossenschaftswesen und Bankwirtschaft (IGB), Siegen/Berlin
Noch keine Bewertungen vorhanden


X