Rundreise durch die neue digitale Finanzwelt

Eswar S. Prasad, The Future of Money. How the Digital Revolution Is Transforming Currencies and Finance, The Belknap Press of Harvard University Press, 2021, ISBN 978-0674270091 (Gebundene Fassung: 496 Seiten, ISBN 978-0674258440)

Ökonomieprofessor Prasad ist ein ausgewiesener Währungsexperte. Von 1990 bis 2006 arbeitete er für den IWF, wo er zuletzt die Abteilung für Finanzstudien leitete. 2014 erschien sein Buch "The Dollar Trap". Darin belegte Prasad, dass der Beinahe-Kollaps des Finanzsystems in den Jahren 2008 und 2009 den US-Dollar nur noch dominanter gemacht habe. Von seiner häufig beschworenen Verdrängung als weltweite Leitwährung, etwa durch den chinesischen Renminbi (RMB), könne keine Rede sein. 2016 folgte "Gaining Currency": In diesem Buch stand die chinesische Währung im Mittelpunkt. Ihr Potenzial werde überbewertet, vor allem sei der RMB kein sicherer Hafen.

Breite und tiefe Analyse

Das aktuelle Werk des US-Forschers, der seit 2007 an der renommierten Cornell Universität lehrt, bietet eine große Rundreise durch die neue Welt des Geldes: Es erklärt von der Pike auf, wie die digitale Revolution, die sich derzeit abspielt, das globale Währungs- und Finanzsystem verändern dürfte. Auf rund 500 Seiten geht es dabei derart in die Breite und Tiefe, dass für viele Interessengruppen etwas dabei sein dürfte. Teil I legt nach einer Art Exposition (Kapitel 1) die geld- und finanztheoretischen Grundlagen. In diesem zweiten Kapitel ist wenig neu, aber es erfüllt seinen Zweck, die alte Welt umfassend darzustellen. Teil II behandelt die aktuellen Finanzinnovationen. Kapitel 3 untersucht, ob Fintechs die Welt verbessern. Es bildet deren gesamte Produktpalette ab und verdeutlicht, wie wichtig technologiebasierte Finanzdienstleistungen insbesondere für Entwicklungs- und Schwellenländer sind. Kapitel 4 widmet sich der Bitcoin-"Revolution", die nach Aussage des Autors stockt. Bitcoins im Besonderen und die Blockchain im Allgemeinen werden erklärt. Unter dem Titel "Crypto Mania" weitet Kapitel 5 den Blick. Hier geht es um Stablecoins und die grundsätzlichen technischen Varianten der Blockchain-Technologie sowie des dezentralisierten Finanzwesens (DeFi), die sich bisher am Markt herausgebildet haben.

Der dritte Buchteil befasst sich mit Zentralbanken. Ausführlich stellt Kapitel 6 dar, wie vielfältig sich digitales Zentralbankgeld technisch und organisatorisch ausgestalten ließe. Daneben erläutert es, was wirklich neu, gut und schlecht an Central Bank Digital Currencies wäre. Kapitel 7 zeigt deren unterschiedliche Entwicklung von Land zu Land: Während beispielsweise Japan oder die Schweiz noch umfassend auf Bargeld setzen, sind Schwedens E-Krone oder Chinas E-Yuan schon weit entwickelt. Teil IV zieht Konsequenzen. In Kapitel 8 geht es um das Internationale Währungssystem: Werden Kryptowährungen oder der E-Yuan den US-Dollar ersetzen? Könnten Fintechs den internationalen Zahlungsverkehr erneuern? Oder dürften weitere Länder Chinas Beispiel folgen und Bitcoins verbieten? Entsteht vielleicht sogar eine internationale staatliche Digitalwährung? Kapitel 9 überlegt, ob die digitale Transformation eine neue Ära der Geldpolitik und Finanzmarktregulierung einläuten wird. Das Schlusskapitel 10 präsentiert die wichtigsten Änderungen, mit denen Prasad rechnet: Mehr Wettbewerb zwischen privaten und staatlichen Währungen; mehr Desintermediation zugunsten von Fintechs und zulasten traditioneller Geschäftsbanken; mehr grenzüberschreitende Transaktionen und eine Demokratisierung des Finanzsystems. Nur die Notenbanken blieben, was sie seit dem 20. Jahrhundert sind: zentral.

Diverse Zielgruppen

Ist "The Future of Money" lesenswert? In Teilen zweifellos, in Gänze kaum. Was daran liegt, dass der Bogen schon arg weit gespannt wird. Wer sich zum Beispiel für Kryptowährungen interessiert, lernt in den entsprechenden Kapiteln 3 bis 5 mehr dazu als in Kapitel 6 und 7, die sich mit Zentralbankgeld beschäftigen. Und umgekehrt. Überhaupt sind einige Ausführungen alles andere als neu (zum Beispiel die generelle Erläuterung der Blockchain in Kapitel 4), von eher anekdotischem Interesse (zum Beispiel Prasads persönlicher Weg zum indischen Führerschein in Kapitel 6) oder zu weit hergeholt (zum Beispiel Kapitel 9, das die allgemein veränderte Geldpolitik und Finanzmarktregulierung seit der Finanzkrise beschreibt). Unverständlicherweise fehlt auch jede Zusammenfassung - sowohl in den zehn Einzelkapiteln als auch zu Beginn oder Ende des Buchs. Dafür entschädigt aber die inhaltliche Tiefe der Analyse, etwa wenn es um verschiedene Formen des digitalen Zentralbankgeldes geht. Auch die zahlreichen Länder- und Firmenbeispiele lassen wohltuend vielseitig erkennen, dass der Digitalisierungsschub die ganze Welt betrifft. Hier nämlich nimmt ein US-Buch der Volks- und Finanzwirtschaftslehre zahllose Schwellenländer in den Blick. Für Verständnis und Abwechslung sorgen daneben die Abbildungen. So visualisiert der Verfasser gekonnt, wie Bitcoins funktionieren, oder verdeutlicht per Foto, wie alltäglich in Hongkong schon Anfang 2018 Geldautomaten für Kryptowährungen waren. Rund 90 Seiten Anmerkungen und zahllose Literaturhinweise, die kaum einschlägiger und aktueller sein könnten, untermauern den wissenschaftlichen Anspruch des Werks.

Prof. Dr. Britta Kuhn, Volkswirtschaftslehre, Wiesbaden Business School der Hochschule RheinMain

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