Saulheim galt lange Zeit nur als irgendeine Weinbaugemeinde in Rheinhessen, bis ein paar Jungwinzer wie André Landgraf (Jahrgang 1975) in den letzten Jahren Gas gegeben haben. Wenn man in dieser geschützten Ecke die rebbedeckten Hänge mit ihren Muschelkalkböden sieht, fragt man sich, ob das nicht eine Art Burgund am Rhein ist. Wer sich solchen Assoziationen hingibt, der findet auch bei Verkostungen manche Gemeinsamkeit. André ist keiner, der ständig seine eigenen Weine anpreist. Aber er weiß sehr wohl: Seit in dem Familienbetrieb alles nach seinen Vorstellungen läuft, haben die Weine hinsichtlich Kraft und Tiefe einen großen Sprung nach vorn gemacht. Was gut, klar und ansprechend war (und das waren die Weine immer), ist mittlerweile beeindruckend, strahlend und ausdrucksstark. Seine neuen Weine haben sehr viel zu bieten, ohne schwer oder breit zu wirken - obwohl es hier in den guten Lagen dank der Klimaerwärmung durchaus möglich wäre, satte und wuchtige Weine zu erzeugen. Das neue Rheinhessen ist stark, und diese Stärke ist auch André und seinen Weinen geschuldet.
Mit zwei Begriffen lässt sich die Philosophie von André Landgraf umreißen: Konzentration - auf die Spitzenlagen und die Rebsorten Riesling sowie Weiß-, Grau- und Spätburgunder - und Nachhaltigkeit - seit 2007 werden die sechzehn Hektar Rebfläche ökologisch bewirtschaftet. Seinem Weingut, in dem die Familie seit 1752 den Weinbau pflegt, hat er neue Impulse gegeben. Zuvor hat der Winzer in Geisenheim Weinbau und Önologie studiert und war auf seiner anschließenden Wanderschaft in Spitzenhäusern des In- und Auslands, etwa bei Bergdolt in der Pfalz und der Cape Chamonix Wine Farm in Franschhoek, Südafrika, tätig. Seit er 2005 seinen ersten eigenen Jahrgang erzeugte, geht es stetig bergauf: 2013 hat ihn der Weinführer Eichelmann zum Aufsteiger des Jahres gekürt.
Alle Weine werden spontan vergoren und die besten Qualitäten nicht filtriert. André Landgraf folgt der Terroirphilosophie: der Charakter der Lage soll im Wein zu schmecken sein. Dem Riesling gilt sein Hauptaugenmerk. Das Weingut verfügt über einen wahren Schatz alter Rieslingstöcke in der Lage Saulheimer Schlossberg.
Aus den kleinen Trauben dieser Reben hat der junge Winzer seinen Lieblingswein, den 2011er Riesling trocken, gekeltert. Der Schlossberg ist eine von Hügeln umgebene geschützte Lage mit hervorragenden kleinklimatischen Bedingungen. Der schwere, mit Kalkstein durchzogene Tonmergelboden erwärmt sich nur langsam, kann diese Wärme aber sehr gut speichern. Die lange Reifezeit bringt konzentrierte Trauben mit filigraner, stabiler Säurestruktur, intensiven, würzigen Mineralien und typischen Riesling-Aromen hervor. Der Wein zeichnet sich durch Nachhaltigkeit und sehr gutes Reifepotenzial aus.
Weintipp aus der Zeitschrift:
FINE Das Weinmagazin - Special No. 2
Hrsg. Ralf Frenzel Tre Torri Verlag
