Bundesgerichtshof

"Zumutbarkeit" - zweierlei Maß für Darlehensgeber und -nehmer?

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in den beiden Urteilen vom 13. Mai 2014 entschieden, dass die von Banken formularmäßig in Kreditverträgen mit Verbrauchern vereinbarten Bearbeitungsentgelte AGB-rechtlich unwirksam sind. Damit gab der BGH seine "alte", zuletzt noch im Urteil vom 14. September 2004 formulierte Rechtsprechung auf, die die Wirksamkeit solcher Entgeltvereinbarungen grundsätzlich, teilweise mit quantitativer Begrenzung auf 2 Prozent anerkannt hatte. In der Zeit danach entwickelte sich bei den Instanzgerichten eine Gemengelage kontroverser Meinungen über diese Rechtsfrage. Unterstützt durch die Fachliteratur wurde seit etwa 2011 die Auffassung vorherrschend, AGB-Entgelte für die Darlehensbearbeitung seien für unwirksam zu halten.

Dieser Linie hat sich der BGH jetzt ausdrücklich angeschlossen. Die Banken haben dieses höchstrichterliche Verdikt nolens volens zu akzeptieren und werden solche Entgelte nicht mehr erheben. Eine Fortsetzung der Diskussion, ob dieser gravierende Eingriff in ihre geschäftliche und vertragliche Dispositionsfreiheit für die Banken nachhaltig rechtens ist, erscheint vor dem Hintergrund der allgemeinen gesellschafts-, sozial- und rechtspolitischen Entwicklungen sowie des allgemeinen Zeitgeistes fruchtlos. Dass sich auch unsere Zivilrechtsprechung unter Einschluss des BGH diesen Trends nicht entziehen kann, muss wohl hingenommen werden.

Der BGH hat nun am 28. Oktober 2014 mit zwei weiteren Entscheidungen das Verdikt der Bearbeitungsentgelte so stark ausgeweitet, dass sich der Anschein aufdrängt, der BGH habe hier zwei unterschiedliche Maßstäbe, einen für die Banken als Darlehensgeber und einen anderen für die Darlehensnehmer, verwendet. In diesen Urteilen ging es spezifisch um die Verjährung von Ansprüchen der Darlehensnehmer auf Rückerstattung früher gezahlter Bearbeitungsentgelte. Nach der Gesetzeslage (§ 199 BGB) verjähren auch diese auf "ungerechtfertigter Bereicherung" (der Bank!) gestützten Rückzahlungsansprüche nach Ablauf von drei Jahren. Die Frist beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist, und der Darlehensnehmer (als Gläubiger der Bank) "von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners (hier also der Bank) Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste". Demgemäß sollten die Banken nur die Bearbeitungsentgelte zu erstatten haben, die ihre Darlehensnehmer innerhalb ihrer jeweiligen Dreijahresfrist zurückfordern und/oder bei Weigerung der Bank prozessual geltend machen.

Das aber war dem BGH offenbar nicht ausreichend. Denn er stellte in den beiden Entscheidungen "rechtsschöpfend" als weitere, im Gesetz gar nicht vorgegebene Voraussetzung für den Beginn der Verjährungsfrist die "Zumutbarkeit" einer die Verjährung hemmenden Maßnahme für den Darlehensnehmer in den Raum. Es sei diesem angesichts der bisher entgegenstehenden höchstrichterlichen Rechtsprechung (in Gestalt der BGH-Urteile bis 2004!) wegen des Prozessrisikos nicht zumutbar gewesen, die Rückforderung des gezahlten Bearbeitungsentgeltes einzuklagen, um damit die Verjährung seines Anspruchs abzuwenden. Diese Unzumutbarkeit sei erst weggefallen, als einem in der juristischen Fachpresse zum Thema veröffentlichten Aufsatz des früheren Vorsitzenden des zuständigen BGH-Senats (Nobbe) auf breiter Front Urteile von Oberlandesgerichten gefolgt seien, die die Tendenz zu einem auch vom BGH zu erwartenden grundlegenden Wandel seiner "alten" Rechtsprechung deutlich gemacht hätten. Der BGH zog nun daraus die Folgerung, dass die Verjährungsfrist auch für die Rückforderung von bereits in früheren Jahren gezahlten Bearbeitungsentgelten frühestens mit dem Schluss des Jahres 2011 (in dem die "Unzumutbarkeit" wegfiel) angelaufen und somit erst am Ende des Jahres 2014 abgelaufen sei.

Der BGH hat in seinem offenkundigen Eifer, mit der "Unzumutbarkeitstheorie" einen "Königsweg" für eine (gewollte, in Kauf genommene oder verkannte?) unangemessene Überbelastung der Banken durch Rückerstattung auch viele Jahre zurückliegender Bearbeitungsentgelte zu schaffen, allerdings etwas Entscheidendes versäumt: Er hat es nämlich in diesem Kontext unterlassen, auch die Frage der "Zumutbarkeit" für die Banken in seine Überlegungen einzubeziehen und sie gegen die umfänglich abgehandelte "Zumutbarkeit" für die Darlehensnehmer abzuwägen. Für den BGH hätte sich dabei zwangsläufig ergeben müssen, dass es angesichts der von ihm in der "alten" Rechtsprechung ausdrücklich anerkannten Billigung formularmäßiger Bearbeitungsentgelte wenigstens bis zum Jahre 2011 (Stichworte: "Nobbe-Artikel" und OLG- Urteile) für die Banken - gleichermaßen wie die Klageerhebung für die Darlehensnehmer - nicht "zumutbar" war, von der Erhebung damals höchstrichterlich unbeanstandeter Bearbeitungsentgelte nur im Hinblick darauf abzusehen, dass irgendwann in ungewisser Zukunft die Möglichkeit einer Änderung dieser Rechtsprechung nicht auszuschließen sei.

Dieser durchaus wahrnehmbare "Zumutungskonflikt" hätte den BGH veranlassen sollen, seinen "Königsweg" zu relativieren und die Rückforderung von Bearbeitungsentgelten etwa erst ab solchen Vereinbarungen zeitlich nach dem "Nobbe-Aufsatz", also ab 2011 zuzulassen. Erst von da an war nicht nur den Darlehensnehmern das Prozessrisiko der Rückforderung "zumutbar", sondern war es auch den Banken "zumutbar", in Erkenntnis eines bevorstehenden Paradigmenwechsels von weiteren formularmäßigen Vereinbarungen über Bearbeitungsentgelte für Verbraucherdarlehen Abstand zu nehmen. Eine "Nachbesserung" durch den BGH, sobald sie - in einem anderen Verfahren - prozessrechtlich möglich sein wird, wäre zu dieser Rechtsfrage angezeigt.

RA Dr. Claus Steiner, Wiesbaden

1) XI ZR 405/12 abgedruckt in ZIP 2014, S. 1266 WM 2014, S. 1222 XI ZR 170/13 abgedruckt in ZIP 2014, S. 1369

2) XI ZR 11/04 abgedruckt in WM 2004, S. 2306

3) XI ZR 348/13 abgedruckt in BKR 2015, S. 19 XI ZR 17/14 abgedruckt in BKR 2015, S. 26

Dr. Claus Steiner , Rechtsanwalt, Wiesbaden
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