Banken in der Formalisierungsfalle?

Petra Knab-Hägele, Senior Partner, hkp group, Frankfurt am Main

Frank Gierschmann, Partner, Isabel Jahn, Senior Manager, und Petra Knab-Hägele Senior Partner, alle Unternehmensberatung hkp group, Frankfurt am Main - Die gezielte Steuerung und Honorierung der Leistung von Mitarbeitern im Spiegel der jeweiligen Unternehmensziele, befindet sich branchenübergreifend in einem Wandel. Während in Industrieunternehmen aktuell über die Entkoppelung von individueller Leistung und variabler Vergütung diskutiert wird, sehen die Autoren bei Finanzdienstleistern vor dem Hintergrund der aktuellen regulatorischen Vorgaben eine entgegengesetzte Entwicklung. Sie verweisen dabei insbesondere für Risikoträger und Geschäftsleiter auf eine strikte Verknüpfung von individueller Performance und Vergütung. Verschärft sehen sie dieses Bild durch die Anforderungen der neuen Institutsvergütungsverordnung. (Red.)

In Zeiten volatiler Märkte und immer kürzerer Innovationszyklen steht der traditionelle, meist formell-hierarchisch angelegte Ansatz der Leistungssteuerung in Unternehmen zunehmend auf dem Prüfstand. Einigen Organisationen erscheint dieser Ansatz nicht mehr zeitgemäß. Sie setzen vielmehr auf gesteuertes Selbstmanagement, Instant-Feedback aus verschiedenen Quellen, intuitivere IT-Lösungen und agile Abläufe. In diesem Kontext wird teilweise versucht, Leistungssteuerung und variable Vergütung zu entkoppeln.

Zielvereinbarungen als individuelles Steuerungsinstrument

Auch Banken sehen sich mit diesen Herausforderungen konfrontiert. Ihnen bietet sich jedoch aufgrund der regulatorischen Anforderungen, die sich zudem immer weiter verschärfen, auf den ersten Blick wenig Spielraum für einen Wandel im Performance Management. Nicht zuletzt die neue Institutsvergütungsverordnung sorgt für einen zusätzlichen Formalisierungsdruck. Die Institute stehen somit vor der Herausforderung, trotz des engen regulatorischen Korsetts möglichst flexible und moderne Elemente für ihr Performance Management zu entwickeln.

Ein aktuelles Bild über die derzeitige Situation in den Instituten liefert das neue Bankbarometer1) zur branchenspezifischen Ausgestaltung des Performance Managements. In diese Studie sind die Antworten von Personalverantwortlichen aus 32 Kreditinstituten, die der Institutsvergütungsverordnung unterliegen, eingeflossen. Die Hälfte der teilnehmenden Unternehmen haben über 1 000 Mitarbeiter und weisen eine Bilanzsumme zwischen 15 und 100 Milliarden Euro aus. Über zwei Drittel unterliegen den Kriterien "bedeutender Institute".

Der aktuellen Analyse zufolge greifen die Studienteilnehmer derzeit vor allem auf ein stark formalisiertes Performance Management zurück. Sie nutzen dabei alle klassischen Zielvereinbarungen mit quantitativen und qualitativen Zielen auf individueller Ebene als Steuerungsinstrument.

Unterjährige Zielanpassungen sind in über 80 Prozent der Institute möglich, wobei lediglich etwas mehr als die Hälfte diese Ziele auch unterjährig überprüft. Dieses Vorgehen erscheint zwar flexibel, es wird jedoch von den regulatorischen Vorgaben konterkariert, die eine strikte Verknüpfung von individueller Performance und Vergütung vorsehen. Unterjährige Anpassungen von Zielen sind damit in der Praxis nur in absoluten Ausnahmefällen möglich und die Gründe müssen engmaschig dokumentiert werden, um Vergütungsentscheidungen belegen zu können (Abbildung 1).

Die Beurteilung von Leistung erfolgt in neun von zehn Instituten auf der Basis von Zielerreichungen. In Ergänzung ist hier auch eine Verhaltensbeurteilung auf Basis von Kompetenzmodellen und Verhaltenskodizes inzwischen praktizierter Standard. Allerdings haben Verhaltenskomponenten in der Regel keinen festgelegten Anteil an der Gesamtbeurteilung, sondern werden individuell bewertet und ergänzend herangezogen. Hier zeigt sich der angestrebte Wandel hin zu einer besseren Compliance-Kultur, die mit Hilfe des Performance Managements vorangetrieben wird.

Trend zu direkten und zeitnahen Rückmeldungen

Branchenübergreifend zeigt sich ein deutlicher Trend zu direkten und zeitnahen Rückmeldungen aber zugleich auch, dass sich viele Institute hierbei noch schwer tun. Die Hälfte der Studienteilnehmer gab an, Feedback nur einmal jährlich in formalisierter Form zu geben; bei der anderen Hälfte sind es immerhin zwei bis drei Feedbacks pro Jahr. Eine häufigere Frequenz ist bisher nicht vorgesehen. Als Hauptgrund hierfür wird angegeben, den bereits beträchtlichen Dokumentationsaufwand nicht noch weiter erhöhen zu wollen.

Aus neutraler Perspektive stellt sich allerdings die Frage, ob direkteres und zeitnahes Feedback nicht auch ein Weg sein kann, den von Führungskräften als aufwendig und wenig praxisnah empfundenen Prozess der Leistungsbeurteilung langfristig zu erleichtern und gleichzeitig Feedback zu Wohlverhalten zur Normalität werden zu lassen.

Um Beurteilungen so objektiv und realistisch wie möglich zu gestalten, nutzt eine überwiegende Mehrheit der Studienteilnehmer zusätzliche Kalibrierungsmöglichkeiten im Rahmen von Panels. Auch Drittbeurteiler-Systeme wie beispielsweise das 360°-Feedback kommen zum Einsatz.

Dabei arbeitet ein Viertel der an der Studie teilnehmenden Institute mit Empfehlungen für Verteilkurven - sogenannten "recommended distributions", also empfohlener Performance-Einstufungen. Das Instrument einer "forced distribution", also einer erzwungenen Verteilung der Performance-Grade, hat sich nicht durchgesetzt. Ziel hierbei war es, die Leistungsspreizung im Unternehmen realistischer abzubilden. Dies führte jedoch im Ergebnis eher zur Wahrnehmung von unfairen und willkürlichen Entscheidungen.

Vergütungsentscheidungen im Kontext von Backtesting, Malus und Clawback

Knapp 70 Prozent der Studienteilnehmer leiten aus der Leistungsbeurteilung in der Folge auch Vergütungsentscheidungen -insbesondere für die variable Vergütung - ab. Um diese Entscheidungen zu treffen, werden stark formale Verfahren angewendet. Die Hälfte der Institute arbeitet dabei entweder mit kalkulatorischen Parametern oder entscheidet diskretionär im Rahmen von Beurteilungen in einer Gesamtschau. Die andere Hälfte wendet hybride Verfahren an, die beide Möglichkeiten einschließen. Das Ergebnis dieser Verfahren unterliegt auch weiterhin strengen Prüfungen und Auszahlungsvorbehalten.

Die Regulatorik fordert die Nachhaltigkeit von Zielen und entsprechenden Leistungen auf mehrere Jahre auszurichten und zu überprüfen, ob die Vergütungsentscheidungen während des Aufschubzeitraums rückwirkend angepasst werden müssen (Backtesting). Die rückwirkende Anpassung erfolgt durch eine nachträgliche Korrektur der Zielerreichung und infolge der Kürzung oder dem Entfall der aufgeschobenen Vergütung. 95 Prozent der Studienteilnehmer und alle bedeutenden Institute unterziehen die aufgeschobenen Vergütungsbestandteile vor der Anspruchsentstehung einer Malus-Prüfung.

Künftig müssen Risikoträger in Instituten sogar bis zu sieben Jahre davon ausgehen, dass ihre Vergütung ganz zurückgefordert werden kann. Diese weitergehende Konsequenz wird mit der in 2017 neu erscheinenden Institutsvergütungsverordnung schlagend. Demnach sind bei schwerwiegendem Fehlverhalten auch bereits ausgezahlte variable Vergütung zurückzufordern (Clawback; siehe Abbildung 2).

Durch dieses Vorgehen wird die Verknüpfung von Performance und Vergütung regulatorisch weiter verstärkt - und es gibt keinerlei Anzeichen, dass es hier kurzfristig zu einem Wandel kommen wird. Vor diesem Hintergrund müssen die Institute formalisierte, transparente und nachvollziehbare Verfahren anwenden und einen erheblichen Dokumentationsaufwand betreiben. Dies steht im deutlichen Gegensatz zum übergreifenden Trend zu Flexibilität und Minimalismus im Performance Management, der sich aktuell in anderen Wirtschaftsbereichen wiederfindet.

Trotz der beschriebenen Situation zeigen sich die Personalentscheider der teilnehmenden Institute mit ihrem derzeitigen Performance Management überwiegend zufrieden. Dies liegt den wertenden Aussagen zufolge einerseits daran, dass das System die strengen regulatorischen Anforderungen erfüllt und andererseits, dass die frühere papierhafte Dokumentation durch effizientere IT-Lösungen abgelöst wurde (Abbildung 3).

Möglichkeiten zur Optimierung von Performance-Management-Prozessen

Allerdings wissen die Studienteilnehmer auch um die Herausforderungen. Die Frequenz organisationaler Umstrukturierungen hat sich erhöht. Mit starren Strukturen im Performance Management lassen sich die aufgrund rasanter Marktentwicklungen immer dynamischer formulierten Unternehmensziele heute nicht mehr erreichen. Zusätzlich gibt es eine deutliche Diskrepanz zwischen aufsichtsrechtlichen Anforderungen und deren arbeitsrechtlicher Umsetzbarkeit. Darüber hinaus erschweren die hohe Prüfungsdichte und detaillierte Dokumentationsanforderungen den Prozess. Aufwand und Nutzen stehen daher rasch in einem ungünstigen Verhältnis.

In der Lösung dieser Aufgaben sind Institute gezwungen Spielräume zu identifizieren, die sich auch in stark formalisierten Verfahren ergeben können. Dies lässt sich aber nur über institutsspezifische Bewertungen erreichen. Ist beispielsweise der digitale Reifegrad eines Instituts fortgeschritten, können mit ergänzenden IT-Lösungen praxisnahe und flexiblere Abläufe gestaltet werden, die dennoch die geforderten Dokumentationsanforderungen erfüllen.

Die regulatorisch geforderte Transparenz im Performance Management kann beispielsweise so gestaltet werden, dass mittels Self-Service-Anwendungen Mitarbeiter und Führungskräfte gemeinsam Verantwortung für den Prozess übernehmen. Feedback in Echtzeit könnte in Ergänzung zu den jährlichen formalen Beurteilungen herangezogen werden und so dazu beitragen, Fehlverhalten bereits im Ansatz zu erkennen und entsprechend gegenzusteuern.

Fußnote

1) hkp///group Bankbarometer - Performance Management in Bankinstituten 01/2017

Isabel Jahn , Partner , hkp/// group, Frankfurt am Main
Petra Knab-Hägele , Senior Partnerin , hkp Deutschland GmbH, Frankfurt am Main

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