Die Bedeutung von Förderbanken für die Wirtschaftspolitik

Tarek Al-Wazir, Hessischer Minister für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung, Wiesbaden

Foto: Miriam Lindthaler

 

Wie sehr darf sich der Staat in die Abläufe der Wirtschaft einmischen? Inwieweit darf und sollte er seine Vorstellungen von der Wirtschaftsstruktur artikulieren? Wie weit geht das Setzen von Rahmenbedingen? Und wo fängt die unternehmerische Einmischung an? All diese Fragen werden im politischen und gesellschaftlichen Diskurs immer wieder aufgeworfen und je nach Interessengruppen und/oder Ausgangslage unterschiedlich beantwortet. Für den Autor steht vom Grundsatz her außer Frage, dass die Marktwirtschaft ihre entscheidende Stärke ausspielen sollte, nämlich die Verwertung von dezentralem Wissen und das ebenso dezentrale Aufspüren von Marktgelegenheiten. Wenn zur Erhaltung von Wettbewerb und Markt aber ein staatliches Eingreifen notwendig ist, hält er dies durch Ordnungspolitik wie auch durch monetäre Fördermaßnahmen für durchaus geboten. In den Förderbanken des Bundes und der Länder sieht er passende Instumente zur Gestaltung des Strukturwandels und zur professionellen Abwicklung staatlicher Förderprogramme, die sich an den aktuellen politischen Anforderungen ausrichten. (Red.)

Der Börsengang des Weiterstädter Unternehmens Akasol im vergangenen Jahr war ein weiteres Kapitel einer unternehmerischen Erfolgsgeschichte. Hervorgegangen aus einem studentischen Arbeitskreis an der TU Darmstadt hat sich Akasol inzwischen auf die Herstellung von Batterien für Elektrobusse spezialisiert und einen steilen Wachstumskurs eingeschlagen - unterstützt durch einen Innovationskredit der Wirtschafts- und Infrastrukturbank Hessen (WI-Bank). Jetzt ist Akasol so stark, dass es nach dem erfolgreichen Börsengang dieser Begleitung nicht mehr bedarf.

Markt und Wettbewerb aufrechterhalten

Wirtschaftspolitik in einer sozialen Marktwirtschaft hat im traditionellen Verständnis die Aufgabe, verlässliche und für Investitionen günstige Rahmenbedingungen zu setzen, Wettbewerb zu gewährleisten und ein möglichst großes Maß an wirtschaftlicher Freiheit zu ermöglichen.

Der Staat sollte nicht unnötig in die Wirtschaftsprozesse eingreifen oder selbst unternehmerisch tätig sein. Er fördert die Wirtschaft am besten, wenn er Wettbewerb mit gleichen Bedingungen für alle Teilnehmer sicherstellt. So kann die Marktwirtschaft ihre entscheidende Stärke ausspielen: Die Verwertung von dezentralem Wissen und das ebenso dezentrale Aufspüren von Marktgelegenheiten.

Aus der Einsicht, dass der Staat nicht der bessere Unternehmer ist, folgt jedoch nicht, dass er sich völlig aus der Wirtschaft herauszuhalten habe. Im Gegenteil: Markt und Wettbewerb kann man nicht einfach sich selbst überlassen. Der Staat muss für ihre Aufrechterhaltung sorgen - klassisch durch Ordnungspolitik, aber auch durch Maßnahmen wie monetäre Förderung. Ein häufig genanntes Beispiel sind die Schwierigkeiten kleiner und mittlerer Unternehmen sowie von Existenzgründerinnen und -gründern, Kredite oder Kapital aufzunehmen. Das erschwert ihnen den Marktzugang. Wenn der Staat Wettbewerb und wirtschaftliche Erneuerung will, kann er hier nicht untätig bleiben.

"Wenn's um Geld geht: Sparkasse" - vielleicht ist manchen dieser Slogan ja noch im Ohr, und die Sparkassen sind ein unverzichtbarer Teil der deutschen Bankenlandschaft. Als Wirtschaftspolitiker kann man sagen, dass manchmal gilt: "Wenn's um Geld geht: Förderbank." Denn Geld ausgeben ist einfach. Aber es gezielt, nutzbringend und rechtssicher und manchmal auch da einzusetzen, wo es sonst nicht landen würde, erfordert professionelle Kompetenz.

Wettbewerbsneutral, effizient und sparsam

Deshalb sind Förderbanken in Deutschland ein zentrales Instrument der Wirtschaftsförderung. Als Ergänzung des Finanzsystems sollen sie nur dort Geschäfte machen, wo der Markt nicht reibungslos funktioniert oder sogar ganz versagt. Dabei sollen sie wettbewerbsneutral sein: Das Förderprivileg darf nicht zu Wettbewerbsverzerrungen führen und ist nur dort gerechtfertigt, wo private Anbieter nicht gleichermaßen tätig sind.

Daraus folgt, dass ihr Geschäftsanteil am gesamten Finanzmarkt klein ist. Förderbanken sollen effizient und sparsam wirtschaften und den Staatshaushalt möglichst nicht belasten. Sie arbeiten deshalb lieber mit Darlehen, Bürgschaften und Beteiligungen statt mit Zuschüssen. Sie sollen zudem private, genossenschaftliche und andere öffentliche Finanzinstitute einbinden und Risiken durch Kooperation auf mehrere Schultern verteilen.

Gestaltung des Strukturwandels und professionelle Abwicklung

Ihre Fähigkeit, Risiken zu übernehmen und zu managen, wird gerade in konjunkturell schwierigen Zeiten gebraucht. Als sich während der Finanzkrise 2008 zahlreiche Geschäftsbanken zurückzogen, waren es die Förderbanken, die als Feuerwehr zu Hilfe eilten. Die KfW und die Landesförderbanken haben damals die Wirtschaft mit der nötigen Liquidität versorgt und das Finanzsystem stabilisiert.

Krisen sind jedoch glücklicherweise die Ausnahme. In normalen Zeiten gibt es zwei Kernaufgaben für Förderbanken: Erstens die Begleitung und Gestaltung des Strukturwandels. Sie sollen junge, zukunftsfähige Unternehmen mit neuen und aussichtsreichen Ideen dabei unterstützen, marktfähig zu werden. Keinesfalls dürfen sie missbraucht werden, alternde Branchen künstlich am Leben zu halten. Die zweite Aufgabe ist die professionelle Abwicklung staatlicher Förderprogramme, die sich an den aktuellen politischen Anforderungen ausrichten: Liegt heute der Akzent auf Wohnungsbau und Innovation, kann es morgen der demografische Wandel sein.

Ihr Instrumentarium richtet sich am jeweiligen Zweck der Förderung aus. Am häufigsten genutzt werden Kredite und Bürgschaften. Seltener sind Zuschüsse, die in der Regel für Projekte gegeben werden, die besonders viele Arbeitsplätze schaffen, aber auch einen besonders hohen Anreiz benötigen. Beteiligungen auf Zeit wiederum sind das Mittel der Wahl, um junge Unternehmen durch die Gründungs- und Wachstumsphase zu bringen.

Das Land Hessen hat in der Wirtschaftsund Infrastrukturbank Hessen (WI-Bank) einen hervorragenden Dienstleister. Sie ist Teil der Landesbank Hessen-Thüringen und administriert das öffentliche Fördergeschäft in Hessen zum Beispiel im Rahmen der Europäischen Strukturfonds (EFRE, ESF und ELER) und der europäischen Landwirtschaftsförderung. Die WI-Bank reicht den Großteil der Förderprogramme des Landes Hessen aus - bei Krediten zumeist über Hausbanken, bei Zuschüssen direkt an die Antragsteller. Ihr Erfolgskriterium ist nicht das Bilanzwachstum, sondern der Kundennutzen, zu dem mehr gehört als die reine Finanzierungsunterstützung. Die WI-Bank bietet daher über Kredite, Darlehen, Bürgschaften und Beteiligungen hinaus auch eine individuelle, unabhängige und kostenlose Beratung zu Finanzierung und Netzwerkbildung an, und sie informiert regelmäßig auf Sprechtagen und anderen Veranstaltungen über ihre Produkte.

Marktlücke Mikrodarlehen

Die konkreten Tätigkeitsfelder ergeben sich aus dem Aufgabenkatalog gemäß WI-Bank-Gesetz und den Vorgaben des europäischen Beihilferechts. Gegenwärtig sind sie betitelt mit "Gründen & Wachsen", "Versorgen & Modernisieren", "Bauen & Wohnen" sowie "Bilden & Beschäftigen". Leitlinie ist die zeitlich befristete finanzielle Unterstützung mit revolvierenden Mitteln. Die WI-Bank nutzt für ihre Refinanzierung das gute Rating des Landes über die Gewährträgerhaftung. Ergänzend werden Darlehens- und Risikoangebote der KfW und des EIF eingesetzt, um sie mit besonders günstigen "Hessen-Konditionen" noch attraktiver zu machen. Das Land finanziert diese Zinsverbilligung und erstattet die Kosten der Abwicklung.

Eine echte Marktlücke füllt die WI-Bank mit den Mikrodarlehen, die sich in einem Bereich bewegen, der für private Banken in der Regel unattraktiv ist. Sie reichen von 3 000 bis 25 000 Euro und richten sich an junge Unternehmen bis fünf Jahre nach der Gründung. Ergänzend bietet die Bank zusammen mit der Crowdfunding-Platt form Start-Next unter der Bezeichnung Mikrocrowd eine Kombination aus Crowdfunding und Hessen-Mikrodarlehen an. Sobald das Fundingziel von mindestens 5 000 Euro erreicht ist und durch Start-Next ausgezahlt wurde, wird auch das Hessen-Mikrodarlehen ausgezahlt. Förderkredite für Gründer werden oftmals ohne die Stellung banküblicher Sicherheiten gewährt.

Schaffung und Sicherung von Arbeitsplätzen

Bei der Finanzierung von Start-ups und KMU arbeitet die WI-Bank eng mit der Bürgschaftsbank Hessen (BB-H) zusammen. Die BB-H verbürgt Kredite für Betriebsmittel und Investitionen bis zur maximalen Bürgschaftshöhe von 1,25 Millionen Euro. Darüber hinaus können auch Landesbürgschaften über die Bank als Mandatar des Landes beantragt werden. Um offene oder stille Beteiligungen einzugehen, verfügt die WI-Bank über unterschiedliche Fonds wie Hessen Kapital I bis III, Technologiefonds Hessen III und Futury Venture Beteiligungen Deutschland-Hes sen. Die Gelder kommen anteilig aus Haushaltsmitteln des Landes Hessen, aus EU-Mitteln (EFRE) oder von privaten Investoren. Die Beteiligungen betragen durchschnittlich 400 000 Euro und werden für maximal zehn Jahre eingegangen. Inzwischen hat das Beteiligungsvolumen die 100 Millionen-Euro-Marke überschritten.

Bilanzzahlen sind abstrakt, aber sie lassen sich durchaus ins Konkrete übersetzen: Im Jahr 2018 hat die Gründungsund Wachstumsförderung in Hessen mit 180 Millionen Euro Darlehen Investitionen über 290 Millionen Euro finanziert. Daraus sind 548 Arbeitsplätze entstanden, und weitere 12 777 Stellen wurden gesichert. So wirkt sich Wirtschaftsförderung unmittelbar auf das Leben der Bürger innen und Bürger aus, und dafür wird sie betrieben - mithilfe der Förderbank.

Tarek Al-Wazir Hessischer Minister für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen, Wiesbaden
Tarek Al-Wazir , Hessischer Minister für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung
Noch keine Bewertungen vorhanden


X