Carbon Accounting: Erfassung von CO2 -Emissionen bei Objektfinanzierungen

Dr. Christian Glaser, Foto: C. Glaser

Insbesondere die Taxonomieverordnung, die stetig weiterentwickelt wird, und der Eintritt der IFRS Foundation in das Segment der Nachhaltigkeitsberichterstattung verdeutlichen die Rolle, die dem Faktor Nachhaltigkeit aus Offenlegungsaspekten zukünftig zukommt, so der Autor. Aktuell sehe es aber danach aus, dass sich die IFRS Foundation primär an Investoren richte, um Informationen zu liefern, die die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage beeinflussen könnten. Spannend bleibe daher zu beobachten, ob die IFRS Foundation mit dem bisherigen Platzhirsch GRI einen Konsens erarbeite oder ob noch mehr Heterogenität in den Markt komme. Letzteres ist nach Auffassung des Autors Gift für die Nachhaltigkeitsbemühungen der europäischen Wirtschaft. Deshalb sei es umso wichtiger, die bisherigen Unschärfen möglichst schnell zu eliminieren, um mehr Vergleichbarkeit zu schaffen. (Red.)

Die Regulierung der Nachhaltigkeitsberichterstattung nimmt deutlich an Fahrt auf. Am Rande der Weltklimakonferenz COP26 in Glasgow gab Erkki Liikanen, der Vorsitzende der IFRS Foundation, die Gründung des International Sustainability Standards Boards (ISSB) bekannt. Dieses neue Gremium mit Sitz in Frankfurt soll eine globale Führungsrolle bei der Entwicklung von Nachhaltigkeitsstandards einnehmen, um den steigenden Informationsbedarf der Kapitalgeber zu befriedigen. Es ist also damit zu rechnen, dass die Vorgaben für Banken und Finanzdienstleister in ihrer Anzahl, aber insbesondere auch hinsichtlich ihres Detaillierungsgrads, weiter zunehmen werden. Aktuell gibt es noch einige Herausforderungen, die einen Vergleich zwischen Instituten sowie die Bestimmung, ob ein Unternehmen klimaneutral ist oder nicht, deutlich erschweren.

Treibhausgas"bilanz" als Basis

Der Ausgangspunkt der Bemühungen von Banken und Finanzdienstleistern im Zuge der nachhaltigen Finanzwirtschaft ist regelmäßig der CO2-Fußabdruck. Anhand dieser "Treibhausgas-Bilanzierung" kann eine Priorisierung und (relativ) objektive Steuerung vorgenommen werden. Immer mehr Stakeholdergruppen fordern Nachhaltigkeitsberichte an, die nicht nur qualitative Maßnahmen enthalten, sondern konkrete Zahlenwerte. Nur so lässt sich bestimmen, ob beziehungsweise wann ein Unternehmen wirklich klimaneutral ist. Schließlich sind die EU-Ziele auch nicht nur qualitativer Natur, sondern mit dem "Fit for 55"-Ziel vor Augen soll der CO2-Ausstoß bis 2030 um 55 Prozent sinken.

Artikel 4 der Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR) verpflichtet große, dem EU-Aufsichtsrecht unterliegende Finanzintermediäre zur Transparenz über ihren Umgang mit den Umwelt- und Sozialauswirkungen ihrer Anlagepolitik. Wenngleich die meisten Banken und Finanzdienstleister hiervon (noch) nicht betroffen sind, ist davon auszugehen, dass die Vorgaben diese Institute auch über kurz oder lang betreffen werden. Ein Blick auf diese Vorgaben lohnt sich deshalb, insbesondere auch, da gegebenenfalls noch Lobbyarbeit und eine Anpassung der Verwaltungspraxis möglich ist. Das Greenhouse Gas (GHG) Protocol ist das Ergebnis eines Zusammenschlusses mehrerer privater Organisationen und Unternehmen unter der Schirmherrschaft des World Resources Institute (WRI) und des World Business Council for Sustainable Development (WBCSD). Der zentrale Standard des GHG-Accountings ist dabei das GHG-Protocol, auf das informelle Offenlegungsstandards wie die Global Reporting Initiative (GRI) oder das Carbon Disclosure Project (CDP) an vielen Stellen verweisen. Es enthält mehrere Standards, die bei der Erstellung von Treibhausgasbilanzen helfen sollen.

Das Ziel des GHG-Protocols ist es, den Faktor Umweltschutz im Bewusstsein der Führungskräfte zu verankern und damit nachhaltige Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln. Die grundlegende Überzeugung ist dabei, dass eine wirksame Unternehmensstrategie zum Klimawandel alle Emissionen über die komplette Wertschöpfungskette - auch vor- und nachgelagerte Bereiche - einbeziehen muss. Viele Unternehmen konzentrierten sich bisher hauptsächlich auf Scope 1 (direkte Emissionen aus eigenen oder kontrollierten Quellen) und Scope 2 (indirekte Emissionen aus der Erzeugung von zugekauftem Strom, verbrauchter Wärme et cetera).

Scope-3-Emissionen, auf denen im Folgenden der Fokus der Betrachtung liegt, umfassen alle anderen indirekten Emissionen, die in der Wertschöpfungskette eines Unternehmens anfallen. Sie werden hierbei in insgesamt 15 unterschiedliche Kategorien unterteilt. Acht Kategorien betreffen die vorgelagerte Wertschöpfungskette einschließlich Geschäftsreisen ("upstream") und sieben betreffen die nachgelagerte Wertschöpfungskette einschließlich der Nutzung des Produkts durch den Endkunden ("downstream"):

  1. Gekaufte Waren und Dienstleistungen
  2. Investitionsgüter
  3. Kraftstoff- und energiebezogene Aktivitäten, die nicht in Scope 1 oder Scope 2 enthalten sind
  4. Upstream-Transport und Distribution
  5. Im Betrieb erzeugter Abfall
  6. Geschäftsreisen
  7. Mitarbeiter pendeln
  8. Vorgelagerte geleaste Vermögenswerte
  9. Nachgelagerter Transport und Distribution
  10. Verarbeitung verkaufter Produkte
  11. Verwendung verkaufter Produkte
  12. Behandlung verkaufter Produkte am Ende ihrer Lebensdauer
  13. Nachgelagerte geleaste Vermögenswerte
  14. Franchise
  15. Investitionen

Für den Scope-3-Standard müssen die Emissionen aus jeder der genannten Kategorien quantifiziert und gemeldet werden. Dabei zeigt sich regelmäßig, dass sie - insbesondere bei großen Unternehmen mit einer Vielzahl von Kunden und Geschäftsvorfällen - nur grob anhand vereinfachter Prämissen und Modelle geschätzt werden können.

Aktivitäts- und Emissionsfaktoren benötigt

Das Konzept der unterschiedlichen "Scopes" kam bereits beim Klimabenchmark der europäischen Union zum Einsatz. Anhang III Nr. 1 lit. e der Benchmark-Verordnung nennt zwar das GHG Protocol nicht ausdrücklich, verwendet aber die identischen Definitionen. In dieser Kategorie werden die Scope-3-Emissionen von Leasing-Nehmern erfasst, die durch geleaste Objekte entstehen und nicht bereits in Scope 1 und 2 enthalten sind. Die Berechnung der Emissionen erfolgt dabei, wie in Abbildung 1 dargestellt, entweder anhand der anlagenspezifischen Methode, leasinggeberspezifischen Methode oder der Durchschnittsmethode.

Bei der anlagenspezifischen Methode werden anlagenspezifische (zum Beispiel standortspezifische) Brennstoff und Energieverbrauchsdaten sowie Prozess und flüchtige Emissionsdaten oder Scope-1- und Scope-2-Emissionsdaten von einzelnen geleasten Objekten erhoben. Hierfür werden Aktivitäts- und Emissionsdaten benötigt, also beispielsweise der anlagenspezifische Stromverbrauch sowie Standort- oder regionalspezifische Emissionsfaktoren für Energieträger (zum Beispiel Strom und Kraftstoffe). Datenquellen für Aktivitätsdaten können unter anderem Stromrechnungen, Zählerstände oder interne IT-Systeme sein. Datenquellen für Emissionsfaktoren sind unter anderem Lebenszyklusdatenbanken, vom Unternehmen selbst entwickelte Emissionsfaktoren, Regierungsbehörden oder Industrieverbände.

Zur Berechnung der Scope-3-Emissionen aus geleasten Vermögenswerten müssen die Scope-1- und Scope-2-Emissionen aller geleasten Vermögenswerte des berichtenden Unternehmens mit der folgenden Formel aufsummiert werden:

Formel

Bei der leasinggeberspezifischen Methode werden die Scope-1- und Scope-2- Emissionen von Leasing-Gebern erhoben und Emissionen dem relevanten Leasing-Objekt zugeordnet. Auch hier werden Aktivitäts- und Emissionsfaktoren benötigt. Im Gegensatz zur anlagenspezifischen Methode werden die Scope-1- und Scope-2-Emissionen nicht für die Leasing-Objekte, sondern für die Leasing-Geber aufsummiert. Die grundsätzliche Ermittlungsformel bleibt ansonsten gleich.

Bei der Durchschnittsdatenmethode werden die Emissionen für jedes Leasing-Objekt oder jede Gruppe von Leasing-Objekten auf der Grundlage von Durchschnittsdaten geschätzt, zum Beispiel durchschnittliche Emissionen pro Objekttyp oder Nutzfläche. Die Durchschnittsdatenmethode sollte verwendet werden, wenn Kaufunterlagen, Stromrechnungen oder Zählerstände des Kraftstoff- oder Energieverbrauchs nicht verfügbar oder zutreffend sind. Die Berechnung erfolgt anhand der Nutzfläche beziehungsweise anhand der Anzahl geleaster Objekte je Objektart. Neben den Scope-1- und Scope-2-Emissionen von Leasing-Objekten, die während des Betriebs von Leasing-Gegenständen durch das berichtende Unternehmen entstehen (zum Beispiel durch Energieverbrauch), können optional auch die Lebenszyklusemissionen, die im Zusammenhang mit der Herstellung oder dem Bau von geleasten Vermögenswerten stehen, Berücksichtigung finden.

In der Kategorie 13 werden die Scope-3-Emissionen von Leasing-Gebern erfasst, die durch geleaste Leasing-Objekte entstehen und nicht bereits in Scope 1 und 2 enthalten sind. Ein Unternehmen kann an Kunden verleaste Produkte genauso bilanzieren wie an Kunden verkaufte Produkte (das heißt durch Bilanzierung der erwarteten Gesamtlebensdauer-Emissionen aller relevanten Produkte, die im Berichtsjahr an andere Unternehmen verleast wurden). Dies betrifft insbesondere Captives/Vendoren mit Leasing-Lizenz. Hierbei muss allerdings darauf geachtet werden, dass keine Doppelerfassung (insbesondere mit Kategorie 11 "Verwendung verkaufter Produkte") erfolgt.

Schätzung auf Basis von Durchschnittsdaten

Bei der Berechnung von Emissionen aus verleasten Objekten muss die Leasing-Gesellschaft regelmäßig auf Informationen der Leasing-Nehmer zurückgreifen, wie etwa Kraftstoff- oder Kilometerdaten im Pkw-Leasing. Die Berechnungsmethoden entsprechen den im vorherigen Abschnitt dargestellten Methoden und Formeln. Das GHG Protocol unterteilt Investitionen in vier Arten: Beteiligungsinvestitionen, Fremdinvestitionen, Projektfinanzierung sowie verwaltete Anlagen und Kundendienste. Gemäß den Vorgaben dieser Kategorie sollen dem berichtenden Unternehmen die Treibhausgasemissionen auf der Grundlage des Anteils der jeweiligen Beteiligung zugerechnet werden.

In Kategorie 15 wird ferner klargestellt, dass Finanzinstitute die anteiligen Scope-1- und Scope-2- sowie zusätzlich die Scope-3-Emissionen anteilig, sofern die letztgenannte Kategorie wesentlich für den gesamten Lebenszyklus ist, in ihrer Emissionsbilanz ausweisen müssen. Am Beispiel eines Kredits über 10 Millionen Euro (der 10 Prozent der Bilanzsumme - als vereinfachte Betrachtung des Unternehmenswerts - des Kunden entspricht) für einen Haushaltsgerätehersteller soll dies verdeutlicht werden:

Unter Scope 1 werden die direkten Emissionen des Haushaltsgeräteherstellers erfasst sowie unter Scope 2 die indirekten Emissionen, die bei der Energieerzeugung entstehen. Da im vorliegenden Fall die Emissionen durch die Verbrauchernutzung wohl als erheblich einzustufen sind, sind diese Scope-3-Emissionen ebenfalls einzubeziehen. Alle Emissionen werden dabei anteilig zur Exposure-Höhe von 10 Prozent erfasst.

Abbildung 1: Geltungsbereich des GHG-Protokolls Quelle: C. Glaser, in Anlehnung an GHG (2013), S. 6.

Lebenszyklus-Emissionsfaktoren

Die prognostizierten Gesamtemissionen über die gesamte Lebensdauer werden im ersten Jahr der Projektfinanzierung gemeldet, nicht in den Folgejahren. Wenn die voraussichtliche Lebensdauer eines Projekts ungewiss ist, können Unternehmen eine Bandbreite wahrscheinlicher Werte angeben. Die Prämissen hierzu müssen transparent gemacht werden. Es wird empfohlen, dass sich Banken und Finanzdienstleister bei der Primärdatenerhebung auf die Investitionen mit den höchsten Emissionen konzentrieren und beim Rest mit Durchschnittsmethoden arbeiten. Ob eine Organisation verpflichtet ist, Beteiligungen zu melden, hängt davon ab, wessen Kapital investiert wird. Vermögenseigentümer investieren ihr eigenes Kapital, daher sind sie verpflichtet, Emissionen aus Aktieninvestitionen zu melden. Vermögensverwalter, die Kundenkapital anlegen, können optional über Emissionen von Aktienanlagen berichten, die im Auftrag von Kunden verwaltet werden (zum Beispiel Investmentfonds). Zwei Arten von Emissionsfaktoren werden verwendet, um Energieaktivitätsdaten in Emissionsdaten umzuwandeln:

  • Lebenszyklus-Emissionsfaktoren, die nicht nur die Emissionen umfassen, die bei der Verbrennung des Kraftstoffs entstehen, sondern auch alle anderen Emissionen, die im Lebenszyklus des Kraftstoffs auftreten, wie Emissionen aus Gewinnung, Verarbeitung und Transport
  • Verbrennungsemissionsfaktoren, die nur die Emissionen umfassen, die bei der Verbrennung des Kraftstoffs entstehen.

Primärdaten und Sekundärdaten

Unternehmen können entweder Primäroder Sekundärdaten verwenden, um Scope- 3-Emissionen zu berechnen. Primärdaten umfassen von Lieferanten oder anderen bereitgestellte Daten, die sich direkt auf bestimmte Aktivitäten in der Wertschöpfungskette des berichtenden Unternehmens beziehen.

Sekundärdaten umfassen Branchendurchschnittsdaten (zum Beispiel aus veröffentlichten Datenbanken, Regierungsstatistiken, Literaturstudien und Industrieverbänden), Finanzdaten, Proxydaten und andere allgemeine Daten. Diese Art von Daten (das heißt Proxydaten) gelten als sekundäre Daten, da sie nicht spezifisch für die Aktivität sind, deren Emissionen berechnet werden.

Greenwashing?

Insbesondere die Begriffe "klimaneutral" oder gar "klimapositiv" bergen erhebliches Gefahrenpotenzial für Greenwashing. Dadurch, dass sehr viel mit Prämissen und Schätzungen gearbeitet wird, werden die Grenzen der Mathematik nicht selten ausgereizt, um mit den (vermeintlich) attraktiven Begriffen zu werben. Die Bezeichnung "klimapositiv" wird häufig lediglich anhand eines Teilbereichs der gesamten Wertschöpfungskette validiert und gleicht schnell einem Perpetuum mobile. Es bedarf deshalb unbedingt einer kritischen und besonders transparenten Ermittlung, damit sich die Nachhaltigkeitsbemühungen nicht zu einem Bumerang entwickeln und in die Ecke des Greenwashings gedrängt werden.

Dies ist auch das zentrale Augenmerk des Gesetzgebers, etwa bei der Taxonomieverordnung und vergleichbaren Standards, und sollte die zentrale, intrinsische Motivation der Institute sein. Dabei sind die Grenzen zwischen kluger Auslegung der Regeln und gezieltem Vorgaukeln von Nachhaltigkeit fließend. Kunden und insbesondere spezialisierte NGOs entlarven sehr schnell Institute, die keine echte Nachhaltigkeit leben, sondern diese als "Greenwashing" nur vorgeben. Greenwashing ist schnell eine Gefahr für die Reputation des Instituts und sollte deshalb nicht auf die leichte Schulter genommen werden.

Im Streit um einen Impact-Rechner auf ihrer Homepage lenkte beispielsweise die Deka Bank Anfang 2021 ein und erkannte Unterlassungsansprüche der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg an. Die Nachhaltigkeitswirkung basierte lediglich auf Schätzungen, was die Deka nicht sauber gekennzeichnet und nur in den methodischen Hinweisen auf einer Unterseite angegeben hatte.

CSRD - CSR-Berichtspflicht

Die nichtfinanzielle Berichtspflicht (NFRD) aus dem Jahr 2014 wird perspektivisch durch die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) ersetzt. Der Vorschlag muss zwar noch durch die unterschiedlichen Instanzen, gibt aber bereits einen guten Eindruck darüber, welche Anforderungen auf Banken und Finanzdienstleister zukommen werden. Nach ihrer Verabschiedung auf EU-Ebene muss die Richtlinie bis zum 1. Dezember 2022 in nationales Recht umgesetzt werden. Nach aktuellem Zeitplan sollen die Regelungen ab dem 1. Januar 2024 für das Geschäftsjahr 2023 gelten.

Zu den berichtspflichtigen Unternehmen zählen dabei alle großen Firmen mit mindestens zwei der folgenden drei Kriterien: 250 Mitarbeiter im Jahresdurchschnitt, Bilanzsumme über 20 Millionen Euro und/oder Umsatz über 40 Millionen Euro - unabhängig von einer Kapitalmarktorientierung. Außerdem berichtspflichtig sind alle kapitalmarktorientierten kleinen und mittleren Unternehmen. Als kleine Unternehmen gelten dabei Firmen, die zwei der folgenden drei Merkmale überschreiten: zehn Beschäftigte, 350 000 Euro Bilanzsumme und 700 000 Euro Nettoumsatzerlöse.

Eine Berichterstattung auf Konzernebene entbindet grundsätzlich die Tochterunternehmen von einer eigenen Berichtspflicht. Die Tochterfirma muss dabei auf den Konzernbericht verweisen. Europäische Berichtsstandards des Richtlinien-Vorschlags müssen noch entwickelt werden. Es ist geplant, dass die ersten Kernelemente des neuen Berichtsstandards bis Mitte 2022 veröffentlicht und bis zum 31. Oktober 2022 verabschiedet sind.

Gefahr von Doppelerfassungen und Mehrfachzählung

Eine genaue Strukturierung und klare Erfassungsvorgaben sollen Doppelerfassungen verhindern. So wird teilweise nicht immer trennscharf unterschieden, ob Objekte an Kunden verkauft (in Kategorie 11 zu erfassen) oder verleast/vermietet wurde (in Kategorie 13 zu erfassen), sodass schnell eine Doppelerfassung zwischen den Kategorien vorkommen kann. Insbesondere bei der vollumfänglichen Betrachtung der Wertschöpfungskette mit Schätzungen und Extrapolationen anhand von Sekundärdaten können sehr schnell Mehrfacherfassungen über alle Wertschöpfungsstufen stattfinden. Speziell bei Projektfinanzierungen ist häufig eine Vielzahl an Vorlieferanten involviert. Dabei wird typischerweise mit Durchschnittswerten und Prämissen gearbeitet.

Aus Nachhaltigkeitsüberlegungen dürfte zwar eine Doppelerfassung noch eher zu akzeptieren sein als gar keine Erfassung, trotzdem ist es wichtig, dass eine Vereinheitlichung über alle Unternehmen einer Branche (und damit auch Banken und Leasing Gesellschaften) stattfindet und ein möglichst realistisches Bild der Emissionen dargelegt wird. Insbesondere durch die Scope-3-Emissionen, die für die meisten Banken und Finanzdienstleister mit weitem Abstand den größten Block der Emissionen ausmachen, entstehen durch Aggregationen der Emissionsdaten mehrerer Unternehmen Mehrfachzählungen. Klimabenchmarks und auch die Berichterstattung werden damit stark eingeschränkt. Auch bei weiteren Partnern und Dienstleistern, etwa Kreditversicherern, refinanzierenden Banken et cetera würde eine Erfassung stattfinden, sodass es nicht nur zu einer Doppel-, sondern einer Mehrfacherfassung kommen kann.

Keine trennscharfe Bilanzierung

Die Idee hinter der Scope-1- bis Scope-3-Betrachtung über die gesamte Value Chain lautet aus Sicht einer Leasing-Gesellschaft: Wenn die Leasing-Gesellschaft das Leasing Objekt nicht finanziert hätte, wäre es nicht produziert und genutzt worden und der Endkunde hätte damit nachgelagert keine Emissionen ausgestoßen. Dies klingt zwar einerseits plausibel, andererseits aber doch sehr naiv, denn es unterstellt, dass es keine Substitutionsmöglichkeiten zur Finanzierung/zum Leasing-Objekt geben würde.

Abbildung 2: Entscheidungsbaum für die Berechnungsmethode von vorgelagerten Leasing-Objekten Quelle: C. Glaser, in Anlehnung an GHG (2013), S. 95.

Der Begriff der "Bilanzierung" von Treibhausgasen sorgt regelmäßig für Verwirrungen, denn es wird dabei häufig in buchhalterischen Bilanz-Dimensionen gedacht. Aus Nachhaltigkeitssicht bedarf es allerdings einer verursachungsgerechten Betrachtung. Für die Objektfinanzierung bedeutet dies, dass der Kunde/Leasing-Nehmer die treibende Kraft für den Ausstoß von Emissionen ist und nicht das Finanzierungsinstitut. Denn der Kunde hat, etwa durch die Wahl eines Ökostromtarifs, durch sparsamen Energieverbrauch et cetera, den mit weitem Abstand größten Einfluss auf die CO 2-Bilanz des Objekts. Und vorgelagert bestimmt der Produzent, wie umweltfreundlich die Produktionsprozesse sind. Ein Siegel für nachhaltige Produktion beziehungsweise gute Energieeffizienz während der Nutzung kann dabei einen Einfluss auf den Wert des Objekts haben und für Banken und Leasing-Gesellschaften damit das Blankorisiko (Differenz aus Restobligo und Marktwert im Zeitpunkt eines Kundenausfalls) reduzieren. Gleichzeitig kann aber auch ein Objekt mit hohem Energieverbrauch, der allerdings vollständig über Ökostrom abgedeckt wird, - zumindest theoretisch - sehr nachhaltig sein.

Über den kompletten Lebenszyklus und insbesondere durch die Scope-3-Emissionen erfolgt keine trennscharfe Bilanzierung von Emissionen. Denn de facto findet hierbei eine Mehrfacherfassung statt, während es in der buchhalterischen Bilanzierung eine deutlich klarere Trennung gibt. Die Vermögenswerte und Schulden des Unternehmens werden diesem (und auch nur diesem) zugerechnet - und nicht zusätzlich die von vor- und nachgelagerten Parteien in der Wertschöpfungskette. Während im B2B-Bereich über kurz oder lang die meisten Firmen von der Nachhaltigkeits Berichtspflicht betroffen sind, wird es immer dann problematisch, wenn Privatpersonen involviert sind.

Probleme mit Datenverfügbarkeit und -qualität

Im Gegensatz zu den klassischen Finanzdaten, die aus der Bilanz und GuV der testierten Jahresabschlüsse entnommen werden können, ist der ESG-Datensektor bisher kaum reguliert. Die Datenqualität hinkt der gestiegenen Bedeutung genauso hinterher wie die Datenverfügbarkeit sowie die Verarbeitung und Standardisierung von Primärdaten. Das geschilderte GHG Accounting findet aktuell auf informeller Basis statt, ohne dass es in den meisten Fällen eine rechtliche Pflicht zur Offenlegung gibt. Selbst die CSR-Richtlinie regelt (aktuell noch) nicht klar und eindeutig, wie Emissionsdaten veröffentlicht werden müssen. Dies dürfte wohl auch ein Grund sein, warum der europäische Regulator im Rahmen des EU-Klimabenchmarks die Scope-3-Daten für den Berichtszeitraum 2022 von der PAI-Berichterstattung ausgenommen hat und diese erstmals für den Berichtszeitraum 2023 einzubeziehen sind.

Speziell bei der Ermittlung von Emissionswerten mittels Schätzwerten und über gesamte Lebenszyklusphasen sollten möglichst standardisierte Vorgaben gemacht werden, um "Cherry-Picking" und "Schönrechnerei" zu vermeiden. Es wäre dabei sicherlich sinnvoll, wenn - in Anlehnung an andere zentrale Werte, etwa den Bodenrichtwert auf Kommunalebene - auf EU-Ebene Richtgrößen vorgegeben würden hinsichtlich Objektgruppen oder zumindest der Mindestanrechnungshöhe. Auch Spezialfragen und Best Practices sind bisher noch offen, etwa bei der Frage zum Umgang mit den prognostizierten Gesamtemissionen über die Lebensdauer bei Anschlussfinanzierungen, im Falle einer vorzeitigen Vertragsbeendigung, bei einem geänderten Energiemix und so weiter.

Darüber hinaus sollten die Wahlmöglichkeiten der Frage, ob der Leasing-Nehmer oder der Leasing-Geber die Emissionen der verleasten Objekte bilanziert, so weit wie möglich reduziert werden. Denn ansonsten entsteht Intransparenz und es könnten aus Nachhaltigkeitssicht Fehlsteuerungsimpulse entstehen, beispielsweise indem "Nachhaltigkeits-Bad-Banks" entstünden, die den Kunden die Emissionen aus deren Klimabilanzen "abnehmen" würden. Wenn der Regulator es mit der Nachhaltigkeits-"Bilanzierung" genauso ernst meint, wie mit dem buchhalterischen Pendant, dann bedürfen die noch deutlich zu präzisierenden Standards einer gesonderten Prüfung durch Externe, entweder durch die bereits bestehenden Abschlussprüfer oder gesonderte Experten.

Transformatorische Risiken und Stranded Assets

Die Überzeugung, dass Banken und Leasing-Gesellschaften durch die Emissionsbilanzen ganzer Value Chains "erzogen" werden können, kann gründlich diskutiert werden. Deutlich praktikabler erscheint dabei vielmehr die intrinsische Motivation zur Vermeidung von besonders energieintensiven Objekten mit veralteter Technologie, für die es perspektivisch keinen Markt mehr gibt ("Stranded Assets"). Dies ist speziell für Objektfinanzierer ohnehin bereits einer der zentralen Aspekte der Engagementprüfung. Eine gesonderte Bilanz mit vielen Schätzwerten und Unmengen an Auslegungs- und Interpretationsspielräumen dürfte dabei nur begrenzt weiterhelfen. Der Staat kann dabei zur Förderung von grünen Innovationen, etwa über die KfW, weiterhin Fördermittel bereitstellen, um grüne Investitionen zu fördern. Wohlgemerkt: Über attraktive Konditionen und weniger über Verbote. Wenn die staatlichen Eingriffe ausgedehnt werden, erhöht sich das Risiko für transformatorische Risiken. So können einzelne Objektgruppen oder im Extremfall ganze Wirtschaftszweige "wegtransformiert" werden.

Doppelerfassung vermeiden

Insbesondere die Taxonomieverordnung, die stetig weiterentwickelt wird, und der Eintritt der IFRS Foundation in das Segment der Nachhaltigkeitsberichterstattung verdeutlichen die Rolle, die dem Faktor Nachhaltigkeit aus Offenlegungsaspekten zukünftig zukommt. Aktuell sieht es danach aus, dass sich die IFRS Foundation primär an Investoren richtet, um Informationen zu liefern, die die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage beeinflussen können. 

Spannend bleibt zu beobachten, ob die IFRS Foundation mit dem bisherigen Platzhirsch GRI einen Konsens erarbeitet oder ob noch mehr Heterogenität in den Markt kommt. Letzteres wäre Gift für die Nachhaltigkeitsbemühungen der europäischen Wirtschaft. Deshalb ist es umso wichtiger, dass die bisherigen Unschärfen möglichst schnell eliminiert werden, sodass Äpfel mit Äpfeln verglichen werden. Dies stellt wieder Chancengleichheit her und nimmt eine wichtige Rolle ein, um die ehrgeizigen europäischen Ziele des Green Deals zu erreichen. Denn dies gelingt nur mit einem tatsächlichen "grünen Wandel" und nicht mit "Greenwashing".

Leasing-Gesellschaften und Banken tragen in ihrer Finanzierungsfunktion eine zentrale Rolle bei der Transformation zu einer nachhaltigen Gesellschaft. Nicht umsonst hat die EU den Finanzsektor als zentrales Element auserkoren und bereits umfangreiche Regulierungen und Vorgaben umgesetzt. Die EU-Taxonomie war hiervon das Herzstück. Aktuell befinden sich die meisten Institute noch am Beginn ihrer Bemühungen und sammeln erste Erfahrungen in Bezug auf das Nachhaltigkeitsberichtswesen. Hierbei ist es aber sehr wichtig, das richtige Maß zu finden. Und genau an dieser Stelle ist der Regulator gefragt.

Eine Doppelerfassung oder allzu große Wahlmöglichkeiten, ob finanzierte Objekte nun beim Institut oder beim Kunden "bilanziert" werden, darf nicht bestehen. Gleiches gilt für die Wahlmöglichkeit, ob nur die Emissionen des Betriebs ausgewiesen werden oder die gesamten Lebenszyklusemissionen. Uneinheitlichkeit bei diesen elementaren Fragestellungen sorgt dafür, dass die Zielgrößen des European Green Deals schöngerechnet werden und in Gefahr geraten. Ein Prüfungsstandard für die CO2-Bilanzierung wird wohl spätestens im Zuge der CSR Berichtspflicht erarbeitet. Die Branchenverbände und Interessengruppen sollten sich hierbei frühzeitig in die Gesetzgebung und die - noch zu entwickelnden - verbindlichen, europäischen Berichtsstandards, wovon die Bilanzierung von Emissionen, wohl das zentrale Element ist, einklinken.

Fußnoten

1) Vgl. IFRS Foundation (2021) News vom 03.11.2021. https://t1p.de/xmes. Zugegriffen: 29.01.2022.

2) Vgl. Steuer, S. (2021) Quantitatives ESG-Reporting durch Finanzintermediäre. Kritische Würdigung des RTS-Entwurfs zu Art. 4 SFDR. WM Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht, Heft 26/2021, S. 1266-1275.

3) Vgl. Greenhouse Gas Protocol (GHP; 2013)Technical Guidance for Calculating Scope 3 Emissions (Version 1.0). https://ghgprotocol.org/sites/default/files/standards/Scope3_Calculation_Guidance_0.pdf. Zugegriffen: 29.01.2022.

4) CO2 e = CO2-Äquivalente, die als Maßeinheit zur Vereinheitlichung der Klimawirkung der unterschiedlichen Treibhausgase dienen. Neben Kohlendioxid als dem wichtigsten von Menschen verursachten Treibhausgas werden damit auch beispielsweise Methan oder Lachgas vergleichbar gemacht.

5) Vgl. Hohenadl, A. (2021) Nicht nachhaltig geklärt. Euro am Sonntag. 23.-29.04.2021.

6) Vgl. Steuer, S. (2021), a.a.O.

7) Vgl. Sellhorn, T., Wagner, V. (2022) Das International Sustainability Standards Board und globale Standards für Nachhaltigkeitsberichterstattung. Der Betrieb 01-02/2022, S.1-9.

8) Vgl. Baumüller, J., Scheid, O. (2021) "Climaterelated disclosures prototype": Empfehlungen für die Standards zur Nachhaltigkeitsberichterstattung der IFRS Foundation. PiR Nr. 12 vom 10.12.2021, S. 333-340.

Dr. Christian Glaser , Generalbevollmächtigter , Würth Leasing GmbH & Co. KG, Albershausen

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