Einbeziehung der NSFR in Bewertung und Steuerung

Dr. Henriette Kröner Foto: d-fine

Noch ist die Net Stable Funding Ratio nicht verpflichtend eingeführt. Und doch registrieren die Autoren schon vor der Umsetzung für die auf die Laufzeitdifferenzen von Aktiva und Passiva ausgerichtete Liquiditätskennziffer wegen der langfristig angelegten Wirkungen von Geschäftsentscheidungen und deren Einfluss auf die Bilanzstruktur eine erhöhte Aufmerksamkeit vonseiten der Banken. Insbesondere im aktuellen Niedrigzinsumfeld halten sie es für wichtig, die Bilanzstruktur optimal zu steuern und externe Preise profitabel zu gestalten. Anhand einer Szenariobetrachtung verdeutlichen sie die Konsequenz von Geschäftsentscheidungen im Hinblick auf die NSFR und deren Kosten und empfehlen die Implementierung von Steuerungstools und einer möglichst akkuraten Messung zusätzlicher Refinanzierungskosten durch das stabile Funding. (Red.)

Die Net Stable Funding Ratio (NSFR)1) ist neben der Liquidity Coverage Ratio (LCR) die zweite im Rahmen der Finanzkrise neu eingeführte quantitative Liquiditätsrisikokennzahl. Während die LCR einen kurzfristigen Fokus hat (Liquiditätspotential und -bedarf innerhalb der nächsten 30 Tage), konzentriert sich die NSFR auf das sogenannte strukturelle Liquiditätsrisiko, das heißt die Laufzeitdifferenzen von Aktiva und Passiva im nächsten Jahr beziehungsweise darüber hinaus.

Eine strukturelle Kennzahl

Die LCR ist bereits seit Januar 2018 verpflichtend einzuhalten, wohingegen die NSFR frühestens 2019 unter der aktuell vorgeschlagenen CRR-Novelle (oft als CRR II bezeichnet) regulatorisch verpflichtend eingeführt wird. Gemäß des Zeitplans zur Einführung der CRR II2) wird die erstmalige Meldung der NSFR nach CRR II in der Europäischen Union per "1.1.2019 oder später" erforderlich sein.

Trotzdem erhält gerade die NSFR schon jetzt eine erhöhte Aufmerksamkeit vonseiten vieler Banken, weil sie als strukturelle Kennzahl stark von langfristigen Geschäftsentscheidungen sowie der Bilanzstruktur abhängt und damit nur schwer kurzfristig zu optimieren ist, sondern langfristig gesteuert werden muss. Darüber hinaus ist bereits jetzt absehbar, dass die NSFR für viele Banken eine restriktive Größe sein wird, das heißt, dass sie Stand heute nicht ohne Weiteres von allen Instituten erfüllt werden würde.

Darüber hinaus sei auch das Einpreisen und die Bilanzierung von Funding Value Adjustments (FVA) erwähnt. Gemäß IFRS 13 sind Bewertungsanpassungen, die als Marktstandard angesehen werden können und die auf Basis öffentlich verfügbarer Informationen in ihrer Höhe nachvollzogen werden können, in der Bilanz zu berücksichtigen - dazu zählt zukünftig auch die Information über die Einhaltung der NSFR, da diese in die Offenlegungsberichterstattung integriert werden wird. Durch die Pflicht zur Einhaltung der NSFR ist die im momentanen FVA-Standard verwendete Annahme der kurzfristigen Refinanzierung von Marktwertänderungen verletzt.

Somit könnte argumentiert werden, dass die Einbeziehung der NSFR in die Bewertung als eine FVA-Komponente nicht nur ökonomisch sinnvoll, sondern sogar verpflichtend ist (vergleiche dazu die nachfolgende Case Study).

Man sollte sich also bereits frühzeitig Gedanken machen, wie man die NSFR in die Bewertung - speziell in die Bewertung besonders von der NSFR betroffener Produkte - sowie die interne Steuerung/ FTP-Modelle integrieren kann.

Im Folgenden wird nun die Einbeziehung der NSFR in die Bewertung und die Steuerung anhand von Case Studies zu zwei Produktgruppen erläutert.

Einbeziehung der NSFR in die Bewertung

Im Derivatehandel und bei der Bilanzierung derivativer Instrumente unter IFRS 13 ist es inzwischen Standard, eine Bewertungsanpassung für Fundingkosten zu veranschlagen. Dieser fällt insbesondere im Fall unbesicherter Derivate und bei Häusern mit signifikantem Fundingspread (Spread zwischen der eigenen Fundingkurve und der risikofreien Zinskurve in der eigenen Hauptwährung) durchaus deutlich ins Gewicht.

Diese Anpassung, üblicherweise FVA genannt, teilt sich auf in FVA = FCA - FBA (Funding Cost Adjustment minus Funding Benefit Adjustment). FCA entspricht den Fundingkosten für künftiges positives Exposure und FBA dem Fundingerlös für künftiges negatives Exposure (zu plausibilisieren etwa über Collateral-Funding auf der inversen Hedgeposition). Da sich die Net Stable Funding Ratio nur auf die Fundingkosten auswirkt, wird im Folgenden lediglich die FCA-Komponente betrachtet.

Unter Vernachlässigung von Kontrahentenausfall und eigenem Ausfall sowie Diskretisierung der Zeit ergibt sich folgende Formel für den FCA3)

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Hierbei bezeichnet sB den Fundingspread der Bank und Vt den Barwert der zugrundeliegenden Position zur Zeit t sowie DFt den entsprechenden (pfadabhängigen) Diskontfaktor.

Bei der Berechnung von FCA geht man üblicherweise davon aus, dass man die sich aus dem Geschäft (beziehungsweise unter einem Netting Agreement aus dem Kontrahentenportfolio) ergebende Fundingposition per Bewertungsstichtag für jedes zukünftige Laufzeitband mit einer Forward-Emission in Höhe des erwarteten Exposures schließt. Die Bewertungssicht entspricht damit einer Hedging- oder auch Replikationssicht.

Obige Definition des FCA ignoriert die Existenz der NSFR, da jeglicher Fundingbedarf als kurzfristig angesehen wird (abhängig von der Wahl der zeitlichen Diskretisierung). Dies widerspricht der Vorgabe der NSFR, einen Teil der Fundingposition mit halbjährigen (Anrechnungsfaktor 50 Prozent im ASF) oder sogar einjährigen Emissionen (Anrechnungsfaktor 100 Prozent) zu unterlegen.

Zerlegung der Fundingkosten

Unter Berücksichtigung der NSFR ergibt sich nun eine Zerlegung der Fundingkosten in einen Term FCA tenor, der aus der Unterlegung mit stabilem Funding resultiert, sowie einem Term FCA inst, der der kurzfristigen Refinanzierung des residualen Fundingbedarfs entspringt:

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Hierbei bezeichnet sDeltaB den Fundingspread, den die Bank für stabiles Funding mit Dauer Delta > 0 (typischerweise Delta >/= 1Y) aufwenden muss, und DB den aus der NSFR resultierenden stabilen Fundingbedarf. Letzterer ergibt sich aus der NSFR unter Berücksichtigung der gewählten Stable Funding Strategie und den von der Bank getroffenen internen Regelungen zur Behandlung des Derivategeschäfts in der NSFR. Zur Theorie und vertieften Diskussion der Optimierung zwischen stabilem Funding mit Anrechnungsfaktoren 50 Prozent und 100 Prozent verweisen wir auf den Artikel von Siadat und Hammarlid4).

Entscheidet man sich für einen Kostenansatz etwa allein auf Ebene des OTC-Handels, so fallen als Required Stable Funding nach dem CRR II (Entwurf vom November 2016) 100 Prozent der Derivative Assets - das heißt des Expected Exposure - an, sowie im unbesicherten Fall 5 Prozent der Derivative Liabilities - also des Expected Negative Exposure.

Entscheidet nun die Bank, dem ASF kein Eigenkapital entgegenzustellen und stets mit über einjährigem Stable Funding zu agieren, so ergibt sich DB( t) = 100% max( Vt,0) + 5% max(- Vt,0). Im Falle, dass Eigenkapital als ASF angerechnet wird, reduziert sich DB entsprechend. Eine mögliche adäquate Wahl wäre der von der OTC-Position verursachte regulatorische Eigenkapitalbedarf nach Säule I (etwa Counterparty Risk, CVA-Risiko, Leverage Ratio), was aber die entsprechende Monte-Carlo-Simulation erheblich aufwendiger macht.

Hinsichtlich des "Tenor Funding Spread" sDeltaB sind ebenso Modellierungsfragen zu klären. Nimmt man etwa an, dass die Bank jederzeit entsprechend ihrer (Mid-) Bondkurve Zerobonds emittieren und zurückkaufen kann, so gilt sDeltaB = sB (also ergibt sich ein NSFR-Effekt im FCA gegebenenfalls nur durch den zusätzlichen anteiligen Fundingbedarf für die Derivative Liabilities). Dies ändert sich jedoch natürlich fundamental, wenn entweder ein relevanter Bid-Ask-Spread zwischen Emission und Rückkaufkonditionen angenommen oder aber sogar unterstellt wird, dass das "Tenor Funding" nicht vorzeitig getilgt wird, sondern bis zum Ende der Emission weiterläuft.

Szenarioanalyse

Als Beispiel für eine Abschätzung des maximalen Impacts der NSFR auf FVA wird der Fall eines 10-jährigen Receiver Swaps mit 100 Millionen Euro Notional betrachtet, der per 30. Oktober 2017 zu ATM (OIS-diskontiert) abgeschlossen wird, und folgendes Szenario unterstellt: Die Bank fundet sich am kurzen Ende zu 10 bp über Eonia und der Fundingspread weitet sich bis 10 Jahre Horizont auf 80 bp aus (linearer Anstieg), ferner besteht für das Haus durchgängig ein 5 bp Bid/Ask-Spread zwischen Emissionen und Rückkäufen von Anleihen. Angenommen, die Bank erfüllt die NSFR je FVA-Laufzeitband durch folgende Strategie: Je zu Beginn des Bands wird der Fundingbedarf bestimmt und dann wird ein Zerobond mit einer Laufzeit von einem Jahr über das Laufzeitbandende hinaus begeben, der zum Ende des Bands wieder getilgt wird. Es wird angenommen, dass 100 Prozent des Expected Exposure als RSF zu funden sind und 5 Prozent des Expected Negative Exposure und dass kein Eigenkapital im ASF angerechnet werden soll. Dann ergibt sich unter Annahme von quartärlichem Refunding (also Betrachtung von 3m-Laufzeitbändern) folgendes Bild (Abbildung 1).

Dieser Fall führt zu einem fünfzigprozentigen Anstieg der Fundingkosten. Würde man FVA statt FCA betrachten, fällt der relative Effekt aufgrund des gleichbleibenden FBA und gegenläufigen Vorzeichens noch höher aus. Würde man bei sonst gleichen Annahmen auf monatlichen Laufzeitbändern funden, käme sogar ein Anstieg auf 175 000 Euro heraus, da man hier bei gleichem Bid/Ask-Spread durch die häufigere Refinanzierung höhere Verluste realisiert. In der Praxis sollte man aber das von der Position verursachte regulatorische Eigenkapital im ASF zur Reduktion des stabilen Fundingbedarfs anrechnen, sodass der Effekt in beiden Fällen niedriger ausfällt.

Ob sich dieser Effekt nicht nur im Pricing, sondern zeitnah auch bilanziell unter IFRS 13 materialisiert, bleibt abzuwarten. Zwei wesentliche Voraussetzungen dafür sind a) die Bildung eines Marktstandards zur Messung der Größe und b) eine durchgängige Einbeziehung als Kostenfaktor beim Abschluss neuer Derivate am Markt. Dies wird sich erst langsam mit der verbindlichen Einführung der NSFR in allen Jurisdiktionen ergeben und von oben nach unten im Bankmarkt durchsetzen. Das Einpreisen als "real cost" ist jedoch schon jetzt relevant, da neu abgeschlossene Zinsswaps meist bis weit in die Gültigkeitsphase der NSFR hinein weiterlaufen werden.

Für Banken mit Kreditportfolio im Hypotheken- oder öffentlichen Bereich ist der Pfandbrief traditionell das bevorzugte Refinanzierungsinstrument, da aufgrund der Besicherung die Funding-Kosten insgesamt geringer sind als über eine unbesicherte Emission.

Auch heute sind für eine Pfandbriefemission bereits regulatorische Anforderungen gemäß Pfandbriefgesetz ein zu hal ten, die zum Beispiel über die 180-Tage-Regel zusätzliche Kosten verursachen. Dies wird allerdings über die Verpflichtung zur Einhaltung der NSFR noch deutlich verschärft. Ursache ist die Behandlung der zugehörigen Kredite und Wertpapiere im Deckungsstock innerhalb der NSFR.

Vor der Pfandbriefemission sind diese mit 65 Prozent Required Stable Funding (RSF) Faktor anzusetzen, das heißt 65 Prozent des Volumens der Kredite müssen mit langfristiger Refinanzierung > 1 Jahr unterlegt werden, die verbleibenden 35 Prozent können kurzfristig refinanziert werden.

Durch die Pfandbriefemission ändert sich dies allerdings, denn dann gelten die Kredite als "encumbered", das heißt verpfändet, und erhalten bei Verpfändung mit Laufzeit > 1 Jahr (wie bei einem Pfandbrief typischerweise der Fall) gemäß aktuellem CRR II Compromise Proposal5) einen RSF-Faktor von 85 Prozent. Dies kann dazu führen, dass bei sonst gleicher Bilanzstruktur durch die Wahl einer Pfandbriefemission anstatt einer unbesicherten Emission die NSFR deutlich verschlechtert wird (Abbildung 2). Insgesamt wird durch eine Pfandbrief emission nur eine NSFR-Verbesserung im Sinne einer Nettoerhöhung des Available Stable Funding (ASF) Betrags von 80 Prozent des Pfandbriefvolumens generiert, wohingegen eine unbesicherte Emission zu 100 Prozent Erhöhung führen wür de. Wenn die Emission mit dem Ziel der NSFR-Steuerung ausgegeben werden würde, müsste man also für den gleichen Effekt etwa das 1,25-Fache an Pfandbriefen emittieren - selbst ohne Effekte aus den Überdeckungsanforderungen zu berücksichtigen. Dies sollte im internen FTP-Mo dell berücksichtigt werden, damit die durch Pfandbriefe beziehungsweise unbesicherte Emissionen erzielten NSFR-Vor teile korrekt an die Produkte weitergegeben werden. Entstehen also aus Einhaltung der NSFR kalkulatorische Kosten von beispielsweise 10 bp pro Euro an RSF-ge wichteten Aktiva, so sollten davon auf die unbesicherten Emission ebenfalls 10 bp pro Euro als Vorteil umgelegt werden, auf den Pfandbrief hingegen nur 8 bp.

Profitabilität analysieren

Die Einbeziehung der NSFR in die Bewertung und Steuerung wird für viele Banken entscheidend sein, um die Profitabilität ihres Geschäftsmodells zu analysieren. Insbesondere im aktuellen Niedrigzinsumfeld ist es wichtig, die Bilanzstruktur optimal zu steuern und externe Preise profitabel zu gestalten. Selbst wenn man Preiserhöhungen derzeit noch nicht am Markt weitergeben möchte, ist es dennoch hilfreich, sich der genauen NSFR-Kos ten bewusst zu sein, um sich gegebenenfalls über die interne Steuerung auf Produkte mit weniger starkem NSFR-Einfluss zu konzentrieren zu können beziehungsweise um sich über die Konsequenz von Geschäftsentscheidungen auch im Hinblick auf die NSFR bewusst zu sein.

Fußnoten

1) Basel Committee on Banking Supervision. Basel III: The Net Stable Funding Ratio. Abgerufen von www.bis.org, 2014.

2) Europäische Kommission. COM(2016)850/F1 Regulation of the European Parliament and of the Council. Abgerufen von https://ec.europa.eu, 2016.

3) Christoph Burgard, Mats Kjaer. Funding Cost, Funding Strategies. Risk, December, 82-87, 2013.

4) Medya Siadat, Ola Hammarlid. Net Stable Funding Ratio: Impact on Funding Value Adjustment. Abgerufen von: https://arxiv.org, 2017.

5) European Council. Proposal for a Regulation of the European Parliament and of the Council amending Regulation (EU) No 575/2013. Abgerufen von: www.consilium.europa.eu

Dr. Henriette Kröner Senior Manager, Schwerpunkt Liquiditätsrisiko und FTP, d-fine GmbH, Frankfurt am Main
Dr. Holger Plank Senior Manager, Schwerpunkt Derivatebewertung und Valuation Adjustments, d-fine GmbH, Frankfurt am Main

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