Erleichterte Finanzierung von Infrastruktur durch Spezialfonds

Thomas Richter, Hauptgeschäftsführer, Deutscher Fondsverband BVI, Frankfurt am Main - Vor gut zwei Jahren schon ist beim Bundesministerium für Wirtschaft und Energie eine Expertenkommission gegründet worden, die unter anderem ausloten soll, wie private Gelder in die Finanzierung von nicht nur hierzulande dringlich notwendigen Infrastrukturprojekten fließen kann. Mittlerweile hat der Autor aus Sicht der Fondsbranche mit dem Umsetzungsgesetz zur OGAW-V-Richtlinie konkrete Aktivitäten ausgemacht, diesen Zielen mit neuen Fondsmodellen näherzukommen. (Red.)

Deutschland holt bei der alternativen Finanzierung von Unternehmen und Infrastrukturprojekten auf. Im März dieses Jahres trat das Umsetzungsgesetz zur OGAW-V-Richtlinie in Kraft, das für Spezialfonds-Anleger eine gute Nachricht enthält: Anders als der Name vermuten lässt, hat der Gesetzgeber damit nämlich nicht nur Vorschriften für OGAWs geändert, sondern auch einige Regeln für die Investitionen von Spezialfonds in Kredite. Offene Spezialfonds durften bereits bisher unbeschränkt in unverbriefte Darlehensforderungen investieren. Darüber hinaus erlaubt das Gesetz aber nun ausdrücklich, dass der Fonds die Kreditbedingungen nach dem Erwerb auch selbst ändern, das Darlehen also beispielsweise restrukturieren oder verlängern darf. Geschlossene Spezialfonds dürfen sogar Kredite vergeben; allerdings nicht an Verbraucher und nur, wenn der Fonds selbst nur in geringem Umfang kreditfinanziert ist. Zusätzlich gelten spezielle Vorschriften zur Risikostreuung.

Lockerung des regulatorischen Korsetts

Die Lockerung des regulatorischen Korsetts für Kreditfonds kommt zur rechten Zeit. Die Zinsen im Euroraum bleiben niedrig, und in den USA verläuft die Zinswende nur langsam. Institutionelle Anleger suchen langfristige Anlagen, mit denen sie ihre Ertragsziele erreichen können. Das gilt insbesondere für Pensionsfonds, Pensionskassen und Versicherungen, die langfristige Zahlungsverpflichtungen decken müssen. Sie haben nun deutlich mehr Möglichkeiten, sich am Markt für Kreditinvestments (Loans) zu beteiligen.

Weltweit ist dieser Markt über eine Billion US-Dollar groß. Der Löwenanteil davon entfällt auf die USA, wo die Finanzierung von Unternehmen und Projekten über Kredite bereits seit den 1980er Jahren etabliert ist. In Europa nahm dieses Finanzierungmodell erst nach Einführung des Euro Fahrt auf. Entsprechend besteht Nachholbedarf. Das gilt insbesondere für Deutschland, weil das Kreditgeschäft hierzulande traditionell die Banken übernehmen.

Doch das Interesse institutioneller Anleger an alternativen Kreditfinanzierungen wächst. Laut einer aktuellen Umfrage planen 35 Prozent der deutschen Pensionsfonds, ihre Kreditinvestments auszubauen. Darlehen liefern vergleichsweise hohe und häufig auch stabile Erträge. Zum Beispiel in der Unternehmensfinanzierung: Ver glichen mit Unternehmensanleihen ähnlicher Qualität, Laufzeit und Volatilität ist der Gesamtertrag unverbriefter Darlehen deutlich höher. In der Praxis können Spezialfonds Forderungen aus privaten Großkrediten an Unternehmen vor allem am Sekundärmarkt erwerben. Für die Anleger sind vor allem vorrangig besicherte Verbindlichkeiten (Senior Secured Loans) interessant. Ihr Ausfallrisiko ist im Konkursfall deutlich geringer als bei unbesicherten Forderungen. Die Streuung der Risiken über viele Anlagen in einem Fondsportfolio bietet den Investoren zusätzliche Sicherheit.

Ein weiteres wichtiges Segment des Kreditmarktes könnten für deutsche Spezialfonds Projektfinanzierungen werden. Deutschlands Infrastruktur ist eine Baustelle. Bereits 2012 errechnete eine Bund-Länder-Kommission, dass rund 20 Prozent der Autobahnen und 41 Prozent der Bundesstraßen in einem kritischen Zustand sind. Die Experten der vom Bundesministerium für Wirtschaft (BMWi) einberufenen "Fratzscher-Kommission" bezifferten den Investitionsstau im vergangenen Jahr mit 90 bis 100 Milliarden Euro. Nach marktwirtschaftlichen Kriterien ist diese chronische Unterfinanzierung der deutschen Infrastruktur paradox; ginge es allein nach dem Gesetz von Angebot und Nachfrage, müssten sich Staat und private Geldgeber bei Instandhaltung und Ausbau von Straßen, Brücken und öffentlichen Gebäuden längst viel häufiger zusammentun. Doch Bund, Länder und Kommunen, Unternehmen oder Banken können wegen ihrer Verschuldung oder regulatorischer Auflagen die Mittel für den Erhalt und Ausbau der Infrastruktur häufig nicht mehr aufbringen. Ihren Platz können private Investoren einnehmen und sich damit langfristig stabile Einnahmen sichern.

Chance zur Erschließung alternativer Finanzierungsquellen

Auf EU-Ebene hat man diese Chance zur Erschließung alternativer Finanzierungsquellen erkannt. Die Versicherungsaufsicht EIOPA hat der EU-Kommission unlängst Vorschläge gemacht, wie sich Investitionen in Infrastruktur für Versicherungsunternehmen noch attraktiver gestalten ließen. Die Behörde geht davon aus, dass die Kommission ihr folgen wird. Das würde Versicherern weitere Erleichterungen bei den Eigenkapitalvorschriften nach Solvency II bringen. Letztere waren erst vor wenigen Monaten durch Sonderregeln für Infrastrukturanlagen gelockert worden.

Auch in Deutschland tut sich etwas: Im Juni tauschten sich Vertreter der Bundesländer, der Kommunen, des BVI und weiterer Verbände der Finanzwirtschaft im BMWi über neue Fondsmodelle zur Finanzierung öffentlicher Infrastrukturprojekte aus. Die Finanzierung durch privates Kapital bietet Chancen für alle Beteiligten. Mit Spezialfonds kann die Fondsbranche dazu einen wichtigen Beitrag leisten. Dank der neuen Regeln für Kreditfonds ist Deutschland dabei nun einen Schritt weiter.

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