Erneuerbare Energie: Klimaschutz als Investitionschance nutzen

Jan-Peter Müller, Foto: Commerz Real

Der Autor ist ein Verfechter der erneuerbaren Energien, die er in Anlehnung an die Corona-Epidemie salopp als "Impfstoff" gegen das "Klimafieber" bezeichnet. Laut einer Schätzung der Internationalen Energieagentur (IEA) besteht in den kommenden 40 Jahren in diesem Segment ein Investitionsbedarf von 16,7 Billionen US-Dollar. Diese Herausforderung ergebe dadurch auch interessante Anlagegelegenheiten für Investoren, vor allem auch Depot-A-Investments der Banken. Eine solche Ertragsquelle könne den Kreditinstituten gerade in der Niedrigzinszeit benötigte attraktive und relativ gut prognostizierbare Cashflows bringen. Dafür sei jedoch aufgrund der Volatilität der verschiedenen Energieträger eine breite Diversifikation wichtig. Zudem spielen demnach langfristige Stromabnahmeverträge (Power Purchase Agreements, PPA) eine wichtige Rolle, auch aus regulatorischer Sicht. In Deutschland sei dieses Potenzial jedoch noch weitgehend ungenutzt. (Red.)

Die Corona-Krise zeigt, wie wichtig es ist, frühzeitig entschlossen zu handeln. Gemäß der Devise "Flatten the Curve" gilt Gleiches auch für die Klimakrise, um die Folgen der Erderhitzung beherrschbar zu machen und zu begrenzen. Im Gegensatz zur Corona-Pandemie sind die wirksamen Impfstoffe für das Klimafieber bekannt und größtenteils bereits entwickelt: erneuerbare Energien. Sie stehen in großer Technologiebreite wettbewerbsfähig sowie flexibel einsetzbar zur Verfügung und liefern zuverlässig sauberen Strom, Wärme und Treibstoffe. Windenergie und Fotovoltaik sind zudem bereits heute schon oftmals günstiger als konventionelle Formen der Energiegewinnung.

Der konsequente Umstieg auf erneuerbare Energien gehört in jede zukunftsgewandte Klima- und Industriestrategie. Ein Bericht der Internationalen Agentur für Erneuerbare Energien (IRENA) zeigt, dass die Umstellung auf erneuerbare Energien global die Zahl der Arbeitsplätze in diesem Bereich bis zum Jahr 2050 auf 42 Millionen nahezu vervierfachen würde. Zudem liegen die langfristigen Kosten eines erneuerbaren Energiesystems vermehrt unter den langfristigen Kosten der konventionellen Energieerzeugung. Um diesen Wechsel zu einer CO2 neutraleren, langfristig billigeren Erneuerbaren Energieversorgung jedoch zu schaffen, bedarf es massiver Anfangsinvestitionen.

Die Experten der Internationalen Energieagentur schätzen den Investitionsbedarf im Stromsektor auf 16,7 Billionen US-Dollar bis zum Jahr 2060, um das Klimaziel des Pariser Abkommens - die 2-Grad-Grenze - zu erreichen. Andere Schätzungen gehen von bis zu 10 Billionen Euro bis 2050 aus. Diese Summen beinhalten nicht nur Investitionen in die reinen Erzeugungskapazitäten. Vielmehr werden mit der Verbreitung erneuerbarer Energieproduktion auch Investitionen in die erforderliche netzgebundene Infrastruktur notwendig. Dazu gehören Speicherkapazitäten, smarte Energienetze oder Hochspannungsübertragungsleitungen für den Stromtransport über weite Strecken.

Erneuerbare Energie für das Depot A

Die Herausforderungen der Energiewende ergeben somit eine attraktive Investitionsmöglichkeit für interessierte Anleger. Investitionen in erneuerbare Energien und netzgebundene Infrastruktur können angesichts der seit Jahren anhaltenden niedrigen Zinsen für das Eigengeschäft der Banken sowie der Sparkassen (Depot-A-Geschäft) eine wichtige Ertragsquelle mit einem entscheidenden Vorteil sein: regelmäßige und relativ gut prognostizierbare Cashflows. Die Herausforderung am Beispiel der Energieerzeugung durch erneuerbare Energien liegt darin, diese Cashflows vor dem Hintergrund von zwei potenziell volatilen Faktoren, der produzierten Menge und des erzielbaren Preises, langfristig zu verstetigen.

Auslaufende staatliche Subventionen - was nun?

Der Stromertrag aus Windenergie-, Fotovoltaik- und Wasserkraftanlagen unterliegt naturgemäß mehr oder weniger starken witterungs-, tages- und jahreszeitlich bedingten Schwankungen. Eine möglichst breite Diversifikation sowohl bezüglich der Standorte als auch der Technikhersteller oder Erzeugungsarten ermöglicht eine bestmögliche Stabilisierung der Produktionsmengen. Dabei zeigt sich, dass Wasserkraftanlagen, Offshore-Windparks sowie Fotovoltaik-Parks bezüglich der Produktionsmengen weniger Volatilität aufweisen als vergleichsweise Onshore-Windparks. Fotovoltaik-Parks aber auch Wasserkraft haben allerdings den Nachteil, dass sie oftmals sehr kleinteilig sind; Offshore-Projekte, dass diese zu großvolumig sind für einen einzelnen Anleger. Sich mit anderen gleichgesinnten Instituten zusammenzutun und das Asset Management der Kompetenz eines Spezialisten zu überlassen, der den richtigen Mix aus Projekten zusammenstellt, ist deshalb eine naheliegende Strategie - und das ist über einen Fonds möglich, der zugleich die regulatorischen Belange der Geldhäuser berücksichtigt.

Bezüglich der Verlässlichkeit des erzielbaren Preises, steht die Erneuerbare-Energien-Branche vor einer Umstellung: Einspeisevergütungen für Projekte, wie sie in Deutschland zum Beispiel durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) gesichert sind, werden zukünftig auslaufen - nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen Teilen Europas. Mit dem Wegfall staatlicher Anreize müssen privatwirtschaftliche Instrumente Projektplanern ausreichend Sicherheit bieten, sodass die neue Windkraftanlage oder der avisierte Solarpark wirtschaftlich tragfähig und die Erträge langfristig gesichert sind.

In Deutschland wurde mit der Reform des EEG im Jahr 2017 das Fördersystem für Windenergie von festen Einspeisevergütungen auf ein Ausschreibungssystem umgestellt. Die stärkere Einführung von Marktmechanismen, welche durch die Umstellung auf ein Ausschreibungssystem erst begonnen hat, bedeutet im Endeffekt auch, die immer stärkere Übernahme von Marktpreisrisiken durch den Investor. Um dieses Marktpreisrisiko zu hedgen, werden sich Stromabnahmeverträge zu fest vereinbarten Abnahmepreisen langfristig etablieren. In einigen Strommärkten haben diese sogenannten Power Purchase Agreements (PPA) bereits eine gewisse Marktreife erreicht. Bei PPA geht es nicht darum, die Erträge aus der Stromvermarktung zu maximieren, sondern auf einem langfristig gut prognostizierbaren Niveau zu verstetigen. Dafür sind die Erzeuger bereit, einen geringen Abschlag auf den zu erwartenden durchschnittlichen Preis an den Spotmärkten in Kauf zu nehmen - quasi als "Hedging-Kosten". Zu unterscheiden ist zwischen Verträgen mit örtlichen Stromversorgern und solchen mit (industriellen) Großabnehmern, sogenannten Corporate PPA.

Ein weiteres Unterscheidungskriterium sind Verträge mit physischer Stromlieferung gegenüber synthetischen beziehungsweise virtuellen PPA, bei denen zwar der Strom aus Erneuerbaren erworben, aber nicht unmittelbar an den Abnehmer geliefert wird. Last, but not least ist die Unterscheidung zwischen Base Load PPA und Pay as Produced PPA signifikant und unbedingt bei der Bewertung des Risikos sowie des Pricings eines Projektes zu berücksichtigen.

Im Umfeld europaweit auslaufender staatlicher Förderungen werden PPA zudem benötigt, um Investments in Erneuerbare "bankable" zu machen. Viele Banken scheuen die Finanzierung von Erneuerbare-Energie-Projekten, wenn für die Stromvermarktung nur die volatilen Spotmärkte vorgesehen sind. Dies wiederum ist für institutionelle Investoren ein elementares Kriterium. Zum einen können sie ohne die Banken als Fremdkapitalgeber ihr Investment nicht "leveragen". Zum anderen hat dies regulatorische Auswirkungen: Wenn es sich um nach Basel III regulierte Banken handelt, spielt unter anderem die Regelmäßigkeit der Cashflows eine Rolle bei der Errechnung der erforderlichen Eigenkapitalquote.

Mit anderen Worten: Das Renditeprofil muss zu den eigenen regelmäßigen Verbindlichkeiten passen. Das höhere Renditepotenzial geht naturgemäß mit einem anderen Risikoprofil einher. In der Cashflow Betrachtung gilt vielen Investoren die Anlage in erneuerbare Energien mit ihren regelmäßigen Einkünften als relativ gut geeignetes Zins-Substitut.

Schweden und Spanien besonders weit

Vor allem in den skandinavischen Ländern, aber auch in Großbritannien, Spanien sowie den USA boomt der Markt für Power Purchase Agreements. In den vergangenen zwei Jahren wurden allein in Skandinavien PPA für eine Kraftwerksleistung von rund 4 300 Megawatt (MW) abgeschlossen. Die Strompreise variieren in Europa stark, je nach dem regionalen Strommix und der Last der Abgaben. Entsprechend klafft auch die Spannbreite der Preise, die europaweit erzielt werden, um bis zu 30 Euro je Megawattstunde (MWh) auseinander. Das geht aus einer veröffentlichten Studie von Bloomberg New Energy Finance (BNEF) hervor. So hat Schweden mit 30,50 Euro je MWh die günstigsten Onshore-Windenergiepreise für Unternehmen, während Spanien mit 35,50 Euro je MWh die günstigsten Preise für Solarenergie vorweisen kann. An den PPA-Preisen lässt es sich so zum Teil ablesen, wo sich die besten Standorte für eine bestimmte Technologie befinden. So überrascht es nicht, dass spanischer Solarstrom in Europa zu den günstigsten zählt. Längere Laufzeiten von 15 bis 20 Jahren bedeuten Auf- oder Abschläge von rund 1,50 bis 2,50 Euro pro MWh gegenüber den normalen Laufzeiten von 10 bis 15 Jahren.

In Deutschland ist das Potenzial von PPA dagegen noch recht ungenutzt. Die Umstellung zu einer klimafreundlicheren Energieversorgung ist zudem teilweise ins Stocken geraten, trotz EEG Vergütung. So ist der Zubau von Windkraftanlagen regelrecht eingebrochen, größere Solar-Projekte waren in den letzten Jahren ebenfalls selten und erleben erst seit Kurzem wieder eine Renaissance.

Onshore-Wind hat es jedoch am härtesten getroffen, nachdem es bereits im Jahr 2018 einen deutlichen Rückgang gegeben hatte, gingen im ersten Halbjahr 2019 Anlagen mit einer Kapazität von nur noch 271 Megawatt ans Netz. Das entspricht etwa einem Zehntel des üblichen Zubaus in den Jahren vor 2018. Mit dem Auslaufen der EEG Vergütung für ältere Anlagen kommt Bewegung in den Markt und viele Betreiber arbeiten an entsprechenden Angeboten. Doch damit es mit der Energiewende klappt und Klimaziele erreicht werden, wäre ein wesentlich stärkerer Ausbau als heute notwendig. PPA allein könnten hier als Sicherheit nicht genug sein, eventuell sollte die weitere Incentivierung und Förderung von Renewable Investments noch einmal überdacht werden.

Offenbar werden staatlich garantierte Mindestvergütungen oder andere Anreizsysteme wie CO2 Steuern oder Zertifikate bis auf Weiteres noch benötigt, um den Investitionsstandort Deutschland mit seiner manchmal zu starken behördlichen Regulierung im Vergleich zum Ausland attraktiv genug für Investments zu machen.

Gute Anlagegelegenheit und Beitrag zur Energiewende

Wenn die Utopie einer CO2 -freien Stromerzeugung in Europa Realität werden soll, kommt es auf einen Mix unterschiedlicher Technologien und Instrumente an. Die Wirtschaftlichkeit ist das entscheidende Kriterium, welche Technologie an welcher Stelle zum Einsatz kommt. Die regulatorischen Rahmenbedingungen sollten verlässlich, transparent sowie neutral und offen den eingesetzten Technologien gegenüber sein. Banken und Sparkassen finden für ihr Depot A im Segment der erneuerbaren Energien attraktive Investment-Opportunitäten und leisten so gleichzeitig einen wichtigen Beitrag zur Energiewende.

Jan-Peter Müller Executive Director - Head of Asset Structuring & Infrastructure Investments, Commerz Real, Düsseldorf
Jan-Peter Müller , Executive Director - Head of Asset Structuring & Infrastructure Investments, Commerz Real, Düsseldorf
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