Faktor-Investing: Wie kommt die Qualität ins Portfolio?

Quelle: Legal & General Investment Management

Wie kommt die Qualität in das Portfolio? Dieser Frage gehen die beiden Autoren im vorliegenden Beitrag nach. Dabei konzentrieren sie sich auf den Faktor "Qualität" als Teil von passiven Strategien, da Indexfonds aus institutionellen Portfolios nicht mehr wegzudenken wären. Qualität definieren Kurr und Zaher dabei als Aktien, die über verschiedene Markt- und Geschäftszyklen hinweg profitabel sind und Wert für die Aktionäre generieren. Doch sie diskutieren auch weitere Formen von Qualität, die eine Aktie haben kann. Sie weisen darauf hin, dass die Qualitätsvariante eines MSCI Indexes typischerweise ein deutlich höheres Kurs-Buchwert-Verhältnis und auch ein höheres Kurs- Gewinn-Verhältnis aufweist als der Marktkapitalisierungsindex. Dennoch hätte die Qualitätsvariante in den vergangenen 20 Jahren eine höhere risikobereinigte Rendite vorzuweisen. Grundsätzlich sollte ein Anleger unvoreingenommen entscheiden, ob ein Qualitätsfaktor isoliert betrachtet wird oder mit anderen Faktoren im Gesamtportfolio kombiniert werden sollte. (Red.)

Qualität - ein rundum positiv besetzter Begriff, doch was genau bedeutet er für Anleger? Manche verstehen darunter Firmen mit nachhaltigen Geschäftsmodellen und Wettbewerbsvorteilen. Für andere steht Qualität für Unternehmen mit bewährter Technologie oder für Bereiche, die sich im Laufe der Zeit nicht oder nicht wesentlich verändern - also etwa Hersteller von Aufzügen und Rolltreppen oder den Gesundheitsbereich. Während "Value" bei Fachleuten und in der Finanztheorie klar definiert ist, herrscht über die Eigenschaften von Qualitätsunternehmen weniger Konsens. Im Folgenden dieses Beitrags wird der Fokus auf den Faktor "Quality" als Teil von passiven Investmentstrategien gelegt, denn Indexfonds sind aus institutionellen Portfolios nicht mehr wegzudenken.

Die Kernfragen lauten: Wie lässt sich der Faktor "Quality" messen? Woher stammt die Überrendite gegenüber einem breiten Marktindex, die sich damit offenbar erzielen lässt - die sogenannte "Qualitätsprämie"? Und wie können Investoren Qualität für ihre Portfolios nutzen?

Qualitätsfaktor-Strategien zielen auf Aktien ab, die idealerweise über die verschiedenen Markt- und Geschäftszyklen hinweg profitabel sind. Der Qualitätsfaktor kann dazu aus zahlreichen Bestandteilen des Jahresabschlusses abgeleitet werden, etwa der Rentabilität, der Kapitalrendite oder auch der Corporate Governance, die sich unter anderem darin zeigt, wie das Unternehmen seine Aktionäre behandelt. Einige Merkmale sind recht simpel. So schneiden konstant profitable Unternehmen auf längere Sicht im Vergleich zu einem breiten Marktindex relativ gut ab. Bei anderen Merkmalen, zum Beispiel bei schwachem Wachstum von Vermögenswerten oder bei geringem Investitionsvolumen, ist dagegen nicht auf den ersten Blick ersichtlich, warum sie eine Überrendite gegenüber dem breiten Markt generieren sollten.

Die moderne Portfoliotheorie ist allerdings nicht in der Lage, die gesamte Überrendite mithilfe von Qualitäts-Screens zu begründen - daher betrachten einige Wissenschaftler die Qualitätsprämie als eine Anomalie, wobei es auch hier je nach Definition von Qualität unterschiedliche Meinungen gibt. Einige der Erklärungen sind teilweise aus dem allgemeinen Marktrisiko ersichtlich, während andere aus Marktfriktionen und Verhaltensverzerrungen resultieren.

Außerdem könnte die Qualitätsprämie als eine "Versicherung" fungieren, also als Risikoprämie gegen schlechte Wirtschafts- und Marktbedingungen. In einem normalen Marktumfeld wird Qualität nämlich nicht immer belohnt, da die wirtschaftliche Sensitivität nicht unbedingt der vorrangige Treiber von Aktienrenditen ist.

Steigendes Interesse

Benjamin Graham, der bereits in den 1930er Jahren die Bedeutung von Qualitätsmerkmalen bei Aktien erkannte, war der Meinung, dass nicht unbedingt teure Qualitätsaktien die größten Verlustbringer sein können, sondern vielmehr Unternehmen, die zwar attraktiv bewertet, aber von geringer Qualität sind. In der Zeit nach Graham konnten Wissenschaftler und Fachleute eine Qualitätsfaktor-Prämie nachweisen.

Die Idee, in Qualität zu investieren, hat seit der Dotcom-Blase 2001 immer mehr Anhänger gewonnen. Damals erlebten Anleger die Zusammenbrüche von Enron und Worldcom, die wie andere Pleiten der Wirtschaftsgeschichte das Ergebnis mangelnder Aufmerksamkeit gegenüber der Qualität von Bilanzen, Gewinnen und Corporate Governance waren. Die Insolvenz von Wirecard im Jahr 2020 muss als weiteres Beispiel für Gewinnmanipulationen gelten, bei denen das Unternehmen seine Einnahmen und Barmittel über viele Jahre hinweg zu hoch angesetzt hat.

Nach der globalen Finanzkrise 2008 und in späteren Krisenphasen, in denen Anleger nach dem Motto "Cash is King" agierten, stieg die Popularität von Qualitätsunternehmen weiter - man könnte es auch "Flucht in die Qualität" nennen. Die Spreu vom Weizen zu trennen, erwies sich als ein guter Risikodämpfer im Portfolio. Qualitätsorientierte Investmentmanager hatten es vor allem auf Unternehmen abgesehen, die viel Cash generierten, insbesondere als die Geschäftsmodelle von Banken hinterfragt wurden und deren Aktien unbeliebter wurden. Unternehmen, wie etwa Unilever, Nestlé, Apple oder Berkshire Hathaway, generieren eine Menge Cash, traditionelle Branchen, wie der Bergbau, und kleinere Unternehmen in der Regel jedoch nicht.

Heute gilt "Quality Factor Investing" als neueste Indexstil-Variante und wird in Indexfonds sowie als Ergänzung zu anderen Faktoren wie dem Value- oder Size-Faktor immer häufiger eingesetzt. Seit 2007 hat das Angebot diversifizierter Qualitätsstrategien dementsprechend ebenso zugenommen wie die Anzahl von ETFs und Indexfonds.

Abbildung 1: Performance-Vergleich Qualitäts- und Marktkapitalisierungsindizes Quelle: Research von Datenanbietern, LGIM

Langfristig besser als der Markt

Aktienmärkte können innerhalb kurzer Zeit stark schwanken - wie nicht zuletzt das Frühjahr 2020 gezeigt hat. Aber auf lange Sicht entwickeln sich diversifizierte und breit gefächerte Aktieninvestments in der Regel gut. Bei Anlagen in "Quality" ist das nicht anders. Investoren können dabei unterschiedlich vorgehen: Während ein taktischer Investor im Prinzip versucht, den Einstieg in den Qualitätsfaktor zu timen, wollen strategische Investoren genau dies vermeiden. Sie wählen Qualitätstitel oder einen Qualitätsindex mit dem Ziel aus, diese Anlagen langfristig zu halten und dadurch die Kosten für die Verwaltung des Portfolios zu senken. Ein typischer Umsatz (Käufe und Verkäufe) für einen diversifizierten Qualitätsindex im Markt liegt bei etwa 40 Prozent mit halbjährlichem Rebalancing.

Qualität hat sprichwörtlich ihren Preis. Qualitätsfaktor-Strategien mögen also auf kurze Sicht teurer erscheinen als der breite Markt oder der Value-Faktor, können langfristig jedoch im Wortsinn "preiswert" sein. Denn Anleger sollten erstens berücksichtigen, dass das beständig höhere Wachstumspotenzial dieser Aktien von den Standard-Bewertungsmethoden nicht erfasst wird und dass sie zweitens für deren höhere Rentabilität immer noch zu wenig bezahlen.

Qualitätsfaktor-Screens

In der Regel kann ein Investor über einen Anlagehorizont von fünf bis zehn Jahren mit verschiedenen Qualitätsmerkmalen im Portfolio immer noch ein ausgeglichenes Ergebnis oder eine Outperformance gegenüber dem Markt erzielen. Zum Beispiel hat der MSCI World Quality Index typischerweise ein zwei- bis dreimal höheres Kurs-Buchwert-Verhältnis als der Marktkapitalisierungsindex und ein um etwa 20 Prozent höheres Kurs-Gewinn-Verhältnis. Trotzdem waren die risikobereinigten Renditen des Qualitäts-Indexes in den vergangenen zwanzig Jahren höher. Langfristig hat der Faktor Qualität die auf Marktkapitalisierung basierenden Indizes sowohl für die USA als auch andere entwickelte Märkte übertroffen (Abbildung 1).

Einige Merkmale, die bei einem Unternehmen für Qualität sprechen, werden sowohl in der Fachliteratur als auch bei faktorbasierten Indizes angewendet. Häufig stützt sich die Klassifizierung auf Messgrößen aus dem Rechnungswesen, wie:

  • Profitabilitäts-Screen: Fokus auf profitable Unternehmen;
  • Asset Growth and Investment Screen: Fokus auf Unternehmen mit geringem Vermögenswachstum;
  • Leverage-Screen: Fokus auf Unternehmen mit nachhaltiger Schuldenstruktur,
  • Rückstellungs-Screen: Fokus auf der Ertragsqualität von Unternehmen (Cashversus Buchungsposten),
  • Aktienemissions-Screen: Fokus auf Unternehmen mit Aktienrückkäufen,
  • Corporate Governance: Fokus auf Eigenschaften gut geführter Unternehmen,
  • kombinierte Merkmale: eine Verknüpfung aus den oben genannten Screens.

Dies sind die regelbasierten Qualitätsscreens für das Faktor-Indexdesign. Sie werden häufig mit der Qualitätsprämie in Verbindung gebracht, die an den globalen Aktienmärkten zu beobachten ist. Die zugrunde liegenden Daten sind öffentlich verfügbar und leichter zugänglich als je zuvor. Dabei ist es sinnvoll, die Implikationen der Finanzbuchhaltung für jeden einzelnen Screen zu verstehen und wie diese Screens miteinander verknüpft sein können. Abbildung 2 veranschaulicht die Verbindung zwischen der Bilanz, der Gewinn-und-Verlust-Rechnung und der Cashflow-Rechnung. Für unseren Kontext zielt das gesamte Qualitätsattribut auf diese verschiedenen Merkmale des Jahresabschlusses ab.

Weniger Schwankungen bei High-Quality-Aktien

Nach Hsu et al. (2018)1) existieren kaum Belege dafür, dass Ertragsstabilität (zum Beispiel Wachstumsvariabilität des Gewinns je Aktie), Kapitalstruktur (zum Beispiel Verschuldung im Verhältnis zum Eigenkapital oder Verschuldung im Verhältnis zum Cashflow) und Rentabilitätswachstum (Veränderungen des Gewinns) Hinweise für Prämien liefern. Demgegenüber sind Rentabilität, Bilanzqualität, Ausschüttung/Verwässerung und Investitionen tendenziell mit einer Prämie verbunden. In ihrer Untersuchung zeigen die Autoren weiter, dass der größte Teil der qualitätsbezogenen Prämien durch Rentabilitätsniveaus und investitionsbezogene Merkmale erfasst werden kann. Es gibt jedoch ein breites Spektrum von Qualitätsmerkmalen; die hier vorgestellte Liste ist nicht abschließend.

Die meisten Qualitätsmerkmale dürften aus Sicht von Anlegern wohl positiv besetzt sein. "High Quality"-Aktien schlagen nicht nur auf lange Sicht den Markt, sondern erfahren auch weniger Kursschwankungen als riskantere Faktorstrategien und auch als der breite Markt.

Unter den Makrofaktoren ist vor allem die Inflation für den Qualitätsfaktor von Bedeutung. Unternehmen, die in der Lage sind, ihre Preissetzungsmacht aufrechtzuerhalten und im Laufe der Zeit mit der Inflation zu wachsen, werden typischerweise getiltet, also übergewichtet. Ebenso sind die Zinssätze wichtig für den Faktor Profitabilität. Unternehmen, die hohe Gewinne erzielen, profitieren somit tendenziell auch in einem Umfeld steigender Zinssätze oder bleiben zumindest profitabel. Ein typisches Beispiel hierfür ist der Bankensektor, der früher Teil des Qualitätsfaktors war. Ende 2007 war allerdings der MSCI World Quality Index zum Technologiesektor hin getiltet.

Die Begründung der Qualitätsprämie auf Basis des Makroumfelds und des Risikos mag schwach erscheinen. Tatsächlich lässt sich ein Teil der Prämie auf menschliches Verhalten und bis zu einem gewissen Grad auf Marktstrukturen zurückführen. Im Vergleich zu Unternehmen, die große Schlagzeilen produzieren, fehlen Qualitätsaktien meist die spannenden Geschichten. Anleger neigen dann dazu, die Qualität eines Unternehmens zu ignorieren und nicht in die Aktienkurse einfließen zu lassen. Der Grund dafür liegt in der Psychologie: Ein Ereignis erscheint uns umso wahrscheinlicher, je mehr Informationen wir darüber haben. Begegnen wir einem Unternehmensnamen häufiger, etwa weil es beim gemeinsamen Abendessen mit Freunden diskutiert wird, so kann dies unser Urteilsvermögen beeinflussen. Dieser sogenannte "Availability Bias" tritt auf, wenn Anleger die Wahrscheinlichkeit eines Ereignisses oder die Häufigkeit seines Auftretens danach beurteilen, wie gut sie sich an einen Sachverhalt erinnern. Im Kontext der Qualitätsprämie führt der Mangel an interessanten Geschichten deshalb dazu, dass Anleger qualitativ hochwertigen Aktien in einem freundlichen Marktumfeld wenig Aufmerksamkeit schenken.

Marktstrukturen sind womöglich sogar noch einflussreicher, so jedenfalls das Ergebnis mehrerer Studien. Zum Beispiel ist es nicht unüblich, dass Einnahmen und Ausgaben in den Bilanzen ausgewiesen werden, sobald sie anfallen, anstatt zum tatsächlichen Zeitpunkt des Cashflows. Unternehmen mit hohen positiven Netto-Rückstellungen entwickeln sich im Vergleich zu Unternehmen mit einem hohen Netto-Cashflow als Teil des Gesamtgewinns in der Regel schlechter. Daher können übermäßig und konstant hohe Rückstellungen bei der Beurteilung der "wahren" Qualität eines Unternehmens in die Irre führen.

Auch das Management eines Unternehmens zählt zu den Marktstrukturen. Führungskräfte sind häufig zu selbstsicher, was ihre Fähigkeiten zur Steigerung des Unternehmenswachstums betrifft. Leider gibt es nur wenige Studien, die dieses Verhalten dokumentieren. Nach einer Untersuchung von Malmendier und Tate aus dem Jahr 20082) neigen allzu optimistische CEOs häufiger zum Abschluss von Fusionen und Übernahmen, was wiederum zu überteuerten Akquisitionen oder zu überhöhten Ausgaben führen kann, die die finanzielle Stabilität und Qualität eines Unternehmens untergraben. Andere Studien zeigten, dass eine solche "Overconfidence" im Schnitt auch die Qualität von M&A-Deals senken kann.

Abbildung 2: Die Verbindung von Bilanz, Cashflow sowie Gewinn-und-Verlust-Rechnung Quelle: LGIM

Der Preis der Qualität

Manche Forscher sowie Fachleute argumentieren, dass ein Qualitätsfaktor mit einem anderen Faktor kombiniert werden sollte, sodass auch die Bewertung der zugrunde liegenden Aktien berücksichtigt wird. Damit soll vermieden werden, dass für Qualitätsaktien zu viel gezahlt wird.

Dazu passt eine Analogie aus dem US-Sport, die vor einigen Jahren unter dem Titel "Die Kunst zu gewinnen - Moneyball" auch in die deutschen Kinos kam: Der Geschäftsführer des Baseballteams Oakland Athletics, Billy Beane, stand 2002 vor der Herausforderung, mit begrenztem Budget ein wettbewerbsfähiges Team aufzubauen. Dazu nahm er statistische Verfahren zu Hilfe und verpflichtete erfolgreich Spieler, die nach der klassischen Auswahlmethode unterbewertet und deshalb günstig zu haben waren - Beanes Ziel war es, Spieler so billig wie möglich zu gewinnen. Mit einer ähnlichen Philosophie ging auch Sir Alex Ferguson, der frühere Trainer von Manchester United, vor oder Borussia Dortmund, die durch ihre Fußballakademie Talente zu Weltklasse-Fußballern entwickeln und rekrutieren.

Bei manchen Unternehmen sind höhere Kurse durchaus gerechtfertigt, andere sind dagegen schlicht überteuert oder aus gutem Grunde billig. Es gibt zum Beispiel Fälle, in denen ein Qualitätsunternehmen zu einem Value-Unternehmen wird. Das geschieht insbesondere in volatilen Marktphasen oder wenn die Bewertung überzogen ist, was die langfristige Performance untergraben kann. Im Jahr 2018 zeigte eine Studie von Frazzini et al.3) , dass die Performance der Unternehmen, in die Berkshire Hathaway investierte, eher zu Qualitätsaktien passte, obwohl sie als Value-Aktien angesehen wurden.

Im historischen Vergleich ist die Korrelation zwischen dem Faktor "Quality" und dem Faktor "Value" gering. Typischerweise werden Value-Aktien in Phasen hoher Marktvolatilität und in Krisen abverkauft, Qualitätsaktien jedoch weniger. Zu Beginn der Corona-Pandemie hielt sich der Qualitätsfaktor im Vergleich zu anderen Faktoren gut, wurde jedoch im Zuge der Markterholung, als Regierungen und Zentralbanken Maßnahmen zur Stimulierung der Wirtschaft und des Finanzsystems ergriffen, ignoriert. Langfristig ist die Korrelation aber nahe null.

Zudem sind qualitativ hochwertige Unternehmen insgesamt tendenziell teurer und weniger zyklisch als Value-Aktien, wodurch sie sich meist gegenläufig entwickeln. Damit eignen sich beide Faktoren zur Diversifizierung und gegenseitigen Ergänzung im Rahmen einer langfristigen Anlagestrategie. Allerdings ist es unter manchen Marktbedingungen schwierig, sowohl qualitativ hochwertige als auch stark unterbewertete Unternehmen zu erfassen. Den Schnittpunkt zu finden, in dem Value und Qualität im Gleichgewicht sind, kann sich daher lohnen.

Wie kann eine Quality-Faktorstrategie auf Dauer eine Mehrrendite - also eine Rendite über dem konventionellen Marktkapitalisierungsindex - erzielen? Dazu muss man nach den Kräften fragen, die die Qualitätsprämie bestimmen. Je nach Ausgestaltung des Qualitätsfaktors dürfte die Antwort unterschiedlich ausfallen.

Unterschiede beachten

Zunächst müssen Anleger sich bewusst machen, dass Qualität nicht nur einer Branche vorbehalten ist - auch wenn es natürlich menschlich ist, eine Vorliebe gegenüber bestimmten Branchen und Aktien zu hegen. Doch wenn Investoren aufgeschlossen sind und das System hinterfragen, können sie sich vor langfristigen oder sogar unwiederbringlichen Verlusten schützen.

Einige Merkmale, die für das Qualitätsscreening verwendet werden, sind möglicherweise begrenzt und nicht zwischen den Branchen vergleichbar. Die Geschäftsmodelle von Banken etwa unterscheiden sich grundlegend von anderen Wirtschaftsbereichen. Daher ist es wichtig zu verstehen, wie das Design der Faktorstrategie zwischen Finanzinstituten und anderen Unternehmen unterscheidet. Zum Beispiel sind Working Capital, Capex und Verschuldung nach den International Financial Reporting Standards (IFRS) oder den U.S. Generally Accepted Accounting Principles (GAAP) für Finanzinstitute nicht klar definiert. Folglich sind eine Reihe von Qualitätsmaßstäben, wie Bruttogewinn, operativer Cashflow und Rückstellungen, nicht immer auf Finanzunternehmen anwendbar. Hier würde der Return on Asset die Realität besser abbilden.

Qualitätsaktien in normalen Phasen billiger

Je nach Wahl der Merkmale kann sich die Performance der verschiedenen Definitionen von Qualität stark unterscheiden. Alle zielen jedoch darauf ab, die Qualitätsfaktorprämie über einen längeren Zeitraum zu erfassen, da Anleger die Qualitätsmerkmale nicht vollständig einpreisen beziehungsweise ihnen in guten Zeiten kaum Bedeutung zumessen. Daher sind Qualitätsaktien in Risk-off-Phasen meist vergleichsweise teuer, in normalen Marktphasen aber billiger. Grundsätzlich sollten Anleger unvoreingenommen entscheiden, ob ein Qualitätsfaktor für sich allein eine gute Investition darstellt oder ob er mit anderen Faktoren im Gesamtportfolio kombiniert werden sollte.

Unter dem Strich sind Unternehmen, die eine schlechte Rentabilität aufweisen, oft aus gutem Grunde billig - ebenso wie Firmen, die zu bilanzieller Kreativität neigen. Ein Unternehmen mit nachhaltig fremdfinanzierten, profitablen und "sauberen" Jahresabschlüssen und einem günstigen Preis dagegen ist das Nonplusultra des Investierens. Solche Gelegenheiten sind entweder schwer zu finden oder stehen gar nicht erst zum Kauf zur Verfügung.

Fußnoten

1) Hsu, J., Kalesnik, V., & Kose, E. (2019). What Is Quality?, Financial Analysts Journal, 75:2, 44-61

2) Malmendier, U., & Tate, G. (2008). Who makes acquisitions? CEO overconfidence and the market's reaction. Journal of Financial Economics, 89(1), 20-43.

3) Frazzini, A., Kabiller, D., & Pedersen, L. H. (2018). Buffett's alpha. Financial Analysts Journal, 74(4), 35-55.

Volker Kurr , Head of Europe, Institutional , Legal & General Investment Management (LGIM), Frankfurt am Main
Fadi Zaher , Head of Index Solutions , Legal & General Investment Management (LGIM), London

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