Wie Finanzdienstleister vom Zukunftsmarkt autonomer Maschinenzahlungen profitieren

Michael Titsch, Foto: PPI AG

Autonome Zahlungsvorgänge zwischen Maschinen gehören zu den bedeutendsten Zukunftsthemen für die Finanzdienstleistungsbranche. Denn ohne die Möglichkeit von Transaktionen Machine-to-Machine (M2M) bleibt das Internet of Things (IoT) Stückwerk. Für Zahlungsdiensteanbieter hat diese Entwicklung disruptives Potenzial mit erheblichen Herausforderungen, aber auch Chancen. Die Institute müssen jetzt die Weichen stellen, wenn sie ein Teil des Marktes und nicht nur Zuschauer sein wollen. Erstmals in Europa liegt jetzt mit "Internet of Payments" der Hamburger PPI AG eine detaillierte Untersuchung zum Zahlungsverkehr im IoT vor. (Red.)

Das Internet of Things (IoT) entwickelt sich zu einer technologischen Erfolgsgeschichte, die sämtliche Bereiche unseres Lebens und Arbeitens einschließt. Bereits heute sind etwa 27 Milliarden vernetzte Geräte global im Einsatz und Analysten rechnen damit, dass sich diese Zahl bis 2025 verdreifacht. Die Vernetzung von Maschinen, Computern und Alltagsgegenständen eröffnet ein gewaltiges wirtschaftliches Potenzial. So ist eine höhere Wertschöpfung durch präziseres Prozesswissen möglich, ebenso genauere Lagebilder, Reaktionen in Echtzeit, neue Fähigkeiten von Systemen und vieles mehr.

Das größere Wissen um Vorgänge und Interaktionen verbessert die Entscheidungsgrundlage für künftiges Handeln, senkt Kosten und erlaubt die Konzeption deutlich individuellerer Problemlösungen. Auch müssen Geräte für bestimmte Leistungen nicht mehr gekauft, geleast oder gemietet werden. Stattdessen wird die tatsächliche Nutzung exakt abgerechnet. Der amerikanische IoT-Anbieter Biz-Intellia prognostiziert, dass Lösungen rund um das Internet of Things bis zum Jahr 2030 insgesamt gut 14,2 Billionen Dollar zur Weltwirtschaft beitragen.

Autonome Bezahlverfahren sind ein erfolgskritischer Faktor

Der Kühlschrank sorgt selbstständig für Milchnachschub; die Offsetdruckmaschine entdeckt eine Fehlfunktion und ruft den Wartungsdienst; spezielle Kfz-Versicherungspolicen erhöhen automatisch die Beiträge, wenn das Auto des Versicherungsnehmers schneller als erlaubt unterwegs ist - die Möglichkeiten des IoT sind schier unbegrenzt. Grundvoraussetzung vieler autonomer Prozesse ist allerdings der Bezahlvorgang. Denn bislang lassen sich Beträge für erbrachte Leistungen zwar automatisiert einfordern, für die Bezahlung selbst aber muss der Mensch handeln, indem er die Transaktion autorisiert. Das kostet Zeit, ist fehleranfällig und bringt den Gesamtprozess ins Stocken. Beispielsweise wäre ein intelligenter Kühlschrank durchaus in der Lage festzustellen, dass die Milch aufgebraucht ist. Auch die Nachbestellung würde funktionieren. Aber der Onlinehändler müsste auf die Zahlung so lange warten, bis der Kühlschrankbesitzer die Summe freigibt. Die Folge? Trotz IoT keine Milch zum Frühstück.

Es ist also notwendig, die Zahlungsvorgänge in das selbstständige Interagieren der Geräte zu integrieren. Autonome Zahlungsströme, sogenannte Machine-to-Machine-Payments machen alle Vorteile des IoT nutzbar. Das Marktpotenzial ist enorm: Bis 2027 ist mit bis zu 85 Milliarden zusätzlichen Finanztransaktionen pro Jahr allein im Euroraum zu rechnen. Diese Dimension zeigt, warum Zahlungsdienstleister sich möglichst bald auf den Markt der M2M-Payments vorbereiten sollten.

Abbildung 1: Zu erledigende Aufgaben für eine M2M-Implementierung Quelle: PPI AG

Rechtliche Hürden müssen beseitigt werden

Der gegenwärtige Rechtsrahmen ist auf die Autonomie von Maschinen nicht vorbereitet und bedarf daher der Fortentwicklung. Notwendig sind klare Zuordnungsregeln für Handlungen autonomer Systeme ebenso wie spezifische Zuweisungen der durch den Einsatz autonomer Systeme geschaffenen Risiken. Zum einen fehlt es Maschinen bisher an einer eigenen Rechtspersönlichkeit, was auch Regelungen zu Haftung und Authentifizierung verhindert. Entsprechende Vorschriften sind national und international in Arbeit. Das Europäische Parlament beschäftigt sich mit der Möglichkeit, autonomen Systemen einen Status mit Rechtspersönlichkeit zuzubilligen. Die aktuellen deutschen Planungen eines Algorithmengesetzes zielen unter anderem darauf ab, Normen zu kodifizieren, die die Besonderheiten der Entscheidungsfindung durch Systeme rechtlich regeln.

Eine weitere rechtliche Hürde besteht in der Schaffung rechtsverbindlicher Maschinenidentitäten. Schließlich muss jede Handlung auch eindeutig einer bestimmten Maschine zuzuschreiben sein. Die Bestätigung der Identität einer Maschine wird in der Regel durch digitale Zertifikate erfolgen. Damit kann sich eine Maschine gegenüber anderen ausweisen. Für universelle Gültigkeit von Zertifikaten bedarf es der Einschaltung neutraler Instanzen, beispielsweise der Bundesdruckerei oder GlobalSign.

Grundlegende Handlungsfelder

Neben den rechtlichen Herausforderungen existieren auch noch eine ganze Reihe unterschiedlicher praktischer Handlungsfelder, deren Lösung sich als besonders herausfordernd erweisen werden. Finanzdienstleister, die sich im verheißungsvollen Markt der M2M-Payments positionieren möchten, tun gut daran, jetzt mit den Vorarbeiten zu beginnen. Die Themenfelder sind dabei im Einzelnen:

- Sicherheit der Maschinen: Offene Schnittstellen, Datenaustausch mit Drittanbietern, ein hoher Vernetzungsgrad und vielfach einfache Software bieten Angriffsflächen für Cyberkriminelle. Der potenzielle Schaden durch unbefugt ausgelöste M2M-Zahlungsströme ist enorm. Hier sind vor allem die IoT-Betreiber gefragt, in enger Abstimmung mit den Zahlungsdienstleistern einer möglichen Vertrauenserosion vorzubeugen.

- Digitales Onboarding: Die Anmeldeverfahren zu M2M-Payments für eine erste Gerätegeneration ließen sich vielleicht noch manuell bewältigen. Bei einer millionenfachen Etablierung autonomer Maschinen ist dem aber nur noch digital und vollautomatisiert nachzukommen.

- Compliance-Prüfungen für Maschinen: Hieß es bislang "Know your customer" (KYC), wird zukünftig "Know your object" (KYO) wichtig. Finanzdienstleister müssen Prüf- und Dokumentationsprozesse hinsichtlich der Vertrauenswürdigkeit und wirtschaftlichen Zuordnung einer Maschine entwickeln.

- Identifikation von Maschinenzahlungen: Die Zahlungsverkehrssysteme müssen um Felder und Funktionen zur eindeutigen Zuordnung einer Maschine erweitert werden, etwa deren Autorisierungsmethode oder das Identitätszertifikat.

- Verarbeitung von Rückinformationen: Maschinen müssen - je nach genutztem Zahlverfahren - auch in der Lage sein, prozessuale und technische Störungen zu verarbeiten. Das umfasst insbesondere Fälle wie Dispositionsprüfung mit negativem Ergebnis, fehlende Zahlungseingangsbestätigungen, Widerruf von Zahlungen, technische Unterbrechungen in der Zahlungskette, Angriffe auf die Maschine und Erkennen von Betrugsfällen.

- Komplexes Reporting: Aufbereitung und Abrechnung von maschinellen Nutzungsdaten sowie zusätzlichen Informationen über die Maschinen müssen für unterschiedliche Reportings konfiguriert sein. Entsprechend hohen Anforderungen unterliegt die Datenstruktur.

Wettbewerb der Bezahlverfahren

Markteilnehmer, die M2M-Payments einführen wollen, müssen entscheiden, welche Bezahlverfahren sich für das intermaschinelle Bezahlen am besten eignen und über welche Infrastrukturen die Abrechnung beim Kunden erfolgt. Zur Wahl stehen:

- Klassischer Zahlungsverkehr (SEPA-Verfahren der Kreditwirtschaft)

- Kartengestützter Zahlungsverkehr (Debit- und Kreditkarten)

- E-Geld (geschlossene virtuelle Kontosysteme)

- Digitales Geld (Unbacked Coins beziehungsweise Stable Coins)

Während die etablierten Bezahlverfahren in der Regel mit mehr oder weniger hohen Transaktionsgebühren belegt sind, ermöglichen Kryptogeld- und E-Geld-Lösungen kostengünstige Transaktionen von kleinsten Beträgen und machen diese für den Einsatz im IoT attraktiv. Sie eröffnen die Möglichkeit, auch Dienstleistungen von nur geringem Wert - selbst unter einem Cent - wirtschaftlich abzurechnen, beispielsweise die Nutzung einer Glühbirne im Smart Home. Sie sind zudem unabhängig von klassischen Finanzdienstleistern integrierbar. Kryptogeld muss allerdings noch den Beweis erbringen, dass es in der Lage ist, große Mengen von Transaktionen in Echtzeit zu verarbeiten. Zudem stellt sich bei Unbacked Coins die Frage nach dem Umgang mit starken Wertschwankungen. Mit der Weiterentwicklung ihrer Bezahlverfahren hat die Finanzindustrie mit Instant Payments und Request to Pay die Basis für die Nutzung im Internet of Things geschaffen.

Zur Verwendung der Bezahlverfahren im IoT kommt insbesondere eine Wallet in Betracht, in der Zugangsdaten für verschiedene Zahlungsnetzwerke hinterlegt sind. Bei der Wallet kann es sich um eine applikations- oder cloudbasierte Anwendung handeln, die auf verschiedenen Endgeräten oder autonomen Maschinen installiert werden kann. Nutzt eine Maschine die Wallet, so wird die priorisierte Zahlmethode automatisch verwendet oder durch Auswahl ein alternatives Zahlungsverfahren bestimmt.

Abbildung 2: Einschätzung der Bezahlverfahren für M2M Quelle: PPI AG

Auswirkungen auf die Rolle der Zahlungsdienstleister

Finanzdienstleister, die vom zu erwartenden M2M-Boom profitieren wollen, müssen sich klar werden, welche Rolle sie im künftigen Markt für autonome Zahlungen einnehmen wollen. Bleiben sie reine Infrastrukturanbieter oder entwickeln sie selbst Kundenlösungen und datenbasierte Geschäftsmodelle? Für die zweite Strategie spricht die Tatsache, dass die Zahlungsdienstleister auf einem gewaltigen Datenschatz sitzen, der durch die Zunahme von IoT-Geräten noch weiter anwachsen dürfte - mit der Folge, dass sich zusätzliche Geschäftspotenziale beziehungsweise -modelle ergeben. So lassen sich zum Beispiel auf Basis detaillierter Verbrauchsdaten Finanzierungsmodelle entwickeln. Finanz dienstleister könnten auch Datenmarktplätze organisieren oder als zentrale FX-Plattformen für digitale Währungen auftreten.

Die Möglichkeit, diese Daten zum eigenen Wettbewerbsvorteil zu nutzen, hängt wiederum davon ab, ob es den Zahlungsdienstleistern gelingt, sich "auf" den Maschinen zu platzieren oder zumindest als Datenaggregator zu fungieren, der die entsprechenden Nutzungsdaten zu Zahldaten bündelt und diese transferiert. Denn der Wettbewerber, der über die primären Nutzungsdaten verfügt, wird am Ende demjenigen überlegen sein, der nur die sekundären, sprich abgeleiteten Zahldaten des Kunden kennt. Gerade im Hinblick auf eine Rolle als Datenaggregator könnten Zahlungsdienstleister zudem für das nötige Vertrauen bei allen Beteiligten sorgen. Denkbar wäre zum Beispiel die Funktion als eine Art Clearingstelle für sichere digitale Identitäten und valide Daten. Insbesondere Banken besitzen noch immer ein hohes Vertrauen hinsichtlich Identitätsverwaltung, Datenschutz und auch IT-Security.

Finanzinstitute könnten überdies bei M2M-Payments Funktionen übernehmen, die sie in der realen Wirtschaft bereits ausüben. Damit ist vor allem das Risikomanagement gemeint, also der Schutz der Daten und Geräte vor unberechtigten Zugriffen. Ebenso die Lancierung neuer Finanzierungsmodelle, die sich am Verbrauch orientieren (pay per use) - auch datenbasierte Kredite genannt.

Zudem denkbar ist die Wiederbelebung des Bankgeheimnisses in Form eines digitalen Bankgeheimnisses. Dabei übernimmt die Bank den Schutz der Identitäten der Kunden und deren technischer Geräte. Zum potenziellen Kundenkreis zählen vor allem Unternehmen, die für den betriebsübergreifenden Datenaustausch Trusted Advisors benötigen.

Bei all diesen Geschäftsmodellen werden die Zahlungsdienstleister mit Ökosystemen und den Plattformgiganten konkurrieren. Gelingt es ihnen aber nicht, sich als Datenaggregator oder -manager im IoT zu positionieren, müssen sie sich mit der Rolle des Zahlungsverkehrsabwicklers begnügen.

Systemlandschaft muss mitwachsen

Vor dem Hintergrund steigender Bedeutung von IoT und M2M-Payments müssen Zahlungsdienstleister auch ihre Vertriebsstrategie neu denken. Denn die Bedeutung von Ökosystemen wächst, etwa beim autonomen oder teilautonomen Fahren. Dann entscheidet nicht mehr der einzelne Wirtschaftsteilnehmer, über welche Bezahlverfahren er Produkte oder Dienstleistungen abrechnet. Stattdessen muss er die Möglichkeiten des Ökosystems verwenden, innerhalb dessen er sich gerade bewegt. Beispielsweise gibt der Flottenanbieter vor, wie und womit Kraftstoffe beziehungsweise Energie für ein Fahrzeug zu bezahlen sind. Für die Vertriebsorganisationen bedeutet das einen - teilweisen - Abschied von der Betreuung einzelner Unternehmen oder Privatkunden hin zur Betreuung von Ökosystemen.

Zahlungsdienstleister müssen ihre Systeme auf die neuen maschinellen Teilnehmer in der Payments-Landschaft vorbereiten. Denn die Anforderungen von M2M-Payments an die Lastfähigkeit, die Verfügbarkeit und die Skalierbarkeit sind mit den historisch gewachsenen Systemlandschaften der europäischen Finanzdienstleister absehbar nicht auf Dauer zu erfüllen. Denn künftig müssen Zahlungsverkehrssysteme und ihre Umsysteme maschinelle von nichtmaschinellen Zahlungen unterscheiden können, da diese nach unterschiedlichen Regeln ablaufen. Sie müssen das Onboarding von Maschinen automatisiert durchführen sowie Identitäten und Zertifizierungen verifizieren. Hinzu kommen Rückinformationen aus System- und Prozessstörungen sowie deren Verarbeitung.

Abbildung 3: Der Markt wird neu aufgeteilt - klassische Zahlungsdienstleister müssen sich jetzt positionieren Quelle: PPI AG

Zugleich sind künftig signifikant mehr Transaktionen zu bewältigen, bei paralleler Zunahme der Bedeutung von 24/7/365-Betriebsmodellen und Echtzeitfähigkeit. Zwar können auch im IoT Zahlungen mit einem zeitlichen Abstand zum Grundgeschäft akzeptabel sein. In vielen Fällen dürfte aber erwartet werden, dass auf den sofortigen Informationsaustausch beziehungsweise die sofortige Leistungserbringung oder Nutzung auch eine unmittelbare Zahlungsauslösung durch die Maschine folgt. Hostbasierte Lösungen oder Downtimes für das Einspielen neuer Releases werden damit immer inakzeptabler.

Institute müssen spätestens jetzt die Grundsatzentscheidung treffen, wo ihr Platz in der künftigen M2M-Welt sein soll. Angesicht der dann notwendigen Infrastrukturarbeiten wird schnell klar, dass die Zeit läuft. Entwicklungen im digitalen Zeitalter haben viel kürzere Vorläufe beim Markteintritt als noch vor 50 Jahren. Eine prognostizierte Verdreifachung der IoT-Geräteanzahl innerhalb von gerade einmal fünf Jahren ist ein klares Signal zum Aufbruch in die neue Zeit eines Internet of Payments.

Michael Titsch Managing Consultant, Experte für Projektmanagement, Payments und Banking, PPI AG, Hamburg
 
Aktuelle Studie Details und weitere Informationen zu Herausforderungen und Chancen durch M2M-Payments für Zahlungsdienstleister sind in der Studie "Internet of Payments" des Hamburger Beratungs- und Softwarehauses PPI AG nachzulesen. Diese kann auf der Website der PPI AG kostenlos angefordert werden: www.ppi.de/studie-iop
Michael Titsch , Managing Consultant, Experte für Projektmanagement, Payments und Banking, PPI AG, Hamburg

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