Finanzierungsbedingungen von Start-ups - worauf kommt es an?

Tobias Sick, Foto: H/W/S GmbH & Co. KG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft / Steuerberatungsgesellschaft, Fotograf: David Späth

Die Schaffung eines Wachstumsklimas für neue Unternehmen gehört hierzulande zu den weitgehend unbestrittenen Schlüsselprojekten im politischen und gesellschaftlichen Diskurs. Nicht nur die Bundespolitik und die Bundesländer, sondern auch die Europäische Union haben viele Initiativen auf den Weg gebracht, um eine nachhaltige Belebung des Gründungsgeschehens für besonders innovative Unternehmen zu fördern. Die Finanzierungsmöglichkeiten von Start-ups über den eigenen Bekanntenkreis wie auch über den klassischen Unternehmenskredit hält der Autor für begrenzt. Er lenkt den Blick auf andere Finanzierungsmöglichkeiten für Startup s, angefangen von Crowdfunding, Crowdinvestment und Venture Capital über die Nutzung nationaler und europäischer Förderprogramme bis hin zu einer Finanzierung aus dem eigenen Kapital und dem Cashflow heraus. Sein Tenor: die Vor- sowie Nachteile der einzelnen Strategien lassen allgemeine Aussagen über die beste Form der Finanzierung nicht zu und verlangen stets nach einer Einzelfallprüfung. (Red.)

Die derzeitige historischen Niedrigzinsphase macht es für alle Beteiligten am Finanzsektor sehr interessant, zu investieren. Diese Investitionen müssen nicht nur in Anleihen, Aktien oder Immobilien geschehen. Wer die Chance auf richtig hohe Renditen haben möchte, für den sind Investitionen in Start-ups mitunter eine gute Wahl. Alles scheint derzeit besser, als das eigene Geld auf dem nicht oder höchstens minimal verzinsten Konto zu belassen. Das ist die Ausgangssituation für Investoren.

Aufbruchsstimmung

Dann gibt es auf der anderen Seite die Sicht der Start-ups. Gerade in der Gründungsphase brauchen diese in aller Regel (viel) Geld, um das Geschäft zum Laufen zu bringen. So müssen beispielsweise Softwareprogramme entwickelt, Waren angeschafft, Mitarbeiter eingestellt oder Räumlichkeiten angemietet werden. Wenn das eigene Geld der Start-up-Gründer nicht ausreicht, dann muss externes Kapital aufgetrieben werden. Und hier gibt es eine Reihe von Möglichkeiten, wie dies vonstattengehen kann.

Zu allererst wird man natürlich erpicht darauf sein, das Geld möglichst schnell und unkompliziert zu erhalten. Familie und Freunde, denen man die Idee schmackhaft macht, sind natürlich die ersten Ansprechpersonen. Wenn Vertrauen da ist oder hergestellt wird, dann ist diese Form der Finanzierung sogar wirklich sinnvoll, vorausgesetzt man kann das Geld zurückbezahlen. Zum einen gibt man ungern Anteile seines Unternehmens an einen "Fremden" ab und zum anderen zahlt man wahrscheinlich wesentlich weniger Zinsen als mit einem risikoadäquat verzinsten Bankkredit oder Ähnlichem. Wehe jedoch, das Geld kann nicht zurückbezahlt werden. Dann hängt der Haussegen schief und so manche Freundschaft ist dadurch auch schon in die Brüche gegangen. Somit ist diese Option nicht ganz ungefährlich. Im Eifer des Gefechtes und weil man von der eigenen Idee so überzeugt ist, ignoriert man jedoch oftmals diese negativen Seiten.

Weitere, insbesondere in den letzten Jahren in Mode gekommene Varianten sind das Crowdfunding und Crowdinvestment. Hier wendet man sich über Plattformen im Internet an Menschen, die die Idee des Unternehmens unterstützen möchten. Dies beginnt bei einem kleinen Betrag von wenigen Euro und hat nach oben hin kaum Grenzen. Im Gegenzug erhalten diese Menschen oftmals exklusiven Zugang zu Produkten oder Dienstleistungen des Unternehmens. Auch hier bleiben die Anteile in der Regel beim Unternehmen. Darüber hinaus gibt es jedoch auch Crowdinvestment-Formen, bei denen Firmenanteile abgegeben werden. Es kann auch versucht werden, Geld über Förderprogramme zu erhalten. Diese können staatlich, manchmal sogar suprastaatlicher Natur (zum Beispiel EU-Förderprogramme) sein oder von Vereinen, Stiftungen oder Firmen vergeben werden. Sehr oft tritt man in den Wettbewerb mit anderen Geschäftsideen und nur die Besten der Besten setzen sich durch. Weiterer Haken: Meistens sind diese Förderprogramme an gewisse Bedingungen geknüpft, um überhaupt als förderwürdig zu gelten. Auch die zeitliche Komponente darf nicht vernachlässigt werden, da sich solche Förderprogramme oftmals über einen längeren Zeitraum erstrecken oder nicht das gesamte Geld sofort abgerufen werden kann. Großer Vorteil: Es müssen keine Anteile am eigenen Unternehmen abgegeben werden und die Gelder sind auch nicht zurückzuzahlen.

Abgeben von Anteilen

Die im folgenden beschriebenen Möglichkeiten der Geldbeschaffung gehen einher mit der Abgabe von Anteilen am Unternehmen. Crowdinvestment wurde als solche Möglichkeit bereits angegeben. Venture Capital (VC) wäre die nächste Möglichkeit. Dieses wird im Deutschen mit Wagniskapital oder Risikokapital bezeichnet und ist nichts anderes als die Beteiligung einer Beteiligungsgesellschaft an einem Unternehmen. Um in den Genuss dieser Form der Unterstützung zu gelangen, müssen natürlich Unternehmensanteile abgetreten werden.

Wenn es nicht nur um Geld, sondern auch um Know-how in gewissen Bereichen geht, dann bietet sich die Beteiligung von sogenannten Innovation-Acceleratoren (Beschleunigern) an. Diese Beschleuniger sorgen dafür, dass sich die Start-ups schneller entwickeln und beispielsweise ein Produkt bis zur Marktreife bringen. Oftmals wird dies in Form von sogenannten Start-up-Bootcamps durchgeführt.

Eine weitere Möglichkeit ist die Unterstützung durch einen Business Angel, der sowohl Finanzen als auch Know-how und entsprechende Kontakte für das Jungunternehmen zur Verfügung stellt. Er stellt somit einen Hybrid aus Finanzier und Business-Coach dar und dies typischerweise in einer sehr frühen Phase des Unternehmertums. Business Angels sind deshalb für viele Start-ups eine sehr interessante Möglichkeit und häufig die ersten "externen" Geldgeber.

INVEST - Zuschuss für Wagniskapital

In Deutschland kam es 2013 zu einer Reform, welche in Start-ups investiertes Wagniskapital steuerlich begünstigt. Das Programm (INVEST - Zuschuss für Wagniskapital) umfasst einen Zuschuss für Risikokapitalgeber sowie eine steuerliche Erleichterung für Investoren beim Exit.

Das Programm setzt sich dabei aus zwei Komponenten zusammen: Initial werden den Investoren, sofern alle Voraussetzungen erfüllt sind, 20 Prozent ihrer Investitionssumme vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) zurückerstattet. Werden die Anteile für mindestens drei Jahre gehalten, so können Risikokapitalgeber beim Verkauf ihrer Anteile eine Steuererleichterung von 25 Prozent des Gewinns geltend machen, sofern die Beteiligung nicht bereits über eine Kapitalgesellschaft gehalten wird. Im Falle einer (Holding)Kapitalgesellschaft ist ein späterer Veräußerungsgewinn sogar lediglich mit zirka 1,5 Prozent Steuern belastet.

Mindestens 10 000 Euro müssen investiert werden, wobei die maximale Förderung auf 100 000 Euro pro Jahr und pro Person beschränkt ist, was somit einer förderfähigen Investitionssumme von 500 000 Euro pro Jahr entspricht. Durch diese steuerlichen Impulse ergibt sich für Startups und Investoren eine gewisse Planungssicherheit und Risikominimierung.

Voraussetzungen für das Unternehmen

Es müssen eine Reihe von Voraussetzungen erfüllt werden, um in den Genuss des Zuschusses aufseiten des Start-ups zu kommen. So darf das Unternehmen nicht älter als sieben Jahre sein und muss weniger als 50 Mitarbeiter beschäftigen.

Darüber hinaus darf das Unternehmen nicht an der Börse gelistet sein, muss einer innovativen Branche angehören und den Hauptsitz in Deutschland oder zumindest im Europäischen Wirtschaftsraum haben. Liegt der Hauptsitz außerhalb Deutschlands, aber innerhalb der EU, muss eine im Handelsregister eingetragene Zweigstelle oder eine im Gewerberegister eingetragene Betriebsstätte in der Bundesrepublik betrieben werden. Zusätzlich darf die Bilanzsumme oder der Umsatz des Unternehmens 10 Millionen Euro pro Jahr nicht übersteigen. Dies sind natürlich viele Voraussetzungen, welche es stets im Detail zu prüfen gilt; aber es geht ja schließlich auch um viel Geld.

Kredite als klassische Form der Finanzierung

Traditionell wird ein Unternehmen bei Geldknappheit bei einer Bank vorstellig. Ausgerüstet mit einem ausgefeilten Businessplan soll ein Kredit ergattert werden. Dann ist man jedoch vom Wohlwollen des Bankberaters auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Erfahrungsgemäß dürfte eine reine Bankfinanzierung für Start-ups mit innovativem Geschäftsmodell und keinen/wenigen Sicherheiten von Gesellschafterseite nur extrem schwer zu bekommen sein, da der risikoadäquate Zinssatz aus Banksicht sonst extrem hoch liegen müsste. Da es aber auch das eine oder andere staatliche Förderprogramm über Bürgschaftsbanken oder Ähnlichem gibt, welches eine Kreditvergabe für die Hausbank attraktiver (das heißt weniger risikoreich) macht, sollte man sich auch hiermit frühzeitig beschäftigen und die Finanzierungschancen ausloten.

Eine weitere Option wären Mikrokredite, die von einer Vielzahl von Privatmenschen dem Start-up gewährt werden. Diese bewegen sich in der Regel bis zu einer Höhe von maximal 20 000 Euro und haben teilweise tilgungsfreie Anlaufzeiten, was Start-ups einen gewissen zeitlichen Spielraum ermöglicht.

Bootstrapping

Die letzte Form der Unternehmensfinanzierung, auf die in diesem Beitrag eingegangen werden soll, ist die Finanzierung aus dem eigenen Kapital und Cashflow heraus, wodurch auf Unterstützung von fremden Dritten verzichtet werden kann. Die Herausforderung sind knappe Ressourcen und ein sehr enges Budget. Jeder Euro wird dreimal umgedreht, da man sehr schnell einen positiven Cashflow erzielen möchte. Neben diesen Hürden hat es natürlich Vorteile, nicht von anderen Kapitalgebern abhängig zu sein. Man hat das höchste Maß an Freiheit und ist natürlich bestrebt, möglichst das Maximum aus jedem Euro herauszuholen. Für spätere Finanzierungen ist das ein riesengroßes Plus, da unternehmerische und finanzielle Substanz aus eigener Kraft erarbeitet wurde und noch nicht frühzeitig (bei niedriger Unternehmensbewertung) Anteile abgegeben worden sind.

Ein weiterer Nachteil darf, neben all der Vorteile, jedoch nicht verschwiegen werden: Es wird ohne das Expertenwissen von anderen gearbeitet, die ihr Know-how und ihre Erfahrung gewinnbringend in den Start-up-Prozess einbringen könnten.

Einzelfallprüfung angebracht

Die möglichen Finanzierungsformen für Start-ups sind sehr vielfältig und unterschiedlich und aufgrund der bei Start-ups naturgemäß bestehenden Risiken auch eine größere Herausforderung als bei "klassischen" Unternehmensgründungen. Welche die optimale Art und Weise der Geldbeschaffung ist, kann pauschal nicht beantwortet werden. Diese hängt von einer Vielzahl von Variablen ab. Eine professionelle Prüfung der infrage kommenden Finanzierungsvarianten der Start-ups ist daher unerlässlich.

Tobias Sick Start-up-Steuerspezialist, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater und Partner, H/W/S, Wirtschaftsprüfungsgesellschaft/Steuerberatungsgesellschaft, Stuttgart, ehrenamtlicher Finanzvorstand Start-up Stuttgart e.V. und Mitglied Mentorennetzwerk First Momentum Ventures
Tobias Sick , Start-up-Steuerspezialist, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater und Partner, H/W/S, Wirtschaftsprüfungsgesellschaft/Steuerberatungsgesellschaft, Stuttgart, ehrenamtlicher Finanzvorstand Start-up Stuttgart e.V. und Mitglied Mentorennetzwerk First Momentum Vent
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