Geldwäschebekämpfung - höchste Zeit für einen Neustart

Tobias Schweiger, Foto: HAWK:AI

Laut dem Autor gilt Deutschland als ein Hotspot für Geldwäsche. Neben der fehlenden Obergrenze für Bargeld sieht Schweiger eine Ursache auch in Lücken im System bei Banken. Dementsprechend plane die neue Bundesregierung laut Koalitionsvertrag eine weiter verschärfte Regulierung zur Geldwäschebekämpfung. Seit September 2020 befinde sich der Kampf gegen Geldwäsche in Deutschland zudem in der Überprüfung durch die Financial Action Task Force. Mit einem Ergebnis sei im Juni 2022 zu rechnen. Doch schon jetzt ziehe die EU die regulatorischen Daumenschrauben weiter an. Dadurch wachse der Druck auf die Banken, die darauf zumeist mit steigenden Personalzahlen reagieren müssten. Das sei jedoch nicht notwendig, wenn die Institute ihre IT modernisieren würden. Die Zauberwörter heißen hier seiner Meinung nach künstliche Intelligenz und Cloud. Die umfassende Digitalisierung könne im Kampf gegen Geldwäsche Kosten sparen und gleichzeitig die Erfolgsquote erhöhen. (Red.)

Dass gerade Deutschland als Hotspot für Geldwäscher gilt, hängt mit den Schwachstellen zusammen, die das System zur Bekämpfung von Finanzkriminalität aufweist. Neben der fehlenden Bargeldobergrenze, die es erlaubt, große Beträge in Cash zu zahlen, ist Deutschland auch aufgrund seiner wirtschaftlichen Stabilität und internationalen Vernetzung ein beliebtes Ziel. Außerdem wissen Kriminelle durchaus einzuschätzen, in welchen Ländern die Banken selbst Lücken im System lassen. Deutschland ist diesbezüglich leider kein Vorbild. Entsprechend plant die Bundesregierung laut Koalitionsvertrag eine weiter verschärfte Regulierung zur Geldwäschebekämpfung.

Auf dem Prüfstand

Aktuell unterliegt Deutschland jedoch noch einer ganz anderen Belastungsprobe: Seit September 2020 wird die Bundesrepublik von der Financial Action Task Force (FATF), dem wichtigsten internationalen Gremium zur Bekämpfung von Geldwäsche, auf Herz und Nieren geprüft. Zwar ist nicht davon auszugehen, dass Deutschland auf einer der gefürchteten grauen oder schwarzen Listen landet, doch schon bei der letzten Evaluation im Jahr 2010 kam die Organisation zu dem Ergebnis, dass das Finanzsystem in Deutschland anfällig für Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung ist. Seitdem wurde das Geldwäschegesetz nachgeschärft und die Financial Investigation Unit (FIU) dem Zoll zugeordnet und personell verstärkt, doch ein Masterplan gegen Finanzkriminalität fehlt nach wie vor. Man darf gespannt sein, wie die Kritik diesmal ausfällt.

Auch in der EU bemüht sich der Gesetzgeber seit Jahren, das Problem in den Griff zu bekommen. Nun zieht die EU-Kommission die regulatorischen Daumenschrauben weiter an. Neben der viel diskutierten Obergrenze für Bargeldzahlungen will sie auch eine eigenständige, europäische Überwachungsbehörde aufbauen. Die künftige Anti-Money-Laundering Authority (AMLA) soll demnach Einrichtungen und Behörden der EU-Mitgliedsstaaten koordinieren und sie beim Kampf gegen Finanzkriminalität und Terrorismusfinanzierung erfolgreicher machen. So soll vermieden werden, dass es erneut zu einem Versagen der Aufsichtsbehörden kommt, wie zuletzt im Fall Wirecard geschehen. Zudem hat die Europäische Bankenaufsichtsbehörde (European Banking Authority, EBA) im Januar 2022 mit ihrer zentralen Datenbank zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung eine weitere Neuerung präsentiert. Die Datenbank mit dem Namen EuReCa (European Reporting System for Material CFT/AML Weaknesses) soll als Frühwarnsystem fungieren und europaweit eine zentrale Rolle in der AML/CFT-Praxis einnehmen. Darüber hinaus will die Europäische Union den Zugriff auf anonymes Kryptogeld erschweren und Kryptobörsen zu mehr Transparenz auffordern, um die Nachvollziehbarkeit der digitalen Geldflüsse sicherzustellen und so Überwachungslücken im Finanzsystem zu schließen.

Kreditinstitute unter Druck

Finanzhäuser müssen im Hinblick auf neue AML/CFT-Regulierungen und Gesetzesverschärfungen stets auf dem Laufenden sein und dürfen sich kaum Fehltritte erlauben. Das setzt insbesondere Compliance-Abteilungen unter Druck. Denn sie müssen die neuen Vorschriften berücksichtigen und entsprechende Standards im Unternehmen anpassen oder neu implementieren. In der Praxis bedeutet das hauptsächlich mehr Personal.

Behörden wie die FIU tun es ihnen gleich, um immer mehr Verdachtsmeldungen bearbeiten zu können. Die Folge für alle Beteiligten: Die Kosten für Geldwäschebekämpfung steigen. Allein Finanzinstitute in Deutschland gaben 2020 laut Statista 20 Prozent mehr für ihre Geldwäscheerkennung aus als im Vorjahr - scheuen sie doch kaum etwas mehr als den öffentlichen Pranger, wenn es Millionenstrafen für mangelnde AML-Compliance hagelt. Darum sind sie auch gut beraten, ihre AML/CFT-Prozesse ganz grundlegend zu modernisieren. Denn zu viele Institute arbeiten noch mit IT-Systemen, die sie seit Jahren weder ausgetauscht noch wesentlich weiterentwickelt haben.

Veraltete Software und "False Positives"

Im Einsatz sind meist starre, regelbasierte Softwarelösungen, die bis zu 95 Prozent falsch-positive Verdachtsfälle produzieren. Die Geldhäuser reagieren auf dieses Problem meist mit Personalaufbau. Schließlich müssen die Fehlalarme im nächsten Schritt noch von qualifizierten Mitarbeitenden überprüft und weiterbearbeitet werden. Im Grunde wird versucht, eine enorm kosten- und zeitintensive Aufgabe mit der technischen Ausstattung der Nullerjahre zu bewältigen. Zeitgleich werden neue digitale Kundengewinnungsprozesse ausgebaut, die das Risiko von Geld wäsche weiter erhöhen. Mit einer Verbesserung der Erkennungsrate geht dies jedoch nicht einher. Auf künstlicher Intelligenz (KI) basierende Verfahren spielen ihre Stärke vor allem im AML-Transaktions-Monitoring und der risikobasierten, dynamischen Kategorisierung von Kunden aus. Um ein ganzheitliches Risikomanagement aufzubauen, findet daher immer öfter eine enge Verzahnung mit der Betrugsprävention statt. Aus diesem Grund spielt auch im AML-Transaktions-Monitoring die Nutzung von echtzeitfähigen Systemen, wie bereits üblich im Payment-Screening oder der Betrugsprävention, eine zunehmende Rolle. Die Disziplinen und Prozessschritte wachsen - die richtige technologische Grundlage vorausgesetzt - zusammen. Allein dadurch ergeben sich bessere Erkennungsraten, schnellere Bearbeitung und zukunftsfähige Prozessabläufe.

Neben der Echtzeitfähigkeit kommt auch KI zunehmend zum Einsatz - nicht anstelle, sondern in Verbindung mit altbekannten Regeln und Szenarien. Durch die künstliche Intelligenz können zwei Dinge besser als bisher bewerkstelligt werden: Einerseits helfen "Supervised Machine Learning"-Algorithmen, die oft repetitive Fallbearbeitung von falsch-positiven Fehlermeldungen durch ein intelligentes, selbstlernendes System zu automatisieren und so Ressourcenengpässe zu vermeiden. Anderseits sind "Unsupervised"- oder "Deep Learning"-Methoden dafür geeignet, komplexe oder unbekannte Muster zu erkennen und damit unabhängig von unzureichenden Regeln treffgenaue Risiken zu identifizieren. Als Grundlagen hierfür dienen Netzwerk- und Zeitverlaufsanalysen des Transaktionsverhaltens von Bankkunden. Sämtliche Abweichungen werden mithilfe von Anomalie-Scores bewertet. Die Ergebnisse können einerseits sofort als Verdachtsfall vorgelegt werden, anderseits sind sie Grundlage für eine dynamische Anpassung der risikobasierten Einschätzungen eines Kunden. Moderne AML-Systeme machen dabei stets transparent, welche Datenpunkte zu welcher Bewertung geführt haben und sind so Basis für weiterführende Untersuchungen und die notwendigen Prüfungen.

Eine umfassende Digitalisierung der Geldwäscheerkennung und der AML-Compliance ist der vermutlich stärkste Hebel, um sowohl den Ressourceneinsatz zu minimieren als auch die Erfolgsquote bei der Erkennung von Verdachtsfällen zu erhöhen. Dabei öffnen technische Innovationen eine Tür, die Banken und Zahlungsdienstleister jetzt durchschreiten müssen, wenn sie der Entwicklung nicht weiter hinterherlaufen wollen. Insbesondere die Nutzung von Cloud-Infrastrukturen hat sich als geeignet erwiesen, schnelle und agile Integrationsprojekte erfolgreich abzuschließen.

KI aus der Cloud

Natürlich bietet die Cloud auch unendliche Rechenkapazitäten, um Milliarden von Transaktionen in Echtzeit zu überwachen. Für die Zukunft sind zentrale Infrastrukturen und die dadurch erst möglich gemachte Auslieferung von Software und KI als "Software as a Service" die Grundlage dafür, den Austausch von Mustern und Prozessbenchmarks zwischen Finanzinstituten möglich zu machen. So steht der stetigen Verbesserung der Prozesseffizienz und der Erkennung von Finanzkriminalität nichts mehr im Wege - die Nutzung von zukunftsfähigen Technoligen vorausgesetzt. Damit der Umstieg auf Cloud- und KI-basierte AML/CFT-Lösungen reibungslos abläuft, lassen diese sich im Rahmen von Pilotprojekten parallel zu Altsystemen einsetzen. Das Kreditinstitut kann so die Resultate der vertrauten Software mit den Ergebnissen der neuen Lösung abgleichen und den Einsatz von KI risikolos erproben. Das schafft bei Compliance-Verantwortlichen unerlässliches Vertrauen in das neue Werkzeug. Die Ablösung der Altsysteme kann dann zum Beispiel nach Kunden- oder Produktsegmenten erfolgen. Für eine Integration mit den zahlreichen Datenquellen im Institut sorgen angepasste Adapter.

Es bleibt festzuhalten: Die AML-Lösungen der meisten Banken sind technisch veraltet und erfüllen längst nicht mehr die gestiegenen Anforderungen an eine vorausschauende Erkennung verdächtiger Transaktionen und die effiziente Prüfung von täglich Milliarden Zahlungsvorgängen. Im Rahmen der geplanten neuen EU-Geldwäsche-Verordnung werden die regulatorischen Anforderungen weiter steigen und mit ihnen der Innovationsdruck. Der Einsatz von KI und Cloud-Technologien verspricht die nötige Entlastung bei Skalierbarkeit und Ressourceneinsatz für die Geldwäscheprävention. Angesichts der Kostensteigerungen in diesem Bereich seit einigen Jahren kann ein technologischer Neustart für manche Bank sogar überlebenswichtig werden. Die Rahmenbedingungen dafür waren nie besser als heute.

Tobias Schweiger , Mitgründer und Geschäftsführer , HAWK:AI GmbH, München
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