Gesetzliche Begrenzungen von Bargeldzahlungen -verfassungsrechtlich zulässig?

Hans-Jürgen Papier, früherer Präsident des Bundesverfassungsgerichts - Trotz aller öffentlichen Diskussionen der vergangenen Monate stuft der Autor einen völligen Ausschluss von Bargeldzahlungen oder auch eine teilweise Einschränkung im Hinblick auf alltägliche Transaktionen der Bürger durch die nationale oder unionsrechtliche Gesetzgebung als wenig praxisrelevant ein. Aber die Einführung einer gesetzlichen Obergrenze für Bargeldzahlungen hält er durchaus für aktuell und unterzieht sie einer verfassungsrechtlichen beziehungsweise unionsrechtlichen Bewertung. Dabei sieht er das im Grundgesetz festgeschriebene Recht auf Eigentum ebenso tangiert wie die Vertragsfreiheit der Bürger. Und auch mit Blick auf das Europarecht meldet er hinsichtlich der möglichen Beschränkungen im grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr Bedenken an. (Red.)

Das emotionale Verhältnis der Deutschen zum Bargeld ist sprichwörtlich. Der Volksmund hat dafür verschiedene altbekannte Sprüche hervorgebracht wie "Nur Bares ist Wahres" oder "Bargeld lacht". Noch immer sind Bargeldzahlungen in Deutschland sehr verbreitet, wenngleich die bargeldlosen Zahlungssysteme seit Längerem zweifelsohne im Vordringen sind. Im Folgenden geht es nicht um die Bedeutung des Bargeldes im Allgemeinen und eine gesamtwirtschaftliche Kosten-Nutzen-Analyse des Barzahlungsverkehrs. Als Verfassungsrechtler wird vielmehr der Frage nachgegangen, ob und inwieweit gesetzliche Begrenzungen von Bargeldzahlungen auf verfassungsrechtliche beziehungsweise unionsrechtliche Bedenken stoßen.

Zahlreiche Beispiele im Ausland

Derartige Überlegungen sind nicht aus der Luft gegriffen, denn die Politik bringt immer wieder die Einführung solcher Begrenzungen von Bargeldzahlungen ins Spiel, darüber hinaus gibt es im Ausland zahlreiche Beispiele für solche normativen Begrenzungen der Bargeldzahlungen. Auch die Tendenz zu einer amtlicherseits, das heißt ganz präzise durch die EZB, verfügten Beendigung der Ausgabe höherwertiger Geldscheine ist bei der Analyse des empirischen Umfelds mit in Rechnung zu stellen.

Es wird sicherlich niemand befürchten müssen, dass durch die nationale oder unionsrechtliche Gesetzgebung Bargeldzahlungen insgesamt oder im Hinblick auf den alltäglichen konsumtiven Verkehr ausgeschlossen werden. Aber die Einführung einer gesetzlichen Obergrenze für Bargeldzahlungen ist durchaus aktuell und verdient eine verfassungsrechtliche beziehungsweise unionsrechtliche Bewertung.

Führte der deutsche Gesetzgeber eine gesetzliche Obergrenze der Bargeldzahlungen ein, müsste dies an den Grundrechten des Grundgesetzes gemessen werden. Die Gesetzgebung ist nach Art. 1 Abs. 3 GG an die Grundrechte der Art. 2 ff. des Grundgesetzes gebunden. Im Hinblick auf ein gesetzliches Verbot oder eine gesetzliche Obergrenze für Bargeldzahlungen kommen als Beurteilungsmaßstab die Eigentumsfreiheit des Art. 14 Abs. 1 GG, die Vertragsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 beziehungsweise nach Art. 12 GG (Berufsfreiheit) sowie das aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG folgende Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung in Betracht.

Beeinträchtigung der Eigentumsfreiheit

Dass ein gesetzliches Verbot von Bargeldzahlungen unabhängig von der jeweils gewählten Obergrenze nach wie vor zulässiger Zahlungen die Eigentumsfreiheit des Art. 14 Abs. 1 GG beeinträchtigt, dürfte un zweifelhaft sein. Nach diesem Artikel werden das Eigentum und das Erbrecht gewährleistet, ohne dass die Verfassung selbst den Begriff des Eigentums definiert. Es ist in der verfassungsrechtlichen Rechtsprechung und Literatur völlig anerkannt, dass das Eigentum im Sinne des Verfassungsrechts nicht identisch ist mit dem Eigentumsbegriff des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Eigentum im Sinne des Verfassungsrechts ist jedes vermögenswerte Recht, jedenfalls des Privatrechts, während das Bürgerliche Gesetzbuch Eigentum als Vollrecht nur an beweglichen und unbeweglichen Sachen kennt. In jedem Fall umschließt aber auch der verfassungsrechtliche Eigentumsbegriff das Sacheigentum im Sinne des Zivilrechts. Damit gehört das Bargeld unzweifelhaft zum Eigentum sowohl des bürgerlichen als auch des Verfassungsrechts. Denn das Bargeld stellt, juristisch betrachtet, eine bewegliche Sache dar.

Die Eigentumsgewährleistung des Art. 14 Abs. 1 GG schützt nun nicht nur das Recht, den Eigentumsgegenstand zu besitzen beziehungsweise innezuhaben, sondern auch das Recht, ihn zu nutzen und insbesondere darüber frei zu verfügen. Die Eigentumsgewährleistung des Art. 14 GG bietet also nicht nur einen Bestandsschutz, sondern auch eine Gebrauchs- und Nutzungsgarantie, einschließlich der Garantie einer freien Verfügbarkeit. Durch eine gesetzliche Beschränkung von Bargeldzahlungen würde in diese eigentumsgrundrechtliche Nutzungsgarantie eingegriffen werden.

Zur bestimmungsgemäßen Nutzung des Bargeldes gehören sowohl die Verwendung als Tauschmittel als auch der Einsatz des Bargeldes als "Wertaufbewahrungsmittel". In die Funktion als Tauschmittel würde eine gesetzliche Beschränkung der hier diskutierten Art ganz unmittelbar einwirken. Bargeld verlöre je nach der gesetzlichen Bestimmung der Obergrenze eine ganz zentrale Nutzungsmöglichkeit. Die Eigentumsgewährleistung ist nach dem Grundgesetz allerdings nicht vorbehalts- beziehungsweise schrankenlos. Nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG werden Inhalt und Schranken des Eigentums durch die Gesetze bestimmt. Der Gesetzgeber ist von Verfassungs wegen mithin auch berechtigt, Nutzungsmöglichkeiten des Eigentums einzuschränken oder zu nehmen. Aber dieses Recht der Grenzen- und Schrankensetzung durch die Gesetzgebung ist wiederum nicht schrankenlos eingeräumt. Das Bundesverfassungsgericht hat hier in jahrzehntelanger Judikatur dem Gesetzgeber Schranken der Schrankenziehung aufgezeigt. Eine ganz zentrale Schranken-Schranke stellt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit dar, der in der jahrzehntelangen Judikatur des Bundesverfassungsgerichts eine sehr präzise und detailreiche Ausprägung erfahren hat.

Angemessenes Verhältnis von Mittel und Zweck

Will der Gesetzgeber bestehende legale Nutzungsmöglichkeiten des verfassungsrechtlich geschützten Eigentums ausschließen oder begrenzen, so muss er für diese Einschränkungen verfassungslegitime Gründe des gemeinen Wohls anführen können. Überdies müssen die gesetzlichen Beschränkungen geeignet sein, die angestrebten Ziele des Gemeinwohlschutzes zu erreichen, sie müssen nach Art und Intensität auch erforderlich sein, um jene Gemeinwohlzwecke zu erreichen und schließlich muss ein angemessenes Verhältnis von Mittel und Zweck bestehen. Es darf mit anderen Worten keine Disproportionalität von Eingriff und Eingriffstiefe einerseits und Eingriffsnutzen für das Gemeinwohl andererseits bestehen.

Bevor nach der Darstellung der allgemeinen Voraussetzungen eines verfassungsrechtlich zulässigen Eigentumseingriffs die konkrete verfassungsrechtliche Würdigung etwaiger gesetzlicher Obergrenzen vorgenommen wird, sei die Betroffenheit weiterer Grundrechte erwähnt.

Soweit der Gesetzgeber den Bürgern Bargeldzahlungen verbietet, greift er ferner in die grundrechtlich gewährleistete Vertragsfreiheit ein. Nach Art. 2 Abs. 1 GG hat jeder das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit. Damit sind sehr verschiedene Freiheitsbetätigungen geschützt, dieser Artikel dient als eine Art Auffanggrundrecht für Freiheitsbetätigungen, die nicht unter eines der nachfolgend genannten speziellen Freiheitsrechte fallen. Ein anerkannter Ausfluss jener Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG ist die Vertragsfreiheit. Sie beinhaltet das Grundrecht jedermanns, selbst zu bestimmen, ob, mit wem und mit welchem Inhalt vertragliche Bindungen eingegangen werden sollen. Gewährleistet ist also die Abschluss- genauso wie die Inhaltsfreiheit. Soweit es um Verträge in Ausübung beruflicher beziehungsweise gewerblicher Tätigkeiten geht, ist diese Vertragsfreiheit durch die speziellere verfassungsrechtliche Gewährleistung der Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG geschützt.

Wenn der Gesetzgeber den Bürgern von Gesetzes wegen verbietet, geschuldete Geldleistungen durch Bargeldzahlungen zu erfüllen, greift er in diese Inhaltsfreiheit ein. Denn zu dieser Freiheit gehört das Recht der Vertragsparteien, selbst über die Leistungsmodalitäten und Zahlungsformen zu bestimmen.

Negative Freiheit

Im Übrigen gewährleisten die Grundrechte allgemein und das Grundrecht der Vertragsfreiheit im Besonderen auch die sogenannte negative Freiheit. Das bedeutet im Hinblick auf die Vertragsfreiheit das Recht, keine vertraglichen Bindungen einzugehen und das Recht, solche vertraglichen Beziehungen zu bestimmten Personen oder Unternehmen nicht einzugehen. Soweit der Gesetzgeber Bargeldzahlungen von Rechts wegen verbietet, zwingt er die Bürger zur Nutzung der Systeme bargeldloser Zahlungen, mithin zum Abschluss entsprechender Verträge mit jenen Unternehmen oder Institutionen, die in solche Systeme bargeldloser Zahlungen eingebunden sind.

Aber auch die Vertragsfreiheit steht unter einem Gesetzesvorbehalt, das heißt, der Gesetzgeber ist grundsätzlich berechtigt, Inhalt und Grenzen der Vertragsfreiheit zu regeln. Auch insoweit gilt allerdings der bereits im Zusammenhang mit der Eigentumsgarantie erwähnte Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der auch solchen Schrankenregelungen im Hinblick auf die Vertragsfreiheit von Verfassungs wegen strikte Grenzen setzt.

Erwähnt sei noch ein drittes Grundrecht erwähnen, das durch die gesetzliche Einführung einer Bargeldobergrenze beeinträchtigt wäre. Beginnend mit dem sogenannten Volkszählungsurteil vom 15. Dezember 1983 (BVerfGE 65, S. 1) leitet das Bundesverfassungsgericht aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ab. In der erwähnten Ausgangsentscheidung zur Volkszählung heißt es sinngemäß: Die freie Entfaltung der Persönlichkeit setze unter den Bedingungen der automatischen Datenverarbeitung voraus, die persönlichen Daten des Einzelnen gegen unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe zu schützen. Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung gewährleistet daher dem Einzelnen die Befugnis, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen.

Speicherung persönlicher Daten

In der nachfolgenden Rechtsprechung wird immer wieder betont, dass eine flächendeckende, vorsorgliche und anlasslose Speicherung aller persönlichen Daten, die für die Strafverfolgung oder Gefahrenprävention nützlich sein könnten, gegen deutsches Verfassungsrecht verstoße. Die Wahrnehmung der Freiheitsrechte der Bürger dürfe nicht total erfasst und registriert werden. Dieses Verbot gehöre sogar zur verfassungsrechtlichen Identität der Bundesrepublik Deutschland, das die staatlichen Organe der Bundesrepublik nicht nur unmittelbar bindet, sondern für dessen Wahrung sich Deutschland auch in europäischen und internationalen Zusammenhängen einsetzen müsse. Eine vom Staat vorgenommene oder durch staatliche Regelung veranlasste Sammlung von personenbezogenen Daten auf Vorrat zu unbestimmten oder noch nicht hinreichend bestimmten Zwecken ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts strikt untersagt (vgl. BVerfGE 125, S. 260 - Vorratsdatenspeicherung).

Gesetzliche Bargeldobergrenzen beinhalten den Zwang, im Anwendungsbereich dieser Verbote auf elektronische Zahlungsmittel zurückzugreifen. Damit ist unvermeidbar eine umfassende Erfassung und verdachtslose Registrierung der Freiheitsausübung der Bürger verbunden. Allerdings gilt auch hier, dass kein Grundrecht vorbehaltlos oder schrankenlos gewährleistet ist. Auch nicht jede vorsorglich anlasslose Speicherung der persönlichen Daten ist von vornherein rechtlich ausgeschlossen. Das Bundesverfassungsgericht hat es insbesondere für verfassungsrechtlich zulässig erachtet, dass eine zeitlich eng befristete anlasslose Speicherung persönlicher Daten für qualifizierte Verwendungen im Rahmen der Strafverfolgung oder der Gefahrenabwehr durch die Gesetzgebung eingeführt werden kann, wenn sie strengen verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsanforderungen genügt. Auch darauf wird im Zusammenhang mit der konkreten Bewertung denkbarer Eingriffe noch einmal eingegangen.

All diese vorausgegangenen Erwägungen machen deutlich, dass der Gesetzgeber bei der Einführung gesetzlicher Bargeldobergrenzen nicht frei ist, dass es sich dabei also nicht nur um Fragen politischen Ermessens, der volkswirtschaftlichen Sinnhaftigkeit und Zweckmäßigkeit handelt. Vielmehr bewegte sich der Gesetzgeber hier im sensiblen Bereich der Grundrechtseingriffe, für den mehr oder weniger strikte verfassungsrechtliche Vorgaben gelten. Diese laufen grob gesagt auf die Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes hin. In diesem Zusammenhang bleiben die folgenden Ausführungen auf eine sehr pauschale Analyse beschränkt, auf besondere Anforderungen, die von den hier genannten unterschiedlichen Grundrechten gestellt werden, kann nicht eingegangen werden.

Verfassungslegitime Gründe des allgemeinen Wohls

Auf jeden Fall gilt, dass der Gesetzgeber für seine Grundrechtsbeschränkungen verfassungslegitime Gründe des allgemeinen Wohls anführen können muss. Zum Schutze privater Belange oder aus Gründen der ökonomischen oder gesellschaftspolitischen Zweckmäßigkeit dürfen Grundrechtsbeschränkungen dieser Art nicht verfügt werden. Als Allgemeinwohlbelang kommt in unserem Zusammenhang vor allem die Verbrechensbekämpfung in Betracht. In der Tat garantiert nur die Bargeldleistung volle und wirkliche Anonymität. Der amerikanische Kriminologe Marcus Felson (zitiert nach Issing, Das Bargeld - Erfahrungen eines Geldpolitikers, in: Bargeldsymposium der Deutschen Bundesbank 2014, Seite 45, 53) spricht deshalb auch im Zusammenhang mit dem Bargeld von der "Muttermilch des Verbrechens". In diesem Kontext wird dann von den Anhängern einer Bargeldobergrenze auch immer wieder angeführt, dass die unbegrenzte Bargeldzahlung dem internationalen Terrorismus, der illegalen Geldwäsche, der Finanzierung anderer illegaler Geschäfte oder der Erleichterung von Steuerhinterziehung diene.

Die Verhinderung und die Eindämmung jener Arten und Formen der Kriminalität sind sicherlich Ziele von hohem Gemeinwohlrang. Erhebliche verfassungsrechtliche Zweifel bestehen aber im Hinblick darauf, dass die gesetzlichen Freiheitsbeschränkungen auch den verfassungsrechtlichen Geeignetheitsanforderungen genügen müssen. Geeignet zur Erreichung des verfolgten Zwecks ist ein Grundrechtseingriff dann, wenn er den angestrebten Zweck zumindest fördern kann. Dem Gesetzgeber kommt allerdings hier ein gewisser Einschätzungs-, Beurteilungs- und Prognosespielraum zu. Es ist zunächst einmal Sache des Gesetzgebers, unter Beachtung der Sachgesetzlichkeiten des betreffenden Sachgebiets zu entscheiden, welche Maßnahmen er im Interesse des Gemeinwohls für geeignet hält und ergreifen will. Die verfassungsrechtlichen Grenzen sind allerdings überschritten, wenn der Gesetzgeber offenkundig ungeeignete Maßnahmen ergreift.

Soweit es um Terrorismusfinanzierung, Geldwäsche und Steuerhinterziehung geht, scheint bei vordergründiger Betrachtung der gesetzliche Ausschluss jedenfalls höherer Bargeldleistungen nicht gänzlich untauglich zu sein, diese Kriminalität einzudämmen. Aber diese Bewertung ist sehr vordergründig und sehr abstrakt. Fachleute, nicht nur, aber vor allem aus dem Bereich der Kriminologie, erachten die gesetzlichen Begrenzungen von Bargeldleistungen in dieser Hinsicht als völlig untauglich. Sie verweisen nicht ganz zu Unrecht darauf, dass der moderne elektronische Zahlungsverkehr bargeldloser Art den hier angesprochenen Kriminellen durchaus hinreichende Möglichkeiten bietet, ihren illegalen Geschäften nachzugehen und letztlich für die gewünschte Anonymität zu sorgen. Empirisch nachweisbare Kriminalitätsentwicklungen in den Staaten, die seit Längerem mehr oder weniger strikte Bargeldobergrenzen kennen, bestärken diese Annahmen.

Jedenfalls müsste der Gesetzgeber entgegenstehende Annahmen und Erwartungen im Hinblick auf eine angestrebte Kriminalitätsbekämpfung fundierter darlegen und belegen, als dies bisher geschehen ist. Gesetzliche Grundrechtsbeschränkungen gewissermaßen "ins Blaue hinein", die in der Hoffnung ergehen, durch diese Beschränkungen würden Kriminelle eingeschüchtert und abgeschreckt werden, reichten für die Erteilung des verfassungsrechtlichen und verfassungsgerichtlichen Segens nicht.

Wahrung der Verhältnismäßigkeit

Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen aber nicht nur wegen der Geeignetheit der Grundrechtseingriffe, sondern auch im Hinblick auf die Wahrung der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne, also der Proportionalität von Eingriffsschaden und Eingriffsnutzen. Auf der Seite des Eingriffsnutzens steht die vage und derzeit jedenfalls nicht hinreichend belegte und belegbare Annahme, mit der gesetzlichen Bargeldobergrenze die genannten Erscheinungen der Kriminalität wirksam einzuschränken. Mehr als eine vordergründige Hoffnung wäre das - wie gesagt - nicht, insbesondere wenn man einen Blick auf die Verhältnisse in den Staaten wirft, die solche Beschränkungen seit Längerem kennen.

Auf der anderen Seite - im Hinblick auf den Eingriffsschaden - ist zu berücksichtigen, dass es um nicht unwesentliche Beschränkungen mehrerer Grundrechte des Grundgesetzes geht. Das aus der Eigentumsgarantie folgende Recht, von dem eigenen Geldeigentum bestimmungsgemäß Gebrauch zu machen und über dieses Eigentum bestimmungsgemäß zu verfügen, würde in erheblichem Umfange beschränkt werden. Dasselbe würde für die Beschränkung der positiven und negativen Vertragsfreiheit gelten. In diesem Zusammenhang fällt auch ins Gewicht, dass mit dem Zwang, bargeldlose Zahlungssysteme in Anspruch nehmen zu müssen, die Betroffenen letztlich auch gehalten sind, zusätzliche Kosten und Risiken wirtschaftlicher Art einzugehen. Diese wirtschaftlichen Risiken können unterschiedlicher Art sein, sie können in denkbaren Insolvenzen der zwingend in Anspruch zu nehmenden Vertragspartner oder in der Auferlegung negativer Zinsen oder anderer Transferkosten liegen.

Schließlich sind auch die gesetzlich veranlassten Beschränkungen des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung schwerwiegend. Die Bürger würden gezwungen, ihre mit Geldleistungen verbundenen Freiheitsbetätigungen ab einer bestimmten Größenordnung vollumfänglich, verdachtslos erfassen und registrieren zu lassen. In der Erfassung der relevanten persönlichen Daten aller Bürgerinnen und Bürger ohne Anknüpfung an ein zurechenbares vorwerfbares Verhalten, in der weitreichenden Aussagekraft der hier in Betracht kommenden Daten und den Möglichkeiten der Erstellung aussagekräftiger Persönlichkeits- und Bewegungsprofile, wegen der erheblichen Missbrauchsmöglichkeiten, die mit solchen Datensammlungen verbunden sind sowie schließlich aufgrund des Entstehens eines "diffus bedrohlichen Gefühls des umfassenden Beobachtet-Seins" droht eine Situation zu entstehen, in der eine unbefangene Wahrnehmung der Grundrechte in weiten Bereichen beeinträchtigt sein kann.

Auch im Hinblick auf das primäre Unionsrecht nicht unproblematisch

Bei einer Gesamtabwägung der drohenden Grundrechtseinschränkungen auf der einen Seite und den mehr oder weniger vagen Erwartungen eines Eingriffsnutzens zugunsten und zum Schutz von Gemeinwohlbelangen andererseits bestehen erhebliche Zweifel daran, dass die Einführung einer Bargeldobergrenze mit mehr oder weniger gegriffenen Summen den verfassungsrechtlichen Anforderungen der Geeignetheit und Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne genügen kann. Der Gesetzgeber sollte sich jedenfalls nicht von vorschnellen und vagen Annahmen leiten lassen, denn im freiheitlichen Rechtsstaat gilt nach wie vor der Grundsatz: In dubio pro libertate.

Die Einführung einer Bargeldobergrenze durch den deutschen Gesetzgeber ist auch im Hinblick auf das primäre Unionsrecht nicht unproblematisch. Zu den Grundfreiheiten des Unionsrechts gehört die Kapital- und Zahlungsverkehrsfreiheit nach Art. 63 AEUV. Geschützt ist die Übertragung von Zahlungsmitteln (in bar oder bargeldlos) über die Grenze im Sinne einer Devisentransferierung, also jede Zahlung, die eine Gegenleistung einer dieser Leistung zugrunde liegenden Transaktionen darstellt (EuGH Rs. C-286/82 et 26/83, Luisi und Carbone, Slg. 1984, I-377, Rn. 21 f.). Jede Form unmittelbarer oder mittelbarer, aktueller oder potenzieller Beschränkung des Zahlungsverkehrs stellt einen Eingriff in diese Grundfreiheit dar. Verboten sind gleichermaßen Maßnahmen, die eine solche Behinderung bezwecken oder bewirken (EuGH ebd. Rn. 34).

Wenn in einem Mitgliedsstaat Bargeldobergrenzen gelten, so wird gerade der (grenzüberschreitende) Zahlungsverkehr be schränkt, ein Eingriff in die Grundfreiheit ist damit gegeben. Eine Rechtfertigung für eine solche Beschränkung kann sich aus Art. 65 AEUV ergeben.

Mitgliedsstaaten können danach die unerlässlichen Maßnahmen treffen, um Zuwiderhandlungen gegen innerstaatliche Rechts- und Verwaltungsvorschriften, insbesondere auf dem Gebiet des Steuerrechts und der Aufsicht über Finanzinstitute, zu verhindern, sowie Meldeverfahren für den Kapital verkehr zwecks administrativer oder statistischer Informationen vorsehen oder Maßnahmen ergreifen, die aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit gerechtfertigt sind.

Maßnahmen zum Schutze der öffentlichen Sicherheit und Ordnung

Danach sind also insbesondere Maßnahmen zum Schutze der öffentlichen Sicherheit und Ordnung grundsätzlich zulässig, also zum Beispiel Maßnahmen zum Kampf gegen Geldwäsche, gegen Terrorismus, Drogenhandel und internationale Kriminalität (EuGH Rs. C-358/93 u. C-416/93, Bordessa u.a., Slg. 1995, I-362 (I-385) Rn. 19). Allerdings gilt auch hier, dass eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung vorliegen muss, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Ferner muss die Maßnahme erforderlich sein, pauschale und undifferenzierte Maßnahmen sind nicht zulässig (EuGH Rs. C-54/99, Église de Scientologie, Slg. 2000, I-1335 Rn. 17).

Die hier im Hinblick auf das deutsche Verfassungsrecht und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit angemeldeten Zweifel wegen mangelnder Effektivität der Maßnahme und wegen der Unverhältnismäßigkeit dürften auch hier zum Tragen kommen. Daher scheint auch die Vereinbarkeit mit dem europäischen Primärrecht nicht unzweifelhaft zu sein.

Diese Bedenken bestehen im Übrigen auch, wenn die EU selbst mittels eines sekundären Rechtsakts in diese Grundfreiheit eingreifen sollte. Auch mit Blick auf die Unionsgrundrechte, die dann Anwendung fänden (Art. 51 Abs. 1 EU-GR-Charta), erschiene die Rechtmäßigkeit einer solchen Maßnahme auf Unionsebene zumindest fraglich. Denn auch in der EU-Grundrechtecharta werden das Recht der Berufsfreiheit (Art. 15), des Eigentums (Art. 17), der Achtung des Privatlebens (Art. 7) und des Schutzes personenbezogener Daten (Art. 8) garantiert. Ein Eingriff müsste überdies verhältnismäßig sein (Art. 52 Abs. 1 S. 2 EU-GR-Charta). Da die Union von einem den nationalen Verfassungsüberlieferungen vergleichbaren Schutzniveau ausgeht (EuGH Rs. 4/73, Nold, Slg. 1974, 491, Rn. 13) und insbesondere im Bereich personenbezogener Daten hohe Anforderungen stellt (EuGH Rs. C-293/12 und C-495-12, Vorratsdatenspeicherung, NJW 2014, 2149, Rn. 48), dürften die im Rahmen des nationalen Verfassungsrecht angeführten Bedenken insoweit übertragbar sein.

Dieser Beitrag basiert auf einer Rede des Autors beim Bargeldsymposium 2016 der Deutschen Bundesbank am 13. Juni 2016 in Frankfurt am Main. Zwischenüberschriften sind teilweise von der Redaktion eingefügt.

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