Globale Innovationsinitiative im Zahlungsverkehr und DLT

Michael Formann, Head of SWIFT Germany & Central Europe

Michael Formann, Head of SWIFT Germany & Central Europe - Wer im privaten Umfeld an den unmittelbaren Zugang zu Informationen gewöhnt ist und gerade im Zahlungsverkehr in schneller Schrittfolge Neuerungen erlebt, fragt sich aus Sicht des Autors zu Recht, wieso das Korrespondenzbankmodell für den internationalen Zahlungsverkehr von Firmenkunden mit solchen Annehmlichkeiten nicht mithalten kann. Eine schnellere Laufzeit von Firmenkundenzahlungen hält er vor diesem Hintergrund für dringlich. Ob und vor allen Dingen wann eine solche mit der sogenannten Distributed-Ledger-Technologie (DLT) erzielbar ist, lässt er offen. Von einer Revolutionierung der globalen Finanzdienstleistungen sieht er ihre Einsatzmöglichkeiten aber noch weiter entfernt, als manche Beobachter es heute annehmen. Angesichts der Risiken, ein vergleichsweise stabil laufendes Verfahren mit einer Neuerung abzulösen, setzt er einstweilen noch auf das innovative Aufrüsten des globalen Korrespondenzbanken-Netzwerks. Parallel dazu werden in seinem Haus aber auch die Möglichkeiten ausgelotet, neue Technologien wie die DLT bei der Abwicklung des grenzüberschreitenden Zahlungsverkehrs einzusetzen. (Red.)

Das Internet hat den Zugang zu Informationen im Verlauf der letzten zwanzig Jahre gravierend verändert. Heute sind Informationen für jeden sofort und jederzeit über das World Wide Web verfügbar geworden. Das hat auch die Ansprüche der Firmenkunden tiefgreifend verändert. Der Treasurer, der im privaten Leben unmittelbaren Zugang zu Informationen hat, erwartet dasselbe auch im Arbeitsleben. Und technologische Verbesserungen im Zahlungsverkehr auf Verbraucherebene sind für ihn selbstverständlich - schließlich kann man einen Geldtransfer schon lange auf Knopfdruck veranlassen.

Starke Nachfrage nach einer besseren Lösung

Das Korrespondenzbankmodell für den internationalen Zahlungsverkehr von Firmenkunden hat mit dieser neuen Leichtigkeit und ihren Annehmlichkeiten nicht mitgehalten. Im traditionellen Verfahren benötigen Überweisungen oft mehrere Tage; die Kosten sind ebenso wenig transparent wie der Zeitraum bis zum Eintreffen der Zahlung; die Gutschrift wird nicht bestätigt. Der alte Status quo mit Überweisungen, die über Tage hinweg in einem "schwarzen Loch" verschwinden, ohne sie nachverfolgen zu können und ohne Einsicht in den Bearbeitungsstand zu bieten, erscheint heute kaum noch akzeptabel.

Daher besteht eine starke Nachfrage nach einer besseren Lösung - vergleichbar mit dem Geldtransfer auf der Verbraucherebene, jedoch mit der zusätzlichen Funktionalität von modernen Messaging Services.

Innovative Aufrüstung oder Disruption?

Die Befürworter der Blockchain und der digitalen Disruption im Finanzwesen setzen dagegen auf ein höheres Wertversprechen im Hinblick auf Preis, Transparenz und Zweckmäßigkeit. Sie verfechten ein dezentralisiertes Modell und argumentieren, dass sich in den vielfältigen Verknüpfungen der Korrespondenzbanken-Kette Ineffizienzen aufschichten, die den Kunden höhere Kosten und Zeitverzögerungen verursachen.

Dieses Wertversprechen lässt allerdings die Hauptvorteile des Korrespondenzbanksystems außer Acht. Der Aufbau einer Korrespondenzbankverbindung sichert jede der damit im Netzwerk bestehenden Verknüpfungen und die Selbstkontrolle innerhalb des Netzwerks gewährleistet, dass jeder Knoten einen vorgegebenen Standard des Risikomanagements einhält. Das Korrespondenzbanksystem ermöglicht weiterhin größere finanzielle Inklusivität durch Erhöhung der Zahl von Zugangspunkten zum übergeordneten globalen Finanzsystem.

Zudem sind die Kosten für eine Ablösung des Korrespondenzbanksystems durch alternative Lösungen nicht gerade unbedeutend. Disruptive Lösungen erscheinen weit weniger attraktiv, wenn man den Aufwand und die Probleme für ihre volle Integration in die Wertschöpfungskette und das Kunden-Ökosystem bedenkt.

Es gibt einen besseren Weg: Das innovative Aufrüsten des bewährten globalen Korrespondenzbanken-Netzwerks. Mit diesem besteht ein seit Langem ausgereiftes Modell, das gut reguliert ist und alltäglich effizient funktioniert. Die SWIFT-Initiative "Global Payments Innovation" (GPI) baut auf dieser bestehenden Infrastruktur auf, da hier ein mehr als solides Netzwerk schon zugrunde liegt: Eine zusätzliche Informationsebene, betrieben mit innovativer Technologie, übernimmt sowohl die Nachverfolgung von Zahlungen als auch Informationen zu jeder Überweisung. Damit können Korrespondenzbank-Netzwerke mit dem GPI-Service höhere Transparenz und schnellere Transaktionen bieten, um so den Bedarf ihrer Kunden und der Firmenkunden zu erfüllen.

Effizienz für Firmenkunden und die Kreditwirtschaft

Firmenkunden wollen ihren Geschäftsverpflichtungen gemäß zahlen, ohne Cash im Zahlungsumlauf zu binden oder Strafen für verspätete Zahlungen zu riskieren. Sie wollen volle Übersicht über Gebühren und Abzüge, um effizienter arbeiten und Streit mit Zulieferern oder Ausgleichsprobleme bei unvollständigen Zahlungen vermeiden zu können. Und sie erwarten eine positive Bestätigung der Gutschrift bei ihrem Zulieferer oder Kontrahenten, die ihre Zulieferabläufe effizienter macht.

Diese vielfältigen Bedürfnisse der Firmenkunden hat SWIFT im Auftrag der Finanzbranche erfasst und anhand des gewonnenen Anforderungsprofils GPI gemeinsam mit weltweit führenden Transaktionsbanken entwickelt. Seit ihrer Ankündigung im Dezember 2015 haben sich bisher rund 100 Banken angemeldet, die 224 Länder abdecken. Im Januar 2017 hat der neue Service den Betrieb aufgenommen. Zwölf Banken tauschen seitdem bereits im Livebetrieb Überweisungen mit 60 Ländern aus.

Der GPI-Service wird auf der Basis von Geschäftsordnungsregeln (business rules) betrieben, die in multilateralen "Service Level Agreements" (SLAs) zwischen den Banken festgelegt sind. Sie verschaffen Firmenkunden die taggleiche Nutzung der Gelder, Transparenz bei den Kosten und die Gutschriftbestätigung beim Begünstigten. Die Endto-End-Nachverfolgung ihrer Zahlungen mit dem innovativen "GPI Tracker" und die unveränderte Übermittlung umfassender Informationen zur Überweisung geben Treasurern eine bessere Übersicht über ihre verfügbaren Mittel, mindern Probleme mit Forecasts und verbessern ihr Cash-Management insgesamt. Zudem verhelfen höhere Transparenz und bessere Übersicht den Firmenkunden zu einer verbesserten Compliance gegenüber regulatorischen Auflagen.

Wirksame Innovation in drei Phasen

Der Service wurde von Firmenkunden sehr gut aufgenommen. Die derzeit laufende erste Phase der GPI ist auf Businessto-Business-Zahlungen fokussiert und kann Unternehmen zu größerem Wachstum in ihrem internationalen Geschäft verhelfen, Beziehungen zu ihren Zulieferern verbessern und ihr Treasury deutlich effizienter machen. Tausende von Auslandsüberweisungen werden heute bereits nach dem neuen Standard mit seinen Vorteilen für GPI-Banken und ihre Firmenkunden übermittelt.

Um die Ansprüche der Firmenkunden auch in der nächsten Dekade zu erfüllen, arbeitet SWIFT in der zweiten Phase der GPI auf die digitale Transformation des grenzüberschreitenden Zahlungsverkehrs hin. Damit können Banken über einen Zahlungserinnerungs- und Stornierungsdienst verfügen, ihrer Überweisung umfangreiche Zahlungsdaten mitgeben und einen internationalen "Payment Assistant" einsetzen, mit dem das Straight-Through-Processing ab dem Ausgangspunkt weiter gesteigert werden kann.

Für die dritte Phase erforscht SWIFT GPI bereits die Potenziale des Einsatzes neuer Technologien - wie der Distributed-Ledger-Technologie (DLT) - bei der Abwicklung des grenzüberschreitenden Zahlungsverkehrs. Diese Potenziale sind unbestreitbar vorhanden. Doch noch ist viel zu tun, bis die Technologie für Finanzinstitutionen einsatzfähig sein kann. Mehr Governance ist dazu nötig, ein Identitätsrahmenwerk, die Compliance mit den Regeln zur Geldwäschebekämpfung, Skalierbarkeit und die wirksame Abwehr von Cyberangriffen - um nur einige der wichtigsten Voraussetzungen zu nennen, die für den DLT-Einsatz auf dem SWIFT-Netzwerk erfüllt sein müssen.

Einsatz der DLT im GPI-Netzwerk

Bereits im Jahr 2016 hat SWIFT GPI mit einer Reihe von Kunden und Startups an den Einsatzmöglichkeiten der DLT gearbeitet. Im Jahr 2017 steht die Prüfung der Realisierbarkeit an; derzeit wird im Rahmen einer Machbarkeitsstudie untersucht, ob die Banken mithilfe von Distributed Ledgers ihre Nostro-Konten effizienter in Echtzeit abgleichen und somit Kosten und operationelle Risiken vermindern können.

Die Studie wurde als Bestandteil der GPI-Initiative in Zusammenarbeit mit einer Gruppe führender Großbanken konzipiert. SWIFT setzt als Gründungs- und Board-Mitglied des Hyperledger-Projekts eine Open-Source-Hyperledger-Technologie ein und verbindet diese mit Kernfunktionen von SWIFT, um sie mit den Bedürfnissen der Finanzindustrie in Einklang zu bringen. Die Ergebnisse der Studie sollen auf der Sibos 2017 vom 16. bis 19. Oktober in Toronto vorgestellt werden.

Es ist keine Frage, dass Blockchain- und Distributed-Ledger-Technologien das Bankwesen fundamental verändern können. Wettbewerb ist wichtig, um den Weg in die Zukunft zu finden. Aber ihre Einsatzmöglichkeiten sind von einer Revolutionierung der globalen Finanzdienstleistungen noch weiter entfernt als manche heute annehmen. Somit bietet die GPI-Initiative den bislang gangbarsten Weg zur Innovation im Korrespondenzbankgeschäft. Der Service wurde zwar auf den Bedarf der Endkunden zugeschnitten, die Banken aber können damit wie bisher ihren Compliance-Pflichten sowie ihren Markt-, Kredit- und Liquiditätsrisiko-Anforderungen nachkommen. So erfüllt GPI die aktuellen Bedürfnisse sowohl der Firmenkunden als auch die der Banken weltweit und bietet eine starke Basis für neue Zukunftsentwicklungen im Zahlungsverkehr.

Global Payment Innovation "Global Payment Innovation" (GPI) ist eine von SWIFT gemeinsam mit der Finanzindustrie entwickelte Initiative zur Innovation im globalen Zahlungsverkehr. Sie ist darauf angelegt, die Banken in die Lage zu versetzen, ihren Endkunden echte Vorteile durch grundlegende Verbesserungen im Korrespondenzbankgeschäft bieten zu können.In der ersten, im Januar 2017 gestarteten Phase der GPI-Services hat SWIFT einen neuen Standard für Auslandsüberweisungen mit taggleicher Nutzung der Gelder, Kostentransparenz und Endto-End-Tracking eingeführt. Dieser Service wird seitdem bereits aktiv von großen internationalen Transaktionsbanken genutzt.In der zweiten Phase folgt die digitale Umsetzung grenzüberschreitender Zahlungen mit einem reichhaltigen Zahlungsdatentransfer, einem Zahlungserinnerungs- und Stornierungsdienst sowie einem internationalen "Payment Assistant". Für einen möglichen Einsatz bei Cross-Border-Zahlungen in der dritten Phase der GPI untersucht SWIFT derzeit neue Technologien wie etwa die Distributed-Ledger-Technologie (DLT).
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