Gründung und Übernahme von Unternehmen: Frauen gefordert!

Erk Westermann-Lammers, Vorsitzender der Vorstands, Investitionsbank Schleswig-Holstein (IB.SH), Kiel

Quelle: IB SH

Mit einer Quote von gut einem Viertel der Neugründungen durch Frauen registriert der Autor in Schleswig-Holstein zwar leicht höhere Werte als in anderen Bundesländern, gemessen an dem Bildungsstand und den unternehmerischen Führungsqualitäten von Frauen hält er das Potenzial der Gründerinnen und/oder Unternehmerinnen aber längst noch nicht für ausgeschöpft. Deren gezielte Förderung sieht er als eine wichtige Aufgabe zukunftsgerichteter Wirtschaftspolitik, die damit nicht zuletzt einen Beitrag für die Lösung der volkswirtschaftlichen Herausforderung ungeklärter Unternehmensnachfolgen leisten können. Dass die Branchenverteilung der von Frauen geführten Unternehmen bislang stark mit der ursprünglichen Berufswahl übereinstimmt, einen Schwerpunkt bei den freien Berufen hat und gerade im Bereich der innovativen, digitalen Gründungen mit großen Wachstumschancen Nachholbedarf besteht, versteht er nicht zuletzt als Auftrag für die Förderbanken, möglichst frühzeitig Angebote an die Unternehmerinnen von morgen zu machen. Er ermuntert Wirtschaft, Gesellschaft und Politik, neue Modelle der Selbstständigkeit zu ermöglichen. (Red.)

Der Anteil der Frauen in Deutschland, die sich eine Zukunft als Unternehmerin vorstellen können, steigt. Auch für sie ist es der wichtigste Treiber, mit viel Handlungsspielraum die eigene innovative Geschäftsidee erfolgreich umsetzen zu können. Allerdings wird die Planung der beruflichen Zukunft bei Frauen noch immer stärker als bei Männern durch die familiäre Situation beeinflusst.

Solide Existenzsicherung als Zielbild

Zahlreiche Studien belegen, dass es in Deutschland immer noch überwiegend die Frauen sind, die in der Familienphase beruflich zurückstecken und dann versuchen, der beruflichen und häuslichen Verantwortung gleichermaßen gerecht zu werden - während die meisten Männer sich voll und ganz auf die Karriere fokussieren. Viele weibliche Fach- und Führungskräfte entscheiden sich daher eher für ein Angestelltenverhältnis, zumal das Thema Vereinbarkeit von Beruf und Familie als fester Bestandteil einer positiven Arbeitgebermarke inzwischen in den meisten Unternehmen angekommen ist.

Entscheiden sich weibliche Fach- und Führungskräfte doch für eine Unternehmensgründung, tun sie dies oftmals erst deutlich später als männliche Gründer. Häufig gründen sie kleinere Unternehmen, die sie zunächst im Nebenerwerb führen können, um sich weiter für Familie und Haushalt zu engagieren. Zudem haben sie oft geringere Wachstumsambitionen und sind weniger gewinnorientiert als männliche Unternehmer. Zumeist geht es ihnen in erster Linie um eine solide Existenzsicherung. Studien belegen weiter, dass die meisten Frauen bei der Gründung oder der Übernahme eines bestehenden Unternehmens risikoaverser als Männer vorgehen. Auch bereiten sie eine Gründung oder Übernahme oft gründlicher vor - unter anderem indem sie sich deutlich stärker dafür qualifizieren. Und sie definieren in aller Regel einen geringeren Kapitalbedarf und gehen vorsichtiger an Finanzierung heran - etwa, indem sie sich eher Geld von Familienangehörigen leihen als einen Bankkredit aufzunehmen.

Viele Frauen haben außerdem weniger Vertrauen in die eigene Kompetenz - und das, obwohl Frauen oft deutlich bessere Qualifizierungen mitbringen: Unternehmen, die von Frauen gegründet wurden, zeichnen sich vielfach durch eine große Stabilität aus.

Viele Chefinnen in den freien Berufen

Die Branchenverteilung der von Frauen geführten Unternehmen in Schleswig-Hol stein verdeutlicht zudem, dass die Würfel zumeist bereits bei der Berufswahl der Frauen fallen: In Schleswig-Holstein sind derzeit viele Chefinnen in den freien Berufen zu finden: Ärztinnen, Architektinnen, Rechtanwältinnen und Steuerberaterinnen. Überproportional aber findet man sie im Gastronomie- und Hotelgewerbe, im Gesundheits-, Veterinär- und Sozialwesen sowie in den Bereichen Pflege und in der Aus- und Weiterbildung. Dabei liegen laut KfW-Gründungsmonitor vor allem im Bereich der innovativen, digitalen Gründungen große Wachstumschancen.

In Schleswig-Holstein werden derzeit zwar mehr als ein Viertel der mittelständischen Unternehmen von einer Frau geführt. Dieser Prozentsatz liegt aufgrund des Branchenmixes höher als in anderen Bundesländern. Es gibt aber viel Potenzial und wichtige Gründe, diesen Anteil weiter zu steigern und mehr Frauen zur Gründung und vor allem zur Übernahme eines Unternehmens zu motivieren.

Beitrag zur Lösung ungeklärter Unternehmensnachfolgen

Dies gilt für Schleswig-Holstein wie für andere Bundesländer. Im Norden ist fast die Hälfte der Unternehmensinhaber älter als 55 Jahre. Bei ungeklärten Nachfolgen besteht die Gefahr, dass es zu einem Ausverkauf mittelständischer Unternehmen kommt. Ungeklärte Nachfolgen haben zudem oft den Effekt, dass erforderliche Investitionen unterbleiben - mit negativen Folgen für die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen und für die Zukunftsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes.

Mit einem höheren Anteil von Frauen, die unternehmerische Verantwortung übernehmen, könnte ein Beitrag für die Lösung der volkswirtschaftlichen Herausforderung ungeklärter Unternehmensnachfolgen geleistet werden. Die personelle Ressource der qualifizierten weiblichen Fach- und Führungskräfte sollte also genutzt werden. Es geht darum, mehr Frauen für eine Gründung oder eine Unternehmensnachfolge zu begeistern - eine anspruchsvolle Aufgabe, wenn der derzeit boomende Arbeitsmarkt Fach- und Führungskräften mit attraktiven und sicheren Angestelltenverhältnissen winkt.

Die gezielte Förderung von Gründerinnen und Unternehmerinnen ist deshalb eine wichtige Aufgabe zukunftsgerichteter Wirtschaftspolitik. Förderbanken können hier einen bedeutenden Beitrag leisten. Das gilt zunächst für ihr Kerngeschäft: Maßgeschneiderte Förder- und Finanzierungsprodukte können Frauen den Weg in die Selbstständigkeit ebnen. Hier braucht es keine frauenspezifischen Produkte. Anders sieht es in der Beratungsunterstützung aus: Frauen wollen ganz speziell beraten werden.

Förderbanken können gemeinsam mit Partnern - mit den Industrie- und Handelskammern, den Handwerkskammern, dem Unternehmerverband, frauenspezifischen Beratungseinrichtungen oder anderen Förder- und Kreditinstituten - Frauen informieren, beraten und motivieren sowie auf die Fördermöglichkeiten für den Weg in die Selbstständigkeit hinweisen. Fakt ist: Frauen wünschen umfangreiche Beratungsangebote.

So bieten die Förderlotsinnen der Investitionsbank Schleswig-Holstein (IB.SH), die auch die bundesweite gründerinnenagentur (bga) in Schleswig-Holstein vertreten, eine kostenfreie Beratung für Gründerinnen und Unternehmerinnen bei Bedarf direkt von Frau zu Frau. In den Workshops der Reihe "CHEFIN - Frauen gründen anders" erfahren Frauen alles über Finanzierungs- und Fördermöglichkeiten für Existenzgründerinnen und erhalten praktische Tipps rund um das Gründungskonzept.

Spezielle Informationsprogramme

Um gezielt potenzielle Gründerinnen auch aus dem mathematisch-naturwissenschaftlichen Umfeld zu gewinnen, arbeitet die IB.SH eng mit Hochschulen zusammen und unterstützt verschiedene Veranstaltungsformate in diesem Themenbereich. Dabei können Angebote an die Unternehmerinnen von morgen kaum früh genug gemacht werden: Bereits im Schulalter sollten Mädchen zukünftig noch stärker als bisher dahingehend sozialisiert werden, eine Selbstständigkeit als eine selbstverständliche Option beruflicher Entwicklung zu sehen. Auch hier unterstützt die Förderbank des Landes Schleswig-Holstein eine Reihe von Initiativen wie das Programm Junior des Instituts der deutschen Wirtschaft, das Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit bietet, für ein Schuljahr ein eigenes Unternehmen zu gründen und so Chancen und Risiken des Unternehmertums zu erfahren.

Förderbanken können tragfähige Netzwerke für Gründerinnen, auch Mentoring-Programme, unterstützen, sie können aber Frauen auch durch deutlich sichtbare positive Vorbilder ermutigen, ihren eigenen Weg zu gehen. So hat die IB.SH in diesem Jahr zum zweiten Mal den IB.SH-Unternehmerinnenpreis vergeben. Um neben langjährig erfolgreichen Unternehmerinnen auch gezielt Gründerinnen anzusprechen, die mit einer Erfolg versprechenden Idee eine Existenzgründung oder Unternehmensübernahme angeschoben haben, wurde in diesem Jahr zusätzlich eine Newcomerin ausgezeichnet. Der Preis ist beide Male auf eine große Resonanz gestoßen und hat sehr viel Beachtung in der Wirtschaft und insbesondere auch in den Medien gefunden. Positive Vorbilder wurden sichtbar gemacht.

Umdenken in der Gesellschaft

Förderbanken und ihre Partner können viel tun, um Frauen für eine Selbstständigkeit zu gewinnen: Sie können sie ermutigen, ein Unternehmen zu gründen oder zu übernehmen, sie können sie auf dem Weg in die Selbstständigkeit nach ihren speziellen Bedürfnissen beraten und sie können sie wie ihre männlichen Pendants mit Darlehen oder Eigenkapital fördern. Um mehr Frauen als Unternehmerinnen zu gewinnen, ist aber auch ein Umdenken in der Gesellschaft erforderlich:

- Kann ein Unternehmen tatsächlich nur führen, wer rund um die Uhr Zeit in diese Aufgabe investiert? Sind hier nicht neue Formen, neue kreative Methoden der Arbeitsteilung denkbar?

- Warum soll eine Frau mit zwei noch schulpflichtigen Kindern nicht zugleich als Unternehmerin erfolgreich sein? Kann es nicht noch viel selbstverständlicher werden, dass auch die Väter ihre Kinder betreuen - auch über ein bis drei Monate Elternzeit hinaus?

Wirtschaft, Gesellschaft und Politik sind gefordert, neue Modelle der Selbstständigkeit zu ermöglichen. Förderbanken stehen bereit, auch diese Modelle unterstützend zu begleiten.

Erk Westermann-Lammers Vorsitzender des Vorstands, Investitionsbank Schleswig-Holstein (IB.SH), Kiel
Erk Westermann-Lammers , Vorsitzender des Vorstands , Investitionsbank Schleswig-Holstein (IB.SH), Kiel
Noch keine Bewertungen vorhanden


X