Handelsfinanzierung - neue Kooperation zwischen Banken und Asset Manager

Martin Opfermann, Foto: Allianz Global Investors

Handelsfinanzierungen blicken auf eine lange Tradition zurück und führten auch zur Gründung der beiden größten deutschen privaten Banken. Die Volumina sind gigantisch und haben mittlerweile 20 Billionen US-Dollar im Jahr erreicht. Laut Autor bietet sich dieses Feld geradezu an für eine Zusammenarbeit zwischen Banken und Asset Manager. Für die Asset Manager biete ein Investment in Trade Finance Instrumente eine relativ hohe Rendite und gleichzeitig einen Diversifikationsvorteil, da sie kaum Korrelation zur Kapitalmarktentwicklung aufweisen. Banken könnten mit dem Weiterverkauf von Handelsfinanzierungen, insbesondere von Firmenkunden schlechterer Bonität, wieder regulatorischen Spielraum für Neugeschäft schaffen und somit die Kundenbindung stärken. Die Zusammenarbeit von Asset Manager und Kreditinstituten profitiert dabei auch von der Digitalisierung, die für mehr Effizienz in diesem Segment sorgt. Für Opfermann ist diese Zusammenarbeit daher eine klassische Win-win-Situation. (Red.)

"Mit Fristgeben gedeiht der Handel", weiß ein Sprichwort aus Kamerun. In der arbeitsteilig organisierten, globalisierten Wirtschaft von heute ist internationaler Handel der Wachstumsmotor. Und untrennbar mit dem Gedeihen von Handelsbeziehungen verbunden ist eine Finanzierung des Austauschs über Handelskredite. Nicht zufällig belebte die Industrialisierung ab Mitte des 19. Jahrhunderts nicht nur den Welthandel, sondern führte auch zur Gründung vieler Banken - wie etwa hier in Deutschland der Commerzbank und der Deutschen Bank, die in den ersten Monaten dieses Jahres jeweils ihren 150. Geburtstag feierten.

Kreditlimits zunehmend ausgeschöpft

Lange Zeit war das genannte "Frist geben" ein Metier der Banken - in Form einer Finanzierung des zeitlichen Auseinanderfallens von Warenlieferung und Zahlung. Über die letzten zwölf Jahre ist hierin allerdings Bewegung gekommen. Infolge der Großen Finanzkrise und regulatorisch erhöhter Risikokapitalanforderungen haben Banken zunehmend ihre Kreditlimits ausgeschöpft. Zudem machen verschärfte Eigenkapitalanforderungen durch Basel III ein derartiges Geschäft teurer. Dies fühlen gerade Unternehmen, die kein Investment Grade Rating auf weisen und die den Kapitalmarkt nicht anzapfen können oder möchten.

Allein im Bereich Handelsfinanzierung - international: Trade Finance - geht es um enorme Summen. So sind die weltweiten Exporte in den letzten 40 Jahren fast ununterbrochen gestiegen und haben mittlerweile ein Volumen von rund 20 Billionen US Dollar pro Jahr erreicht. Schätzungen der Asian Development Bank zufolge übersteigt dabei die globale Nachfrage nach Handelsfinanzierung das Angebot um etwa 1,5 Billionen US Dollar. Selbst wenn also der internationale Warenaustausch in den kommenden Jahren unter Handelsspannungen, protektionistischen Tendenzen und einer Adjustierung von Lieferketten leiden sollte, wird auf absehbare Zeit ein immenser Bedarf an Handelsfinanzierung fortbestehen.

Asset Manager können mittels des Kapitals institutioneller Anleger zum partiellen Schließen dieser Lücke beitragen. Im Niedrigzinsumfeld suchen viele institutionelle Investoren händeringend nach Anlagemöglichkeiten, die einen Renditeaufschlag gegenüber Staatsanleihen bieten - regulatorisch bedingt gerade auch im festverzinslichen Bereich. Und hier weist das Segment Trade Finance einige Merkmale auf, die aus Sicht der genannten Investorengruppe interessant sind.

So ist die zu erwartende Rendite mit derjenigen von Hochzinsanleihen vergleichbar. Gleichzeitig ist die Duration aber deutlich kürzer, da Handelsfinanzierungen im Schnitt lediglich eine Laufzeit von drei bis sechs Monaten aufweisen. Da sich die Handelsrechnungen in diesem Zeitraum selbst liquidieren, ist die Abhängigkeit von der Entwicklung an den Kapitalmärkten beziehungsweise von den Langfristzinsen relativ gering. Damit besteht auch eine niedrige Korrelation zu anderen Assetklassen sowie eine vergleichsweise geringe Volatilität. Dies wiederum bedeutet für Investoren, dass das Anlagesegment Handelsfinanzierung positive Diversifikationseigenschaften für ein bestehendes Anlageportfolio mit sich bringt.

Die letztgenannte Eigenschaft hat sich erst kürzlich wieder eindrucksvoll bewiesen: Als im März viele Anlagesegmente aufgrund der Covid 19 Krise starke Kursverluste verzeichneten, waren Handelsfinanzierungen - einmal mehr - ein Hort von Stabilität. Ihre kurze Laufzeit macht sie quasi immun gegenüber dem Anstieg der Risikoprämien. Angesichts der durch Covid 19 verursachten Wirtschaftskrise fragen sich aktuell viele Kapitalmarktanleger, ob die wirtschaftliche Entwicklung einen V , U oder vielleicht sogar einen L förmigen Verlauf nehmen wird. Also ob es einen sofortigen Wiederaufschwung gibt oder ob dieser erst nach einer längeren Talsohle respektive gar nicht kommen wird. Trade Finance Investoren müssen diese Frage nicht beantworten, da ihr Anlagehorizont nur wenige Monate beträgt - ein großer Vorteil in Zeiten erhöhter ökonomischer Unsicherheit.

Niedrigere Ausfallraten als bei klassischen Bankkrediten

Eine weitere interessante Facette sind die im Vergleich zu traditionellen Bankkrediten üblicherweise relativ niedrigen Ausfallraten. Obwohl Handels Verbindlichkeiten keine Vorrangstellung gegenüber anderen Schulden einnehmen, ist oft zu beobachten, dass Unternehmen auch in schwierigen Zeiten dazu tendieren, ihre Lieferanten weiter zu bezahlen, damit der Geschäftsbetrieb möglichst aufrechterhalten bleiben kann. Mit Blick auf das Kontrahentenrisiko ist auch dies für institutionelle Anleger nicht uninteressant.

Das Einbinden von Vermögensverwaltern und ihrer Investoren zum ansatzweisen Schließen der Handelsfinanzierungslücke wird vereinfacht durch technologische Neuerungen. So hat der Markteintritt von Fintechs eine Reihe von Innovationen mit sich gebracht, wie etwa eine Automatisierung der Neukundengewinnung, des Zahlungsverkehrs und der Verwaltung von Sicherheiten sowie eine elektronische Rechnungsstellung. All dies verringert die operativen Kosten und ermöglicht, auch kleinere Finanzierungsvolumina kostengünstig zu vergeben. Zusätzlicher regulatorischer Schub resultiert aus einer europäischen Direktive, die seit 2018 bei der Bezahlung von staatlichen Aufträgen in vielen Ländern eine elektronische Rechnungsstellung erfordert.

Wie eine Kooperation von Banken und Asset Manager im Bereich Trade Finance nun konkret aussehen kann, sei an einem Beispiel erläutert. Der Allianz Working Capital Fund (ALWOCA) ist eine Strategie, die in Handelsverbindlichkeiten von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU), aber auch von globalen Unternehmen investiert. Diese Investitionen umfassen Rechnungsforderungen, durch Forderungen besicherte Kredite, Factoring Darlehen, Akkreditive, strukturierte Schuldverschreibungen sowie andere Instrumente der Handelsfinanzierung. Auch wenn das rechtliche Format sehr unterschiedlich sein kann, ist das gemeinsame Merkmal, dass die Verbindlichkeiten sehr kurzfristig sind und mit dem Betriebskapital beziehungsweise der Handelsfinanzierung zusammenhängen.

Da es keinen öffentlichen Markt für diese Instrumente gibt, arbeitet ALWOCA zur Anbahnung der Geschäfte mit derzeit neun Sourcing Partnern zusammen. Dies sind naturgemäß Banken, die über die Kunden kontakte verfügen, aber auch Nichtbanken wie Fintechs, Factoring Unternehmen oder alternative Kreditgeber. Zudem kann ALWOCA auf Bonitätseinschätzungen der AllianzGI Schwesterfirma Euler Hermes zugreifen, die Weltmarktführer im Bereich Kreditversicherung ist und über Kreditanalysen zu mehr als 40 Millionen Unternehmen verfügt. AllianzGI selbst bringt über das hauseigene Research Kenntnisse über mehr als 800 Anleiheemittenten und mehr als 1 000 gelistete Unternehmen sowie erprobte Risikomanagement Expertise ein. Da die Kreditwürdigkeit der Debitoren - also die Wahrscheinlichkeit einer pünktlichen und vollständigen Rückzahlung des Handelskredits - der Haupttreiber für die Performance und das Risiko der Handelsfinanzierungsstrategie ist, ist all dies von eminenter Bedeutung.

Eine pareto-superiore Lösung

Die Vorteile für Partnerbanken liegen vor allem in einer Stärkung der Kundenbeziehung im mittelständischen und institutionellen Kreditgeschäft. Durch den Weiterverkauf von Handelsfinanzierung an einen Asset Manager und dessen institutionelle Kunden können sie nämlich das Regulierungskorsett lockern, das vor allem ihre Kreditvergabe an niedriger geratete Unternehmen einschnürt. Sie können also wieder mehr Kunden Handelsfinanzierung vermitteln. Hinzu kommt, dass AllianzGI im beschriebenen Modell als stiller Syndizierungspartner fungiert. Somit entfallen etwaige Sorgen, Kunden könnten abgeworben werden. Investoren auf der anderen Seite wiederum profitieren dadurch, dass AllianzGI aus dem Pool der verfügbaren Handelsfinanzierungen die für sie am besten geeigneten Unternehmen selektiert und deren Kredite in einem diversifizierten Portfolio investierbar macht. Dabei wird sichergestellt, dass die ebenfalls hohen regulatorischen Ansprüche an Investments institutioneller Anleger erfüllt werden und dass auch mit Blick auf die Stabilität des Finanzsystems durch ein derartiges Investment keine Abstriche gemacht werden.

Alles in allem ist eine Kooperation von Banken und Asset Manager beim Thema Trade Finance somit eine pareto superiore Lösung, wie es Ökonomen ausdrücken würden. Laxer formuliert: Es gibt viele Gewinner, aber keine Verlierer. Partnerbanken und ihre Kunden profitieren von einer Ausweitung des Handelskreditgeschäfts, vor allem im Mittelstand. Und Investoren eröffnet sich ein weitgehend unkorreliertes Anlagesegment, das bei einer kurzen Laufzeit der zugrunde liegenden Papiere signifikante Renditeaufschläge bietet. Für unter Solvency II regulierte Investoren bedeutet dieses Anlagesegment aufgrund der kurzen Frist zudem eine niedrige Solvenzkapitalbindung. Alles in allem gibt es daher sehr gute Gründe für Banken und Asset Manager, bei Handelsfinanzierungen gemeinsame Wege zu gehen.

Martin Opfermann Senior Portfolio Manager Trade Finance, Allianz Global Investors, München
 
Martin Opfermann , Senior Portfolio Manager Trade Finance, Allianz Global Investors, München
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