HR - Treiber der Digitalisierung in Banken?

Petra Knab-Hägele, Foto: hkp/// group (Alexandra Lechner)

Das Personalmanagement in Banken ist aktuell stark gefordert. Es gilt, den Unternehmenserfolg zu sichern, für Liquidität zu sorgen und gleichzeitig Mitarbeiter zu schützen. Aber neben dem aktuellen Geschehen muss auch die Zukunft des Unternehmens geplant werden und diese - wenn man den Berichten zu Überlegungen von Vorständen, Büroraum stark zu verringern, glaubt - sieht digital aus. Die Autoren des vorliegenden Beitrags sehen die Corona- Krise als Motor für die digitale Transformation. Für den digitalen Wandel bedarf es allerdings nicht nur neuer Infrastruktur, sondern auch Mitarbeiter, die zu einem sicheren Umgang mit dieser fähig sind. Wer jetzt die richtigen Maßnahmen ergreife, könne die Effizienz und Kundenzufriedenheit ebenso wie die Zukunftsfähigkeit steigern. Die Autoren versuchen sich an einer Bestandsaufnahme des digitalen Reifegrads des HR-Managements in Banken. (Red.)

Noch nie war für Banken und Finanzdienstleister die Notwendigkeit offensichtlicher, klassische Geschäftsprozesse auch unter technologischen Aspekten auf den Prüfstand zu stellen und eine digitale Gesamtstrategie zu entwickeln. Denn letztlich geht es um nichts weniger als alles - die Digitalisierung gibt der Branche ein neues Gesicht.

Die Gründe dafür sind ebenso vielfältig wie bekannt: Anhaltend niedrige Zinsen und gestiegene Anforderungen an die Kapitalausstattung machen Kostenreduktionen unausweichlich. Gleichzeitig erwarten Kunden, immer mehr Bankgeschäfte via Smartphone und PC tätigen zu können. Damit verbunden ist eine starke Ausdünnung von Filialnetzen. Auch die Arbeitswelt im Backoffice verändert sich. Mitarbeiter interagieren zunehmend digital und in neuen organisatorischen Formaten. Wertschöpfungsprozesse werden schneller, effizienter und kreativer.

Banken brauchen digital kompetente Mitarbeiter

Die digitale Transformation ist also das Zukunftsthema - und wer dabei mitreden will, braucht Mitarbeiter mit entsprechenden Kompetenzen und Fähigkeiten. Allerdings zeigen Analysen, dass selbst noch in jüngerer Vergangenheit nur wenige Unternehmen aufgrund erhöhter digitaler Anforderungen ihr Kompetenzmodell anpassen wollten.1) Diese zurückhaltende Sicht auf Qualifikation und Kompetenzen hat sich jedoch im Zuge der aktuellen Corona-Krise gewandelt. Unternehmen sind jetzt eher bereit, ihre Kompetenzmodelle mit Blick auf die digitale Transformation anzupassen und entsprechende Qualifizierungsoffensiven zu starten.

Abbildung 1: Die neun Treiber der Digitalisierung im Personalmanagement Quelle: hkp///group / HR drives digital

Dabei ist jedoch nicht nur relevant, welche Kompetenzen auf dem Weg in die digitale Zukunft wichtig sind. Auch das Zusammenspiel von Mitarbeitern mithilfe von Systemen, die Aufgaben automatisieren oder mit künstlicher Intelligenz ausgestattet sind, ist von zentraler Bedeutung. Für welche Qualifikationen braucht es in Zukunft weniger oder gar mehr Mitarbeiter? Studien belegen diesbezüglich eine klare Veränderung: 14 Prozent der Lohnstunden, die aktuell noch in körperliche und manuelle Arbeiten investiert werden, sind in den nächsten Jahren gefährdet.2)

Der digitale Reifegrad des Personalmanagements

Aber auch einfachere kognitive Fähigkeiten werden massiv von Mitarbeitern auf digitale Systeme übertragen: Hier stehen 15 Prozent der Lohnstunden im Feuer, vor allem von Sachbearbeitern. An Bedeutung gewinnen dagegen kognitive Kompetenzen wie Kreativität oder soziale, emotionale und vor allem technologische Fähigkeiten, wie sie nur Menschen beherrschen - zumindest bislang. Auch Banken müssen sich also fragen, welche Aufgaben weiter von Mitarbeitern geleistet und dabei in welchem Umfang von digitalen Systemen unterstützt werden sollten - und welche Aufgaben digitale Anwendungen komplett übernehmen.

In der Beantwortung dieser Fragen ist insbesondere das Personalmanagement gefragt. In seiner Verantwortung liegt es, die digitalen Kompetenzen und Fähigkeiten im Unternehmen so zu gestalten, dass davon Mitarbeiter und Unternehmen gleichermaßen profitieren. Dies erfordert jedoch von der HR-Funktion selbst ein erhebliches Maß an digitaler Reife. Wie es um deren Reifegrad bestellt ist, beantwortet unter anderem die Studie HR Drives Digital.3)

Im Rahmen dieser Studie wurde ein Modell mit neun Treibern entwickelt, auf deren Basis sich der digitale Reifegrad von Organisationen ermitteln lässt. Im Unterschied zu vergleichbaren Analysen wurden diese mithilfe einer statistischen Faktorenanalyse definiert. Zu den identifizierten Treibern zählen: infrastrukturelle Rahmenbedingungen, digitale Kenntnisse, Tool- und Technologienutzung, Social-Media-Nutzung, Zukunftstechnologien, HR-IT-Nutzung, digitale Kultur, Internet und Mobile sowie Veränderungsfähigkeit und -bereitschaft (Abbildung 1).

In der branchenübergreifenden Gesamtschau lassen sich die Studienteilnehmer in drei klar voneinander abgrenzbare Gruppen des digitalen Reifegrads fassen: Zwölf Prozent der Studienteilnehmer wiesen einen geringen Reifegrad auf (Laggards), 53 Prozent einen mittleren (On Track) und 35 Prozent einen hohen digitalen Reifegrad (Progressives).

Aufholbedarf bei Zukunftstechnologien

Etwas überraschend steht das Personalmanagement in Banken hinsichtlich der Digitalisierung etwas besser da als das in Industrieunternehmen. So befinden sich die meisten Institute (69 Prozent) im On-Track-Cluster und 31 Prozent im Progressive-Cluster. Auffällig ist, dass es bei den Studienteilnehmern aus Banken keine Vertreter mit geringem digitalen Reifegrad gibt. Tatsächlich ist die digitale Infrastruktur der Branche besser und die HR-IT-Nutzung ausgeprägter als beispielsweise in produzierenden Unternehmen, in denen deutlich weniger Mitarbeiter Zugriff auf digitale Infrastrukur und Technik haben.

In der Detailbetrachtung ist das Personalmanagement in Banken ebenfalls vergleichsweise gut positioniert. Es bewegt sich bei fast allen Treibern im mittleren bis oberen Cluster. Ausgerechnet im Feld der Zukunftstechnologien schneiden Banken aber schlecht ab und ordnen sich in die Kategorie der Laggards ein - ein Ergebnis, das als Chance verstanden werden muss: Denn gerade die Nutzung von Zukunftstechnologien wie Chatbots, digitalen Assistenten et cetera, bietet ein erstklassiges Feld für die Differenzierung und signifikante Effizienzgewinne.

Um diese Effizienzen heben zu können, müssen die Bremsklötze der Digitalisierung erkannt und aus dem Wege geräumt werden. Bei Banken sind dies zuallererst zu geringe digitale Kompetenz, auch und gerade bei Führungskräften, sowie Generationenunterschiede in der Belegschaft. Allerdings spielen zwei Faktoren für Banken eine wichtigere Rolle als in der Gesamtwirtschaft: die große Anzahl interner Richtlinien und die mangelnde Unterstützung vonseiten des Managements. Banken sind deutlich stärker reguliert und in ihren Führungsebenen ist der digitale Spirit mitunter noch nicht so verbreitet.

Drei Handlungsfelder für eine erfolgreiche HR-Digitalisierung

Wollen Personalmanager nun die Digitalisierung in ihrem Institut voranbringen, eröffnen sich ihnen vor allem drei Handlungsfelder.

1. Transformation - gemeinsam denken und handeln: Um die Transformation und den entsprechenden kulturellen Wandel in Gang zu setzen, muss sich HR zuerst die Aufmerksamkeit und die Unterstützung des Managements sichern. Dabei hilft es, die Vorteile der Initiative mit einem Business Case transparent zu machen, wobei auch externe Benchmarks, Best Practices und Studien helfen. Ist das Management im Boot, heißt es, eine digitale HR-Strategie zu formulieren. Dies kann nur gelingen, wenn sich Entscheider und Experten aus Human Resources und Informationstechnologie sowie Vertreter des Managements zusammensetzen und basierend auf einer Bestandsaufnahme klären, welche konkreten Ziele in welchen Zeitfenstern erreicht werden sollen? Dabei sind Realismus und Pragmatismus gefragt - die Strategie muss den finanziellen, technischen, kulturellen und auch personalwirtschaftlichen Möglichkeiten des Unternehmens entsprechen.

Abbildung 2: Hindernisse der Digitalisierung bei Banken & Versicherern Quelle: HR Drives Digital 2019

2. HR-IT-Systeme - für eine klare Governance sorgen: Aus der Digitalisierungsstrategie ergibt sich das Zielbild für ein zukunftsfähiges HR-IT-System, dessen Auswahl und Einführung in einem mehrstufigen Prozess mit klaren Aufgaben, Wirkungsbereichen und Verantwortlichkeiten erfolgen sollte:

- Phase 1 (Plan): Festlegung der personalstrategischen und technischen Leitlinien

- Phase 2 (Build): Konkretisierung des funktionalen Designs: Wie standardisiert/harmonisiert und zentral/ dezentral soll das HR-IT-System sein?

- Phase 3 (Implement): Definition der Bereiche, in denen das Projekt durchgeführt werden soll, und Entwicklung eines verbindlichen Projektplans.

Erforderlich ist dabei ein enges Miteinander von HR und IT. Gemeinsam lassen sich die erforderlichen Budgets leichter erstreiten und passgenaue Lösungen schaffen. Auch die Implementierung kann nur miteinander gelingen - zum Beispiel in Form eines agilen Projektansatzes: HR und IT entwickeln erste Lösungen, testen und verbessern immer wieder und gelangen so zügig bis zum Roll-out. Zudem können beide Seiten alle regulatorischen Anforderungen, etwa die Institutsvergütungsverordnung, umfassend adressieren und dafür technische Lösungen finden.

3. Richtlinien und Prozesse - nach dem Nutzen fragen: Die digitale Transformation gelingt nur, wenn die Personalmanagement-Prozesse optimiert sind. Dazu sollte ein HR-Produktportfolio definiert werden, das den Kunden von HR einen möglichst großen Nutzen bietet. Ein Beispiel dafür ist der Gehaltsanpassungsprozess für Führungskräfte, bei dem die Datengrundlage für die entsprechenden Entscheider einsehbar ist. Hierbei müssen natürlich alle relevanten rechtlichen Anforderungen abgebildet sein - zum Beispiel der Status von Risikoträgern. Entscheidend ist auch eine attraktive User Experience - realisiert über intuitive Anwenderoberflächen und nahtlose Prozessen, die mit wenigen Klicks angestoßen werden können.

Alle Prozesse gehören auf den Prüfstand

In der digitalen Transformation kommen Banken nicht darum herum, bestehende Prozesse insgesamt auf den Prüfstand zu stellen. Die Corona-Krise hat hier einige Impulse gesetzt - etwa wenn Bonusbriefe digital verschickt werden oder Krankmeldungen online eingereicht werden können. Hier kommt es auch auf die Kreativität der Beteiligten an und auf ihre Fähigkeit zum kreativen Agieren abseits festgetretener Pfade. Denn genau dieses Out-of-the-Box-Denken ist Kern eines digitalen Spirits!

Aus diesem Blickwinkel ist die aktuell in vielerlei Hinsicht schwierige Zeit ein Katalysator für die digitale Transformation. Und auch wenn die Digitalisierung als langfristiger Prozess verstanden werden muss: Für Human Resources bietet sich jetzt die große Chance, als digitaler Treiber zu agieren und dadurch zum wertvollen Business Partner zu werden. Dies sollte genug Motivation sein, in der Krise nicht nur als Feuerwehr akute Brände zu löschen, sondern das Fundament für die zukünftige Innovationsfähigkeit zu legen.

Fußnoten

1) Siehe unter anderem DHBW und hkp///group: HR Goes Digital 2016.

2) So zum Beispiel Jacques Bughin et al. (2018): Skill Shift, Automation and the Future of Workforce. Hg. McKinsey Global Institute.

3) DHBW und hkp/// group: HR Drives Digital 2019.

Petra Knab-Hägele Senior Partner, hkp Deutschland GmbH, Frankfurt am Main
Holger Jungk Partner, hkp Deutschland GmbH, Frankfurt am Main
Petra Knab-Hägele , Senior Partnerin , hkp Deutschland GmbH, Frankfurt am Main
Holger Jungk , Partner , hkp Deutschland GmbH, Frankfurt am Main

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