ICO - sollte man den Kryptohype nutzen?

Niklas Grisar Foto: Capco

Vergleichsweise wenige Regeln und die Aussicht auf große Gewinnspannen: Vor diesem Hintergrund sieht der Autor die Attraktivität und den Zuspruch für Initial Coin Offerings (ICOs) als Alternative zu klassischen Börsengängen. Bei seiner Analyse verschiedener Geschäftsmodelle von ICOs und deren Ausgestaltungen wertet er die Risikobetrachtung einschließlich der Gefahr von Währungsrisiken als kritischen Faktor. Erhebliche Unterschiede registriert er derzeit noch bei der rechtlichen Einordnung durch die Regulatoren. Als führende Kraft nimmt der Autor derzeit die Eidgenössische Finanzaufsicht Finma wahr. Auf lange Sicht hält er ein komplett neues Rahmenwerk des Gesetzgebers für sinnvoll. Solange die Regulatoren in der Zwischenzeit auf Grundlage der existierenden Rechtslage eine Einzelfallbetrachtung und Einordnung vornehmen müssen, verweist er auf weiterhin schwer kalkulierbare Unsicherheiten. (Red.)

Kryptowährungen und Blockchain haben in den letzten Monaten und Jahren die Medien, den Gesetzgeber und Banken in Atem gehalten. Dabei wurde immer wieder die Daseinsberechtigung dieser Plattformen und deren Technologie hinterfragt, insbesondere im Falle der Blockchain. Die ersten Modelle, die Technologie der Blockchain für bestehende Konstrukte zu nutzen, beispielhaft sei hier das Grundbuch genannt, haben zwar Charme, jedoch dürfte allen Beteiligten klar sein, dass der Weg dorthin noch Jahre, wenn nicht sogar Jahrzehnte dauern wird. Andere Ideen - etwa die Technologie zur Verwaltung von sogenannten Smart Contracts zu verwenden - führen ein Nischendasein.

Neue Finanzierungsform ICO

Kluge Köpfe aus der Finanz- und Fintech-Branche haben hingegen mit der Blockchain ihren Spielplatz gefunden. Das Initial Coin Offering, kurz ICO, gewinnt als Alternative zu klassischen Börsengängen massiv an Bedeutung. Der Grund ist einfach formuliert: Wenig bis keine Regeln und doch die Aussichten auf große Gewinnspannen. Die Bonanza hat begonnen.

Bei einem ICO handelt es sich laut BaFin um ein neues Mittel der Kapitalaufnahme zur Finanzierung unternehmerischer Vorhaben. Dabei werden neue digitale Einheiten/Werte auf voll elektronischen Plattformen erzeugt. Dies wird als Token Generating Event bezeichnet. Ein ICO kann auch als Form des Crowdfunding bezeichnet werden und hat naturgemäß große Ähnlichkeit zu bereits bestehen Formen der Kapitalaufnahme zum Beispiel aus dem Aktienmarkt.

Schaffung neuer virtueller Werte

Eine Form des ICOs ist die Schaffung neuer virtueller Werte beziehungsweise Währungen basierend auf einem Distributed Ledger beziehungsweise einer Blockchain-Technologie. Generierte Token werden meist in einem nicht regulierten, aber öffentlichen Bieterverfahren an interessierte Anleger verkauft (Token Sale). Der Gegenwert eines ICOs ist der sogenannte Token oder Coin. Die Merkmale und der Zweck dieser Token können sich je nach Ausgestaltung stark voneinander unterscheiden:

Der Zahlungs-Token wird in der Absicht des Emittenten erzeugt, als Zahlungsmittel zu dienen und kann damit für den Erwerb von Waren oder Dienstleistungen genutzt zu werden. Es können aber auch Geld- oder Wertübertragungen vorgenommen werden. Ein solcher Token kann mit den bereits bekannten Kryptowährungen gleichgesetzt werden, bietet jedoch keine Ansprüche gegen den Emittenten des Tokens. Dies unterscheidet ihn massiv von allen vergleichbaren Zahlungsmitteln.

Ein Token, der den Zugang zu einer Dienstleistung oder das Nutzungsrecht einer Dienstleistung vermittelt, wird als Nutzungs-Token bezeichnet. Die Dienstleistung kann - muss aber nicht - auf der gleichen Plattform sein.

Noch stehen sogenannte Anlage-Token im Fokus. Diese repräsentieren im Prinzip einen Vermögenswert analog einer schuldrechtlichen Verpflichtung (Mitgliedschaften im gesellschaftsrechtlichen Sinne, Anteile an künftigen Unternehmenserträgen oder Rechte an Kapitalflüssen). Eine besondere Kategorie des Anlage-Tokens sind solche, die physische Wertgegenstände auf einer Blockchain handelbar machen. Als mögliche Werte kommen hier Immobilien oder andere, hochpreisige Güter infrage.

Risikobewertung

Neue Technologien hin oder her - bei Geld spielt Vertrauen in die Investition die ausschlaggebende Rolle. Bei neuen Geschäftsmodellen wie etwa ICOs gilt dies in verstärktem Maße. Dabei wird oftmals in eine Idee investiert, deren Endprodukt noch gar nicht verfügbar oder existent ist. Eine solche Investition gleicht eher einer Wette als einem klassischen Investment. Und auch die eigentliche Investition gestaltet sich schwierig, denn die Ein- beziehungsweise Auszahlung muss über eine bereits existierende Kryptowährung (Bitcoins, Ether oder ähnliche) erfolgen. Zudem bilden ICOs, bei denen man direkt mit einer echten Währung wie zum Beispiel US-Dollar einsteigen kann, bisher die Ausnahme.

Auch bei ICO-Investments soll am Ende der Wert des Tokens über den ursprünglichen Ausgabepreis steigen, der große Unterschied zu Investitionen an der Börse allerdings liegt an den aktuell noch unregulierten Rahmenbedingungen. Damit ist jeder Anleger gefordert, abzuwägen, ob und in welchem Umfang er investiert. Insbesondere stellt sich die Frage, wie ein sicherer Zu- beziehungsweise Rückfluss des investierten Kapitals stattfindet, wenn nicht direkt eine physikalisch existente Währung genutzt werden kann. Durch den erforderlichen vor- beziehungsweise nachgelagerten Tausch in eine Kryptowährung besteht für den Investor ein zusätzliches Währungsrisiko.

Rechtliche Einordnung

Rund um den Globus arbeiten die Regulatoren der Finanzbranche derzeit fieberhaft daran, eine rechtliche Einordnung von ICOs vorzunehmen. Jedoch sind die zugrunde liegenden Geschäftsmodelle und deren Ausgestaltungen extrem unterschiedlich. Ein erster Ansatz wäre, einen Token als Effekten zu bewerten. In diesem Fall würde sich eine Rechtsgrundlage aus dem Finanzmarktgesetz ergeben. Damit würde ein Token nicht als Zahlungsmittel klassifiziert werden und hierdurch auch nicht zwingend dem Geldwäschegesetz unterliegen. Zieht man hingegen eine Analogie zu der Ausgabe von Aktien, würden sich andere Pflichten wie zum Beispiel die Prospektpflicht ergeben.

Eine andere Einordnung ist die Qualifizierung eines Tokens als Einlage. Allerdings ist der Besitz eines Tokens in den meisten Fällen nicht mit einer Rückzahlungsforderung gegenüber dem Ausgeber verbunden. Hierdurch wird die Klassifizierung als Einlage eher die Ausnahme bleiben. Neben den bereits genannten Ansätzen wird auch das Kollektivanlagengesetz in Betracht gezogen, welches jedoch eine Fremdverwaltung der ICO-Mittelbedarf und den Schutz des Anlegers im Fokus hat.

Die größten Erfolgsaussichten - zumindest auf einen Zahlungs-Token - hat in diesem Kontext die Anwendbarkeit des Geldwäschegesetzes. Wer Dienstleistungen für den Zahlungsverkehr erbringt und namentlich Zahlungsmittel ausgibt oder verwaltet, ist gemäß dem Geldwäschegesetz ein unterstellter Finanzintermediär.

Ansatz der Finma

Als führender Regulierer in den Überlegungen zu einer Einordnung von ICOs wird aktuell die Finma (Eidgenössische Finanzaufsicht) gesehen, deren Ansatz schlüssig klingt. Sie schlägt die Klassifizierung eines Tokens nach der wirtschaftlichen Funktion vor. Dieser Ansatz ist zielführend, birgt jedoch eine massive Schwäche: Denn in manchen Fällen handelt es sich bei einem Token sowohl um einen Anlage- als auch um einen Nutzungs-Token, wodurch eine neue Kategorie von Token entsteht: Man spricht von sogenannten Hybrid-Token.

Eine mögliche Form des Hybrid-Tokens ist das Sammeln von Mitteln auf einer bereits bestehenden Plattform. Dabei wird versprochen, die ausgegebenen Token zu einem bestimmten Zeitpunkt in andere Token einzutauschen. Dies kann zur Vorfinanzierung aller möglichen Werte oder Dienstleistungen genutzt werden, aber auch den Aufbau einer neuen Blockchain oder Kryptowährung ermöglichen.

Am sinnvollsten erscheint daher, ein komplett neues Rahmenwerk des Gesetzgebers. Dies müsste zunächst die Voraussetzungen, Rechte und Pflichten eines ICO klären. In der Zwischenzeit bleibt den Regulatoren nur die Möglichkeit, auf Grundlage der existierenden Rechtslage eine Einzelfallbetrachtung und Einordnung vorzunehmen. Dies öffnet natürlich Tür und Tor auch für Initiatoren einer ICO, die es vielleicht nicht so genau mit dem lokalen Recht nehmen.

Niklas Grisar Principal Consultant, Capco, Frankfurt am Main

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