Institutionelles Geschäft: ESG-Kriterien auf dem Vormarsch

Jochen Meyers, Head of Sales and Relationship Management, Société Générale Securities Services, Frankfurt am Main

Jochen Meyers, Head of Sales and Relationship Management, Société Générale Securities Services, Frankfurt am Main - Den starken Schub für ein nachhaltiges Investieren führt der Autor ganz maßgeblich auf die Aktivitäten institutioneller Investoren und Finanzdienstleister zurück. Auch wenn er in vielen Bereichen noch Potenzial für weitere Verbesserungen sieht, schreibt er ihrem Einsatz die Entwicklung von Standards, ein verbessertes Reporting, eine spürbare Effizienzsteigerung bei der Abwicklung und nicht zuletzt einen wesentlichen Beitrag zur Versachlichung der Diskussion zu. Auch den Einfluss einer guten Corporate Governance auf die Wertschöpfung eines Unternehmens hält er für klar belegbar. Als deutlich schwieriger zu beurteilen, stuft er die Auswirkungen der Einhaltung von sozialen Standards ein. Sein Tenor Nachhaltigkeit wird für institutionelle Investoren immer wichtiger - Research, Asset Management und Reporting ziehen mit. (Red.)

Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung sind weit gefasste Begriffe, auch in der Vermögensverwaltung. Rund 70 unterschiedliche Konzepte fallen darunter, vom Ausschlussprinzip bestimmter Branchen oder Unternehmen über den "Best-in-Class"- bis hin zum "Positive Impact"-Ansatz. Mithilfe dieser Anlagestrategien versucht eine steigende Zahl institutioneller Investoren, nicht nur ihre Renditeziele zu erreichen, sondern auch einen positiven Beitrag für Wirtschaft und Gesellschaft zu leisten. So werden immer mehr Assets von Gesellschaften verwaltet, welche die "Prinzipien für verantwortliches Investieren der Vereinten Nationen" (UN PRI) unterzeichnet haben. Ende 2016 waren das bereits mehr als 1 400 Investoren, Asset Manager und Dienstleister aus 50 Ländern mit einem Anlagekapital von zusammen mehr als 59 Billionen US-Dollar. Allein in Deutschland haben sich bis dato 64 Adressen angeschlossen.

Ein starker Schub für nachhaltiges Investieren

Nachhaltiges Investieren hat vor allem in den letzten zehn Jahren einen starken Schub erlebt. Dies ist nicht zuletzt das Verdienst einer zunehmenden wissenschaftlichen Auseinandersetzung sowie inten siven Researchs von Banken, Vermögensverwaltern und Investoren. Noch zu Anfang der 2000er Jahre verband man mit Nachhaltigkeit in erster Linie moralische Motive und den Glauben an eine bessere Welt, ohne jedoch einen finanziellen Mehrwert konkret quantifizieren zu können. Heute ist dies bereits möglich. Insbesondere institutionelle Investoren und Finanzdienstleister tragen dazu bei, die Nachhaltigkeit von Vermögensentscheidungen zu professionalisieren und damit weiter im Markt zu verankern. Das beginnt bei der Definition nachhaltiger Investments und führt über die Bestimmung und Messung relevanter Entscheidungskriterien bis hin zum Reporting der entsprechend gestalteten Portfolios.

Weitgehend einig sind sich Investoren und Asset Manager über die Anwendung der sogenannten ESG-Kriterien (Environmental, Social, Governance), da mehrere finanzwissenschaftliche Studien einen signifikanten Einfluss dieser Faktoren auf Unternehmenswert und Börsenkurs feststellen konnten. Im Markt ist es akzeptiert, dass in eine nachhaltige Anlageentscheidung sowohl umweltbezogene und soziale Elemente sowie Faktoren, die sich auf die Unternehmensführung beziehen, herangezogen werden sollten. Für deren Analyse stehen heute, anders als noch vor zehn Jahren, umfangreiche Informationen von Unternehmensseite zur Verfügung, wobei es deutliche branchen- und länderspezifische Unterschiede gibt. Vor allem börsennotierte Gesellschaften haben sich der Forderung nach höherer Transparenz und Darlegung ihrer Aktivitäten geöffnet und publizieren spezielle Nachhaltigkeitskennzahlen und -berichte. Viele Anleger kritisieren dennoch, dass es an verwertbaren Daten mangele. Denn es gibt ein Problem: Die verfügbaren Unternehmensdaten sind noch nicht ausreichend standardisiert. Bislang ist nicht allgemeingültig festgelegt, welche speziellen Indikatoren herangezogen werden und in welcher Gewichtung diese in die Anlageentscheidung einfließen sollten.

Rechtlicher Rahmen verbessert sich

Unternehmen geben sich deshalb immer mehr Mühe, ihren Anteilseignern genau die Informationen zur Verfügung zu stellen, die für ihren Geschäftsbereich und ihre Branche neben den traditionellen Finanzkennzahlen aus ESG-Gesichtspunkten besonders bedeutsam sind. Allmählich verbessert sich auch der rechtliche Rahmen als Voraussetzung für eine Harmonisierung der ESG-Informationen.

In Frankreich geschieht dies beispielsweise auf Basis des "Loi Grenelle II"-Reporting zu Umweltschutz und CO2-Emissionen. Frankreich ist außerdem das erste Land, in dem die Rahmenbedingungen für ein ESG-Reporting institutioneller Investoren und Asset Manager gesetzlich festgehalten wurden. Grundlage dafür ist Artikel 173 des "Energy Transition for Green Growth Act" von 2015, der Anleger ab einer Bilanzsumme von 500 Millionen Euro unter anderem dazu verpflichtet, Risiken aus CO2-Emissionen zu bewerten und darzulegen, wie sie mit ihren Investments zur Erreichung der Klimaziele beitragen. Darüber hinaus existieren internationale Initiativen wie die Global Reporting Initiative (GRI) oder das US-amerikanische Sustainability Accounting Standards Board (SASB), die Richtlinien für die Erstellung von Nachhaltigkeitsberichten entwickeln.

Die Anleger gehen - übrigens weitgehend unabhängig vom Anlegertypus oder Herkunftsland - pragmatisch vor. Das oberste Ziel ist klar: Research und Reporting müssen aus dem Datenfluss diejenigen Faktoren herausfiltern, die entweder eine Überrendite generieren können oder ein finanzielles Risiko darstellen. In dieser Kernforderung unterscheidet sich die nachhaltige Geldanlage nicht von herkömmlichen Überlegungen. Es handelt sich vielmehr um zwei Seiten einer Medaille.

Somit geht es auch immer häufiger darum, ESG-Daten in die klassische Finanzanalyse zu integrieren und zu einer Anlageempfehlung zu verknüpfen. ESG-Analysten und traditionelle Unternehmens- oder Sektoranalysten arbeiten deshalb eng zusammen. Dass dies in der Praxis funktioniert, zeigt das Beispiel CO2-Emissionen: Als erste Analysten vor etwa zehn Jahren damit begannen, deren Einfluss auf die Wertentwicklung des Automobilsektors zu untersuchen, zweifelten viele Marktteilnehmer am Sinn dieses Vorhabens. Heute ist die Relevanz klar belegt und CO2-Emissionen sind längst als Standardindikator in das klassische Research von Automobilfirmen aufgenommen worden.

Bedeutung guter Corporate Governance

Eindeutig nachweisen lässt sich auch die Bedeutung guter Corporate Governance für die Wertschöpfung eines Unternehmens. Dazu zählen etwa eine transparente Rechnungslegung, die Beteiligung der Aktionäre an wichtigen Entscheidungen oder die Vermeidung von Interessenkonflikten an der Unternehmensspitze. Unternehmen, die sich im Vergleich zu ihrer Branche schlechter entwickelt haben, können diese langfristig sogar wieder überflügeln, wenn sie solide geführt sind. Aktienportfolios, die auf Basis von Governance-Kriterien gebildet werden, haben in den letzten Jahren zum Teil deutliche Überrenditen gegenüber dem Durchschnitt ihrer Vergleichsmärkte erzielt. Das heißt: Aufgrund ihrer guten Corporate Governance bieten diese Unternehmen ein sehr reelles Potenzial für Outperformance.

Da der Zusammenhang zwischen Governance und Renditepotenzial so unmissverständlich ist, wird diesem Faktor von den meisten Investoren auch das höchste Gewicht eingeräumt. Danach folgt der Umweltschutz, hauptsächlich aufgrund der Relevanz von CO2-Emissionen. Das "S" der ESG-Kriterien hingegen wird seltener berücksichtigt. Der Grund ist wiederum rein pragmatisch: Zum einen ist es häufig schwierig, an die notwendigen Informationen zu gelangen, beispielsweise wenn es um die Arbeitsbedingungen oder Umweltschutzrichtlinien von Lieferanten oder sogar deren Subunternehmer geht. Zum anderen fehlt allerdings auch noch der eindeutige Beleg, dass soziale Standards tatsächlich eine direkte Auswirkung auf die Wertentwicklung einer Aktie haben.

Zusätzliche Informationen durch Reporting

Der Wille der Anleger treibt auch die Vermögensverwalter an. Schon heute wird in vielen Fällen nicht mehr zwischen ESG-Mandaten und herkömmlichen Fonds unterschieden. Vielmehr erwarten viele institutionelle Investoren, dass die Asset Manager ihren gesamten Investmentprozess nachhaltig ausrichten. Das betrifft längst alle Anlageklassen von Aktien und Anleihen über Indexfonds und Immobilien bis hin zu Private Equity. Selbst in den Ausschreibungen für Standardmandate wird regelmäßig der Umgang mit ESG-Kriterien abgefragt. In allen Anlageklassen ist der Schutz des Investments vor jeglichen Reputationsrisiken eines der wichtigsten Ziele überhaupt.

Ein sehr wichtiges Element, das sich an den Research- und Allokationsprozess anschließt, ist das Fondsreporting - auch nach ESG-Kriterien. Für Investoren stellt es das sichtbare Ergebnis der Arbeit des Asset Managers dar und muss daher so transparent, konkret und nachvollziehbar sein wie möglich. Während Anleger meist vor allem einen umfassenden Überblick über den Stand ihres Portfolios und das Gesamt-ESG-Rating wünschen, sind Vermögensverwalter zusätzlich an detaillierten ESG-Analysen zu den Portfoliounternehmen und einzelnen Branchen interessiert. Große europäische Wertpapierdienstleister wie insbesondere auch die Société Générale Securities Services stellen diese Dienstleistung zur Verfügung.

Welche Informationen wie gewichtet werden und welcher Investmentansatz verfolgt werden soll, liegt letztendlich in der Entscheidung des Anlegers. Das Reporting muss diese Präferenzen reflektieren können, etwa für kirchliche Investoren und Stiftungen, die aus ethischen Gründen häufig bestimmte Branchen wie Tabakproduzenten oder Atomkonzerne ausschließen möchten. Die CO2-Bilanz von Unternehmen ist dagegen, wie bereits beschrieben, zum Standardindikator geworden, der durch das Pariser Klimaabkommen zusätzlich an Bedeutung gewonnen hat.

Die entsprechenden ESG-Daten lassen sich im Reporting individuell verdichten und gewichten, sowohl auf der Ebene der einzelnen Branchen als auch hinsichtlich des Gesamtratings auf Gesamtfondsebene. Natürlich entwickelt sich die Gestaltung des ESG-Reportings ebenso wie die Erfassung und Beurteilung der grundlegenden Daten ständig weiter. Nachhaltiges Investieren ist ein bewegliches Ziel - und alle Marktteilnehmer bewegen sich mit.

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