Klimarisiken im Bankensektor

Prof. Dr. Joachim Weeber Foto: J. Weeber

Das Thema des Klimawandels ist seit einigen Jahren auch im Finanzsektor angekommen. Auf der Anleger- und Investorenseite entstehen neue Produktkategorien grüner Papiere, in Luxemburg ist eigens eine Börse für dieses Segment entstanden, in Frankfurt startete im vergangenen Jahr die Initiative Green Finance Cluster. Die Folgenabschätzung des Klimawandels für die Bankenlandschaft und die Risikolage der Institute ist aus Sicht des Autors aber noch ebenso entwicklungsfähig wie die daraus resultierenden Herausforderungen für die Bankenaufsicht. Seine Überlegungen reichen von einem Ausbau der Analysekapazitäten in Bezug auf Klimarisiken bis hin zur weiteren Erforschung der Anfälligkeit des Finanzsystems als Ganzem. (Red.)

Im Rahmen der Abschlusserklärung zum Bonner Klimagipfel im November 2017 wurden die Ziele des UN-Klimagipfels von Paris nochmals bestätigt. Die wesentliche Forderung konzentriert sich auf die Begrenzung der globalen Erwärmung auf deutlich unter 2 Grad, wobei bereits jetzt klar ist, dass die freiwilligen nationalen CO2-Minderungsziele hierfür kaum ausreichend sein werden. Neben umwelt- und gesellschaftspolitischen Auswirkungen einer solchen Klimapolitik sind die Folgen der Klimaerwärmung auch in zahlreichen Sektoren der Wirtschaft angekommen. Ein zentraler Bestandteil der Volkswirtschaften hat sich allerdings bisher eher zögerlich mit diesem Thema beschäftigt: so finden sich auf den Finanzmärkten, vor allem aber im Bankensektor durchaus weiße Flecken auf der klimapolitischen To-do-Liste.

Teilweise bekannte Risiken

Dabei sind die Auswirkungen von meteorologischen Veränderungen auf den Bankensektor gar kein besonders neues Thema. Bereits früher mussten vor allem regional tätige Kreditinstitute mit negativen Überraschungen bei besonders im landwirtschaftlichen Bereich tätigen Kreditnehmern rechnen. Wetterbedingte Missernten waren durchaus keine Einzelphänomene. Sind diese kurzfristigen, witterungsbedingten Einflüsse auf die Ertrags-, vor allem aber die Risikolage längst in die verschiedenartigen Analysen der Bankenindustrie eingeflossen, dürften die Folgenabschätzungen des längerfristigen Klimawandels für viele Banken Neuland sein. Dabei kann der Prozess des Klimawandels weder zeitlich noch regional eingegrenzt werden.

Mithin schlagen die Risiken durch den Klimawandel stärker als bisher angenommen auf die Finanzmärkte durch, aktuelle Untersuchungen bestätigen dies: "Our results suggest that temperature shocks have a negative impact on ... economic activity and financial markets by lowering long-run growth prospects and asset valuations."1)

Die Diskussion über die Auswirkungen solcher Risiken auf die Finanzmärkte ist vergleichsweise neu. In Deutschland findet sich eine vertiefende Diskussion dazu seit rund einer Dekade - unter anderem durch das Wuppertaler Institut für Klima, Umwelt, Energie.2) Standen zunächst im Wesentlichen die Auswirkungen auf den Versicherungssektor im Fokus der Diskussion, hat sich diese in jüngerer Zeit auch auf den Bankensektor ausgeweitet. Abbildung 1 gibt hierzu einen kurzen Überblick.

Neue Risikokategorien für Banken und Unternehmen

Vor allem die Bestätigung der wichtigsten Ergebnisse der Pariser "Klimagipfel-Task-Force" im Rahmen der G20-Konferenz in Hamburg hat wieder Schwung in die Diskussion gebracht. Zum einen sollen Unternehmen, deren Umsatz auf der Nutzung von fossilen Brennstoffen beruht, den Umfang ihrer direkten und indirekten Treibhausgasemissionen offenlegen. Zum anderen sollen auch Banken, die Kredite an diese Unternehmen vergeben, diese ebenfalls offenlegen.

Neben den bisher üblichen Risikokategorien für Banken, wie Zinsänderungs-, Fremdwährungs- oder Liquiditätsrisiko, müssten schließlich auch Risiken des Klimawandels betrachtet werden. Zur besseren Erfassung solcher Risiken könnte sich die Unterscheidung nach grundsätzlichen Risikokategorien nach der Systematik des Financial Stability Board und der "Task Force on Climate-related Financial Disclosers" anbieten. Danach werden unterschieden:8)

Physische Risiken: Direkte physikalische Einflüsse auf ökonomische Wertschöpfungsketten durch Extremwetterereignisse (zum Beispiel Schäden an Gebäuden, Produktionsanlagen); Veränderung der Klimabedingungen (Auswirkungen veränderter Niederschlagsmuster auf die Landwirtschaft oder die Veränderung der Schneebedingungen im Wintertourismus). Für die Banken insgesamt werden die Risiken aus solchen Ereignissen als eher unterproportional bedeutend eingeschätzt - im Gegensatz etwa zur Versicherungswirtschaft. Allenfalls die möglichen operationellen Risiken etwa aus Schließungen von Bankfilialen scheinen denkbar oder eine zurückhaltendere Kreditvergabe an Unternehmen, die von solchen Ereignissen betroffen sind. Länderrisiken für Banken wie im Falle von Grenada, als es zu einer Herabstufung der Kreditwürdigkeit des Landes 2004 durch die Ratingagentur Standard & Poor's im Zuge der Schäden durch den Hurrikan Ivan kam, dürften die Ausnahme darstellen.9)

Transitionsrisiken: Risiken, die durch den Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft entstehen und zu einer Neubewertung von Anlagen führen. So würde zum Beispiel eine geringere Nachfrage nach Strom aus Kohlekraftwerken zur Abschreibung auf Investitionen in Kohlekraftwerken führen.

Neben solch eher direkten Transitionseffekten, dürften in der Risikoabschätzung für Banken aber eher Abwertungen von Finanzanlagen die größere Bedeutung haben. Klimaveränderungen können so etwa zu Neubewertungen von Aktien, Unternehmensanleihen oder Investmentfonds führen. Zudem könnte es zu Übertragungseffekten zwischen Banken im Zuge bestehender Interbankenverbindlichkeiten/-forderungen kommen. Welche Konsequenzen die bestehende Vernetzung des Bankenmarktes haben kann, haben die Ereignisse im Zuge der Finanzkrise 2008 gezeigt.

Hinzu kommen als weitere Risikokategorie politische Effekte, die zwar teilweise als Unterkategorie der Transitionsrisiken subsumiert werden, aber eigentlich eine eigenständige Risikoart darstellen, da hier die Auswirkungen direkter politischer Einflüsse erfasst werden, die zu einer allgemeinen Änderung der Klimapolitik der Regierung führen können - wie etwa bei der Energiewende geschehen. Die Auswirkungen solcher politischen Einflussnahme können erheblich sein. Die Einführung einer generellen Besteuerung des CO2 -Ausstoßes etwa dürfte einzelne Wirtschaftsbereiche schwer treffen.

Politische Effekte

Aus Analysen für das Bundesministerium der Finanzen geht hervor, dass "die Einführung beispielsweise eines CO2-Preises ... sich direkt (höhere Öl- und Gaskosten) und indirekt (höhere Stromkosten durch Versorger, die Abgaben zahlen müssen) auf den Wohnungssektor auswirken"10) könnte. Das Risiko des Ausmaßes politischer Regulierung und die Umsetzgeschwindigkeit gravierender Einschnitte sind dabei umso größer, je deutlicher die umwelt- und gesellschaftlichen Risiken aus der Klimaveränderung werden, vor allem wenn es um die Vermeidung sogenannter Kipp-Elemente geht: "Dabei deutet für Klimawissenschaftler bisher alles darauf hin, dass jenseits von 2°C zusätzlicher globaler Erwärmung das Risiko stark ansteigt, dass große Teilsysteme des Klimasystems in neue, teilweise nicht mehr umkehrbare Zustände kippen könnten. Einige dieser Kipp-Elemente (wie das Auftauen des Permafrosts, ein Kollaps des Amazonas-Regenwaldes oder das Abschmelzen von Eisschilden) würden den Klimawandel zudem selbst noch stark beschleunigen."11) In solchen Fällen dürften aber massive regulatorische Eingriffe nicht ausgeschlossen sein - mit den entsprechenden drastischen Auswirkungen auf die einzelnen Segmente der Finanzmärkte.

Die Quantifizierung der finanziellen Gesamtrisiken für die Banken aus den Folgen der Klimaveränderung steht noch am Anfang, vor allem die wertmäßigen Auswirkungen politischer Eingriffe erscheint schwierig. Inklusive Zweitrundeneffekte (direkte Auswirkungen auf Kapitalanlagen der betroffenen Banken) und Drittrundeneffekte (Verluste durch Aktieninvestitionen in von Zweitrundeneffekten betroffenen Banken) könnte bis zu ein Viertel des Aktienkapitals der wichtigsten Banken der Europäischen Union betroffen sein (Abbildung 2).

Herausforderungen für die Bankenaufsicht

Die Folgeabschätzung des Klimawandels für die Bankenlandschaft stellt auch die Bankenaufsicht vor neuen Herausforderungen. Für die Identifizierung von Geschäftsrisiken von Banken kann die zuständige Bankenaufsicht verschiedene Instrumente einsetzen. Allerdings zeigen sich bei der praktischen Umsetzung hinsichtlich der genannten Risikokategorien unterschiedliche Schwierigkeiten. So existieren für die Quantifizierung von physischen Risiken für Banken vergleichsweise wenig Erfahrungen, da hier für Deutschland ein eher "neues" Risiko vorliegt. Hinweise über Kostenschätzungen können allenfalls aus den Daten der Versicherungswirtschaft abgeleitet werden.

Daher geht das Gutachten für das Bundesministerium der Finanzen von einer größeren Risikorelevanz durch Transitionsrisiken für den Bankensektor aus. Die Prognose der Größenordnung solcher Risiken wird aber durch die Ungewissheit von Eintrittswahrscheinlichkeit und Eintrittsgeschwindigkeit erschwert. Quantitativ nahezu nicht abschätzbar sind politische Risiken. Hier dürften sich aber wesentliche Änderungen zumindest mit einem zeitlichen Vorlauf ankündigen.

Neben den Risiken sind allerdings auch mögliche Chancen zu bewerten, zum Beispiel wenn es um die Erschließung neuer Geschäftsfelder geht, in denen die gezielte Kreditvergabe für Investitionen in umwelt- und klimafreundliche Technologien getätigt werden, die die Folgen des Klimawandels bekämpfen (Green Finance).12) Zur Bewertung der Gesamtrisiken müssten schließlich nach Meinung des für die Finanzstabilität zuständigen Financial Stability Board folgende Aspekte herangezogen werden:13)

Strategie: Schätzung der tatsächlichen und möglichen Auswirkungen von klimabezogenen Risiken und Chancen auf die Geschäftstätigkeit, Strategie und finanzielle Planung des Unternehmens; inklusive Kreditvergabe an emissionsintensive Firmen.

Risikomanagement: Angabe der Prozesse zur Identifizierung, Beurteilung, Steuerung, Überwachung sowie Kommunikation klimabezogener Risiken (Risikosteuerungs- und -controllingprozesse).

Operationalisierung: Angabe der Ziele und der Indikatoren, die verwendet werden, um klimabezogene Risiken und Chancen beurteilen und steuern zu können.

Als Informationsquelle, um eine solche Gesamtrisikobewertung von Banken vornehmen zu können, könnte den Banken eine Informationspflicht über klimabezogene Risiken im Lagebericht der Institute oder als gesonderter Risikobericht durch die Bankenaufsicht auferlegt werden. Im Rahmen der durch die Bankenaufsicht jährlich durchzuführenden Aufsichtsgespräche könnten die dort dargelegten klimabezogenen Risiken schließlich hinterfragt werden.

Besonderes Gewicht würden solche Risiken durch die Aufnahme in die Aufsichtsstrategie und Aufsichtsplanung gewinnen, in der die Hauptrisiken für die Banken aufgenommen werden und die zudem die Europäische Zentralbank (EZB) zur Kenntnis erhält.14) Damit wäre eine Überprüfung klimarelevanter Risikopositionen nicht nur in der nationalen deutschen Bankenaufsicht gewährleistet, sondern es könnte auch eine Übertragung solcher Überprüfungen auf die unter der direkten EZB-Aufsicht stehenden besonders bedeutenden Institute/Institutsgruppen der Eurozone erfolgen.

Ausbau der Analysekapazitäten in Bezug auf Klimarisiken

Zusätzlich zur Auferlegung der bereits genannten Informationspflichten könnten auch durch spezifische Umfragen beziehungsweise Stresstests in der Kreditwirtschaft oder aus Analysen des bankaufsichtlichen Meldewesens bezüglich der Kreditvergaben in den besonders klimasensiblen Bereichen zusätzliche Erkenntnisse gewonnen werden.

Untersuchungen im Meldewesen könnten zum Beispiel für Kreditvergaben in den Branchen Landwirtschaft, Fischerei und Aquahaltung, Kohlebergbau, Gewinnung von Erdöl/Erdgas, Energieversorgung, Herstellung von Metallerzeugnissen und Herstellung von Kraftwagen und -teilen vorgenommen werden.

Schon die bisherigen Ausführungen zum Themenkomplex von Klimarisiken im Finanzsektor zeigen: Erste Überlegungen bestehen, die Umsetzung in praktische Bankenaufsichtspolitik steht am Anfang. Insgesamt sollte es zu einer weiteren Schärfung des Bewusstseins bei Finanzinstituten für klimabezogene physische und Transitionsrisiken kommen. Für Fragen der Auswirkungen auf die Finanzstabilität insgesamt müssen allerdings die Analysekapazitäten in Bezug auf Klimarisiken weiter ausgebaut werden.

Das überraschend breite Medienecho auf die Rede des Bundesbankvorstands Andreas Dombret etwa zeigt, dass die Sensitivität solcher Themen auch in der interessierten Öffentlichkeit noch ausgebaut werden kann. Für die Bankenaufsicht selbst sollte eine Berücksichtigung von Klimarisiken in den bankaufsichtlichen Risikoanalysen ins Auge gefasst werden. Eine Dokumentation solcher Risiken könnte dann im bankaufsichtlichen Risikoprofil erfolgen, in dem für jedes Institut eine umfassende Risikoklassifizierung und -beurteilung vorgenommen wird.

Anfälligkeit des Finanzsystems als Ganzes weiter erforschen

Insgesamt steht aber noch die Beantwortung der Frage aus, inwieweit die Risiken aus Klimaveränderungen die Finanzstabilität insgesamt betreffen - und dies nicht nur in Deutschland. So liegen dem Verfasser dieses Beitrages keine Informationen über die Auswirkungen des Klimawandels durch die globale Vernetzung der deutschen Volkswirtschaft vor. Wegen der ausgeprägten Exportorientierung der Unternehmen wären dies aber wertvolle Informationen - sicherlich auch für deren kreditvergebende Banken.

Die Auswirkungen des Klimawandels auf die Finanzstabilität sollten im Rahmen der makroprudenziellen Überwachung im Hinblick auf mögliche systemische Risiken analysiert werden. Die im Gutachten für das Bundesministerium der Finanzen zu solchen Risiken getätigten Ausführungen gehen bisher von einer geringen Gefährdung aus. Wie aber bereits die Finanzkrise gezeigt hat, können Verwerfungen auf regionalen, singulären Märkten zu systemischen Risiken führen. Daher ist auch die Anfälligkeit des Finanzsystems gegenüber den Konsequenzen des Klimawandels weiter zu erforschen.

Der Autor vertritt in diesem Beitrag seine persönliche Auffassung.

Fußnoten

1) Donadelli, Michael u.a., The Welfare Costs of Temperature Shocks, Journal of Economic Dynamics & Control, 2017, S. 331-355 , hier S. 349, www.sciencedirect.com

2)Eine der ersten Auseinandersetzungen mit diesem Thema: Onischka, Mathias, Einbezug von Klimarisiken im Kreditrating von Kreditinstituten und Ratingagenturen, Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie, Diskussionspapier, Wuppertal 2009

3)Vgl. Risiko der sogenannten Carbon Bubble, Antwort der Bundesregierung, Deutscher Bundestag, Drucksache 18/5056

4)Vgl. Carney, Mark, Breaking the tragedy of the horizon - climate change and financial stability, London 2015, www.bankofengland.co.uk

5)Vgl. Bundesministerium der Finanzen, Relevanz des Klimawandels für die Finanzmärkte, Monatsbericht August 2016, S. 12-21

6)Vgl. G20, Annex to G20 Leaders Declaration, Hamburg 2017, S. 10f., www.g20.org

7)Vgl. Dombret, Andreas, Behind the curve? The role of climate risks in banks' risk management, Remarks at the National University if Singapore, Singapore, 2. Oktober 2017, www.bundesbank.de

8)Vgl. Financial Stability Board, Proposal for a disclosure task force on climate related risks, 9. November 2015, www.fsb.org

9)Vgl. Munich Re, Economic consequences of natural catastrophes: Emerging and developing economies particularly affected - Insurance cover is essential, München 2013

10)South Pole Group, Mögliche Auswirkungen des Klimawandels auf die Finanzmarktstabilität, Schlussbericht, Gutachten im Auftrag Bundesministerium der Finanzen, Zürich 2016, S. 66

11)Deutscher Bundestag, Wissenschaftliche Dienste, Das "deutlich unter Zwei-Grad"-Ziel, Berlin 2017, S. 1

12)Vgl. bereits von Hauff, Michael, Dirk Rübbelke, Marktchancen durch die Anpassung an den Klimawandel, in: Wirtschaftsdienst, H. 1, S. 42-45

13)Vgl. Task Force on Climate-related Financial Disclosers, Recommendations of the Task Force on Climate-related Financial Disclosures, Basel 2017, www.fsb.org

14)Vgl. dazu Deutsche Bundesbank, Die Aufsicht über die weniger bedeutenden Institute im einheitlichen europäischen Aufsichtsmechanismus, Monatsbericht, Januar 2016, S. 53-65, hier S. 64

Prof. Dr. Joachim Weeber Fachhochschule Nordakademie, Elmshorn
Prof. Dr. Joachim Weeber , Bundesbankdirektor i. R., Honorarprofessor , Nordakademie Hochschule der Wirtschaft, Elmshorn

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