Konsequent und kooperativ gegen die negativen Einflüsse

Prof. Dr. Theresia Theurl, Foto: IfG Münster

Die größten Herausforderungen für die genossenschaftliche Bankengruppe sieht die Autorin derzeit in den sich eher noch verstärkenden Wechselwirkungen zwischen politischen, gesellschaftlichen, technologischen und regulatorischen Entwicklungen. Als besonders schwerwiegend stuft sie derzeit die geldpolitischen Rahmenbedingungen ein, die die Zinsmarge gleich von zwei Seiten unter Druck setzen. Als Kollateraleffekte der EZB-Geldpolitik für die Privat- und Unternehmenskunden wie auch die Eigentümer der Genossenschaftsbanken nennt sie diverse Umverteilungswirkungen, eine erschwerte Altersvorsorge sowie eine steigende Gefahr von Vermögenspreispreisblasen und Finanzmarktungleichgewichten. Zusammen mit den Kosteneffekten einer an sich vernünftigen, allerdings zu wenig auf Proportionalität ausgerichteten Regulierung, spricht sie von einer "Draghi-Zange". Durch zahlreiche Projekte zur zentralen Organisation digitaler Lösungen hält sie die genossenschaftliche Bankengruppe gleichwohl für gut aufgestellt. Besondere Marktchancen erkennt sie in der Schaffung regionaler Plattformen. Diese selbst zu gründen und im eigenen Netzwerk zu nutzen, ist für sie eine Transformation der genossenschaftlichen Idee in die heutige Zeit. (Red.)

Sich auf das Bankgeschäft konzentrieren zu können, gute Ergebnisse erzielen und zufriedene Kunden haben: Dies ist heute auch bei den Genossenschaftsbanken alles andere als eine Selbstverständlichkeit. Zahlreiche gleichzeitig auftretende Anforderungen sind zu bewältigen. Sie kommen nicht nur vom Markt, sondern auch von der Politik. Trotz offizieller Sympathiebekundungen und Lob von Experten und Politik haben sich die Rahmenbedingungen gerade für die Genossenschaftsbanken deutlich verschlechtert. Dabei verstärken die Wechselwirkungen zwischen politischen, gesellschaftlichen, technologischen und regulatorischen Entwicklungen den Anpassungsbedarf, fordern das genossenschaftliche Geschäftsmodell und bewährte Strategien heraus, drängen dazu, höhere Risiken einzugehen.

Schwerwiegende geldpolitische Rahmenbedingungen

Besonders schwerwiegend sind die geldpolitischen Rahmenbedingungen, deren rigorose Fortschreibung durch die kürzlich erfolgten EZB-Beschlüsse für Genossenschaftsbanken, ihre Eigentümer und Kunden nichts Gutes verheißen. Da Genossenschaftsbanken vorwiegend das tun, was von Banken erwartet wird, die ihre Spezialkompetenz nicht im Investment-Banking sehen, nämlich Investitionen in die Realwirtschaft zu finanzieren, sind sie - wie die Sparkassen auch - stärker als andere Banken von Zinserträgen abhängig. Entsprechend stark belastet werden sie durch die Niedrigzinspolitik, gar Negativzinsen.

Das Zinsergebnis ist seit 2011 von 2,30 Prozent auf 1,90 Prozent zurückgegangen. Das Neugeschäft für gute (risikoarme) Bonitäten ist mittlerweile mit Zinssätzen unter einem Prozent ausgestattet und die höher verzinsten Kredite aus der Zeit einer normalen Geldpolitik laufen langsam aus und können die Zinserträge nicht weiter stützen. Bei den Zinsaufwendungen hat sich die Politik das Ziel gesetzt, Negativzinsen zu verbieten oder zumindest einzuschränken, sodass die Zinsmarge von zwei Seiten reduziert wird. Die Reaktionsmöglichkeiten für einzelne Banken sind gering. Höhere Risiken einzugehen würde nicht nur weitere Risiken in die Genossenschaftliche Finanzgruppe bringen, sondern auch die anerkannte Stabilisierungsfunktion der Genossenschaftsbanken für das Finanzsystem insgesamt bedrohen.

Die Kollateraleffekte der EZB-Geldpolitik treffen vor allem auch die Privat- und Unternehmenskunden und Eigentümer der Genossenschaftsbanken, wenn diverse Umverteilungswirkungen, die erschwerte Altersvorsorge, aber auch eine steigende Gefahr von Vermögenspreispreisblasen und Finanzmarktungleichgewichten berücksichtigt werden. Sie und weitere gesellschaftspolitische Effekte fallen umso stärker ins Gewicht, je weniger zu erwarten ist, dass die intendierten Zielsetzungen einer höheren Inflation und realwirtschaftlichen Stimulierung erreicht werden.

Kostentreibende Regulatorik

Neben dem geldpolitisch verursachten Druck auf die Bankerträge wirken regulatorische Maßnahmen vor allem kostentreibend, sodass die wirtschaftlichen Erfolgskennzahlen der Genossenschaftsbanken von beiden Seiten in die Zange genommen werden. Man könnte von einer "Draghi-Zange" sprechen, das heißt die EZB-Geldpolitik reduziert die Erträge und die Regulierungen von EZB und EBA und in der Folge der die Genossenschaftsbanken beaufsichtigenden nationalen Bankenaufseher erhöhen zugleich die Kosten. Dabei geht es nicht um eine generelle Kritik an bankenaufsichtsrechtlichen Vorgaben, sondern am Verzicht auf eine stärkere Berücksichtigung von Risikoprofilen, der Notwendigkeit einer Proportionalität der Regulierung. Mehrere Studien kommen übereinstimmend zum Ergebnis, dass die Vorgaben für die Organisation von Risikomanagement und Beauftragtenwesen sowie die Reportingpflichten für Genossenschaftsbanken nicht nur überproportionale Kostenbelastungen darstellen, sondern Risikoprofile und die genossenschaftliche Gruppenstruktur zu wenig berücksichtigen.

Zu den genannten Herausforderungen kommen jene des Megatrends der Digitalisierung, der das Bankgeschäft und den Bankenmarkt längst verändert hat. Das Umgehen mit den bisher genannten Herausforderungen und die Vielfalt der Digitalisierungseffekte birgt die Gefahr, dass zu geringe Kapazitäten für eine strategische Herangehensweise an die Thematik verfügbar sind. Die Effekte für Genossenschaftsbanken treten wieder kosten- und ertragsseitig auf. Digitalisierungslösungen sind häufig stark größengetrieben, weshalb sie für die Bank vor Ort nur in der Kooperation im Verbund realisiert werden können. Mit der Digitalisierung gewinnen solche gemeinsamen Lösungen und Strategien deshalb an Bedeutung.

Zentrale Organisation digitaler Lösungen

Die Genossenschaftliche Finanzgruppe hat die Notwendigkeit dieser zentralen Organisation digitaler Lösungen erkannt und in Projekten umgesetzt. Damit verändern sich auch Abhängigkeiten in der Gruppe. Zusätzlich wird eine Veränderung zahlreicher Prozesse möglich und/ oder notwendig. Die Zunahme der Transparenz und die Möglichkeiten eines effektiven Informationsmanagements sowie die Nutzung von Instrumenten der Künstlichen Intelligenz erhöhen auch den Druck auf die Margen im Zins- und Provisionsgeschäft, was die skizzierten Wirkungen der EZB-Niedrigzinspolitik verstärkt. Andererseits treten neue - meist spezialisierte - Wettbewerber auf, die für sich genommen jeweils nicht groß sind, die jedoch alle an der Kundenbasis der Genossenschaftsbanken knabbern und deren Erträge reduzieren können.

Es hat sich also gezeigt, dass das realwirtschaftlich und lokal verbundene Geschäftsmodell der Genossenschaftsbanken durch äußere Faktoren, die kaum durch die Banken selbst beeinflusst werden können, ertrags- und kostenseitig unter Druck gerät. Es ist bemerkenswert, dass trotz dieser, die kleinen Banken besonders treffenden Faktoren, die Genossenschaftsbanken immer noch die profitabelste Bankengruppe in Deutschland sind. Doch es ist auffallend wie konsequent und kooperativ sich die Genossenschaftliche Finanzgruppe und die einzelnen Banken gegen die negativen Einflüsse stemmen. Keine Bank versäumt es, die internen Prozesse und die Schnittstellen zu den Verbundunternehmen zu prüfen und zu optimieren.

Filialnetze, Geldversorgung und Preispolitik unterliegen ebenso vielfältigen Anpassungen. Lange bewährte Beratungsmodelle und Mitgliederkonzepte werden auf den Prüfstand gestellt. Besonders fallen die zahlreichen Fusionen von Genossenschaftsbanken auf, die in den vergangenen Jahren deren Anzahl deutlich verringert haben. Auch Kooperationen und gemeinsame Leistungen haben weiter zugenommen, um Größen-, Vielfalts- und Kompetenzvorteile zu nutzen. Zwar sind strategische Weichenstellungen als Reaktion auf Veränderungen sinnvoll und notwendig. Nun ist es allerdings so, dass es überwiegend die externen Faktoren und Entscheidungen sind, die die Agenda setzen und die strategischen Freiräume einengen.

Chancen durch regionale Plattformen

Die skizzierten Zusammenhänge sind jedoch ein wichtiger Grund, gerade in der Digitalisierung auch eine große Chance für Genossenschaftsbanken mit ihrer Dauerbeziehungsorientierung, ihrem nachhaltigen Geschäftsmodell und der arbeitsteilig organisierten Vernetzung in der Gruppe zu sehen. Es gibt jedoch einen weiteren Grund. Genossenschaftsbanken sind dafür prädestiniert, in ihrem regionalen Kontext und in ihrer Gruppe Plattformen und im Vorfeld geeignete Ökosysteme aufzubauen.

Plattformen gehört die Zukunft, sie benötigen Zusammenarbeit. Genossenschaftsbanken sind ein bewährtes Modell der Zusammenarbeit. Auf regionalen Plattformen können sie nicht nur ihre eigenen Leistungen den Kunden anbieten, sondern auch andere Leistungen und Produkte, die ihre Kunden nachfragen. Diese zusätzlichen Anbieter könnten Mitglieder oder Unternehmenskunden der Genossenschaftsbanken sein. Selbst Plattformen gründen und im eigenen Netzwerk nutzen, ist die Transformation der genossenschaftlichen Idee in die heutige Zeit. Die Gründung eigener Plattformen kann es verhindern von den diversen Plattformen unterschiedlichster Sektoren aus dem Markt gedrängt zu werden. In einem harten Wettbewerb vor sehr herausfordernden Rahmenbedingungen noch besser zu werden, ist nicht die schlechteste Entwicklungsstrategie für Banken und Bankengruppen.

Prof. Dr. Theresia Theurl, Institut für Genossenschaftswesen, Westfälische Wilhelms-Universität Münster
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