Nachhaltigkeit, Finanzwirtschaft und die Rettung der Welt - Sustainable Finance

Erk Westermann-Lammers, Foto: Anna Leste-Matzen

In der Politik steht seit einiger Zeit das Gebot, nachhaltiges Wirtschaften zu finanzieren, ganz oben auf der Agenda. Die EU schreibe mit ihrem Aktionsplan auch dem Finanzsektor eine Schlüsselrolle in der Transformation zu. Neben politischen Vorgaben schaffen laut Westermann-Lammers auch Marktreaktionen einen steigenden Handlungsdruck. Die Nachfrage nach nachhaltigen Anlagen habe auch von privater Seite zuletzt deutlich zugenommen. So wuchsen die nachhaltigen Investments allein 2019 um fast 100 Prozent, nachdem sie zuvor lediglich einstellig gewachsen waren. Auf die Realwirtschaft sieht der Autor durch die Transformation hohe Kosten zukommen, wenngleich die Kosten des Nichthandelns seiner Einschätzung nach viel höher sein dürften. Diese Kosten würden zu Zurückhaltung bei den Unternehmen führen. Hier sollen Förderbanken tätig werden und unterstützen, um nachhaltiges Wirtschaften zu ermöglichen. Einen Vorteil sieht der Autor dabei in der Tatsache, dass Förderbanken nicht im Wettbewerb mit anderen Banken stehen. So könnten im Dialog mit den Hausbanken effiziente Lösungen gefunden werden. (Red.)

Es geht um nichts Geringeres als um die Rettung der Welt. Ursula von der Leyen sagte das sinngemäß und erklärte 2019 in ihrer Bewerbungsrede um das Amt der Kommissionspräsidentin nachhaltiges Wirtschaften zu einem Kernthema der EU. Im gleichen Jahr hat die Präsidentin der Europäischen Zentralbank, Christine Lagarde, den Kampf gegen den Klimawandel zum wesentlichen Handlungsmotiv der europäischen Geldpolitik gemacht. Damit ist der enge Zusammenhang zwischen Finanzen und Nachhaltigkeit oder auch Sustainable Finance stärker denn je in den öffentlichen Fokus gerückt.

Der Handlungsdruck steigt

Auf der politischen Agenda - von der internationalen bis zur regionalen Ebene - steht das Gebot, gezielt nachhaltiges Wirtschaften zu finanzieren, in den vergangenen Jahren obenan:

Bereits das Pariser Klimaabkommen vom 15. Dezember 2015 hat die Klimapolitik mit dem Finanzsektor verknüpft. Nahezu gleichzeitig schufen die Vereinten Nationen mit der Agenda 2030 und den 17 Nachhaltigkeitszielen (SDGs) den Konsens, dass Finanzströme - über reine Klimaziele hinaus - zu einer nachhaltigen Entwicklung insgesamt beitragen sollen.

In der Europäischen Union schreibt vor allem der EU-Aktionsplan dem Finanzsektor eine Schlüsselrolle zu, wenn es darum geht, das Ziel des Pariser Klimaabkommens zu erreichen. Die Bundesregierung hat aus dem EU-Aktionsplan den Anspruch abgeleitet, Deutschland zu einem führenden Standort für Sustainable Finance auszubauen. Zu diesem Zweck hat sie einen Sustainable-Finance-Beirat (SFB) bestehend aus Praktikern aus der Finanzwirtschaft, der Realwirtschaft, der Zivilgesellschaft und der Wissenschaft eingesetzt.

Auf Länderebene gibt es in Deutschland verschiedene Nachhaltigkeitsstrategien und Ansätze für Sustainable Finance. Schleswig-Holstein hat als jüngste Initiative 2020 das Gesetzesvorhaben zur "Finanzstrategie Nachhaltigkeit in Schleswig-Holstein" (FINISH) auf den Weg gebracht. Danach soll das Land zukünftig bei allen wesentlichen Finanzanlagen Nachhaltigkeitskriterien berücksichtigen. Das "magische Dreieck" der Anlage aus Sicherheit, Liquidität und Rendite wird zum "magischen Viereck" - erweitert um den Eckpunkt der Nachhaltigkeit.

Die Kosten nachhaltigen (Nicht-)Handelns

Neben den politischen Vorgaben schaffen auch Marktreaktionen einen steigenden Handlungsdruck. Die Nachfrage privater Investoren nach nachhaltigen Fonds und Mandaten hat in Deutschland in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen. Lag zwischen 2012 und 2018 die durchschnittliche jährliche Wachstumsrate für entsprechende Anlagen bei acht Prozent, erreichte sie 96 Prozent im Jahr 2019. Insgesamt besteht bei nachhaltigen Investments weiterhin ein deutliches Wachstumspotenzial: Nachhaltige Fonds und Mandate hatten 2019 einen Anteil von rund 5,4 Prozent am Gesamtfondsmarkt.

Banken haben mit Blick auf nachhaltiges Handeln eine Doppelfunktion. Für sie gilt es, neben der eigenen Ausrichtung auf Nachhaltigkeit realwirtschaftliche Entwicklungen zu begleiten, die in vielfacher Hinsicht mit Kosten verbunden sind:

1. Kosten für die Eindämmung der Folgen des Klimawandels, wie beispielsweise für die künstliche Bewässerung von Ackerflächen oder für den Küstenschutz,

2. Transformationskosten für die Wirtschaft auf dem Weg zu nachhaltigem Handeln, wie zum Beispiel Umrüstkosten für energieeffizientere Maschinen oder Umstellung auf Ökolandbau,

3. Kosten, die entstehen, wenn wir die Folgen des Klimawandels in unserem Handeln nicht berücksichtigen, zum Beispiel durch Überschwemmung oder Verödung von Landstrichen verursachte Hungersnöte, Seuchen, Migration, Kriege et cetera.

Die Kosten des Nichthandelns sind vermutlich mit Abstand die höchsten Kosten und es sind langfristige, gesamtgesellschaftliche Kosten. Das trifft zum Teil auch auf die Kosten der Eindämmung der Folgen des Klimawandels zu. Dagegen sind die Transformationskosten für die Wirtschaft in erster Linie einzelwirtschaftliche Kosten, die kurzfristig anfallen und die ein Unternehmen selbst tragen muss. Sie schlagen sich also unmittelbar in der Gewinn-und-Verlust-Rechnung eines Unternehmens nieder und können Geschäftsmodelle bedrohen.

Diese Kosten sind ein wesentlicher Grund, warum der Markt noch keine stärkere Ausrichtung auf nachhaltiges Handeln hervorbringt. Der Staat ist daher nicht nur gefordert, die geeigneten gesetzlichen und politischen Rahmenbedingungen zu schaffen, er hat auch die Aufgabe, die richtigen Anreize für den gewünschten Transformationsprozess zu setzen.

Förderbanken als Katalysator für Transformationsprozess

Förderbanken werden tätig, wenn es gilt, Marktversagen zu korrigieren oder erwünschte Marktergebnisse schneller herbeizuführen. Mit ihren originären Förderbereichen wie Wirtschaftsförderung, Wohnraumförderung, Land- und Forstwirtschaft, Tourismus, Technologie- und Innovationsförderung haben sie mittelbar, mit dem Umweltschutz und erneuerbaren Energien sehr unmittelbar einen Bezug zur Förderung von Nachhaltigkeit. Auch bei der Finanzierung kleiner und mittlerer Unternehmen ergibt sich ein enger Zusammenhang, denn für sie sind die "Umrüstkosten" zu mehr Nachhaltigkeit häufig überproportional hoch. Förderbanken können mit besonderen Konditionen, Anreizen oder Beratungsangeboten in einem realwirtschaftlichen Transformationsprozess hin zu mehr Nachhaltigkeit als Katalysator wirken. Wesentlicher Vorteil dabei ist, dass Förderbanken nicht im Wettbewerb mit anderen Banken stehen, sondern vielmehr mit Hausbanken kooperieren.

Sustainable Finance - ein öffentlicher Auftrag für Förderbanken

Der Sustainable-Finance-Beirat (SFB) der Bundesregierung hat in seinen Empfehlungen von Februar 2021 unter dem Titel "Shifting the Trillions - ein nachhaltiges Finanzsystem für die große Transformation" der Aufgabe von Förderbanken mehrere Passagen gewidmet. Darin fordert der SFB zum einen, dass Förderbanken sich selbst nachhaltig ausrichten. Zum anderen erwartet er von den Förderbanken eine Förderpolitik, die mit den Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte der Vereinten Nationen, dem Pariser Klimaabkommen und mit den Klimazielen der EU vereinbar ist. Nicht zuletzt daraus lässt sich ein öffentlicher Auftrag der Förderbanken ableiten, mit der bewussten Steuerung von Geldströmen die nachhaltige Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft zu unterstützen.

Der SFB formuliert seinen Anspruch an Förderbanken ganz klar in dem Bewusstsein, dass sich daraus Konflikte mit den bisherigen Förderzielen ergeben können. Eines der zuletzt prominent diskutierten Beispiele war der Wohnungsbau, bei dem sich - beginnend mit der Ausweisung von geeigneten Flächen - ein Spannungsverhältnis zwischen den Zielen Schaffung von Wohnraum und Umweltschutz ergeben kann. Auch gilt es, Arbeitsplätze in Branchen und Industrien zu sichern, die noch nicht den gestiegenen Anforderungen an nachhaltiges Wirtschaften gerecht werden. So fordert der SFB die Förderbanken auch auf, dass sie "mit ihren Finanzierungen dazu beitragen, den Transformationsprozess sozialverträglich zu gestalten". Hier sieht er einen Anknüpfungspunkt insbesondere bei der Förderung von Umschulungen und Weiterbildungen. Insgesamt sind Förderbanken gefragt, einen Stufenplan für ihre Förderpolitik zu entwickeln, die sich an den Transformationspfaden in eine nachhaltigere Realwirtschaft orientieren. Auf diesem Transformationspfad gilt es, die drei Elemente der Nachhaltigkeit zu berücksichtigen und im gesamtwirtschaftlichen wie auch gesamtgesellschaftlichen Interesse den Ausgleich zwischen Ökologie, Ökonomie und sozialen Aspekten herzustellen.

Sustainable Finance als (regionales) Netzwerk-Thema

Über alle drei Säulen der deutschen Bankenlandschaft hinweg stehen Institute bei Sustainable Finance vor vergleichbaren Aufgaben, wenn es darum geht, Klima- und Umweltrisiken in der Geschäftsstrategie, bei Geschäftsprozessen und auch im Risikomanagement zu berücksichtigen. Daraus ergeben sich in den einzelnen Instituten ähnliche Fragen: Wie lässt sich die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen im Hinblick auf ihre Nachhaltigkeitsstrategie bewerten? Welchen Einfluss hat die Nachhaltigkeitsstrategie auf Finanzierungsentscheidungen und auf Ratings? Welche Informationen sind erforderlich, um die Nachhaltigkeit von Unternehmen angemessen zu beurteilen, wie können sie deren Nachhaltigkeitsengagement bewerten?

Für die Beantwortung dieser und weiterer Fragen kann es durchaus effizient sein, gemeinsame Wege und Handlungsansätze zu suchen. Regionale Besonderheiten bei den Wirtschaftsstrukturen (Branchenstrukturen, Infrastruktur) bekommen dabei ein besonderes Gewicht. Als Förderbank des Landes hat die IB.SH es sich zur Aufgabe gemacht, nachhaltiges Wirtschaften in Schleswig-Holstein zu fördern. Hierzu etabliert die IB.SH ein Sustainable-Finance-Netzwerk in der Finanzwirtschaft. Ziel ist es dabei, insbesondere mit den Hausbanken einen Diskurs zu starten, wie nachhaltiges Wirtschaften gelingen kann und was es bedeutet, nachhaltiges Handeln konsequent in den Mittelpunkt aller geschäftlichen Entscheidungen zu stellen. Damit bekommt die Zusammenarbeit zwischen Hausbanken und der IB.SH eine weitere Dimension.

Offen und transparent über Erfahrungen diskutieren

Ein erster Schritt auf dem Weg zu diesem Netzwerk war es, einen Sustainable Finance Blog zu etablieren - eine Corona-konforme Möglichkeit, um in den Austausch zu treten. Der Blog schafft Offenheit und Transparenz über die Maßnahmen, die die IB.SH im Rahmen ihrer eigenen Nachhaltigkeitsaktivitäten anstößt und umsetzt. Darunter fällt beispielsweise die Selbsterklärung zur Umsetzung von Sustainable Finance. Sie sieht vor, dass die IB.SH

- mit ihrem unternehmerischen Handeln, ihren Förderprodukten und Förderaktivitäten die Umsetzung der Sustainable Development Goals der UN aktiv unterstützt,

- den Erwerb von Wertpapieren zur Anlage mit kritischen Einflussfaktoren auf die Nachhaltigkeitsentwicklung, wie fossile Brennstoffe, Atomenergie, kontroverse Rüstungsgüter, Korruption/Bestechung und Verletzung der Menschenrechte, vermeidet,

- Unternehmen in Schleswig-Holstein, insbesondere kleine und mittlere Unternehmen (KMU) dabei unterstützt, Transparenz bezüglich ihrer Nachhaltigkeitsausrichtung zu schaffen und auf dieser Grundlage eine nachhaltige Geschäftsausübung zu steigern,

- nachhaltiges Finanzieren in Schleswig-Holstein vorantreibt und ihre Finanzierungspartner sowie weitere relevante Akteure gezielt hierfür gewinnt.

Die Idee hinter dem Blog ist vorrangig, mit den Partnern der IB.SH - insbesondere den Hausbanken - in der schleswig-holsteinischen Finanzwirtschaft, Überlegungen, Erfahrungen und mögliche Lösungen zu diskutieren. So sollen sich Wege eröffnen, gemeinsam aktiv an der Umsetzung von Sustainable Finance zu arbeiten und sich zu diesem Thema öffentlich stark zu positionieren.

Banken sind bei Sustainable Finance in mehrfacher Hinsicht gefragt. Sie stehen vor der Aufgabe, ihre eigenen Geschäftsmodelle nachhaltiger auszurichten. Gleichzeitig obliegt es ihnen, den Wandel der Wirtschaft zu mehr Nachhaltigkeit zu finanzieren, was auch erhöhtes Geschäftspotenzial bedeuten kann. Förderbanken kommt bei Sustainable Finance eine besondere Rolle zu. Sie sind ein wichtiger Teil der Antwort darauf, wie eine nachhaltige Transformation von Gesellschaft und Wirtschaft gelingen kann. Im offenen, konstruktiven Dialog mit Hausbanken lassen sich Best-Practice-Lösungen entwickeln, die zur Effizienz des Transformationsprozesses beitragen.

Fußnoten

1) https://fng-marktbericht.org/marktbericht-pdf-viewer/

2) https://www.ib-sh.de/fileadmin/user_upload/im_fokus/sustainable_finance_blog/ib.sh_erklaerung_sustainable_finance_mit_unterschrift.pdf

Erk Westermann-Lammers , Vorsitzender des Vorstands , Investitionsbank Schleswig-Holstein (IB.SH), Kiel
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