Notleidende Kredite: eine Bewertung des EU-Aktionsplans

Karlheinz Walch, Foto: Bert Bostelmann

Die EU-Kommission hat Ende 2020 einen neuen NPL-Aktionsplan veröffentlicht. Die Initiative sieht unter anderem die Weiterentwicklung der Sekundärmärkte und eine Verbesserung der Insolvenzrahmenwerke vor. Die Kommission setzt mit ihrer Planung wichtige Impulse, da ein frühes Handeln bei steigenden NPL-Quoten entscheidend ist. Es bleibt jedoch abzuwarten, ob die von der EU vorgeschlagenen Maßnahmen in ihrer konkreten Ausgestaltung auch die gewünschten Effekte erzielen werden. Denn beispielsweise mit Blick auf die Errichtung neuer nationaler Asset Management Companies (AMC) und deren grenzüberschreitender Vernetzung können auch einige Vorbehalte genannt werden, so die Autoren. So müsste beispielsweise sichergestellt werden, dass über ein derartiges Netzwerk keine finanziellen Verflechtungen zwischen den Ländern entstehen würden. Außerdem seien AMC generell kein Allheilmittel und sollten daher vielmehr als eine Option im Rahmen einer umfassenden Strategie betrachtet werden. (Red.)

Die Diskussion über den Umgang mit notleidenden Krediten Krediten (Non-Performing Loans - NPL) in der EU hat angesichts der erwarteten Auswirkungen der Covid-19-Pandemie über die vergangenen Monate hinweg an Fahrt aufgenommen. Durch die Pandemie und die damit verbundenen Eindämmungsmaßnahmen sehen sich viele private Haushalte und Unternehmen in Europa erheblichen finanziellen Schwierigkeiten ausgesetzt. Zwar spiegeln sich die Auswirkungen aufgrund der diversen Unterstützungsmaßnahmen bislang nur begrenzt in den Bankbilanzen wider. Allerdings besteht Konsens darüber, dass mit Auslaufen dieser Unterstützungsmaßnahmen ein deutlicher Anstieg der NPL-Niveaus wahrscheinlich ist. In der Vergangenheit hat sich gezeigt, dass einem Auftreten notleidender Kredite auf breiter Basis möglichst frühzeitig begegnet werden sollte, um negativen Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum vorzubeugen. Vor diesem Hintergrund hat die EU-Kommission am 16. Dezember 2020 einen NPL-Aktionsplan veröffentlicht. Dieser greift neben neuen Maßnahmenvorschlägen auch die noch offenen Aspekte aus dem NPL-Aktionsplan des Rates der EU aus dem Jahr 2017 auf.

Im Folgenden wird dieser Aktionsplan aufbauend auf einer Darstellung des NPL-Anstiegs nach der globalen Finanzkrise und der aufsichtlichen wie regulatorischen Reaktionen hierauf erörtert.

Abbildung 1: Entwicklung der NPL-Quoten in ausgewählten Ländern des Euroraums ab 2006 (in Prozent) Quelle: IMF Financial Soundness Indicators*; für Deutschland liegen noch keine Daten zum Q2 2020 vor.

Maßnahmen seit der Finanzkrise

Infolge der Finanz- und späteren Staatsschuldenkrise stiegen die NPL-Quoten in einigen Ländern des Euroraums erheblich an. Notleidende Kredite entwickelten sich zu einer der größten Herausforderungen des europäischen Bankensektors. So war insbesondere in Ländern wie Zypern und Griechenland - bezogen auf die insgesamt vergebenen Kredite - ein massiver Anstieg der Bestände an notleidenden Krediten zu beobachten (siehe Abbildung 1). Auch Länder wie Irland und Slowenien verzeichneten kurzfristig einen deutlichen Anstieg. In diesen Ländern konnte die Entwicklung jedoch relativ zeitnah ausgebremst und wieder umgekehrt werden. Die NPL-Quoten in Italien und Portugal hingegen stiegen, wie im Falle von Zypern und Griechenland, über einen längeren Zeitraum an. Deutschland verzeichnete im Zuge der Finanz- und Staatschuldenkrise insgesamt keinen wesentlichen Anstieg der NPL-Quoten. Einige deutsche Institute waren allerdings in bedeutendem Ausmaß in der Schiffsfinanzierung engagiert und mussten in der Folge teils erhebliche Abschreibungen auf notleidende Portfolios vornehmen oder diese auf hierfür geschaffene Abwicklungsanstalten ausgliedern.

Die Notwendigkeit eines entschlossenen und auch zentralisierten Vorgehens wurde in den Jahren nach der Finanz- und späteren Staatsschuldenkrise immer offensichtlicher. Startpunkt der Arbeiten auf EU-Ebene waren die im Juli 2014 durch die EBA veröffentlichte harmonisierte Definition notleidender Risikopositionen (Non-Performing Exposures - NPE) sowie das ebenfalls 2014 durchgeführte Comprehensive Assessment der EZB. Die EZB richtete in der Folge eine Expertengruppe ein, deren Erkenntnisse unter anderem in ihren NPL-Leitfaden (veröffentlicht 2017) und das folgende Addendum (2018) einflossen. Während der NPL-Leitfaden primär auf den durch die Finanzkrise aufgebauten NPL-Bestand abzielt, soll das Addendum mittels Formulierung aufsichtlicher Erwartungen an die Risikovorsorge einen künftigen erneuten NPL-Aufbau verhindern. Die EZB war Vorreiter mit diesen beiden Papieren, die für die von ihr direkt beaufsichtigten signifikanten Institute im Single Supervisory Mechanism (SSM) gelten. Der Rat der EU griff die Initiative in seinem NPL-Aktionsplan von 2017 auf: Er wies die EBA an, aufbauend auf dem EZB-Leitfaden eine an alle europäischen Institute gerichtete EBA-Leitlinie zu NPL zu formulieren. Ferner ersuchte er die EU-Kommission, "im Rahmen der laufenden Überprüfung des CRR/CRD IV-Pakets aufsichtsrechtliche Letztsicherungen zur Bewältigung von zu geringen Rückstellungen in Betracht zu ziehen, die bei neu bereitgestellten Krediten anzuwenden wären".

Erfolgreiche Eindämmung der NPL

Die EBA veröffentlichte ihre in Einklang mit dem EZB-Leitfaden stehende Leitlinie im Oktober 2018; der sogenannte "CRR-Backstop" trat am 25. April 2019 in Kraft. Letzterer sieht einen automatischen Eigenmittelabzug in Höhe der Differenz zwischen aufsichtsrechtlich geforderter und tatsächlicher Verlustvorsorge bei notleidenden Risikopositionen vor. Er dient als Letztsicherung ("Backstop"), da es nur dann zu einem Kapitalabzug kommt, wenn eine Bank basierend auf der Anwendung der geltenden Rechnungslegungsvorschriften aus aufsichtsrechtlicher Sicht unzureichende Risikovorsorge für jene Risikopositionen betreibt, die bereits seit längerer Zeit als notleidend eingestuft sind. Die eingeräumten Fristen richten sich dabei nach der Art der Besicherung.

Neben weiteren Maßnahmen im Bereich der Bankenaufsicht umfasste der NPL-Aktionsplan von 2017 auch die Überprüfung der Insolvenzregelungen innerhalb der EU sowie die Sekundärmarktförderung durch Stärkung der Dateninfrastruktur und Beseitigung von Hindernissen bei der Übertragung von NPL auf Nichtbanken. Die europäischen beziehungsweise SSM-weiten Maßnahmen sollten bisherige und künftige nationale Bemühungen wie die Errichtung von Asset Management Companies (AMC) in Irland und Spanien sowie das staatlich garantierte Verbriefungsschema GACS in Italien, aber auch bankeigene Lösungen, ergänzen.

Der eingeschlagene Weg erwies sich als richtig: Die Umsetzung der beschriebenen sowie weiterer Maßnahmen trug neben dem Wirtschaftswachstum der Folgejahre zu einem deutlichen Rückgang der NPL-Bestände innerhalb der EU bei. Während der NPL-Bestand signifikanter Institute im Euroraum Mitte 2016 noch mit fast 1 Billion Euro beziffert wurde, hatte er sich bis Ende 2019 fast halbiert; im vergangenen Jahr ging er weiter zurück auf rund 444 Milliarden Euro. Letzteres entspricht einer NPL-Quote von 2,6 Prozent. Die Bestände sind dabei weiterhin unterschiedlich verteilt (siehe Abbildung 2).

Die Covid-19-Pandemie führte somit zwar bislang nicht zu einem Wiederanstieg der NPL. Allerdings dürfte dies maßgeblich auf die diversen Stützungsmaßnahmen zurückzuführen sein, die großflächige Kreditausfälle bislang verhindert haben. Zudem legen Beobachtungen aus der Vergangenheit nahe, dass Insolvenzen nach Beginn einer Rezession generell erst zeitverzögert auftreten, da beispielsweise Unternehmen über einen gewissen Zeitraum auf ihre Liquiditätsreserven zurückgreifen können. Umso wichtiger erscheint frühzeitiges Handeln, um die Probleme gar nicht erst groß werden zu lassen.

Neuer EU-Aktionsplan

Dieser Logik folgt auch der kürzlich veröffentlichte NPL-Aktionsplan der EU-Kommission: Er zielt darauf ab, den Umgang mit Covid-19-bedingten NPL frühzeitig zu erleichtern und so einer erneuten Anhäufung notleidender Kredite in den Bilanzen europäischer Banken vorzubeugen.

Der Aktionsplan ist dabei insbesondere mit Blick auf die Themenbereiche Sekundärmarktentwicklung und Reform der Regelungen für Insolvenz und Schuldeneintreibung eine Fortentwicklung des NPL-Aktionsplans von 2017. Im Bereich der Bankenaufsicht sieht die EU-Kommission aktuell hingegen keinen primären Handlungsbedarf. Dies verdeutlicht noch einmal die bereits gemachten Fortschritte der Bankenaufsicht bei der Adressierung von NPL.

Mit Blick auf die Weiterentwicklung der Sekundärmärkte drängt die EU-Kommission auf einen zeitnahen Abschluss des Trilogs zu ihrem Richtlinienentwurf über Kreditdienstleister, Kreditkäufer und die Verwertung von Sicherheiten. Zudem regt sie eine Verbesserung der Datenqualität und -vergleichbarkeit sowie der Dateninfrastruktur - und in diesem Zusammenhang auch die Erwägung des Rückgriffs auf bereits bestehende Datenquellen - an. Sie avisiert darüber hinaus, einen Leitfaden zu NPL-Verkaufsprozessen zu veröffentlichen und verdeutlicht die Notwendigkeit, regulatorische Hindernisse beim NPL-Kauf abzubauen.

Eine Weiterentwicklung der Sekundärmärkte wäre hilfreich, um den möglichen NPL-Anstieg zu bewältigen. Die Maßnahmenvorschläge der EU-Kommission könnten hier einen wichtigen Beitrag leisten. Insbesondere eine höhere Transparenz könnte zur Stärkung der Sekundärmärkte beitragen. Vor allem in dem Vorstoß zur Verbesserung der Datenqualität und -vergleichbarkeit sowie der Dateninfrastruktur besteht ein Mehrwert: Durch einen gemeinsamen Datensatz und -standard für NPL-Transaktionen innerhalb der EU würde die Transparenz verbessert.

Vereinfachung der Datentemplates ...

Auch die von der EU-Kommission vorgeschlagene Vereinfachung der bereits im Dezember 2017 durch die EBA veröffentlichten Datentemplates erscheint vor diesem Hintergrund sinnvoll. Letztere werden unter anderem aufgrund ihrer Komplexität derzeit nur in geringem Umfang genutzt. Durch die vorgesehene Einbindung betroffener Marktakteure könnte die Akzeptanz solcher Templates nochmals deutlich gestärkt werden.

Die EU-Kommission erwägt in diesem Zusammenhang auch, die Nutzung der vereinfachten Templates verpflichtend zu gestalten. Inwieweit eine solche verpflichtende Nutzung erforderlich oder gegebenenfalls gar kontraproduktiv wäre, müsste allerdings noch ermittelt werden. Sie sollte generell erst nach gründlicher Konsultation mit den relevanten Marktteilnehmern und Aufsichtsbehörden, einer deutlichen Verringerung der Komplexität der Templates und mit der nötigen Flexibilität und Proportionalität erwogen werden. Anderenfalls könnte die Akzeptanz der Templates geschmälert werden und damit auch die Bereitschaft für NPL-Verkäufe sinken, insbesondere, wenn deren Nutzung durch unzureichende Vereinfachung weiterhin einen relativ hohen Aufwand für die Banken und weitere Marktakteure darstellen würde.

Abbildung 2: NPL-Bestände und -Quoten signifikanter Kreditinstitute im Euroraum im Vergleich* Quelle: ECB Supervisory Banking Statistics

Der Vorschlag zur Einrichtung eines EU-weiten Zentralregisters, über welches anonymisierte Informationen zu NPL-Transaktionen gesammelt und geteilt würden, erscheint sinnvoll und könnte die Markttransparenz erhöhen. Hier bleibt allerdings die finale Ausgestaltung abzuwarten. Denkbar wäre laut EU-Kommission beispielsweise eine Mandatsausweitung des bereits existierenden "European Data Warehouse."

Hinsichtlich der Überlegungen der EU-Kommission, auf bereits bestehende Datenquellen zurückzugreifen, bleiben die Details und die Interaktion mit dem Vorschlag zur Überarbeitung der EBA-Templates ebenfalls noch unklar. Die Idee erscheint jedoch als eine relativ einfache Möglichkeit, die Transparenz zu geringen Kosten zu erhöhen. Positiv wäre dabei insbesondere, dass durch den Rückgriff auf bereits bestehende Datenquellen kein zusätzlicher Meldeaufwand für die Institute entstehen würde und es sich um qualitätsgesicherte Daten handelt.

Der vorgeschlagene nicht bindende Leitfaden zu NPL-Verkäufen könnte ebenfalls unterstützend wirken. Allerdings bleibt die EU-Kommission auch hier noch sehr vage. Ein solcher Leitfaden könnte beispielsweise kleineren Marktteilnehmern zusätzliche Expertise vermitteln. Inwieweit die kleineren Marktteilnehmer unter Kostengesichtspunkten an Marktaktivitäten überhaupt interessiert wären, müsste allerdings noch eruiert werden.

In diesem Zusammenhang werden auch NPL-Transaktionsplattformen kurz angerissen. Einen Denkanstoß hierzu gab die EZB 2017 mit einem in ihrem Financial Stability Review veröffentlichten Special Feature "Over coming non-performing loan market failures with transaction platforms". Solche Transaktionsplattformen bieten nicht nur Zugriff auf relevante Infor ma tionen, sondern sie dienen auch als Handelsplattformen. Mit Debitos und DebtX existieren mittlerweile sogar größere Transaktionsplattformen.

Das künftige Zusammenspiel solcher Transaktionsplattformen mit den Vorschlägen eines EU-weiten Zentralregisters und einer Überarbeitung der EBA-Templates lässt der Aktionsplan leider offen. Laut Debitos ist denkbar, dass das EU-Zentralregister künftig die Data-Warehouse-Funktion übernimmt. Die Erfahrungen der bestehenden Marktlösungen sollten genutzt werden.

... sowie regulatorische Anpassungen notwendig

Der Vorstoß der EU-Kommission zur Beseitigung noch bestehender regulatorischer Hindernisse beim NPL-Kauf bezieht sich insbesondere auf eine regulatorische Gleichbehandlung von NPL-Verkäufern und -Käufern: Gemäß Art. 127 CRR sind ausgefallene unbesicherte Kredite im Kreditrisiko-Standardansatz mit einem Risikogewicht von 150 Prozent zu belegen. Wenn jedoch die spezifischen Wertberichtigungen für eine Forderung mindestens 20 Prozent betragen, kann das Risikogewicht auf 100 Prozent reduziert werden. Als spezifische Wertberichtigungen gelten dabei nach der CRR aber nur Wertanpassungen, die das den Kredit haltende Institut selbst vorgenommen hat. Kaufpreisabschläge gegenüber dem Buchwert, die zum Beispiel bei einem Ankauf von NPL üblich sind, bleiben unberücksichtigt.

Dies kann dazu führen, dass ein Institut, das einen NPL ankauft, mehr Eigenkapital hierfür vorhalten muss, als das Institut, das den Kredit ursprünglich ausgereicht hat. Die EU-Kommission schlägt daher eine Überarbeitung des Standardansatzes vor, wonach die NPL-Käufer nicht schlechter als die NPL-Verkäufer gestellt werden sollen. Der Wunsch nach einer regulatorischen Gleichbehandlung von NPL-Käufer und -Verkäufer ist nachvollziehbar, da beide letztlich das gleiche Risiko tragen.

Auch die Finalisierungen der Richtlinie über Kreditdienstleister und Kreditverkäufer und der Richtlinie über beschleunigte außergerichtliche Realisierung von Sicherheiten erscheinen sinnvoll.

Asset Management Companies (AMC) haben sich bereits in der Vergangenheit als sinnvolles Instrument beim NPL-Abbau erwiesen, sowohl auf nationaler Ebene (zum Beispiel SAREB, NAMA) als auch im Kontext institutsindividueller Lösungen (zum Beispiel FMS Wertmanagement - HRE-Gruppe, Erste Abwicklungsanstalt - WestLB). Sie bieten den Vorteil von Skaleneffekten, einer besseren Gläubigerkoordination und einer Bündelung von Expertise. Unter bestimmten Voraussetzungen können sie damit positive Effekte auf die Bilanzbereinigung der Banken haben, unter anderem durch Optimierung der Wiedereinbringungsquoten.

Vorbehalte bei Einrichtung nationaler Asset Management Companies

Die EU-Kommission hat daher bereits in ihrer AMC-Blaupause aus dem Jahr 2018 Leitlinien für die Gründung nationaler AMC festgelegt. Dabei nennt sie insbesondere Bedingungen für eine regelkonforme Umsetzung im Sinne der EU-Vorschriften.

Auf die Möglichkeit zur Einrichtung nationaler AMC geht die EU-Kommission in ihrem aktuellen Aktionsplan erneut ein. Um die Kooperation nationaler AMC zu erhöhen, schlägt sie zudem ein grenzüberschreitendes Netzwerk nationaler AMC auf EU-Ebene vor. Eine solche Vernetzung von AMC könnte prinzipiell grenzüberschreitend zu einer besseren Allokation von NPL-Paketen, erhöhter Preistransparenz und einem besseren Erfahrungsaustausch beitragen und damit die Effektivität nationaler AMC innerhalb der EU noch weiter stärken. Der Vorstoß der EU-Kommission zur Einrichtung nationaler AMC und deren anschließender Vernetzung erscheint daher angebracht. Allerdings sind einige Vorbehalte hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung zu nennen.

So muss sichergestellt sein, dass über ein derartiges Netzwerk keine finanziellen Verflechtungen zwischen den Ländern entstehen (inklusive möglicher indirekter Gemeinschaftsfinanzierung). Denn dies würde falsche Anreize setzen und den Fokus weg von einer effizienten, zeitnahen Lösung hin zu einer politischen Debatte über Haftungsvergemeinschaftung lenken. Vor diesem Hintergrund sind auch die immer wieder aufkommenden Überlegungen hinsichtlich einer EU-weiten AMC zu sehen, die abzulehnen sind. Eine EU-weite AMC würde zudem den aktuell noch heterogenen nationalen Insolvenzordnungen sowie der Heterogenität nationaler Märkte allgemein nicht gerecht; Effizienzgewinne blieben bei einem EU-weiten "Pooling" fraglich.

Darüber hinaus darf aus der Idee eines AMC-Netzwerks keine Pflicht zur Einrichtung von AMC resultieren, da die optimale NPL-Strategie von diversen nationalen Faktoren abhängt. AMC sind generell kein Allheilmittel und müssen als Option im Rahmen einer umfassenden Strategie betrachtet werden. Auch eine Ergänzung durch weitere Maßnahmen (zum Beispiel Garantien) dürfte in den meisten Fällen erforderlich sein. In künftigen Debatten zur Umsetzung des NPL-Aktionsplans sollte daher festgehalten werden, dass die Entscheidung über nationale AMC weiterhin den Mitgliedsstaaten obliegt.

Außerdem müssen die Regeln der Europäischen Union zu staatlichen Beihilfen eingehalten werden. Dies wäre gewährleistet, wenn sich die Errichtung von AMC wie von der EU-Kommission avisiert nach der AMC-Blaupause richtet. Auch für Deutschland sollte die Einrichtung einer nationalen AMC im weiteren Verlauf der Krise als denkbare Option im Rahmen einer umfassenden Strategie erachtet werden.

Die Idee einer teilweisen Angleichung der Insolvenzordnungen in den Mitgliedsstaaten ist grundsätzlich ebenfalls gerechtfertigt: Die Divergenzen und zum Teil bestehenden Ineffizienzen werden bereits seit längerer Zeit als ein strukturelles Hindernis für den (auch grenzüberschreitenden) NPL-Abbau aufgeführt. Einheitliche Rahmenbedingungen könnten die Rechtssicherheit deutlich erhöhen und damit zu einem beschleunigten NPL-Abbau beitragen.

Verbesserung der Insolvenzrahmenwerke

Es bleibt jedoch abzuwarten, inwieweit einheitliche Mindeststandards vor dem Hintergrund unterschiedlicher Rechtsordnungen aufgrund historisch gewachsener Strukturen tatsächlich realisierbar sind.

Diesbezüglich gibt es aktuell Überlegungen, einheitliche Handlungsoptionen für Banken in den nationalen Insolvenzregelungen zu schaffen. Konkrete Vorschläge werden im Rahmen der Überarbeitung des Krisenmanagementrahmenwerks erwartet, die die EU-Kommission für Ende 2021 angekündigt hat.

Die ebenfalls von der EU-Kommission thematisierten Benchmarking-Übungen sind insoweit eine sinnvolle Ergänzung der Reformbemühungen, da hierdurch eine bessere Vergleichbarkeit der nationalen Regelungen und ein besseres Verständnis hinsichtlich etwaiger Ineffizienzen erreicht werden kann.

Dass die bestehenden Regelungen zur vorsorglichen öffentlichen Unterstützung gemäß Art. 32 Abs. 4 lit. d (i)-(iii) BRRD vom NPL-Aktionsplan unberührt bleiben, sollte an dieser Stelle ebenfalls positiv herausgestellt werden: Durch eine strikte und konsequente Anwendung der Regelungen der BRRD und des EU-Beihilferechts wird sichergestellt, dass vorsorgliche öffentliche Unterstützungen zielgerichtet und nur im Rahmen der rechtlichen Voraussetzungen gewährt werden. Das BRRD-Rahmenwerk sollte auch in Zukunft unangetastet bleiben und öffentliche Stützungsmaßnahmen müssen weiterhin den Ausnahmefall darstellen, besonders um keine falschen Anreize zu setzen. Auch vor dem Hintergrund der aktuellen Lage lehnen wir es strikt ab, das Abwicklungsrahmenwerk aufzuweichen.

Das schließt nicht aus, dass bei einer deutlichen Verschärfung der Situation hin zu einer Systemkrise vorhandene Ermessensspielräume innerhalb des bestehenden Rahmenwerkes gegebenenfalls genutzt werden könnten. Eine Diskussion darüber wäre aktuell jedoch verfrüht.

Der Vorstoß der EU-Kommission zur rechtzeitigen Vorbereitung auf einen möglichen NPL-Anstieg infolge der Covid-19-Pan demie ist sinnvoll und setzt die richtigen Impulse. Die Maßnahmenvorschläge zur Sekundärmarktförderung können zu dessen Weiterentwicklung beitragen. Auch die Einrichtung nationaler AMC und deren Vernetzung kann unter bestimmten Voraussetzungen die Effektivität von NPL-Transaktionen verbessern, sofern eine Gemeinschaftsfinanzierung ausgeschlossen, der freiwillige Charakter gewahrt und die EU-Regeln zu staatlichen Beihilfen eingehalten werden.

Rechtzeitiges Handeln entscheidend

Fortschritte mit Blick auf die Harmonisierung der Insolvenz- und Schuldeneintreibungsprozesse, deren bisherige Divergenz und teils Ineffizienz bereits seit längerer Zeit als ein wesentliches Hindernis für den (auch grenzüberschreitenden) NPL-Abbau aufgeführt werden, wären ebenfalls wünschenswert. Das BRRD-Rahmenwerk sollte jedoch unangetastet bleiben und öffentliche Stützungsmaßnahmen müssen weiterhin den Ausnahmefall darstellen, insbesondere auch, um keine falschen Anreize zu setzen.

Die Maßnahmenvorschläge müssen nun auch tatsächlich zeitnah aufgegriffen und weiterverfolgt werden. Schließlich sollten auch die Institute selbst durch eine rechtzeitige und risikogerechte Bildung von Wertberichtigungen einem Anstieg notleidender Kredite begegnen. Dies erscheint als der wichtigste Hebel, um sich für einen erneuten EU-weiten NPL-Anstieg zu wappnen und negativen Rückwirkungen auf die Realwirtschaft vorzubeugen.

Fußnoten

1) Vgl. Communication from the Commission to the European Parliament, the Council and the European Central Bank: Tackling non-performing loans in the aftermath of the COVID-19 pandemic vom 16.12.2020.

2) Vgl. "Schlussfolgerungen des Rates zum Aktionsplan für den Abbau notleidender Kredite in Europa" vom 11.07.2017.

3) Vgl. Commission Implementing Regulation (EU) No 680/2014 of 16 April 2014 laying down implementing technical standards with regard to supervisory reporting of institutions according to Regulation (EU) No 575/2013 of the European Parliament and of the Council.

4) EZB: Leitfaden für Banken zu notleidenden Krediten, März 2017.

5) EZB: Ergänzung zum EZB-Leitfaden für Banken zu notleidenden Krediten: aufsichtliche Erwartungen an die Risikovorsorge für notleidende Risikopositionen, März 2018.

6) Veröffentlichung der Verordnung (EU) 2019/630 im Amtsblatt der Europäischen Union am 25.04.2019.

7) Garanzia Cartolarizzazione Sofferenze.

8) Vgl. ECB Supervisory Banking Statistics; für den gesamten EU-Bankensektor belief sich das NPL-Volumen gem. ECB Statistical Data Warehouse im Q3 2020 auf rund 559 Milliarden Euro, verglichen mit rund 1,2 Billionen Euro Ende 2014.

9) Vgl. ECB Supervisory Banking Statistics.

10) Für eine Prognose zu Insolvenzen und Kreditausfällen vergleiche Deutsche Bundesbank, Finanzstabilitätsbericht 2020.

11) Vgl. COM (2018) 0135 final - 2018/063 (COD).

12) Das European DataWarehouse (ED) wurde 2012 gegründet und ist Teil der Asset-Backed Securities (ABS) Loan Level Data Initiative der EZB. Es handelt sich hierbei um eine zentralisierte Plattform zur Sammlung, Validierung und Bereitstellung detaillierter, standardisierter und Assetklasse-spezifischer Daten für ABS und Privatkreditportfolios, die Investoren und anderen Marktteilnehmern zur Verfügung gestellt werden; vgl. https://eurodw.eu/aboutus.

13) Vgl. https://www.ecb.europa.eu/pub/pdf/other/ecb.sfafinancialstabilityreview201711.en.pdf.

14) Vgl. https://www.debitos.com/de/news/die-bevorstehende-npl-welle-am-europaeischen-markt-beschleunigt-den-vorstoss-zur-einfuehrung-von-digitalen-trans....

15) Bei der SAREB handelt es sich um eine spanische Asset Management Company, die im November 2012 gegründet wurde. Sie war eine der Bedingungen für die Gewährung von EU-Hilfen und ist insbesondere auf notleidende Immobilien- und Bauträgerkredite ausgerichtet; vgl. https://www.sareb.es/en_US/about-us/who-we-are/about-us.

16) Bei der NAMA handelt es sich um eine 2009 gegründete irische Asset Management Company; vgl. https://www.nama.ie/about-us.

17) Vgl. Commision Staff Working Document: AMC Blueprint, COM(2018) 133 final vom 14.03.2018.

18) Vgl. EBA Report on the benchmarking of national loan enforcement frameworks (EBA/Rep/2020/ 29) vom 18.11.2020.

19) Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 zur Festlegung eines Rahmens für die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen ("Bank Re covery and Resolution Directive").

Karlheinz Walch Leiter Zentralbereich Banken und Finanzaufsicht, Deutsche Bundesbank, Frankfurt am Main
Sandra Rolfs Zentralbereich Banken und Finanzaufsicht, Deutsche Bundesbank, Frankfurt am Main
 
Karlheinz Walch , Leiter Zentralbereich Banken und Finanzaufsicht , Deutsche Bundesbank, Frankfurt am Main
Sandra Rolfs , Zentralbereich Banken und Finanzaufsicht, Deutsche Bundesbank, Frankfurt am Main

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