Vom Nutzen der Hausbank für mittelständische Unternehmen

Uwe Baust, Foto: SSK Düsseldorf

Die Bestandsaufnahme des Autors klingt nüchtern. Auch im Firmenkundengeschäft wollen Fintechs den Markt erobern. Unternehmen können heute über diverse digitale Kanäle ihre Finanzierungen tätigen. Das lässt den Wettbewerb im Firmenkundengeschäft rasant wachsen. Die teilweise langen Geschäftsbeziehungen der Banken und Sparkassen zu Unternehmen werden hinterfragt. Doch trotz dieser schärferen Wettbewerbsbedingungen zeigt sich der Autor zuversichtlich, das etablierte Hausbankenprinzip zu erhalten. Denn angesichts der komplexen Anforderungen der Unternehmen an ein Kreditinstitut - angefangen vom Zahlungsverkehr über die Finanzierungsseite und weitere Dienstleistungen wie das Auslandsgeschäft, die Unternehmensgründung, den An- und Verkauf von Unternehmensteilen bis hin zur Nachfolgeregelung - sieht er die moderne Firmenkundenbeziehung ganz wesentlich als Beratungsgeschäft. Seine These: Digitale Techniken können unterstützend wirken, sie ersetzen aber nicht die Firmenkundenberatung. (Red.)

Mit dem Aufkommen von Fintechs wird seit einigen Jahren die Frage diskutiert, ob Kreditinstitute nach herkömmlichem Muster überhaupt noch gebraucht werden. Werden nicht in Zukunft digitale Plattformen die Funktion als Intermediäre übernehmen und somit das Ende der traditionellen Kreditwirtschaft einläuten? Einer der bekanntesten Vordenker des digitalen Wandels in Deutschland, Christoph Keese, hat diese Ansicht in seinen Büchern und Vorträgen immer wieder bekräftigt.1) In vielen Zeitschriften und in den Tagesmedien findet diese These viele Unterstützer. In einer Beilage des Handelsblatt zum Thema Mittelstandsfinanzierung ist ein Beitrag überschrieben: "Mit einem Mausklick - Kein Mittelständler, der Geld braucht, muss heutzutage noch zur Bank gehen. Eine Vielzahl von Online-Plattformen bietet ein breites Spektrum an Finanzinstrumenten an."2)

Digitalisierung kein Ersatz für eine Beratungsleistung

Es ist korrekt, dass Finanzierungen heute über digitale Kanäle von zahlreichen Anbietern ermöglicht werden. Auch Unternehmen jeglicher Größe können hierauf zurückgreifen. Es ist aber falsch, die Beziehung von Unternehmenskunde und Kreditinstitut auf den Aspekt der Finanzierung zu reduzieren. Tatsächlich umfasst das Angebot einer Sparkasse/Bank ein ganzes Bündel von Produkten und Dienstleistungen, die erst in der Gesamtheit einen Mehrwert für das Unternehmen bietet. Mit zunehmender Größe des Unternehmens steigt der Beratungsbedarf, der über die ausschließliche Thematik der Finanzierung deutlich hinausgeht. Hier bieten Fintechs und andere Vertreter einer digitalen Plattformökonomie nichts Vergleichbares an!

Prognosen von vermeintlichen Experten, wonach digitale Marktführer wie Amazon oder Google und Fintechs das Geschäft der Banken übernehmen und die altehrwürdige Branche sich in Luft auflösen wird, finden bisher keine Bestätigung. Richtig ist: die Digitalisierung wird die Kreditwirtschaft verändern. Technische Innovationen haben immer wieder zu Anpassungen und Weiterentwicklungen von Geschäftsmodellen und strategischen Ausrichtungen in der Vergangenheit geführt: Der Geldausgabeautomat, die Einführung der EDV, das Online-Banking oder die Etablierung des Internets - diese Neuerungen haben den Bankbetrieb ebenso verändert wie das Verhalten der Kunden. Die Einführung digitaler Techniken ist hier ein weiterer Innovationsschub. Es ist davon auszugehen, dass die digitalen Techniken Standardprozesse und Servicedienstleistungen, die heute noch von Mitarbeitern verrichtet werden, künftig übernehmen werden. Die Beratungsdienstleistung eines Mitarbeitenden gegenüber einem Unternehmen bleibt hiervon unberührt.

Zahlen im Kreditgeschäft: kein Trend zu digitalen Plattformanbietern

In einer Studie der Beratungsgesellschaft SSC Management Consult aus dem Jahr 2017 heißt es: "Die in Deutschland aktiven Fintechs bieten Produkte mit geringem Erklärungsbedarf an und konzentrieren sich auf Geschäfts- und Gewerbekunden mit einem Gesamtobligo von bis zu 100 000 Euro".3) In vielen Kreditinstituten ist dies eine Größenordnung, die klassischerweise vom Retail- Bereich abgedeckt und nicht im Kern des Firmenkundengeschäfts steht. Aktuelle Zahlen zur geschäftlichen Entwicklung von Fintechs lassen bei der Unternehmensfinanzierung Zweifel am Erfolg von Fintechs in diesem Segment aufkommen: Der Crowdinvest Marktreport 2018 belegt ein Gesamtfinanzierungsvolumen für Unternehmen seit 2011 in Höhe von 261,4 Millionen Euro. In 2018 betrug es 80,4 Millionen Euro, eine Steigerung von 26,3 Prozent im Vergleich zu 2017. Diese Zahlen lassen nicht ein stürmisches Wachstum von Fintechs im Bereich der Unternehmensfinanzierung erwarten. Auch das Kreditvermittlungsgeschäft verläuft eher verhalten. Der börsennotierte Frankfurter Mittelstandsfinanzierer Creditwirtschaft hat im ersten Halbjahr 2019 Kredite in Höhe von 35,8 Millionen Euro vermittelt. Das ist zwar eine Steigerung um 132 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum, bleibt aber dennoch überschaubar. Zumindest belegen diese Zahlen, dass die Unternehmen in Deutschland weiterhin auf ihre traditionellen Hausbankbeziehungen setzen. Ein Trend hin zu Fintechs lässt sich im Firmenkundengeschäft bislang nicht belegen.4)

Dieser Befund kommt nicht überraschend. In Deutschland zählten nach Angaben des Instituts für Mittelstandsforschung in Bonn im Jahr 2017 rund 3,47 Millionen Unternehmen zu dem Segment der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU). Zu den KMU werden alle Unternehmen mit einem Jahresumsatz von bis zu 50 Millionen Euro gerechnet. Das waren 99,5 Prozent aller Unternehmen mit einem Umsatz aus Lieferungen und Leistungen und/oder sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Deutschland.

Bei mittelständischen Unternehmen Hausbankprinzip bestätigt

Eine Untersuchung der KfW aus diesem Jahr kommt zu wichtigen Aussagen zur Verbindung des Mittelstands zum Bankensektor.5) Nach Auswertung der einschlägigen Daten ist das "Hausbankprinzip" im mittelständischen Unternehmen weit verbreitet. 93 Prozent aller Unternehmen pflegen das "Hausbankprinzip". Die Geschäftsverbindung ist mit einer durchschnittlichen Dauer von 20 Jahren äußerst beständig. Gelebte Kundenverbindungen über Generationen sind keine Seltenheit, sondern sind häufig die Regel. Trotz - vielleicht auch wegen des kontinuierlichen Strukturwandels in der Bankenbranche - suchen die Unternehmer den persönlichen Kontakt.

Die Zahlen der KfW belegen: Etwa 2,44 Millionen Mittelständler suchen mindestens einmal im Jahr den Kontakt zum Berater, im Durchschnitt je Unternehmen fast viermal! Neun von zehn aller Geschäftstermine fanden bei einer Hausbankfiliale statt. Je länger die Geschäftsbeziehung besteht, desto häufiger suchen die Unternehmen die Filiale auf. Bei der Nutzung von Fremdkapital nimmt die Hausbank eine prägende Rolle ein: Durchschnittlich 80 Prozent des Kreditvolumens eines mittelständischen Unternehmens entfällt auf die Hausbank. Über die Hälfte aller Unternehmen haben Kredite ausschließlich bei ihrer Hausbank.

Mit steigender Unternehmensgröße wächst die Zahl der Geschäftsbeziehungen zu mehreren Kreditinstituten. Bei großen Mittelständlern - unabhängig von der Branche - sind es lediglich 16 Prozent der Unternehmen, die das Geschäft nur bei einer einzigen Bank abwickeln. Die Studie der KfW belegt: Trotz deutlich diversifizierter Geschäftsbeziehungen zu Kreditinstituten besteht die Hausbankbeziehung bei größeren Unternehmen länger. Und je länger die Hausbankbeziehungen gelebt werden, desto häufiger sind die direkten Geschäftskontakte. Trotz aller Veränderungen in der Kreditwirtschaft in den letzten 20 Jahren hat sich die Struktur der Kundenverbindung zwischen Unternehmen und dem einzelnen Kreditinstitut nur wenig gewandelt. Es gibt aktuell keine Erkenntnis, dass die Digitalisierung diese festen Geschäftsbeziehungen auflösen wird!

Vertrauensbasis

Das Hausbankprinzip hat sich bis heute bewährt! Und aus gutem Grund: Geschäftsbeziehungen zwischen einem Unternehmen und einem Kreditinstitut basieren auf Vertrauen; Vertrauen auf Kompetenz, Fachlichkeit und Ergebnisorientierung. Hierbei spielt die Persönlichkeit der handelnden Berater die entscheidende Rolle. Die Finanzmarktkrise 2007/2008 hat wider Erwarten die Beziehung zwischen Mittelständlern und ihrer Hausbank gestärkt. Die Ereignisse der Jahre 2007/2008 mit ihren Folgen haben das Image der Kreditinstitute schwer beschädigt, nicht aber das Hausbankprinzip.

Gerade in den Krisenjahren und der nachfolgenden schweren Rezession haben die Unternehmen über ihren Berater viel Unterstützung erfahren. Das hat das positive Bild von der Hausbank bestätigt und gestärkt. Es sind vier Aspekte, die das Prinzip einer Hausbank beschreiben:

1. Exklusivität: In der Hausbankbeziehung führt ein Kreditinstitut den größten Teil der Kreditfinanzierung und anderer Dienstleistungen für ein Unternehmen durch. Nebenbankverbindungen, zum Beispiel für spezielle Dienstleistungen und Produkte, sind ergänzende Bankverbindungen, die aber am Status der Hausbank nicht rütteln.

2. Langfristigkeit: Die Geschäftsbeziehung ist zeitlich nicht auf einen Endpunkt terminiert. Sie ist letztlich auf Dauer angelegt.

3. Verantwortlichkeit: Die Hausbank trägt gegenüber dem Unternehmen eine besondere Verantwortung für dessen Finanzierung, aber ebenso für die Lieferung weiterer Dienstleistungen.

4. Informationsvorteil: Intensität und Dauer einer Geschäftsbeziehung sichern der Hausbank einen Informationsvorsprung gegenüber anderen Kreditinstituten. Dieser erwächst aus dem gegenseitigem Verständnis und der Kenntnis über die Geschäftsziele und strategische Ausrichtung des Unternehmens.

Die Hausbank als Problemlöser

Die Anforderungen, die heute Unternehmen an ein Kreditinstitut stellen, sind komplex und wachsen mit der Umsatzgröße. Sie umfassen den Zahlungsverkehr, die Finanzierungsseite, aber auch weitere Dienstleistungen wie das Auslandsgeschäft, die Unternehmensgründung, An- und Verkauf von Unternehmensteilen oder die Nachfolgeregelung.

Schon diese Aufzählung zeigt: Ein Unternehmen braucht die sachkundige Begleitung eines erfahrenen Beraters in einem breiten Themenfeld. Vor diesem Hintergrund ist auch das Bild des Intermediärs von einem Kreditinstitut heute nicht mehr zeitgemäß. Das Firmenkundengeschäft ist heute ganz wesentlich Beratungsgeschäft, das am Ende zu einem konkreten Geschäftsabschluss führt. Hier können digitale Techniken unterstützend wirken, sie ersetzen aber nicht die Beratung!

Zwei Beispiele sollen diesen Sachverhalt aufhellen. Traditionell steht der Kredit an der Spitze der Finanzierungsmittel der mittelständischen Unternehmen in Deutschland. Bis heute spielt der Kapitalmarkt - insbesondere bei Unternehmen mit einer Umsatzgröße von bis zu 50 Millionen Euro - so gut wie keine Rolle. Für mittelständische Unternehmen können Factoring und Leasing sinnvolle Elemente eines richtigen Finanzierungsmixes sein und den Kreditbedarf reduzieren. Leasingkonstruktionen können eine flexible und liquiditätsschonende Finanzierungsquelle für fast alle mobilen Investitionsgüter sein. Damit sollten beide Instrumente ein fester Bestandteil beim ganzheitlichen Finanzierungsmix sein. Wie das Zusammenspiel der verschiedenen Finanzierungsformen optimal gestaltet werden kann, ist Aufgabe des Firmenkundenberaters.

Öffentliche Fördermittel als Baustein im Finanzkonzept

Öffentliche Fördermittel können ebenfalls ein wichtiger Baustein im maßgeschneiderten Finanzkonzept eines Unternehmens sein. Die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) und die landeseigenen Förderbanken stellen für viele Investitionsvorhaben attraktive Programme zur Verfügung, die über die Hausbank abgerufen werden können. Auch hier ist der Kundenberater die zentrale Stelle, um eine optimale Lösung zu strukturieren.

Ein zweites Beispiel ist das Auslandsgeschäft. Verschiedene Studien belegen, dass der deutsche Mittelstand trotz Handelskonflikte und wachsender geopolitischer Spannungen weiter auf die Expansion in ausländische Märkte setzt. Selbstverständlich beobachten viele Unter nehmen mit Sorge protektionistische Entwicklungen im Welthandel. Aber einen Rückzug aus dem internationalen Geschäft sehen die Unternehmen als Alternative nicht. Unterstützung und Hilfe erwarten viele Unternehmen von ihrer Hausbank bei der Bewältigung operativer Probleme. Benannt werden dabei in erster Linie die Beurteilung von Risiken bei internationalen Geschäften, Informationen über Auslandsmärkte sowie Absicherungen und Finanzierungen von Exportgeschäften.

Sparkassen können für mittelständische Unternehmen aller Größenordnungen alle Produkte und Dienstleistungen darstellen, um sie im Ausland zu begleiten. Da sind zum einen die eigenen Korrespondenzbanken im Ausland, aber auch die, die im Rahmen der S-Finanzgruppe miteinander kooperieren. Dank dieser Kontakte verfügt die Stadtsparkasse Düsseldorf über ein Netz zu weltweit 2 000 Korrespondenzbanken in 170 Ländern.

Als exportorientierte Volkswirtschaft bleiben ausländische Märkte für die Unternehmen in Deutschland ganz wichtige Adressen für Produkte und Dienstleistungen. Eine wichtige Voraussetzung sind hierfür Kreditinstitute, die die Firmenkunden auf diese Märkte mit ihrem Knowhow begleiten. Zur Hausbank gibt es da keine Alternative!

Fußnoten

1) Christoph Keese: Silicon Valley: Was aus dem mächtigsten Tal der Welt auf uns zukommt.

2) Handelsblatt vom 21. September 2018

3) Fintechs ohne Chance im Firmenkundengeschäft? Empirische Studie 2016/2017

4) Crowdinvest Marktreport 2018, Deutschland, S. 4, vgl. auch die Artikel in der Börsen-Zeitung vom 3./4. Oktober 2019: "Schwarmfinanzierer konsolidieren"; und vom 22. November 2019: "Creditshelf schraubt Erwartungen herunter".

5) KfW Research vom 26. Februar 2019: "Mittelstand mit großer Treue zur Hausbank"; und KfW Research vom 1. August 2019: "Persönlich oder digital? Kommunikation zwischen Mittelstand und Banken im Lichte von Filialrückbau und Digitalisierung".

Uwe Baust Mitglied des Vorstands, Stadtsparkasse Düsseldorf
Uwe Baust , Mitglied des Vorstands , Stadtsparkasse Düsseldorf
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